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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.01.2007
Aktenzeichen: 15 W 107/07
Rechtsgebiete: BGB, PStG


Vorschriften:

PStG § 45
BGB § 1618
Nach dem Ableben des leiblichen Elternteils ist dessen Einwilligung in die Namenserteilung gemäß BGB § 1618 S 1 nicht (mehr) erforderlich, so dass diese auch nicht gemäß BGB § 1618 S 3 und 4 ersetzt werden muss (Anschluss an BayObLG NJOZ 2005, 259; OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 366; OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 1443; gegen OLG Zweibrücken NJWE-FER 1999, 248).
Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.)

Die Beteiligte zu 2) wurde am 09.02.1987 als eheliche Tochter der Beteiligten zu 1) und deren damaligem Ehemann geboren. Letzterer ist 1995 verstorben. Die Beteiligte zu 1) hat 2002 erneut geheiratet, wobei ihr Geburtsname zum Ehenamen bestimmt wurde. Durch Erklärung vom 06.06.2002 haben die Eheleute der Beteiligten zu 2) ihren Ehenamen erteilt.

Das zuständige Familiengericht hat eine Ersetzung der Zustimmung des verstorbenen Kindesvaters zu der Einbenennung für nicht erforderlich gehalten. Der Standesbeamte hat Zweifel, ob ohne eine ersetzende Entscheidung des Familiengerichts die Einbenennung dem Geburtseintrag beigeschrieben werden kann. Er hat deshalb die Sache dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Amtsgericht hat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung den Standesbeamten angewiesen, die Erteilung des Familiennamens ohne die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung des verstorbenen Kindesvaters dem Geburteneintrag beizuschreiben. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) hat das Landgericht zurückgewiesen, wogegen sich der Beteiligte zu 3) mit der sofortigen weiteren Beschwerde wendet.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 PStG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 4) ergibt sich unmittelbar aus § 49 Abs.2 PStG, ohne dass es auf eine Beschwer ankäme.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung stand.

Gegenstand der gemäß § 45 Abs.2 PStG zulässigen Zweifelsvorlage des Standesbeamten ist die Frage, ob auf Grund der Erklärungen vom 06.06.2002 eine Eintragung im Geburtenbuch vorzunehmen ist (§ 31a Abs.1 S. 1 Nr. 6, Abs.2 S.2 2 Halbs. 1 PStG). Durch die nach § 1618 BGB zur sog. Einbenennung erforderlichen Erklärungen wird bei Vorliegen aller Wirksamkeitsvoraussetzungen die Namensänderung beim Kind unmittelbar herbeigeführt; die spätere Eintragung als Randvermerk im Geburtenbuch hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BayObLG NJOZ 2005, 259, 260 m.w.N.). Die hier zu treffende Entscheidung hängt also davon ab, ob zur Wirksamkeit der Einbenennung neben den Erklärungen der Beteiligten zu 1) und ihres Ehemannes sowie der Beteiligten zu 2) (§ 1618 S. 3 BGB) eine die Einwilligung des verstorbenen Vaters ersetzende Entscheidung des Familiengerichts entsprechend § 1618 S. 4 BGB notwendig ist.

Diese Frage wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird eine Ersetzungsentscheidung des Familiengerichts entsprechend § 1618 S. 4 BGB als Voraussetzung der Wirksamkeit der Namenserteilung nach dem Tod des anderen Elternteils für erforderlich gehalten (vgl. OLG Zweibrücken, NJWE-FER 1999, 248 = FamRZ 1999, 1372).

Der Senat hat die Frage in seinem Beschluss vom 13.04.2000 (StAZ 2000, 213 = RPfleger 2000, 388 = FGPrax 2000, 190) angesprochen, ohne sie dort entscheiden zu müssen. An der dort geäußerten vorläufigen Bewertung hält der Senat nicht fest, er schließt sich vielmehr der h.M. an, nach der eine Ersetzungsentscheidung in dieser Fallkonstellation nicht in Betracht kommt (vgl. BayObLGZ 2002, 288; NJOZ 2005, 259; OLG Zweibrücken - 5. Zivilsenat - FamRZ 2000, 696; OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 366; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2001, 1443; Staudinger/Coester, BGB, Bearb. 2000, § 1618 Rdnr. 24;, MünchKomm-BGB- v. Sachsen Gessaphe, 4.Aufl., § 1618 Rdnr. 18; Bamberger/Roth/Enders, BGB, § 1618 Rdnr. 5; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1618 Rdnr. 19). Maßgebend hierfür sind die folgenden Überlegungen:

Richtig ist, worauf der 3.Zivilsenat des OLG Zweibrücken (NJWE-FER 1999, 248) im Kern abgestellt hat, dass der nicht sorgeberechtigte Elternteil ein im Grundsatz schutzwürdiges Interesse haben kann, dass die Namensidentität auch nach seinem Tod erhalten bleibt. Nicht mehr zu teilen vermag der Senat hingegen die Einschätzung, dass auch der Schutz eines derartigen Interesses noch vom Gesetz umfasst ist.

Nach insoweit übereinstimmender Auffassung wollte der Gesetzgeber allein das Interesse des nicht sorgeberechtigten Elternteils an der tatsächlichen Namensübereinstimmung, "das namensrechtliche Band" zwischen Elternteil und Kind schützen (BTDrs. 13/4899 S.92), was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Zustimmung nach § 1618 S.3 BGB nur erforderlich ist, wenn der nicht sorgeberechtigte Elternteil diesen Namen auch tatsächlich noch führt. Zu Recht wird aus dieser Funktion des Zustimmungsvorbehalts gefolgert, dass nur die aktuelle, tatsächlich erlebte Identität der Namen auf Seiten des nicht sorgeberechtigten Elternteils durch das Gesetz geschützt wird, sich die Schutzfunktion also mit dessen Tod erledigt (so u.a. v. Sachsen Gessaphe; Coester jeweils a.a.O.).

Weiter ist zu berücksichtigen, dass § 1618 S.3 BGB das verfassungsrechtlich relevante Spannungsverhältnis zwischen dem Kindeswohl auf der einen und dem verbliebenen Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils auf der anderen Seite regelt. Dementsprechend setzt die familiengerichtliche Ersetzung der Zustimmung im Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung voraus (BGH NJW 2002, 300f). Ist der nicht sorgeberechtigte Elternteil verstorben, so ist aber auf seiner Seite ein abwägungsrelevantes Interesse kaum mehr vorstellbar. Es besteht daher die Gefahr, dass sich das familiengerichtliche Verfahren auf eine sinnentleerte Formalität oder die Prüfung beschränkt, ob die Einbenennung im Einzelfall dem Kindeswohl entspricht, was das Gesetz jedoch unwiderlegbar vermutet. Die vom OLG Zweibrücken (a.a.O.) erwogene Einbeziehung berechtigter Interessen, die sich aus der Namensführung selbst ergeben, müsste im Ergebnis auf einen Schutz von Interessen von Angehörigen des verstorbenen Elternteils hinauslaufen. Deren Wahrnehmung liegt nach Auffassung des Senats jedoch außerhalb des dargestellten Schutzzwecks der gesetzlichen Vorschrift. Damit stimmt überein, dass es sich bei der in § 1618 S. 3 BGB geforderten Einwilligung nach allgemeiner Meinung um einen höchstpersönlichen Akt handelt, der weder durch einen Stellvertreter noch durch den Rechtsnachfolger erklärt werden kann (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.; Coester a.a.O. Rdnr. 25, § 1617 Rdnr. 26; v. Sachsen Gessaphe a.a.O. Rdnr. 18; Diederichsen a.a.O. Rdnr. 11).

Zu Recht haben die Vorinstanzen danach eine familiengerichtliche Ersetzung der Zustimmung des verstorbenen Kindesvaters für entbehrlich gehalten, so dass die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen war. Die hierin liegende Abweichung von der o.a. Entscheidung des 3.Zivilsenats des OLG Zweibrücken ermöglicht keine Vorlage gemäß § 28 Abs.2 FGG. Denn der XII. Zivilsenat des BGH, der auch über eine Vorlage des Senats zu entscheiden hätte, hat in einer jüngeren Entscheidung (FGPrax 2004, 282) den Standpunkt vertreten, in Ansehung der Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG sei eine jüngere Entscheidung eines anderen Senats desselben OLG auch dann maßgeblich, wenn diese nicht in einem Rechtsbeschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen ist. Trotz der berechtigten Bedenken (vgl. Lorbacher FGPrax 2004, 283 f.) gegen diese Auffassung, die die erfolgreiche Fortführung des bewährten Vorlageverfahrens nach § 28 Abs. 2 FGG gefährdet, sieht der Senat von einer erneuten Vorlage an den BGH ab, die ohnehin nur zu einer Verwerfung als unzulässig und damit zu einer vermeidbaren Verfahrensverzögerung führen würde.

Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist entbehrlich. Gleiches gilt mit Rücksicht auf die Gebührenbefreiung des Beteiligten zu 3) hinsichtlich einer Festsetzung des Gegenstandswertes.

Ende der Entscheidung

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