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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.04.2004
Aktenzeichen: 15 W 109/04
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 28
BGB § 242
BGB § 426 Abs. 1
1) Einem Wohnungseigentümer, der einen Gläubiger der Gemeinschaft im Außenverhältnis befriedigt, steht im Innenverhältnis ein Erstattungsanspruch gegen die übrigen Miteigentümer nach Maßgabe des Kostenverteilungsschlüssels zu, sofern die Erstattung nicht aus gemeinschaftlichen Mitteln geleistet werden kann.

2) Der Einwand, Direktzahlungen an Gläubiger erschwerten das Rechnungswesen der Gemeinschaft, kann auch unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB von demjenigen Miteigentümer nicht mit Erfolg erhoben werden, der durch Nichtzahlung von ihm geschuldeter Wohngeldbeiträge selbst zur Liquiditätskrise der Gemeinschaft beiträgt.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 109/04 OLG Hamm

In der Wohnungseigentusmsache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 26. April 2004 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 05. Januar 2004 gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 09. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 2) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Er hat die in dieser Instanz den Beteiligten zu 1) entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 1.113,57 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind die zerstrittenen Miteigentümer der vorbezeichneten Wohnungseigentumsanlage; der Beteiligte zu 6) ist der gegenwärtige Verwalter. Der Beteiligte zu 2) ist Eigentümer der Wohnungseigentumseinheiten Nr. 2 und 5 mit Miteigentumsanteilen von insgesamt 315,616/1.000 stel.

Die Verwaltung der Anlage wird dadurch erschwert, daß die Wohnungseigentümer trotz entsprechender Beschlußfassungen über Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen weitgehend keine Wohngelder an den Beteiligten zu 6) zahlen. Dementsprechend standen ihm im Jahre 2002 keine Geldmittel zur Verfügung, um fällige städtische Gebühren entrichten sowie an den Versorgungsträger E geschuldete Zahlungen erbringen zu können. Am 23.07.2002 zahlten die Beteiligten zu 1) an die E einen Abschlag von 1.000,00 Euro für rückständige Forderungen aus der Lieferung von Wasser, Gas und Strom zur Vermeidung einer Liefersperre. Ferner wurden sie mit Bescheid des Steueramtes der Stadt E1 vom 15.08.2002 für Abwasser-, Straßenreinigungs- und Abfallbeseitigungsgebühren für die gesamte Anlage für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis zum 30.06.2002 in Höhe von 2.468,24 Euro herangezogen, und zwar als Gesamtschuldner neben den übrigen Wohnungseigentümern. Auf eine unter Androhung der Verwaltungsvollstreckung erfolgte Mahnung der Stadtkasse vom 10.10.2002 zahlten die Beteiligten zu 1) den angemahnten Betrag von inzwischen 2.528,24 Euro am 14.10.2002.

In dem vorliegenden Verfahren nehmen die Beteiligten zu 1) den Beteiligten zu 2) auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch, und zwar in Höhe der Summe seiner Miteigentumsanteile mit einem Gesamtbetrag von 1.113,57 Euro nebst Zinsen.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Antrag im wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, die Beteiligten zu 1) versuchten zum Schaden der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Nebenverwaltung zu installieren, indem sie, statt die entsprechenden Beträge dem Beteiligten zu 6) als Verwalter zur Verfügung zu stellen, unmittelbar an Gläubiger der Gemeinschaft Zahlungen leisteten, um so einen Vorwand zu haben, ihn, den Beteiligten zu 2), außerhalb des Rechnungswesens der Gemeinschaft auf Ausgleich gerichtlich in Anspruch nehmen zu können.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 21.02.2003 dem Antrag stattgegeben.

Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12.03.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat in öffentlicher Sitzung vom 09.09.2003 vor der vollbesetzten Zivilkammer mit den Beteiligten mündlich verhandelt und durch Beschluß vom selben Tage unter Berücksichtigung einer Antragsteilrücknahme der Beteiligten zu 1) hinsichtlich des Zinsanspruchs die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2), die er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 05.01.2004 bei dem Landgericht eingelegt hat.

Die Beteiligten zu 1) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) folgt bereits daraus, daß seine sofortige erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) ausgegangen. Den Beteiligten zu 1) steht auch die Befugnis zu, den von ihnen geltend gemachten Erstattungsanspruch in eigenem Namen im Verfahren nach dem WEG zu verfolgen. Denn es handelt sich hier nicht um einen allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehenden Anspruch auf Beitragsleistung zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums, den nach anerkannter Auffassung ein einzelner Wohnungseigentümer gerichtlich nur gelten machen kann, wenn er dazu durch Beschlußfassung der Eigentümerversammlung ermächtigt ist (BGHZ 111, 148 = NJW 1990, 2386). Vielmehr handelt es sich hier um einen persönlichen Ausgleichsanspruch, der den Beteiligten zu 1) zusteht, nachdem sie von Gläubigern der Wohnungseigentümer im Außenverhältnis auf eine Leistung über das ihrem Anteil entsprechende Verhältnis hinaus in Anspruch genommen worden sind. Einen darauf beruhenden persönlichen Rückgriffsanspruch können die Beteiligten zu 1) in eigenem Namen im Verfahren nach dem WEG verfolgen (BGH NJW 1985, 912; KG OLGZ 1991, 172 = NJW 1991, 402).

Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.

Der von den Beteiligten zu 1) geltend gemachte Ausgleichsanspruch findet seine rechtliche Grundlage in § 426 Abs. 1 BGB. Danach sind Gesamtschuldner in ihrem Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Daraus folgt, daß ein Gesamtschuldner, der eine im Außenverhältnis bestehende Verbindlichkeit gegenüber einem Gläubiger erfüllt, von den übrigen Gesamtschuldnern eine Erstattung nach Maßgabe der im Innenverhältnis bestehenden Haftungsanteile verlangen kann. Diese Vorschrift gilt auch im Verhältnis von Wohnungseigentümern. Denn diese haften für Verbindlichkeiten, die die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betreffen, im Außenverhältnis als Gesamtschuldner (§ 427 BGB). Dies gilt nicht nur für privatrechtliche Versorgungsverträge, sondern auch für öffentlich-rechtliche Gebührenansprüche (MK/BGB-Engelhardt, 4. Aufl., § 16, Rdnr. 1). Die Haftungsanteile der Wohnungseigentümer in ihrem Innenverhältnis bestimmen sich nach dem im Gemeinschaftsverhältnis geltenden Kostenverteilungsschlüssel, der entweder durch Vereinbarung oder Teilungserklärung bestimmt ist oder sich gem. § 16 Abs. 2 WEG nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile richtet. Dementsprechend kann jeder Wohnungseigentümer, der eine im Außenverhältnis bestehende Verbindlichkeit erfüllt, die übrigen Miteigentümer auf Ausgleich im Umfang des von ihnen jeweils gem. dem Kostenverteilungsschlüssel zu tragenden Anteils in Anspruch nehmen (BGH NJW 1985, 912; OLG Stuttgart OLGZ 1986, 32; KG a.a.O.; OLG Köln NZM 1999, 972). Die Berechnung der Höhe des danach gem. der Summe der von ihm gehaltenen Miteigentumsanteile (315,616/1.000 stel) zu erstattenden Anteils mit 1.113,57 Euro ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde ist die Geltendmachung eines direkten Ausgleichsanspruchs durch die Beteiligten zu 1) hier nicht durch das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer ausgeschlossen. Da es sich um Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums handelt, sind die in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer allerdings berechtigt, im Rahmen ihres Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG) den in Vorlage getretenen Wohnungseigentümer auf die Befriedigung aus den gemeinschaftlichen Mitteln zu verweisen, um eine gemeinschaftliche Aufbringung der Mittel im Rahmen des § 28 WEG (Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung) zu gewährleisten (Senat OLGZ 1994, 22, 24 und 1994, 134, 137; OLG Köln a.a.O.). Eine darauf abzielende Einwendung des auf Ausgleichung in Anspruch genommenen Wohnungseigentümers kann jedoch nicht durchgreifen, wenn eine Befriedigung des in Vorlage getretenen Wohnungseigentümers aus gemeinschaftlichen Mitteln nicht realisierbar ist. So liegen die Dinge hier.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat zwar die Eigentümerversammlung die erforderlichen Beschlüsse zur gemeinschaftlichen Mittelaufbringung gefaßt (Genehmigung des Wirtschaftsplans und der Jahresabrechnung 2002). Da die daraus resultierenden Beitragsansprüche von den Wohnungseigentümern jedoch weitgehend nicht erfüllt worden sind, steht im Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft tatsächlich kein Betrag zur Verfügung, aus dem die Vorleistung der Beteiligten zu 1) gedeckt werden könnte. In welchem Umfang Wohngeldrückstände der einzelnen Wohnungseigentümer bestehen, hat das Landgericht im einzelnen nicht festgestellt. Fest steht jedenfalls, daß der Beteiligte zu 2) die auf seine beiden Wohnungen entfallenden Wohngeldbeiträge nicht erbracht hat und von dem Beteiligten zu 6) insoweit bislang vergeblich auf Zahlung in Anspruch genommen wird. Trägt der Beteiligte zu 2) somit selbst maßgeblich zur Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschaft bei, kann er sich nicht mit Erfolg auf die Vorrangigkeit des gemeinschaftlichen Rechnungswesens berufen. Dies gilt auch insoweit, als er den Beteiligten zu 1) ansinnen will, Zahlungen zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen bzw. Liefersperren des Versorgungsträgers zunächst an den Verwalter zu erbringen, damit dieser sie an den jeweiligen Gläubiger weiterleiten könne. In diesem Zusammenhang wird übersehen, daß die Beteiligten zu 1) nicht verpflichtet sind, über die von ihnen nach dem Wirtschaftsplan geschuldeten Beiträge hinaus Mittel an den Verwalter zu zahlen. Da solche Mittel erst im Zusammenhang mit der Jahresabrechnung ausgeglichen werden könnten, liefe dies auf eine Kreditierung des von dem Beteiligten zu 2) zu tragenden Beitragsanteils bis zu dem Ungewissen Zeitpunkt hinaus, in dem ein in der Jahresabrechnung zu seinen Lasten ausgewiesener Anspruch auf Nachzahlung im Wege gerichtlicher Geltendmachung und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen bei dem Beteiligten zu 2) realisiert werden könnte. Dazu sind die Beteiligten zu 1) jedoch nicht verpflichtet. Hinzu kommt, daß die Beteiligten zu 1) nicht berechtigt wären, dem Beteiligten zu 6) bindende Vorgaben für die Verwendung von Beitragsleistungen zu machen. Die Beteiligten zu 1) müßten also damit rechnen, daß der Beteiligte zu 6) bei ihm eingezahlte Beträge anderweitig als von ihnen vorgesehen (etwa zur Abdeckung seines eigenen Verwalterhonorars) verwendet und somit der Gläubiger, dessen Forderung sie erfüllen wollen, gleichwohl nicht befriedigt wird. Mögen Direktzahlungen von Wohnungseigentümern an einzelne Gläubiger die Durchführung des Rechnungswesens der Gemeinschaft auch erschweren, so kann derjenige keine Rechte daraus herleiten, der - wie der Beteiligte zu 2) - selbst durch Nichtzahlung von ihm geschuldeter Wohngeldbeiträge zur Liquiditätskrise der Gemeinschaft maßgebend beiträgt.

Im übrigen hat das Landgericht festgestellt, daß keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Beteiligten zu 1) etwa ihre Inanspruchnahme als Gesamtschuldner durch die Stadtkasse bzw. die E provoziert hätten. Diese Feststellung ist rechtsfehlerfrei, weil der Beteiligte zu 2) seine Behauptung in den Tatsacheninstanzen, die Beteiligten zu 1) hätten ihre Zahlungen den Gläubigern der Gemeinschaft geradezu aufgedrängt, nicht mit konkreten Tatsachen unterlegt hat. Die materielle Feststellungslast liegt insoweit bei dem Beteiligten zu 2), der aus einem bestimmten Verhalten der Beteiligten zu 1) den Einwand des Rechtsmißbrauchs herleiten will. Konkrete Beanstandungen werden insoweit auch von der weiteren Beschwerde nicht erhoben.

Da die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg bleibt, entspricht es billigem Ermessen, daß der Beteiligte zu 2) die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz zu tragen hat (§ 47 S. 1 WEG).

Darüber hinaus hält es der Senat für angemessen, den Beteiligten zu 2) auch mit den den Beteiligten zu 1) im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu belasten (§ 47 S. 2 WEG). Grundsätzlich haben zwar die Beteiligten im Verfahren nach dem WEG ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz gerechtfertigt erscheinen lassen. Denn das Landgericht hat seine Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausführlich begründet. Die weitere Beschwerde hat keine Gesichtspunkte aufzeigen können, die die Entscheidung des Landgerichts ernstlich hätte in Zweifel ziehen können. Unter diesen Umständen entspricht es billigem Ermessen, daß der Beteiligte zu 2) auch die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, die er durch sein Rechtsmittel veranlasst hat.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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