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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.05.2000
Aktenzeichen: 15 W 158/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1897
BGB § 1908 b
Leitsatz:

Bei der Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung sind hinsichtlich der Auswahl der Person des Betreuers die Vorschriften über die Neubestellung (§ 1897 BGB) und nicht die über die Entlassung (§ 1908 b BGB) anzuwenden.


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

15 W 158/00 OLG Hamm 7 T 567/99 LG Essen 77 XVII K 385 AG Essen

In der Betreuungssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 29.Mai 2000 auf die weitere und sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 28.März 2000 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 16. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Engelhardt und Christ

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen die Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts wird zurückgewiesen.

Wegen der Auswahlentscheidung über die Person des Betreuers wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligte leidet aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens an einer Oligophrenie leichten Grades. Sie ist deswegen zu 80% als Schwerbehinderte anerkannt. Nach dem Besuch der Sonderschule war sie bis zum 31.12.1996 in einem Altenheim der A beschäftigt, zunächst als Küchenhilfe und zuletzt als Reinigungskraft. Seit dem 01.01.1997 ist sie ohne Arbeit. Aufgrund einer Erbschaft nach ihrem 1990 verstorbenen Vater verfügt sie über ein Vermögen im Wert von über 200.000,00 DM, das in Sparguthaben und Wertpapieren angelegt ist.

Durch Beschluss vom 11.10.1993 hatte das Amtsgericht erstmals für sie den Beteiligten zu 2) zum Betreuer bestellt mit dem Aufgabenkreis der Vermögensverwaltung einschließlich der steuerrechtlichen Angelegenheiten. Gleichzeitig ordnete es einen Einwilligungsvorbehalt an und bestimmte als Überprüfungstermin der angeordneten Maßnahmen den 10.10.1998. Die nach Erlass der Entscheidung wiederholt gestellten Anträge der Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der Betreuung und Entlassung des Beteiligten zu 2) aus seinem Amt wies das Amtsgericht mit Beschlüssen vom 05.04.1995 und 09.09.1997 zurück.

Nach Erholung eines Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Diplompsychologin im zur Verlängerung der Betreuung hörte das Amtsgericht die Beteiligte zu 1) am 10.05.1999 an. Dabei schlug die Beteiligte zu 1) Herrn der Mitglied im A Betreuungsverein in Essen ist, zum Betreuer vor. Nachdem das Amtsgericht vergeblich Herrn im um eine schriftliche Einverständniserklärung in die Übernahme der Betreuung gebeten hatte, bestellte es den Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 22.09.1999 erneut zum Betreuer und verlängerte den Einwilligungsvorbehalt.

Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 1) Beschwerde bzw. sofortige Beschwerde ein, mit der sie vorschlug, Herrn K von dem in Bochum, hilfsweise Frau B aus Essen als Betreuer bzw. Betreuerin zu bestellen. Mit Beschluss vom 16.02.2000 wies das Landgericht die Beschwerde und sofortige Beschwerde zurück.

Gegen diese ihren Verfahrensbevollmächtigten am 17.03.2000 zugestellte Entscheidung richtet sich das am 28.03.2000 per Telefax übermittelte Rechtsmittel der Beteiligten zu 1).

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Verlängerung der Betreuung und die fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde gegen die Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts sind nach §§ 27, 29 FGG statthaft. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

1)

Soweit das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts über die Verlängerung der Betreuung bestätigt hat, ist dies nicht Gegenstand der weiteren Beschwerde. Diesen Teil der Entscheidung nimmt die Rechtsbeschwerde hin. Die Beteiligte zu 1) akzeptiert es nämlich ausdrücklich, dass ihr ein Betreuer zur Seite gestellt wird. Mit ihrer weiteren Beschwerde gegen die Betreuerbestellung verfolgt sie lediglich das Ziel, eine andere Person an Stelle der ausgewählten zum Betreuer zu bestellen. Insoweit handelt es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Bestellung und Auswahl umfassenden Einheitsentscheidung (BGH FGPrax 1996, 107 = NJW 1996, 1895 = FamRZ 1996, 607).

Die Entscheidung des Landgerichts über die Auswahl des Betreuers hält der im Rechtsbeschwerdeverfahren allein zulässigen rechtlichen Überprüfung nicht stand, §§ 27 Abs.1 FGG, 561 Abs.1 ZPO.

Gegenstand des mit der Erstbeschwerde angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts vom 22.09.1999 ist die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers unter Fortbestand des bisherigen Aufgabenkreises. Hierüber hatte das Amtsgericht aufgrund der Befristung in dem Beschluss vom 11.10.1993, in dem erstmals für die Beteiligte zu 1) ein Betreuer bestellt worden ist, zu entscheiden. Da die Betreuerbestellung nach dem Betreuungsgesetz eine Einheitsentscheidung ist, die die Auswahlentscheidung des Betreuers einschließt, ist die bisherige Betreuerbestellung vom 11.10.1993 mit Wirksamwerden der Entscheidung vom 22.09.1999 insgesamt abgelöst worden. Dies hat das Landgericht übersehen. Es hat nämlich bei seiner Entscheidung über die Person des Betreuers nicht die Vorschriften über die Erstbestellung (§ 1897 BGB) angewandt, sondern geprüft, ob ein Entlassungsgrund nach § 1908b BGB vorliegt. Jedoch bezieht sich die Möglichkeit, einen Betreuer unter den Voraussetzungen des § 1908 b BGB aus seinem Amt zu entlassen, lediglich auf diejenigen Fälle, in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Hier handelt es sich hingegen darum, dass das Amtsgericht die im Gesetz vorgesehene einheitliche Entscheidung über die Verlängerung der Betreuerbestellung und die Auswahl der Person des Betreuers getroffen hat. Die Erwägungen, die das Amtsgericht in der Begründung seiner Entscheidung zu der Frage angestellt hat, ob dem Antrag der Beteiligte zu 1) auf Entlassung des bisherigen Betreuers in seinem Amt zu entsprechen sei, betreffen in Wahrheit lediglich die Auswahl des Betreuers für die in der Entscheidung verlängerte und in ihrem Aufgabenkreis bestätigte Betreuung.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des Landgerichts auf diesem Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat sich vornehmlich mit der Frage befasst, ob der Beteiligte zu 2) ungeeignet sei, die Betreuung der Beteiligten zu 1) fortzuführen, und deshalb zu entlassen sei. Hierauf kam es, wie dargelegt, nicht entscheidend an. Ebenso sind die Überlegungen dazu, ob der Beteiligte zu 2) letztlich nicht genauso kostengünstig arbeitet wie der von der Beteiligten zu 1) vorgeschlagene Vereinsbetreuer im Rahmen der hier vorzunehmenden Auswahlentscheidung nach § 1897 Abs.4 BGB ohne Bedeutung. Zwar ist das Landgericht bei der von ihm vorgenommenen Prüfung von Entlassungsgründen nach § 1908b BGB auch auf das Vorschlagsrecht der Betreuten nach § 1897 Abs.4 BGB eingegangen, an den § 1908b Abs. 3 BGB anknüpft. Jedoch ist die Berücksichtigung von Wünschen der Betreuten in § 1908b Abs.3 BGB eingeschränkt (Palandt/Diederichsen, BGB, 59.Auflage, § 1897 RN.16), da diese Vorschrift als Kannvorschrift ausgestaltet ist, während § 1987 Abs.4 BGB dem Vorschlag der Betreuten einen Vorrang einräumt, dem zu entsprechen ist, wenn dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft.

Wegen dieses Verfahrensfehlers ist die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und, weil die Sache in tatsächlicher Hinsicht noch nicht hinreichend geklärt ist, an das Landgericht zurückzuverweisen. Das Landgericht wird eine Auswahlentscheidung nach § 1897 BGB zu treffen und dabei insbesondere Abs.4 der genannten Vorschrift zu beachten haben. Danach ist dem Vorschlag der Betreuten grundsätzlich unabhängig von deren Geschäftsfähigkeit zu entsprechen (BayObLG NJW-RR 1997, 71; Schwab in MÜ-Ko, BGB, 3.Auflage, § 1897 Rn.18). Diese Bindung entfällt nur, wenn die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl der Beteiligten zu 1) widerspricht. Diese Frage erfordert eine umfassende Prüfung aller Umstände (BayObLG, a.a.O.; Palandt/Diederichsen, a.a.O. § 1897 Rn.20). Dabei ist vorliegend auch zu würdigen, dass die Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 2) seit Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr haben. Auch wenn die Ursache hierfür, wie das Landgericht meint, im Verhältnis der Beteiligten zu 1) zu ihrem Lebenspartner zu suchen ist, so ist doch nicht zu übersehen, dass eine persönliche Betreuung im Sinne des § 1897 Abs.1 BGB durch den Beteiligten zu 2) in dem für die rechtliche Betreuung erforderlichen Umfang nicht mehr möglich erscheint. Die Beteiligte zu 1) hatte sich erstmals mit Schreiben vom 11.12.1994 gegen den Beteiligten zu 2) ausgesprochen und hat diese ablehnende Haltung bis zuletzt beibehalten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Wunsch der Beteiligten zu 1) auf einen Wechsel in der Person des Betreuers nicht einer vorübergehenden Laune, der keine Bedeutung beizumessen wäre (BT-Drucksache 11/4528, Seite 153), entspringt. Dass die Beteiligte zu l) auch zu dem von ihr vorgeschlagenen Betreuer, kein Vertrauensverhältnis aufbauen wird, wie es das Landgericht unterstellt, findet in der Akte keine hinreichende Stütze, zumal die Beschwerdekammer die Beteiligte zu 1) nicht in Gegenwart der von ihr vorgeschlagenen Betreuer angehört hat. Auch wenn bei der Beteiligten zu 1) in Bezug zu dem neuen Betreuer dieselben Probleme wieder auftauchen sollten wie gegenüber dem Beteiligten zu 2), so bedeutet dies nicht, dass, und nur hierauf kommt es bei der Auswahlentscheidung nach § 1897 Abs.4 BGB an, die Bestellung des von der Beteiligten zu 1) vorgeschlagenen Betreuers deren Wohl widerspricht.

2)

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts bestätigt, so dass die hiergegen eingelegte sofortige weitere Beschwerde unbegründet ist.

Nach § 1903 Abs. 1 BGB ordnet das Vormundschaftsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf, wenn dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuers erforderlich ist. Hierzu geht das Landgericht im Rahmen der Erörterung der Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung zunächst - und insoweit unangefochten - davon aus, dass die Beteiligte zu 1) an einer geistigen Behinderung leichten Grades (Debilität) leide, aufgrund derer sie nicht in der Lage sei, komplexe Sachverhalte zu erfassen und sich ein Urteil unter kritischer Abwägung aller Gesichtspunkte zu bilden; sie verfüge über kein Zahlenverständnis und der Wert des Geldes sei ihr deshalb nicht geläufig, so dass sie krankheitsbedingt ihre Vermögensangelegenheiten nicht eigenverantwortlich regeln könne. Krankheitsbedingt sei sie nach den übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen A und aber auch leicht beeinflussbar, so dass hierdurch die konkrete Gefahr vermögensschädigender Handlungen bestehe. Diese Gefahr habe sich nur deshalb in der Vergangenheit nicht realisiert, weil letztlich die Beteiligte zu 1) bei der Verwaltung ihres Vermögens durch ihren Vater, einen Bruder und schließlich den Beteiligten zu 2) unterstützt worden sei. Diese Feststellungen haben in dem Akteninhalt eine hinreichende Grundlage und sind daher für das Rechtsbeschwerdegericht bindend. Sie rechtfertigen den vom Landgericht gezogenen Schluss, dass es zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für das umfangreiche Vermögen der Betroffenen erforderlich ist, dass diese zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, § 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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