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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.08.2006
Aktenzeichen: 15 W 183/05
Rechtsgebiete: GG, PStG, türk. Personenstandsgesetz


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
PStG § 47
türk. Personenstandsgesetz Art. 9

Entscheidung wurde am 29.11.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1) Die Vornamensgebung für ein in Deutschland geborenes Kind türkischer Eltern ist abgeschlossen und rechtlich bindend, wenn der von den Eltern bestimmte Name in das deutsche Geburtenbuch eingetragen wird. Die Beurkundung eines anderen Vornamens in der später erfolgten Eintragung in das türkische Personenstandsregister bleibt für die Beurteilung der Richtigkeit der Namensführung ohne Bedeutung.

2) Eine von der Eintragung im Geburtenbuch abweichende, langjährige Führung eines anderen Vornamens kann eine Berichtigung der Eintragung (§ 47 PStG) im Lichte des verfassungsrechtlichen Schutzes des Persönlichkeitsrechts nicht rechtfertigen, solange der Betroffene nicht die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat, nach türkischem Recht eine Berichtigung der Eintragung des dortigen Personenstandsregisters und eine anschließende behördliche Änderung des Vornamens zu erwirken.


Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 05.03.2004 werden aufgehoben.

Der Antrag des Beteiligten zu 3) auf Berichtigung des Geburteneintrags wird als derzeit unbegründet zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Der Beteiligte zu 1), der Sohn der Beteiligten zu 2) und 3), ist wie diese türkischer Staatsangehöriger. Er wurde auf eine von dem Beteiligten zu 3) unterzeichnete schriftliche Anzeige hin mit dem Vornamen Inal in das Geburtenbuch eingetragen. Die spätere Eintragung in das türkische Personenstandsregister erfolgte hingegen mit dem Vornamen Inan. Mit diesem Namen wuchs der Beteiligte zu 1) in der Folgezeit auf. U.a. wurde er unter diesem Namen auch schulisch erfasst.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben, seinerzeit noch als gesetzliche Vertreter des Beteiligten zu 1), die Berichtigung des Geburteneintrags beantragt. Der Beteiligte zu 4) ist dem Antrag entgegen getreten. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und den Standesbeamten angewiesen, in dem Geburtenbuch einen -näher ausformulierten- Randvermerk einzutragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Unrichtigkeit des Eintrags zwar nicht feststellen lasse, das Persönlichkeitsrecht des Beteiligten zu 3), der sich mit dem "falschen" Name identifiziere, jedoch die Abänderung gebiete. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4) hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, der Eintrag im Geburtenbuch sei falsch, da der Akt der Vornamensgebung nach dem maßgebenden türkischen Recht erst mit der Eintragung in das dortige Personenstandsregister abgeschlossen gewesen sei.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs.1 S.1, 48 Abs.1 PStG, 27, 29 FGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 4) ergibt sich unmittelbar aus § 49 Abs.2 PStG, ohne dass es auf eine Beschwer ankäme.

Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§§ 45 Abs.1, 49 Abs.2, 48 Abs.1 PStG, § 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass dem Standesbeamten vorliegend kein Beurkundungsfehler unterlaufen ist. Auch lässt sich, wovon die Vorinstanzen ebenfalls ausgegangen sind, nicht feststellen, dass der beurkundete Name im Zeitpunkt der Geburtsanzeige nicht dem Willen der Eltern entsprochen hätte. Dahingehende Feststellungen lassen sich schon deshalb nicht treffen, weil die Beteiligten zu 2) und 3) an die damaligen Abläufe ersichtlich keine konkreten Erinnerungen mehr haben.

Allerdings vermag der Senat die Auffassung des Landgerichts, der Eintrag im Geburtenbuch sei falsch, da die Ausübung des Namensbestimmungsrechts erst mit dem Eintrag in dem türkischen Personenstandsregister bindend geworden, der tatsächliche Name also der dort angegebene Name Inan sei, nicht zu teilen.

Im Ansatz ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beilegung des Vornamens gemäß Art.10 Abs.1 EGBGB nach türkischem Recht richtet, das diese Verweisung nach seinen privatrechtlichen Kollisionsregeln auch annimmt.

Unzutreffend ist jedoch die Annahme des Landgerichts, die Bindungswirkung der Vornamenswahl trete erst mit der Eintragung in das türkische Personenstandsregister ein. Sie verkennt, dass diese Eintragung hier nach türkischem Recht auf der Grundlage der durch das Standesamt ausgestellten Geburtsurkunde erfolgen musste. Art.9 S.1 des türkischen Personenstandsgesetzes vom 05.05.1972 bestimmt, dass die Registrierung der Personenstandsangelegenheiten türkischer Staatsangehöriger mit Aufenthalt im Ausland durch Anzeige an das nächste türkische Generalkonsulat erfolgt. Die Sätze 2 und 3 dieser Vorschrift lauten in deutscher Übersetzung:

"Wenn jedoch nach örtlicher Gesetzgebung vorgesehen ist, dass Ausländer ihre Personenstandsangelegenheiten durch die örtlich zuständige Stadtverwaltung oder das Personenstandsamt registrieren lassen, so muss ein diesbezüglicher Nachweis von der zuständigen Behörde ... dem Generalkonsul zwecks Registrierung der Personenstandsangelegenheit, vorgelegt werden. Die Konsulate stellen auf dieser Grundlage jeweils formgerechte Geburts-, Sterbe- oder Heiratsurkunden aus ...".

Auch nach türkischem Recht hätte die Geburt und damit die Vornamenswahl daher entsprechend der Beurkundung durch das deutsche Standesamt in das türkische Personenstandsregister eingetragen werden müssen (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2003, 1690 = StAZ 2003, 82).

Der Senat kann sich bei der derzeitigen Sachlage auch nicht der Auffassung des Amtsgerichts anschließen, wonach vorliegend mit Rücksicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beteiligten zu 1) (Art.2 GG) ausnahmsweise eine Änderung der Schreibweise des Vornamens im Berichtigungsverfahren geboten ist, obgleich sich die gesetzlichen Voraussetzungen einer Berichtigung nicht feststellen lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 11.04.2001 (StAZ 2001, 207ff) Folgendes ausgeführt:

"Geschützt durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist und sich als solcher nicht beliebig austauschen lässt. Er begleitet vielmehr die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird. Der Einzelne kann daher grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt. Eine Namensänderung beeinträchtigt die Persönlichkeit und darf nicht ohne gewichtigen Grund gefordert werden. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. BVerfGE 78, 38 <49>; 84, 9 <22>; 97, 391 <399>). Dies gilt nicht nur für den von der Rechtsordnung zugelassenen und somit rechtmäßig erworbenen, sondern auch für den von einem Menschen tatsächlich geführten Namen, wenn sich mit diesem Namen eine Identität und Individualität des Namensträgers herausgebildet und verfestigt hat und sich im Vertrauen auf die Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte.

Zwar gebietet das Rechtsstaatsprinzip und das aus ihm folgende Gebot der Beachtung des Vertrauensschutzes nicht, dass jegliche einmal entstandene Vertrauensposition Bestand haben muss; es nötigt aber zu der an den Kriterien der Verhältnismäßigkeit vorzunehmenden Abwägung zwischen den Belangen des Allgemeinwohls, wie etwa der Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, und den Interessen des Einzelnen am Fortbestand einer Rechtslage, auf die er sich eingerichtet hat und auf deren Fortbestand er vertraute (vgl. BVerfGE 59, 128 <166>).

Insofern ist auch der tatsächlich geführte Name jedenfalls dann vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst, wenn er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum die Persönlichkeit des Trägers tatsächlich mitbestimmt hat und ein entsprechender Vertrauenstatbestand vorliegt. Dagegen muss das öffentliche Interesse an der Richtigkeit von Eintragungen in Personenstandsurkunden abgewogen werden ..."

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so hat das Amtsgericht zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass der Beteiligte zu 1) praktisch ab dem Zeitpunkt seiner Geburt nur noch mit dem Vornamen Inan benannt worden ist und sich daher über nunmehr rund 20 Jahre mit diesem Namen identifiziert hat, was besonders schwer wiegt, da dieser Zeitraum die kindliche Entwicklung und damit die Zeit der Persönlichkeitsbildung umfasst. Dass der Beteiligte zu 1) die Namensabweichung nicht zu vertreten hat, liegt auf der Hand. Auch kann nicht in Zweifel gezogen werden, dass der Beteiligte zu 1) jedenfalls während seiner Kindheit auf die Richtigkeit seiner Namensführung vertraut hat. Dieser Vertrauenstatbestand ist zwar nicht durch die Personenstandsbehörden begründet, aber auch von Seiten der deutschen Verwaltung, nämlich jedenfalls der Schulbehörde bestätigt und verstärkt worden.

Die Frage, ob der Beteiligte zu 1) sich das Verhalten der Beteiligten zu 2) und 3) zurechnen lassen muss, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Grundsätzlich wird sich allerdings derjenige, dessen von der Personenstandseintragung abweichende Namensführung auf eigene Nachlässigkeit oder gar Eigenmächtigkeit zurückgeht, nicht erfolgreich auf den Schutz des Art.2 GG berufen können. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Beteiligte zu 1) sich in diesem Zusammenhang das jedenfalls durch eine erhebliche Nachlässigkeit gekennzeichnete Verhalten der Beteiligten zu 2) und 3) zurechnen lassen muss, kann dem hier angesichts des Zeitraums der tatsächlichen Namensführung, der wie bereits herausgestellt, die Zeit der kindlichen Persönlichkeitsbildung umfasst, keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.

Gegen das danach durchaus grundrechtlich geschützte Interesse des Beteiligten zu 1) ist die rechtliche Ordnungsfunktion der Personenstandseinträge sowie das Gemeinschaftsinteresse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuwägen. Dabei mag der Ordnungsfunktion hier im Hinblick auf die langfristige tatsächliche Namensführung des Beteiligten zu 1) kein besonderes Gewicht zukommen. Bedeutung hat jedoch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das personenstandsrechtliche Berichtigungsverfahren setzt eine unrichtige Eintragung voraus. Es ist daher grundsätzlich nicht angängig, entgegen Wortlaut und Zweck des Gesetzes eine rechtlich korrekte Eintragung im Wege des Berichtigungsverfahrens abzuändern. Auch ein verfassungsrechtlich geschützter Vertrauenstatbestand allein genügt für eine derartige Verfahrensweise jedenfalls solange nicht, als andere Möglichkeiten bestehen, dem Grundrecht des Betroffenen Geltung zu verschaffen, mag die alternative Verfahrensweise auch aufwändiger und umständlicher sein. Danach wird ein deutscher Staatsangehöriger, auch wenn alle weiteren o.a. Voraussetzungen für die Annahme eines grundrechtlich geschützten Vertrauenstatbestandes vorliegen, in aller Regel auf den Weg eines Namensänderungsverfahrens (§§ 11, 1 NamensändG) zu verweisen sein.

Im vorliegenden Fall besteht diese Möglichkeit allerdings nicht. Gemäß § 1 NamensändG kann eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nur bei deutschen Staatsangehörigen oder Staatenlosen mit Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland durchgeführt werden. Darüber hinaus hat sich die Bundesrepublik Deutschland durch den Beitritt zum Übereinkommen über die Änderung von Namen und Vornamen vom 4. September 1958 (BGBl. 1961 II S. 1055, 1076) völkerrechtlich verpflichtet, keine öffentlich-rechtliche Änderung von Namen oder Vornamen eines Staatsangehörigen eines anderen Vertragsstaates zu bewilligen (vgl. § 126 DA). Zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens zählt auch die Türkei. Da der Beteiligte zu 1) nach den Feststellungen der Vorinstanzen allein die türkische Staatsangehörigkeit hat, ist ein Namensänderungsverfahren nach Maßgabe des NamensändG nicht möglich.

Möglich erscheint es jedoch, den türkischen Registereintrag im Hinblick auf den Verstoß gegen Art.9 des türkischen Personenstandsgesetzes (vgl. oben) auf den Namen Inal berichtigen zu lassen (Art.39ff türk. ZGB vom 22.11.2001) und sodann in der Türkei ein gerichtliches Namensänderungsverfahren (Art.27 ZGB) durchzuführen. Dessen Ergebnis könnte sodann gemäß § 30 PStG dem Geburteneintrag beigeschrieben werden. Solange sich diese Möglichkeit nicht ausschließen lässt, d.h. solange die Beteiligten zu 1) bis 3) ein solches Verfahren nicht mit bestandskräftig negativem Ausgang durchgeführt haben, besteht aus Sicht des Senats kein hinreichender Grund, das Gesetz auf einen Sachverhalt anzuwenden, der die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 131, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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