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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.06.2001
Aktenzeichen: 15 W 20/01
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 25 |
Entscheidung wurde am 13.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
In der Wohnungseigentumssache
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 19. Juni 2001 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 02. Januar 2001 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 09. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Engelhardt und Christ
beschlossen:
Tenor:
Die Sache wird gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind die Miteigentümer der eingangs genannten Anlage, die von dem Beteiligten zu 6) verwaltet wird. Nach der Teilungserklärung vom 20.04.1972 ist das Eigentum nach § 8 WEG in 10 Miteigentumsanteile aufgeteilt worden:
- einem Miteigentumsanteil von 179/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 89,48 qm großen Wohnung Nr.1,
- einem Miteigentumsanteil von 92/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 45,98 qm großen Wohnung Nr.2,
- einem Miteigentumsanteil von 179/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 89,48 qm großen Wohnung Nr.3,
- einem Miteigentumsanteil von 92/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 45,98 qm großen Wohnung Nr.4,
- einem Miteigentumsanteil von 179/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 89,48 qm großen Wohnung Nr.5,
- einem Miteigentumsanteil von 92/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 45,98 qm großen Wohnung Nr.6,
- einem Miteigentumsanteil von 145/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der 89,48 qm großen Wohnung Nr.7,
- einem Miteigentumsanteil von 14/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum -Teileigentum an der Garage Nr.8,
- einem Miteigentumsanteil von 14/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum -Teileigentum an der Garage Nr.9,
- einem Miteigentumsanteil von 14/1.000 verbunden mit dem Sondereigentum -Teileigentum an der Garage Nr.10.
Nach § 14 der Gemeinschaftsordnung bestimmt sich das Stimmrecht der Eigentümer nach dem 1/1.000 Anteil und genügt für die Ordnungsgemäßheit der Einladung die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter zuletzt mitgeteilt worden ist.
Der Beteiligte zu 1) ist Sondereigentümer der Wohnung Nr.3 und Teileigentümer der Garagen Nr.8 bis 10, der Beteiligte zu 2) der Wohnungen Nr.1 und 2, der Beteiligte zu 3) der Wohnungen Nr.4 und 7, die Beteiligten zu 4) sind Sondereigentümer der Wohnung Nr.5 und die Beteiligten zu 5) waren bei Einleitung des Verfahrens Sondereigentümer der Wohnung Nr.6.
Das Wohnungseigentum der Beteiligten zu 2) und 3) ist mit dem Nießbrauch des Beteiligten zu 1), ihres Großvaters, belastet.
Am 13.03.2000 fand in Abwesenheit des Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 5) in der Gaststätte in Essen eine Eigentümerversammlung der Gemeinschaft statt, zu welcher der Beteiligte zu 6) mit Schreiben vom 01.03.2000 eingeladen hatte. Der Beteiligte zu 2) wurde in der Versammlung von Herrn und Frau, der Beteiligte zu 3) von Frau vertreten, die Beteiligten zu 4) waren persönlich zugegen. Insgesamt verfügen die in der Versammlung Anwesenden bzw. Vertretenen über 711/1.000 Miteigentumsanteile. "Einstimmig" wurden von der Versammlung unter TOP 2 der Beteiligte zu 6), der zuvor durch gerichtlichen Beschluss vom 01.12.1999 zum Verwalter bestellt worden war, in sein Amt gewählt und unter TOP 3 der Wirtschaftsplan 2000 beschlossen.
Mit einem am 03.04.2000 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schreiben hat der Antragsteller beantragt, die in der Eigentümerversammlung vom 13.03.2000 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Er beanstandet die in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse und hat dazu vorgetragen: Er habe die Einladung zu der Eigentümerversammlung vom 13.03.2000 erst am 08.03.2000 erhalten, so dass bis zum Versammlungstermin nicht die vorgesehene Wochenfrist eingehalten gewesen sei, was er sofort dem Verwalter gegenüber beanstandet habe. Auch sei vom Verwalter ein Tagungslokal ausgesucht worden, das nicht in der Nähe der Wohnungseigentumsanlage gelegen sei. Unzulässigerweise seien bei den Abstimmungen die Stimmen der Beteiligten zu 2) und 3) mitgezählt worden, obwohl diese gar kein Stimmrecht gehabt hätten. Das Stimmrecht bezüglich ihrer Wohnungen habe nämlich ihm als Nießbraucher zugestanden, da er auch die Kosten und Lasten trage, die mit dem Wohnungseigentum der beiden Enkelsöhne verbunden seien.
Die Antragsgegner, vertreten durch den Verwalter, haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.07.2000 die Anträge zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit den Beteiligten vor der vollbesetzten Kammer am 09.11.2000 verhandelt und mit dem am Schluss der Verhandlung verkündeten Beschluss die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt: Der Antragsteller habe zwar die Beschlüsse der Eigentümerversammlung innerhalb der Monatsfrist des § 2l Abs. 4 WEG angefochten. Diese Anfechtung sei jedoch wirkungslos, weil der Antragsteller nicht an der Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligt sei und ihm daher ein Anfechtungsrecht nicht zustehe. Das Nießbrauchsrecht, das sich der Antragsteller bei der Übertragung des Wohnungseigentums auf die Beteiligten zu 2) und 3) vorbehalten habe, gebe ihm kein Stimmrecht in der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Gegen diese seinen Verfahrensbevollmächtigten am 20.12.2000 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 02.01.2001 eingelegte und am selben Tag bei dem Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1).
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und in der rechten Form und Frist eingelegt worden (§§ 43, 45 WEG, 27, 29 FGG). Die Beschwerdebefugnis des Antragstellers folgt daraus, dass seine Erstbeschwerde erfolglos geblieben ist.
In der Sache hält der Senat das Rechtsmittel für unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Der Senat ist nämlich in der hier maßgeblichen Rechtsfrage der Auffassung, dass bei einem Nießbrauch an Wohnungseigentum nur der Eigentümer, nicht aber der Nießbraucher stimmberechtigt ist. Einer dahingehenden abschließenden Entscheidung stehen jedoch die auf sofortige weitere Beschwerden ergangenen Beschlüsse des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 01.04.1987 - 24 W 3131/86 - (abgedruckt in OLGZ 1987, 417 = NJW-RR 1987, 973 = MDR 1987, 674) und des 2. Zivilsenats des OLG Hamburg vom 10.09.1987 (abgedruckt in NJW-RR 1988, 267) entgegen; denn auf der Grundlage der vom Kammergericht und OLG Hamburg vertretenen Rechtsauffassung müsste der Senat die Entscheidungen der Vorinstanzen aufheben und die angefochtenen Beschlüsse der Eigentümerversammlung für ungültig erklären.
1)
Nach Auffassung des Senats ist hier folgende rechtliche Beurteilung geboten:
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen. Für den Streit der Beteiligten ist das Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG gegeben.
a)
Indessen hat das Landgericht zu Unrecht die erstinzanzliche Antragsbefugnis des Antragstellers nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG verneint. Die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit des Antrags unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde (vgl. Keidel/Kahl, FG, 14. Auflage, § 27 FGG Rn. 15). Das Landgericht hat irrtümlich unterstellt, der Antragsteller habe selbst kein Wohnungseigentum in der Anlage; es ist daher von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen bei der Prüfung der Frage, ob der Antragsteller ein Recht hat, Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft anzufechten. Das Landgericht hatte den Antrag des Antragstellers schon deswegen nicht als unzulässig behandeln dürfen, weil der Antragsteller jedenfalls als Wohnungseigentümer der Wohnung Nr. 3 und Teileigentümer der drei Garagen ein Anfechtungsrecht hat. Auf die - streitige - Frage, ob ihm auch als Nießbraucher ein Recht zur Anfechtung der in der Versammlung vom 13.03.2000 gefassten Beschlüsse zusteht, kommt es daher vorliegend nicht entscheidend an.
Einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache bedarf es indes nicht, weil keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind und daher eine abschließende Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts aufgrund des Akteninhalts möglich ist (vgl. Keidel/Kahl, a.a.O., § 27 Rn. 66).
b)
Das Landgericht hat, weil es die Verfahrensvoraussetzungen nicht für gegeben angesehen hat, nicht geprüft, ob die in der Eigentümerversammlung vom 13.03.2000 gefassten Beschlüsse auf den rechtzeitig gestellten Anfechtungsantrag des Beteiligten zu 1) deshalb für ungültig zu erklären sind, weil der Verwalter nicht einen Versammlungsort in Essen-Stadtwald ausgesucht hat und weil dem Antragsteller nach seiner Behauptung das Einladungsschreiben vom 01.03.2000 erst am 08.03.2000 durch die Post zugestellt worden ist.
Die Rüge, die Beschlüsse seien schon deshalb für ungültig zu erklären, weil der Versammlungsort nicht in dem Stadtteil von Essen gelegen sei, in dem sich die Anlage befinde, ist unbegründet. Die Wahl des Ortes einer Eigentümerversammlung steht im pflichtgemäßen Ermessen der für die Einberufung zuständigen Person. Die Ermessensgrenzen ergeben sich aus der Funktion der Wohnungseigentümerversammlung als Ort der gemeinsamen Willensbildung. Der Ort muss daher verkehrsüblich und zumutbar sein, um allen Wohnungseigentümern die Teilnahme zu ermöglichen und nicht zu erschweren (vgl. Senat FGPrax 2001, 64 = NJW-RR 2001, 516; OLG Frankfurt OLGZ 1982, 418; BayObLGZ 1987, 219; Staudinger/Bub, 13. Bearbeitung, § 24 WEG Rn.44 ff; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 24 Rn.47). Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, der Antragsteller habe nicht vorgetragen, die vom Verwalter in Essen ausgesuchte Gaststätte sei für ihn als Versammlungsort nur unter erschwerten und unzumutbaren Bedingungen erreichbar gewesen. Grundsätzlich sei die Abhaltung einer Eigentümerversammlung in der politischen Gemeinde, in der sich auch die Anlage befinde, als zumutbar anzusehen. Diesen Ausführungen stimmt der Senat zu, sie werden auch weder mit der Erstbeschwerde noch mit der Rechtsbeschwerde angegriffen.
Die Frage, ob und weshalb der Antragsteller die Ladung erst später als die anderen Wohnungseigentümer erhalten hat, lässt sich nach dem Akteninhalt nicht klären. Es ist deshalb für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass der Antragsteller die Ladung erst am 08.03.2000 erhalten hat und daher ein Verstoß gegen die Ladungsfrist vorliegt, die nach § 25 Abs. 4 Satz 2 WEG mindestens eine Woche betragen soll. Wegen eines Verstoßes gegen die Ladungsfrist von einer Woche sind auf die rechtzeitige Anfechtung die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse nach § 23 Abs. 4 WEG aber dann nicht für ungültig zu erklären, wenn feststeht, dass sie ohne den Einberufungsmangel ebenso gefasst worden wären (BayObLG NZM 1999, 130 = WuM 1999, 642; KG NJWE-MietR 1997, 134; Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 24 WEG Rn.10). Hiervon muss vorliegend ausgegangen werden. Der Antragsteller greift die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse sachlich nicht an. Er wendet sich lediglich gegen die Rechtsauffassung der Versammlungsteilnehmer, die zu Unrecht bei den Abstimmungen davon ausgegangen seien, hinsichtlich der Wohnungen der Beteiligten zu 2) und 3) stehe diesen und nicht ihm als Nießbraucher das Stimmrecht zu. Diese Rechtsposition nehmen die Antragsgegner noch heute ein. Dies rechtfertigt den Schluss, dass sie in der Versammlung einen inhaltsgleichen Beschluss gefasst und dabei nur die Stimmen der Beteiligten zu 2) und 3) berücksichtigt hätten, selbst wenn der Beteiligte zu 1) an der Versammlung teilgenommen hätte.
c)
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist in der Versammlung zutreffend festgestellt worden, dass die dort gefassten Beschlüsse mit Mehrheit gefasst worden sind. Denn hinsichtlich der den Beteiligten zu 2) und 3) gehörenden Wohnungen Nr.1 und 2 bzw. 4 und 7 steht diesen und nicht dem Antragsteller als Nießbraucher das Stimmrecht zu.
aa)
Allerdings haben das Kammergericht (OLGZ 1987, 417 = NJW-RR 1987, 973 = MDR 1987, 674) und ihm folgend das OLG Hamburg (NJW-RR 1988, 267) die Auffassung vertreten, dem Nießbraucher an Wohnungseigentum stehe im Hinblick auf die für den Nießbraucher an einem Bruchteil eines Miteigentums in § 1066 Abs.1 BGB getroffene Regelung das alleinige Stimmrecht jedenfalls in den Angelegenheiten zu, die sich auf die Verwaltung und die Nutzung des nießbrauchsbelasteten Wohnungseigentums beziehen. § 1066 Abs.1 BGB sei auch im Wohnungseigentumsrecht anzuwenden, weil das Wohnungseigentum eine besondere Form des Miteigentums sei. Der BGH habe im Übrigen für die Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 BGB) an einem Wohnungseigentum bereits ausgesprochen (MDR 1977, 299 = Rpfleger 1977, 55 = DNotZ 1978, 177), dass im Wohnungseigentumsrecht nicht etwa Sonderregeln gelten würden, wonach die Inhaber beschränkter dinglicher Rechte an einem Wohnungseigentum von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen wären; vielmehr stände in dem Fall, in dem sich die beschrankt persönliche Dienstbarkeit (Wohnrecht) des § 1093 BGB an einem Wohnungseigentum auf alle Räume des Sondereigentums erstrecke, dem Dienstbarkeitsberechtigten die Ausübung des Stimmrechts insoweit zu, als die Beschlussfassung die Benutzung dieser Räume und die Mitbenutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Anlagen und Einrichtungen berühre. Etwas anderes könne für den Nießbraucher eines Wohnungseigentums, der noch umfassendere Befugnisse als der Wohnungsberechtigte des § 1093 BGB habe, nicht gelten. Der Eigentümergemeinschaft werde damit allerdings zugemutet, gewisse Probleme aus der Kompetenzaufspaltung zwischen Nießbraucher und Eigentümer des belasteten Bruchteils (einschließlich der sich daraus ergebenden Unsicherheiten hinsichtlich der Beschlussfassung) zu bewältigen. Nach Auffassung des KG soll dem Wohnungseigentümer aber ein subsidiäres Stimmrecht für den Fall zukommen, dass der Nießbraucher gemäß § 25 Abs.5 WEG von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen ist (KG a.a.O, 417, 421).
bb) Der 2.Zivilsenat des BayObLG hat in seiner Entscheidung vom 25.06.1998 - 2Z BR 53/98 - (BayObLGZ 1998, 145 = FGPrax 1998, 178 = NJW-RR 1999, 1535 = DNotZ 1999, 585 - MittBayNot 1999, 65 mit Anm. Roll = MDR 1999, 152 mit Anm. Riecke) den Standpunkt eingenommen, dem Nießbraucher an einem Wohnungseigentum stehe nicht, auch nicht in Angelegenheiten, die die Nutzung von Sondereigentum oder gemeinschaftlichem Eigentum oder die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums betreffen, das Stimmrecht zu. Es hat dem Nießbraucher aus diesem Grund auch das Antragsrecht nach § 43 Abs.1 Nr.4 WEG abgesprochen und deshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, die die Anträge einer Nießbrauchsnehmerin, in der Eigentümer-Versammlung gefasste Beschlüsse für ungültig zu erklären, als unzulässig angesehen haben.
cc)
Die Literatur beantwortet die Frage, wer im Fall der Belastung des Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch stimmberechtigt ist, unterschiedlich:
(1) Ein Teil ist wie das KG und das OLG Hamburg der Auffassung, aufgrund von § 1066 BGB komme dem Nießbraucher das alleinige Stimmrecht bei allen Beschlüssen zu, die sich auf die Verwaltung, den Gebrauch und die Nutzung des mit dem Nießbrauch belasteten Wohnungseigentums beziehen, d.h. in allen Angelegenheiten nach den §§ 15, 16 Abs.1, 21 Abs.3, 26 Abs.1 und 28 Abs.5 WEG; in allen übrigen Fällen, insbesondere bei Verfügungen soll das Stimmrecht dem Wohnungseigentümer verbleiben (RGRK/Augustin, 13. Aufl., § 25 WEG Rn.24; Erman/Ganten, BGB, 10. Aufl., § 25 WEG Rn.3; Staudinger/Frank, 13. Bearbeitung, § 1066 BGB Rn.12; Bärmann, Wohnungseigentum Rn.239; Deckert-Gruppe 5, 29; ebenso: LG München II NJW-RR 1994, 1497; LG Ingolstadt MittBayNot 1996, 440).
(2) Ein anderer Teil steht wie das BayObLG auf dem Standpunkt, Stimmrecht und Wohnungseigentum seien untrennbar und hält deshalb allein den Wohnungseigentümer für stimmberechtigt (Staudinger/Bub, 12. Aufl., § 25 WEG Rn.129; Staudinger/Wenzel, a.a.O. § 43 WEG Rn.l5 [zum Antragsrecht]; Münch.Komm./ Röll, 3. Aufl., § 25 WEG Rn.22; Belz, Handbuch des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rn.210; Henkes/Niedenführ/Schulze, Handbuch und Kommentar zum WEG, 3. Aufl., § 25 Rn.6; Sauren, WEG, 2. Aufl., § 25 Rn.9; Soergel/Stürner, 12. Aufl., § 25 WEG Rn.7; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 25 WEG Rn.4; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, Rn.152; Riecke DWE 1991, 58).
(3) Nach anderer Auffassung sollen Wohnungseigentümer und Nießbraucher das Stimmrecht entsprechend § 25 Abs.2 Satz 2 WEG nur gemeinsam und einheitlich ausüben können (Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 25 Rn.11; Weitnauer WE).
(4) 1987, 131; Schöner DNotZ 1975, 78, 82). Erst wenn einer der beiden vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, soll der andere allein stimmen können, weil die Beschränkung des Stimmrechts entfallen sei.
(5) Nach einer weiteren Meinung soll in Fragen des Gebrauchs des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 15 WEG sowie in Fragen der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 16 Abs.1 WEG allein der Nießbraucher stimmberechtigt sein (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 25 Rn.13). Da jedoch der Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs.2 auch bei Belastung seines Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch den anderen Wohnungseigentümern gegenüber zur Tragung der Lasten und Kosten, die sich aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergeben, verpflichtet sei, könnten in Fällen des § 21 Abs.3 WEG Wohnungseigentümer und Nießbraucher das Stimmrecht analog § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nur gemeinschaftlich ausüben. In Angelegenheiten, die über die ordnungsmäßige Verwaltung hinausgingen, etwa bei baulichen Veränderungen oder besonderen Aufwendungen im Sinne von § 22 Abs.1 WEG, sei schließlich allein der Wohnungseigentümer stimmberechtigt.
dd)
Der Senat folgt der Auffassung, die bei einer Belastung des Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch allein den Wohnungseigentümer für stimmberechtigt hält. Der Nießbraucher erhält ein dingliches Nutzungsrecht, Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft aber bleibt allein der Wohnungseigentümer. Aus dieser Mitgliedschaft folgt sein Stimmrecht als Mitverwaltungsrecht im Sinne des § 21 Abs.1 WEG (so der BGH in seiner Entscheidung vom 01.12.1988 - V ZB 6/88 - zum Wohnungsanwärter, BGHZ 106, 113, 119). Der Wohnungseigentümer allein ist gegenüber der Gemeinschaft aus § 16 Abs.2 WEG in Verbindung mit der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung verpflichtet, die Lasten und Kosten zu tragen. Die Pflicht des Nießbrauchers zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums beizutragen, ergibt sich demgegenüber nicht aus § 16 Abs.2 WEG in Verbindung mit der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung, sondern aus seinen Rechtsbeziehungen zum Eigentümer, insbesondere aus dem zum Inhalt des Nießbrauchs gewordenen gesetzlichen Schuldverhältnis, und besteht nur diesem gegenüber (BayObLGZ, a.a.O.). Daher ist die Abstimmung über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung einschließlich Sonderumlagen allein Sache der Miteigentümer und nicht der Nießbraucher.
Selbst wenn man aber für das Stimmrecht darauf abstellt, dass die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG letzten Endes überwiegend den Nießbraucher treffen, gibt es auch solche Lasten und Kosten, die beim Eigentümer verbleiben. So hat der Nießbraucher nach § 1041 Satz 2 BGB nur für die gewöhnliche Unterhaltung der belasteten Sache aufzukommen; die Kosten einer außergewöhnlichen Reparatur oder Erneuerung hat der Eigentümer ebenso zu tragen wie die außerordentlichen Lasten der Sache im Sinne von § 1047 BGB (BayObLGZ, a.a.O.).
Eine Aufteilung des Stimmrechts danach, wessen Angelegenheiten durch die Beschlussfassung berührt werden, stößt auf unüberwindbare praktische Schwierigkeiten und lässt sich nicht vereinbaren mit der Notwendigkeit, das Stimmrecht an klare Voraussetzungen zu binden (vgl. die bereits zitierte Entscheidung des BGH zum Wohnungsanwärter, BGHZ 106, 113, 119f).
So müsste, wie das BayObLG zutreffend ausführt (BayObLGZ, a.a.O.), innerhalb der Abstimmung über Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung danach unterschieden werden, ob Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung oder außergewöhnliche Reparaturen oder Erneuerungen betroffen sind, es sei denn, dem Nießbraucher sind auch die Kosten für die außerordentlichen Ausbesserungen und Erneuerungen des gemeinschaftlichen Eigentums oder die außerordentlichen Lasten auferlegt. Ob dies der Fall ist, kann in der Regel nicht aus dem Grundbuch selbst, sondern nur aus der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ersehen werden. Problematisch wäre die Trennung des Stimmrechts nach dem Abstimmungsgegenstand auch in den Fällen, in denen der Nießbrauch gemäß § 1030 Abs. 2 BGB durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt worden ist. Schließlich können angesichts der Aufgaben, die das Gesetz dem Verwalter zuweist, auch bei der Abstimmung über dessen Bestellung sowohl die Interessen des Wohnungseigentümers wie auch des Nießbrauchers berührt werden (vgl. BayObLGZ, a.a.O.).
2)
In dem von ihm beabsichtigten Sinn kann der Senat nicht entscheiden, ohne im Sinne des § 28 Abs.2 FGG von den genannten Entscheidungen des KG und des OLG Hamburg abzuweichen.
Die Entscheidungen des KG und OLG Hamburg beruhen auf der genannten Rechtsauffassung. Das KG hat aufgrund seiner Rechtsauffassung die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts, die einen anderen Rechtsstandpunkt vertreten hatten, aufgehoben, soweit diese die Beschlüsse der Eigentümerversammlung über die Genehmigung des Wirtschaftsplans, die Erhebung einer Sonderumlage für den Außenanstrich der Fenster und die Fassadenrenovierung und die Verwalterbestellung wegen der Nichtladung der Wohnungseigentümerin und damit deren Nichtberücksichtigung bei den Abstimmungen in der Versammlung für ungültig angesehen bzw. erklärt haben. Das OLG Hamburg hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, die die Anträge eines zu einer Eigentümerversammlung nicht geladenen Wohnungseigentümers, die in der Versammlung gefassten Beschlüsse über die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan wegen der nicht erfolgten Ladung für ungültig zu erklären, als unbegründet zurückgewiesen hatten.
Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des KG und OLG Hamburg müsste der Senat hier zu der Beurteilung gelangen, dass auf den von dem Antragsteller gestellten Antrag die in der Eigentümerversammlung vom 13.03.2000 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären sind, weil sie nicht mit der notwendigen Stimmenmehrheit beschlossen worden sind.
Ende der Entscheidung
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