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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.09.2001
Aktenzeichen: 15 W 210/01
Rechtsgebiete: BVormG
Vorschriften:
BvormVG § 1 Abs. 1 S. 2. Nr. 2 |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 W 210/01 OLG Hamm
In der Betreuungssache
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 20. September 2001 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 20. Juni 2001 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 21. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Christ
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Staatskasse des Landes Nordrhein-Westfalen hat die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 429,20 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 03.08.2000 die Mitarbeiterin Frau U des Beteiligten zu 1) als Vereinsbetreuerin der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Rechts- und Vermögensangelegenheiten, Behörden- und Pflegeversicherungsangelegenheiten sowie Organisation ambulanter Hilfen bestellt. Frau U hat vor ihrer Tätigkeit bei dem Beteiligten zu 1) folgenden Ausbildungs- und beruflichen Werdegang absolviert: Sie hat am 13.06.1980 und am 12.03.1982 die Erste und die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Hauptschulen und Realschulen abgelegt. In der Zeit vom 14.02.1989 bis zum 25.11.1990 hat sie an einer beruflichen Weiterbildung für die Leitung von Gruppen im pastoralen und therapeutischen Bereich teilgenommen. In der Zeit vom 10.10.1984 bis zum 09.10.1995 hat sie eine Vollzeitweiterbildungsmaßnahme zur Sozialtherapeutin erfolgreich abgeschlossen. Sie war in dem Zeitraum von 1982 bis 1994 Mitarbeiterin bzw. Geschäftsführerin der Telefonseelsorge Giessen-Wetzlar. In der Zeit vom 15.05.1996 bis zum 24.05.1997 war sie als Pädagogin für die sozialarbeiterische Betreuung von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern in Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen im mobilen sozialen Dienst der Diakonie Essen tätig.
Der Beteiligte zu 1) hat mit Schreiben vom 02.01.2001, bei dem Amtsgericht beantragt, für die Tätigkeit seiner Mitarbeiterin in dem Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.12.2000 eine Vergütung in Höhe von 888,00 DM sowie Aufwendungsersatz in Höhe von 22,46 DM jeweils zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer mit der Maßgabe festzusetzen, daß die Beträge wegen Mittellosigkeit der Betroffenen aus der Staatskasse zu erstatten sind. Dabei hat der Beteiligte zu 1) die Vergütung nach einem Stundensatz von 60,00 DM (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG) berechnet.
Der Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten, indem er sich gegen die Höhe des Stundensatzes gewandt hat! Seiner Auffassung nach vermittelt das Hochschulstudium der Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1) keine besonderen, für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse, so daß die Vergütung nach einem Stundensatz von lediglich 35,00 DM zu bemessen sei (§ 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG).
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 25.01.2001 dem Antrag des Beteiligten zu 1) uneingeschränkt stattgegeben.
Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 05.02.2001 sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluß vom 21.05.2001 mit der Maßgabe zurückgewiesen hat, daß die sofortige weitere Beschwerde zugelassen worden ist.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2), die er mit einem bei dem Landgericht am 21.06.2001 eingegangenen Schreiben vom Vortag eingelegt hat.
Der Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) folgt bereits daraus, daß seine sofortige erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 56 g Abs. 5 S. 1 FGG zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) ausgegangen. Seine Beschwer übersteigt den Betrag von 300,00 DM.
In der Sache hat das Landgericht in der Begründung seiner Entscheidung offen gelassen, ob bereits die abgeschlossene Hochschulausbildung der Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1) dieser für die Führung der Betreuung nutzbare besondere Kenntnisse vermittele. Die Bemessung des Stundensatzes von 60,00 DM nach der Vergütungsgruppe des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG sei jedenfalls im Hinblick auf die nach der Lehreramtsausbildung absolvierte Weiterbildung der Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1) gerechtfertigt.
Nach Auffassung des Senats gibt der vorliegende Fall keinen Anlaß zu einer grundsätzlichen Entscheidung darüber, inwieweit die für die Führung der Betreuung nutzbaren besonderen Kenntnisse im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG auf einem Hochschulstudium aufbauend auch durch Werterbildungsmaßnahmen erworben werden können. Denn für die Führung der Betreuung nutzbare besondere Kenntnisse werden bereits durch die abgeschlossene Lehramtsausbildung vermittelt. Dem gegenteiligen Standpunkt des Beteiligten zu 2) kann der Senat nicht folgen.
Bereits das mit der Ersten Staatsprüfung abgeschlossene Lehramtsstudium ist darauf ausgerichtet, den Studenten neben der Vermittlung der erforderlichen fachwissenschaftlichen Kenntnisse (hier in den Fächern Deutsch und Kunsterziehung) auch mit den Grundfragen und Problemen der Pädagogik vertraut zu machen (BayObLG NJWE-FER 2001, 100). Dies wird hier konkret durch das von der Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1) vorgelegte Prüfungszeugnis belegt, das als Prüfungsfach pädagogische Grundwissenschaften ausweist. Darüber hinaus hat das BayObLG in seiner genannten Entscheidung in überzeugender Weise hervorgehoben, daß bei der Bewertung der Lehramtsausbildung in dem vorliegenden Zusammenhang insbesondere auch das mit der Zweiten Staatsprüfung abgeschlossene Referendariat einzubeziehen ist. Mag der Vorbereitungsdienst auch nicht formal Bestandteil der Hochschulausbildung sein, so ist die Referendarausbildung doch prägender Bestandteil der Lehramtsausbildung insgesamt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß im Rahmen der Lehramtsausbildung insbesondere der Vorbereitungsdienst auf eine intensive pädagogische Schulung zugeschnitten ist Auch dies kommt in dem vorgelegten Zeugnis über die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt zum Ausdruck, in dem auf die hessische Verordnung über die pädagogische Ausbildung und die Zweite Staatsprüfung für die Lehrämter vom 09.05.1977 (GVBl. I S. 184) Bezug genommen wird. Nach § 9 Abs. 1 dieser Verordnung ist die pädagogische Ausbildung mit nicht lediglich fachdidaktischem, sondern auch erziehungs-/gesellschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt Inhalt dieser Ausbildung. Die abgeschlossene Lehramtsausbildung ist deshalb in ihrem Kern auf die Vermittlung von Fachkenntnissen im Bereich der Pädagogik ausgerichtet (vgl. BayObLG, a.a.O.; ebenso OLG Dresden FamRZ 2000, 847 = NJWE-FER 2000, 207; OLG Zweibrücken BtPrax 2001, 43).
Für die Führung einer Betreuung "nutzbar" sind Kenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl der Betroffenen besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen (BayObLG, a.a.O.). Der Aufgabenkreis der Betreuung umfaßt hier nicht lediglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit. Vielmehr muß die Bedeutung des der Vereinsbetreuerin weiter übertragenen Aufgabenkreis "Behörden- und Pflegeversicherungsangelegenheiten sowie die Organisation ambulanter Hilfen" auf dem Hintergrund der konkreten Lebenssituation der Betroffenen verstanden werden. Diese lebt alleinstehend in ihrer Wohnung, leidet an einer Reihe von Erkrankungen und ist überdies nahezu erblindet. Sie ist auf Pflegeleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst angewiesen. In dieser Situation konkrete Hilfestellungen für die Betroffene bereitzustellen und durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen aus der Pflegeversicherung bzw. ergänzender Sozialhilfe finanziell abzudecken, ist Schwerpunkt der Aufgabenstellung der Vereinsbetreuerin. Dieser Aufgabe kann sie nur im Rahmen eines intensiven persönlichen Kontakts mit der Betroffenen gerecht werden, um deren jeweilige gesundheitliche Situation und ihre konkrete Hilfsbedürftigkeit erfassen zu können.
Im Zusammenhang mit dieser Aufgabenstellung des Betreuers hat das BayObLG (a.a.O.) überzeugend ausgeführt, daß psychologische und pädagogische Kenntnisse hilfreich sind, um Schwierigkeiten zu überwinden, die sich im persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen wegen seiner Erkrankung oder Behinderung oder wegen seiner Persönlichkeitsstruktur ergeben können. Solche Kenntnisse steigern das Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, auf die Betroffene auch mit dem Ziel einer selbstbestimmten Bewältigung ihrer Lebenssituation einzuwirken.
Mögen die im Lehramtsstudium erworbenen pädagogischen Kenntnisse auch in erster Linie auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sein, so wird dadurch ihre Verwertbarkeit für die Aufgaben des Betreuers entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) nicht ausgeschlossen. Es ist nämlich davon auszugehen, daß die im Rahmen der Ausbildung vermittelten Grundlagenkenntnisse einen erleichterten Zugang auch zu erwachsenen Personen ermöglichen (BayObLG, OLG Dresden und OLG Zweibrücken jeweils a.a.O.).
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des §13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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