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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 15 W 224/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 2247 Abs. 1 | |
BGB § 2255 |
2. Vernichtet der Erblasser eine Testamentsurkunde, so können Zweifel an der Widerrufsabsicht i.S.d. § 2255 BGB bestehen, wenn der Erblasser zuvor ein weiteres Testament mit einer widersprechenden Regelung der Erbfolge errichtet hatte und - in Unkenntnis der Formunwirksamkeit dieses Testaments - davon ausgegangen ist, bereits hiermit das frühere Testament aufgehoben zu haben.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 W 224/01 OLG Hamm
In der Nachlaßsache
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 11. September 2001 auf die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1) vom 29. Juni 2001 und des Beteiligten zu 2) vom 4. Juli 2001 gegen den Beschluß der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 13. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Oellers
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der angefochtene Beschluß teilweise aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung über den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) einschließlich der Entscheidung über eine Anordnung der Erstattung ihm im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandener außergerichtlichen Kosten an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Der am 22.08.1927 geborene Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Der Beteiligte zu 3) ist der Sohn des vorverstorbenen Bruders des Erblassers. Nach der Darstellung des Beteiligten zu 4) kommen Personen aus den Stämmen anderer Geschwister des Erblassers als weitere gesetzliche Erben in Betracht, die derzeit noch nicht ermittelt sind. Der Beteiligte zu 4) nimmt für sich in Anspruch, als Nachlasspfleger diese noch unbekannten gesetzlichen Erben in dem vorliegenden Verfahren zu vertreten.
Am 26.09.1998 errichtete der Erblasser ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, im welchem er den Beteiligten zu 1) zu seinem Alleinerben einsetzte. Dieses Testament ist im Original nicht mehr vorhanden. Es existiert lediglich eine Fotokopie. Hierin heißt es u.a. wie folgt:
"Mein Universalerbe soll mein Freund Karl-Heinz F, geboren wohnhaft sein. Er soll allein über all meine Bank und Sparkassen-Vermögen verfügen. Ebenso meine Wohnungseinrichtung, Auto usw. ..."
Am 04.07.1999 errichtete der Erblasser in seiner Wohnung ein weiteres privatschriftliches Testament, das er eigenhändig unterschrieb. Wie der von der Unterschrift im Schriftbild deutlich abweichende Text dieses Testamentes niedergeschrieben wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Dieser Text lautet auszugsweise wie folgt:
"Mein Universalerbe soll mein Freund Günter geboren am in Ostpr., wohnhaft. Er soll allein über all meine Bank- und Sparkassenvermögen verfügen. Ebenso meine Wohnungseinrichtung etc. Auto. ...."
Im weiteren Verlauf des 04.07.1999 wurde der Erblasser zur Behandlung in das Evangelische Johannes-Krankenhaus in aufgenommen und verblieb dort zunächst bis zum 16.07.1999. Ein weiterer Krankenhausaufenthalt erfolgte vom 23.09.1999 bis zu seinem Tod am 16.11.1999.
Am 26.11.1999 hat der Beteiligte zu 2) das Testament vom 04.07.1999 bei dem Nachlassgericht zur Eröffnung eingereicht und in diesem Zusammenhang gegenüber dem Geschäftsstellenbeamten erklärt, der Text dieses Testamentes sei von ihm geschrieben worden. Das Testament ist daraufhin am 29.11.1999 von dem Nachlassgericht eröffnet worden (11 IV 913/99 AG Bielefeld).
Der Beteiligte zu 2) hat in notarieller Urkunde vom 24.01.2000 (UR-Nr. 27/00 des Notar Dr. beantragt, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn aufgrund des Testamentes vom 04.07.1999 als Alleinerben des Erblassers ausweisen soll. Zum Vorgang der Errichtung dieses Testamentes hat er nunmehr behauptet, er habe den Erblasser bei der Niederschrift des Textes dieses Testamentes lediglich körperlich unterstützt. Dabei habe er, der Beteiligte zu 2), sich darauf beschränkt, die zittrige Hand des Erblassers zu beruhigen, während dieser die Schriftzüge selbst geformt habe. Im Anschluß an die Errichtung des Testamentes vom 04.07.1999 habe der Erblasser sein früheres Testament vom 26.09.1998 eigenhändig zerrissen. Bei seiner Erklärung gegenüber dem Geschäftsstellenbeamten des Nachlassgerichts vom 26.11.1999 sei er, der Beteiligte zu 2), hinsichtlich der Niederschrift des Textes des Testamentes vom 04.07.1999 falsch verstanden worden.
Der Beteiligte zu 1) hat seinerseits in notarieller Urkunde vom 18.12.1999 (UR-Nr. 1265/99 Notar beantragt, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn aufgrund des Testamentes vom 26.09.1998 als Alleinerben des Erblasers ausweisen soll. Zur Begründung hat er im wesentlichen geltend gemacht, das frühere Testament vom 26.09.1998 sei von dem Erblassers nicht wirksam widerrufen worden, weil der Text des Testamentes vom 04.07.1999 nicht von dem Erblasser, sondern von dem Beteiligten zu 2) geschrieben worden sei. Das Original des Testamentes vom 26.08.1998 sei nicht von dem Erblasser, sondern von dem Beteiligten zu 2) zerrissen worden.
Das Amtsgericht hat nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Nachlaßgerichtes, Vernehmung der Zeugen J, H und K und Einholung einer schriftlichen Auskunft des Evangelischen Johannes-Krankenhauses in durch Beschluß vom 05.03.2001 beide Erbscheinsanträge zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten zu 1) und 2) Beschwerde eingelegt, mit der sie jeweils ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgt haben.
Das Landgericht durch Beschluß vom 13.06.2001 beide Rechtsmittel zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2), die sie mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29.06.2001 bzw. 04.07.2001 bei dem Landgericht eingelegt haben.
II.
Die weiteren Beschwerden sind nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) folgt daraus, daß das Landgericht ihre Erstbeschwerden zurückgewiesen hat.
In der Sache ist das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2) unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts über seinen Erbscheinsantrag nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Nicht rechtsfehlerfrei ist demgegenüber die Entscheidung des Landgerichts über den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1). Sein Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Kammer zutreffend von zulässigen Erstbeschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) ausgegangen. Da die Erbscheinsanträge beider Beschwerdeführer eine testamentarische Erbfolge betrifft, musste das Verfahren so gestaltet werden, daß den als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen das rechtliche Gehör gewährt wurde (BayObLGZ 1960, 432). Zwar hat das Landgericht den Beteiligten zu 3) ordnungsgemäß zum Verfahren hinzugezogen. Nicht hinreichend geklärt ist indessen, ob auch die ordnungsgemäße Vertretung der weiteren als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen gewährleistet ist. Ob der Beteiligte zu 4) als gesetzlicher Vertreter die Rechte dieser nach derzeitigem Sachstand noch unbekannten Beteiligten wahrnehmen kann (§§ 1915 Abs. 1, 1793 Abs. 1 BGB), hängt von der Bestimmung des Wirkungskreises der von ihm geführten Pflegschaft ab, die bislang nicht näher aufgeklärt worden ist. Ist der Beteiligte gem. § 1960 BGB als Nachlasspfleger mit einer Bestimmung des Wirkungskreises in der vielfach gebräuchlichen Formulierung "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, Ermittlung der Erben" bestellt, so erstreckt sich seine gesetzliche Vertretungsmacht nicht auf ein gerichtliches Verfahren, in dem zu klären ist, wer von mehreren Erbprätendenten der wirkliche Erbe ist. Die erforderliche Vertretung unbekannter Erben in einem solchen Verfahren kann vielmehr nur durch die Bestellung eines Pflegers für die unbekannten Beteiligten gem. § 1913 BGB sichergestellt werden (BGH NJW 1983, 226; Palandt/Edenhofer, BGB, 60. Aufl., § 1960, Rdnr. 22). Bei der ohnehin aus anderen Gründen erforderlichen Zurückverweisung der Sache an das Landgericht wird die Kammer diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen und ggf. bei dem Vormundschaftsgericht eine entsprechende Pflegerbestellung anregen müssen (§ 35 a S. 1 FGG). Einer abschließenden Zurückweisung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 2) steht dieser Gesichtspunkt nicht entgegen, weil die Rechte der unbekannten gesetzlichen Erben dadurch nicht berührt werden.
In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Beschwerde des Beteiligten zu 2)
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht eine wirksame Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) verneint, weil es eine eigenhändige Niederschrift des Textes des Testamentes vom 04.07.1999 durch den Erblasser nicht hat feststellen können. Das Schriftstück entspricht deshalb nicht der zwingenden Form, die § 2247 Abs. 1 BGB für die Errichtung eines privatschriftlichen Testamentes vorsieht.
Eigenhändigkeit setzt zwingend voraus, daß der Erblasser die Niederschrift selbst angefertigt hat. Durch Dritte hergestellte Niederschriften sind immer unwirksam, selbst wenn sie in Anwesenheit des Erblassers nach dessen Willen und Weisungen angefertigt und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben worden sind. Die zwingende Eigenhändigkeit kann nicht dadurch ersetzt werden, daß der Erblasser sich eines Dritten als Werkzeug bedient oder diesen ermächtigt, die letztwillige Verfügung niederzuschreiben (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 441, 442; Staudinger-Winkler, BGP, 13. Aufl., § 2247, Rdnr. 35). Eigenhändigkeit ist nicht gegeben, wenn dem Erblasser die Hand geführt wird und dadurch die Schriftzüge von einem Dritten geformt werden (BGHZ 47, 68, 70). Daher gilt nicht als vom Erblasser "eigenhändig" geschrieben, was er unter der Herrschaft und Leitung eines anderen abgefaßt hat; folgt er lediglich einem fremden Willen, so liegt Eigenhändigkeit nicht vor (BGH NJW 1981, 1900, 1901). Er muß die Gestaltung der Schriftzüge selbst bestimmen (BGH NJW 1981, a.a.O.). Zulässsig ist dagegen eine unterstützende Schreibhilfe (Abstützen des Armes, Halten der zitternden oder geschwächten Hand), solange der Erblasser die Formung der Schriftzeichen vom eigenen Willen getragen selbst bestimmt (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 1286). Die Niederschrift und die Unterschrift müssen vom Willen des Erblassers abhängen; sie dürfen nicht von einem anderen durch Führen der Hand des Testierenden ohne dessen Willen hergestellt werden (BayObLG Rpfleger 1985, 493). Wenn es sich um eine zulässige Unterstützung handelt, bleibt es ohne Bedeutung, ob der Erblasser seine gewöhnlichen Schriftzüge zustandebringt oder seine Unterschrift lesbar ist (vgl. BayObLG Rpfleger 1985, a.a.O.). Kann der Erblasser bei der Abfassung des Testamentes überhaupt nicht mehr aktiv mitwirken, ist er nicht mehr schreibfähig. Von einer Eigenhändigkeit kann in diesem Fall nicht mehr die Rede sein (vgl. BGH NJW 1981, 1900, 1901).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen, die es seinen Erwägungen ausdrücklich vorangestellt hat, hat das Landgericht das Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen dahin gewürdigt, es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Erblasser den Text des Testamentes eigenhändig niedergeschrieben habe. Zur Begründung hat das Landgericht hat dazu ausgeführt:
Es sei eine deutliche Abweichung der Schriftzüge des Erblasers in dem Testament vom 04.07.1999 gegenüber denjenigen in seiner letztwilligen Verfügung vom 26.09.1998 erkennbar. Demgegenüber habe sich die Schrift des Erblassers in der Zeit vom 26.09.1998 bis zum 04.07.1999 nicht wesentlich geändert, was sich aus dem Vergleich der beiden Unterschriften unter den Testamenten ergebe. Der Text des Testamentes vom 04.07.1999 sei erkennbar nicht in der dem Erblasser eigenen und seine individuellen Schriftzüge aufweisenden Schrift abgefaßt worden. Auch habe der Beteiligte zu 2) nicht etwa von einem bloßen Abstützen der Hand oder des Armes des Erblassers oder von einer sonstigen untergeordneten körperlichen Unterstützungshandlung gesprochen. Vielmehr habe er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 03.02.2001 erklärt, daß er die Hand des Erblassers geführt habe. Dem entspreche auch die Aussage der Zeugin J und die Aussage des Zeugen H. Auch nach diesem äußeren Erscheinungsbild der Unterstützung des Erblassers bei der Abfassung des Testamentes vom 04.07.1999 bestünden entscheidungserhebliche Zweifel daran, daß der Erblasser den Text eigen- und willensbestimmt verfaßt habe. Ein weiterer Anhaltspunkt ergebe sich aus den Äußerungen des Beteiligten zu 2) gegenüber dem Geschäftsstellenbeamten des Amtsgerichtes vom 26.11.1999. Nach der dienstlichen Äußerung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27.01.2000 habe nämlich der Beteiligte zu 2) erklärt, daß er den Text der letztwilligen Verfügung selber geschrieben habe und der Erblasser diesen nur unterschrieben habe.
Diese tatsächliche Würdigung unterliegt im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer eingeschränkten Nachprüfung dahin, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und dabei nicht gegen Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze oder gegen verfahrensrechtliche Vorschriften verstoßen hat, ferner, ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (vgl. Keidel/Kahl, FG, 14. Auflage, § 27 Rdnr. 42). Einen solchen Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Auch für den Senat ist es erkennbar und offenkundig, daß die Schriftzüge im Text der beiden Testamente krass voneinander abweichen und nichts miteinander gemein haben. Es ist nicht nur so, daß der Erblasser seine gewöhnlichen Schriftzüge nicht zustandegebracht hat (vgl. BayObLG Rechtspfleger 1985 a.a.O.), sondern daß die Schriftzüge keinerlei Übereinstimmung mehr aufweisen. Unter Berücksichtigung des übrigen Beweisergebnisses ist danach die tatsächliche Würdigung des Landgerichts, jedenfalls sei die Hand des Erblasers von dem Beteiligten zu 2) so geführt worden, dass die Schriftzüge in Wirklichkeit von ihm geformt worden seien, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Schriftzüge sind dann lediglich mit der "Feder in der Hand" des Erblassers hergestellt worden und es fehlt die Eigenhändigkeit (BGHZ 47, 68, 71; NJW 1981, 1900, 1901).
Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2) hatte das Landgericht keinen Anlaß, dem Vorbringen in seinem Schriftsatz vom 18.05.2001 nachzugehen, der Erblasser habe irgendwann nach Errichtung des Testamentes vom 04.07.1999 Herrn H mitgeteilt, daß er den Beteiligten zu 1) nicht mehr als Erben haben wollte; er habe ein Testament abgefaßt, in dem er den Beteiligten zu 2) zum Erben eingesetzt habe. Denn das Erfordernis der Eigenhändigkeit bezieht sich auf die Wahrung der Form für die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments und verlangt entsprechend den bereits dargestellten Grundsätzen, daß der Erblasser die Formung der Schriftzeichen vom eigenen Willen getragen selbst bestimmt. Davon zu unterscheiden ist, ob die getroffene Regelung inhaltlich dem subjektiven Willen des Erblassers entspricht. Nur auf den subjektiven Willen des Erblassers bezieht sich indessen das tatsächliche Vorbringen des Beteiligten zu 2).
2. Beschwerde des Beteiligten zu 1)
Der Beteiligte zu 1) ist aufgrund des privatschriftlichen Testaments des Erblassers vom 26.09.1998 zu seinem Alleinerben berufen, es sei denn, der Erblassers hat dieses Testament wirksam widerrufen. Ein Widerruf dieses Testament durch widersprechende letztwillige Verfügung (§ 2258 Abs. 1 BGB) scheidet aus, nachdem die Unwirksamkeit des Testaments vom 04.07.1999 feststeht. In Betracht kommt deshalb nur ein Widerruf in der Form des § 2255 S. 1 BGB, also dadurch, daß der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vorgenommen hat, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Auch ein in dieser Form vorgenommener Widerruf ist unwirksam, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Veränderung bzw. Vernichtung der Testamentsurkunde im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB nicht testierfähig war.
Das Landgericht hat im Rahmen seiner tatsächlichen Würdigung ausdrücklich offengelassen, ob festgestellt werden kann, dass der Erblasser das Testament vom 26.09.1998 bereits vor der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom 04.07.1999 dadurch widerrufen hat, dass er es durchgestrichen hat. Für das Verfahren der weiteren Beschwerde muß deshalb zugunsten des Beteiligten zu 1) davon ausgegangen werden, dass ein solcher Widerruf nicht erfolgt ist.
Die Kammer hat auf der Grundlage der Aussage der vom Amtsgericht vernommenen Zeugen J und H festgestellt, der Erblasser habe unmittelbar im Anschluß an die Errichtung des Testaments vom 04.07.1999 das frühere Testament eigenhändig zerrissen. Das Landgericht hat die in diesem Punkt übereinstimmenden Aussagen der genannten Zeugen uneingeschränkt für glaubhaft erachtet und darauf seine volle Überzeugung von der Richtigkeit des geschilderten Vorgangs gestützt. Diese tatsächliche Würdigung ist im Ergebnis nicht verfahrensfehlerfrei. Dabei kann offen bleiben, ob die Begründung der landgerichtlichen Entscheidung den Anforderungen des § 25 FGG im Hinblick darauf noch entspricht, daß sie auf die von dem Beteiligten zu 1) erhobenen Bedenken nicht eingeht, die dieser gegen die Glaubwürdigkeit insbesondere der Zeugin J unter dem Gesichtspunkt erhoben hat, dass diese als Lebensgefährtin des Beteiligten zu 2) an einem für diesen günstigen Ausgang des Verfahrens ein eigenes Interesse haben könnte. Verfahrensrechtlich war das Landgericht auch nicht zwingend Verpflichtet, die beiden genannten Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren Glaubwürdigkeit - wie hier - in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht beurteilen wollte (§§ 15 Abs. 1 S. 1 FGG; 398 Abs. 1 ZPO). Davon bleibt indessen unberührt, daß das Landgericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) solchen von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Tatsachen nachgehen muß, die die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der bereits vernommenen Zeugen beeinflussen können. Unter diesem Gesichtspunkt hätte nach Auffassung des Senats das Landgericht den von dem Beteiligten zu 1) angetretenen Beweis für seine Darstellung erheben müssen, der Beteiligte zu 2) habe gegenüber der Zeugin K erklärt, er selbst habe das frühere Testament des Erblassers zerrissen. Vorbehaltlich der näheren Aufklärung der Umstände einer solchen Erklärung des Beteiligten zu 2) könnte eine solche außerhalb und abweichend von seinem Vortrag in dem gerichtlichen Verfahren abgegebene Darstellung des Geschehensablaufs mittelbar auch die Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen schwächen, weil die Angaben der an dem Vorgang unmittelbar Beteiligten sich dann widersprächen. Hinzu kommt, daß das Landgericht im Rahmen seiner Würdigung der Aussagen derselben Zeugen in anderem Zusammenhang seine verbleibenden Zweifel betreffend die Eigenhändigkeit der Errichtung des Testaments u.a. auch damit begründet hat, der Beteiligte zu 2) habe in diesem Punkt mit seinem Erbscheinsantrag eine Darstellung gegeben, die in Widerspruch zu seinen früheren Angaben gegenüber dem Geschäftsstellenbeamten des Nachlaßgerichts stehe.
Sollte die danach erforderliche weitere Beweisaufnahme ergeben, daß das Testament vom 26.09.1998 von dem Beteiligten zu 2) zerrissen worden ist, muß dies nicht zwingend zur Unwirksamkeit des Widerrufs führen. Zwar muß die Vernichtung vom Erblasser vorgenommen werden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut des § 2255 BGB, andererseits daraus, daß der Erblasser es nach § 2065 Abs. 1 BGB nicht einem Dritten überlassen darf, über die Gültigkeit der Verfügung zu entscheiden. Aus diesem Grunde kann es der Erblasser nicht wirksam einem Dritten überlassen darüber zu entscheiden, ob und wann er das Testament vernichtet oder verändert. Nicht ausgeschlossen ist es hingegen, daß sich der Erblasser eines Dritten zur Verwirklichung des von ihm selbst gefaßten Widerrufswillens bedient, indem dieser das Testament vernichtet oder verändert. Es ist nicht einmal erforderlich, daß dies der Dritte in Anwesenheit oder unter "Tatherrschaft" des Erblassers ausführt. Dem Dritten darf nur kein Entscheidungsspielraum verbleiben (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 1350, 1351; Dittmann-Voit, Testamt und Erbvertrag, 3. Aufl., § 2225, Rdnr. 10). Es bedarf dann aber besonderer Feststellungen, dass die von einem Dritten vorgenommene Vernichtung der Testamentsurkunde vom Willen des Erblassers gedeckt ist.
Das Landgericht hat keine nähere tatsächliche Würdigung in der Richtung vorgenommen, ob in der Vernichtung der Testamentsurkunde durch den Erblasser sein Wille zum Ausdruck kommt, seine letztwillige Verfügung aufzuheben. Die Kammer hat sich insoweit auf den Hinweis darauf beschränkt, gem. § 2255 S. 2 BGB sei bei einer Vernichtung der Testamentsurkunde durch den Erblasser zu vermuten, daß er die Aufhebung seiner letztwilligen Verfügung beabsichtigt habe. Zweifel an einer Widerrufsabsicht können sich hier jedoch daraus ergeben, daß der Erblasser zuvor ein weiteres Testament mit einer widersprechenden Regelung der Erbfolge errichtet hatte und - in Unkenntnis der Formunwirksamkeit dieses Testaments - ggf. davon ausgegangen ist, bereits auf diese Weise seine frühere letztwillige Verfügung wirksam aufgehoben zu haben. Für eine solche Fallgestaltung wird im Anschluß an eine Entscheidung des OLG Freiburg (Rpfleger 1952, 340 f.) verschiedentlich angenommen, eine Widerrufsabsicht des Erblassers könne nicht angenommen werden (Staudinger/Baumann, BGB, 13. Bearbeitung, § 2255, Rdnr. 21; MK/BGB, 3. Aufl., § 2255, Rdrn. 4; RGRK/BGB-Kregel, 12. Aufl., § 2255, Rdrn. 5; Palandt/Edenhofer, BGB, 60. Aufl., § 2255 Rdnr. 8). Der Senat hält in diesem Zusammenhang eine diffenrenzierte Betrachtungsweise für erforderlich, wie sie von Voit (bei Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 3. Aufl., a.a.O., § 2255, Rdnr. 14) vorgeschlagen wird und auch in der genannten Entscheidung des OLG Freiburg als mögliche Würdigung des Vorgangs anklingt: Will der Erblasser das frühere Testament nicht nur zur Vermeidung von Unklarheiten zerreißen, sondern in der Absicht, jeden Anschein einer Verfügung mit diesem Inhalt aus der Welt zu schaffen, so kann gleichwohl von einer Widerrufsabicht ausgegangen werden. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Erblasser sich durch das formunwirksame spätere Testament nicht auf geringfügige Änderungen der früheren letztwilligen Verfügung beschränkt, sondern - wie hier - eine grundlegend andere letztwillige Verfügung getroffen hat. Geht man von dem Vorgang aus, wie er von den Zeugen J und H dargestellt worden ist, so ergeben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasser ungeachtet der bereits abgeschlossenen Errichtung des aus seiner Sicht formwirksamen neuen Testaments besonderen Wert auf die Vernichtung seiner früheren letztwilligen Verfügung legte. Darin kann der Wille zum Ausdruck kommen, einer testamentarischen Erbfolge des Beteiligten zu 1) in jedem Fall die Grundlage zu entziehen.
Zu dem Komplex des Widerrufs des Testaments vom 26.09.1998 bedarf es deshalb insgesamt noch weiterer Ermittlungen und einer ergänzenden tatsächlichen Würdigung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht selbst vornehmen kann. Die Sache musste deshalb insoweit an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Die Entscheidung des Landgerichts begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken, soweit die Kammer von weiteren Ermittlungen im Hinblick darauf abgesehen hat, ob ein gem. § 2255 BGB vorgenommener Testamentswiderruf gem. § 2229 Abs. 4 BGB wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist. Der Senat hat die Entscheidung des Landgerichts unter diesem Gesichtspunkt von Amts wegen unabhängig davon überprüft, dass der Beteiligte zu 1) in der Begründung seines Rechtsmittels keine Rügen gegen diese Verfahrensweise des Landgerichts erhoben hat. Diese Überprüfung hat keine durchgreifende Beanstandung ergeben. Die Begründung der landgerichtlichen Entscheidung trägt der Rechtsprechung des Senats hinreichend Rechnung, die zwar von einer eingehenden Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) des Nachlaßgerichts sowohl in Bezug auf die tatsächlichen Grundlagen als auch die medizinische Bewertung von Befunden als Grundlage für die Beurteilung einer etwaigen Testierunfähigkeit im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB ausgeht, die jedoch erst dann einsetzt, wenn nach dem Vortrag der Beteiligten und verständiger Würdigung der Sachlage greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die geistige Leistungsfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bzw. hier des Testamentswiderrufs beeinträchtigt war (Senat FamRZ 1997, 1026). Solche Anhaltspunkte bestanden hier nicht, wie das Landgericht verfahrensfehlerfrei angenommen hat.
Mit der erneuten Sachentscheidung war dem Landgericht auch die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher des Verfahrens dritter Instanz zu übertragen, die nach § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG zu treffen ist. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beteiligten zu 2) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil seine weitere Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Dabei hat der Senat sich an der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung des Landgerichts orientiert.
Ende der Entscheidung
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