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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 15 W 224/07
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 10
BGB § 242
BGB § 315
Die Regelung einer Teilungserklärung, die für den Mehraufwand des Verwalters im Fall der Säumnis eines Wohnungseigentümers die doppelte, bei gerichtlichen Maßnahmen die dreifache jährliche Verwaltergebühr bestimmt, ist nichtig.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 224/07 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.12.2007 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 06.06.2007 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 09.03.2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Auf die erste Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird die Entscheidung des Amtsgerichts vom 19.05.2006 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Regelung über die Vergütung des Verwalters in § 12 c der Teilungserklärung vom 06.09.1984 nichtig ist.

Die Gerichtskosten aller Instanzen des Verfahrens werden den Beteiligten zu 2) auferlegt mit Ausnahme der Kosten, die durch das Beschwerdeverfahren 9 T 180/04 LG Essen entstanden sind. Diese sind vom Beteiligten zu 1) zu tragen.

Der Geschäftswert wird für alle Instanzen auf jeweils 10.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer der eingangs genannten Anlage, die von der H Wohnungs-GmbH in H2 errichtet worden ist. Die Anlage hat 141 Wohneinheiten, 23 Geschäftslokale und in einer Tiefgarage 102 KFZ-Einstellplätze.

In der von ihr verfassten Teilungserklärung vom 06.09.1984 bestellte sich die Bauträgerin in § 12 zur ersten Verwalterin für die Dauer von fünf Jahren. § 12c enthält folgende Regelungen:

"Der Verwalter erhält für seine Tätigkeit eine jährliche Vergütung in der Höhe der Gebühren der II. Berechnungsverordnung des Bundes in ihrer jeweiligen neuesten Fassung zuzüglich 25 % für die Wohnungseigentume sowie die Teileigentume (Geschäftslokale und Kfz.-Einstellplätze).

Die Umsatzsteuer ist in der Vergütung nicht enthalten. Sie ist zusätzlich zu zahlen. Je 1/12 der Vergütung ist am 1. eines Kalendermonats fällig und zusammen mit dem Hausgeld bis zum 3. Werktag eines Monats zu entrichten.

Entgelte für besondere Leistungen, z.B. technische und rechtliche Gutachten sowie Maßnahmen der Rechtsverfolgung sind in der Vergütung nicht enthalten. Derartige Leistungen sind besonders zu vergüten, auch wenn sie mit eigenem Personal des Verwalters ausgeführt werden.

Säumige Wohnungs-/Teileigentümer zahlen für den Mehraufwand des Verwalters für die Dauer der Säumnis die doppelte, bei gerichtlichen Maßnahmen die dreifache Verwaltergebühr jährlich. Die Erhöhung wird zusammen mit dem zu zahlenden Wohngeld fällig."

Die Regelungen der Teilungserklärung wurden in die jeweils gültigen Verwalterverträge übernommen.

Der Antragsteller vertritt die Aufassung, die o.g. Regelungen in der Teilungserklärung zur Höhe des Verwalterhonorars seien nichtig. Er hat daher erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die o.g. Klauseln in § 12c der Teilungserklärung nichtig sind,

hilfsweise festzustellen, dass die Klauseln nur für die Bestellung der ersten Verwaltung über einen Zeitraum von fünf Jahren ihre Gültigkeit hätten und für den Zeitraum über den 31.12.1994 hinaus keine Wirksamkeit mehr entfalten.

Die Antragsgegner haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 19.05.2006 hat das Amtsgericht dem Antrag teilweise entsprochen. Es hat unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags festgestellt, dass die Bestimmung aus § 12c der Teilungserklärung

"Säumige Wohnungs-/Teileigentümer zahlen für den Mehraufwand des Verwalters für die Dauer der Säumnis die doppelte, bei gerichtlichen Maßnahmen die dreifache Verwaltergebühr jährlich. Die Erhöhung wird mit dem zu zahlenden Wohngeld fällig."

seit dem 01.01.2002 "nicht mehr anzuwenden ist".

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, der Antragsteller habe kein Rechtsschutzinteresse mehr an der Feststellung der Nichtigkeit der von ihm angegriffenen Regelungen, weil die Jahresabrechnungen der Eigentümergemeinschaft für die Jahre bis einschließlich 2001 bestandskräftig seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitig mit Anwaltsschriftsatz eingelegte sofortige weitere Beschwede des Beteiligten zu 1).

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 62 Abs. 1 WEG n.F., 45 Abs. 1 WEG a.F. statthaft und auch sonst zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil das Landgericht zu Unrecht das Feststellungsinteresse des Beteiligten zu 1) im Hinblick auf eine über den Tenor der amtsgerichtlichen Entscheidung hinausreichende Nichtigkeit der genannten Regelung der Teilungserklärung verneint hat.

Gegenstand des Verfahrens ist der von dem Beteiligten zu 1) gestellte Antrag, festzustellen, dass die Regelungen in § 12c der Teilungserklärung über die Vergütung des Verwalters nichtig sind. Das Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit folgt daraus, dass die Wohnungseigentümer und der Verwalter nur an eine gesetzesgemäße Teilungserklärung gebunden sein sollen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht nicht in vollem Umfang entsprochen, indem es nur ausgesprochen hat, dass eine der angegriffenen Regelungen "nicht mehr anzuwenden sei". Daher bestand das durch § 256 ZPO geschützte Interesse des Beteiligten zu 1) an einer Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Regelungswerkes der Verwaltervergütung in der Teilungserklärung fort. Die Feststellung der Nichtigkeit bewirkt nämlich, dass mit bindender Wirkung festgestellt wird, dass die entsprechenden Regelungen keine Rechtswirkungen entfalten konnten und es auch in Zukunft nicht mehr können. Das Feststellungsinteresse ist daher schon im Hinblick auf die nur teilweise Stattgabe des Antrags durch das Amtsgericht nicht dadurch entfallen, dass die Jahresabrechnungen bis einschließlich 2001 bestandskräftig sind.

Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es nicht, obwohl das Landgericht den weitergehenden Feststellungsantrag als unzulässig angesehen und dementsprechend eine Sachentscheidung nicht getroffen hat. Denn der Sachverhalt ist geklärt und beschränkt sich auf eine Rechtsfrage; zudem hat das Landgericht mit den Beteiligten mündlich verhandelt. Der Senat kann daher selbst in der Sache entscheiden.

Die von dem Beteiligten zu 1) eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet. Denn die Regelungen in der Teilungserklärung über die Höhe der Verwaltergebühr sind grob unbillig (§ 242 BGB) und damit nichtig.

Zwar sind bei der Teilung durch den Eigentümer gemäß § 8 WEG Regelungen für das Gemeinschaftsverhältnis zulässig, die Vereinbarungscharakter nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG haben und wegen ihrer Eintragung im Grundbuch nach § 10 Abs. 2 WEG auch gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers wirken. Unter § 10 Abs. 2 WEG fallen nur solche Vereinbarungen, die ausschließlich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen. Deshalb fällt der Vertrag mit dem Verwalter nicht unter § 10 WEG, wohl aber können die Wohnungseigentümer untereinander Vereinbarungen treffen, in welcher Weise der Verwaltervertrag auszugestalten ist. Ein solcher Vertrag hat die Bedeutung, dass die Wohnungseigentümer verpflichtet sind, ihre Zustimmung zum Abschluss eines den vereinbarten Richtlinien entsprechenden Verwaltervertrages zu erteilen (Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl., § 10 Rn. 38; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 10 Rn. 50).

Die Grenzen für den Inhalt einer Vereinbarung werden außer von §§ 134, 138 BGB auch von §§ 242, 315 BGB gezogen (BayObLG NJW-RR 1990, 1102; BayObLGZ 1972, 314; 1988, 287; KG ZMR 1986, 127). Daraus ergibt sich, dass grob unbillige Vereinbarungen unwirksam sind. Diese Voraussetzung liegt hier hinsichtlich der Regelung der Vergütung des Verwalters in § 12c der Teilungserklärung vor. Diese Vergütungsregelung unterwirft die Wohnungseigentümer einer einseitig vom Bauträger gesetzten Regelung der Gemeinschaftsordnung, die den Grundgedanken des Wohnungseigentumsgesetzes, das den selbstverantwortlichen Eigenbesitz fördern will, missachtet (vgl. BayObLGZ 1972, 314), weil sie einseitig nur die Interessen der teilenden Eigentümerin, die sich als erste Verwalterin für die Dauer von fünf Jahren eingesetzt hatte, verfolgt, während sie für die Wohnungseigentümer selbst, in deren Interesse die Gemeinschaftsordnung eigentlich sein soll, in keiner Weise von Vorteil ist. Diese müssten nach § 12 c ihrer Gemeinschaftsordnung dem Abschluss eines Vertrages mit dem Verwalter zustimmen, nach dessen Bestimmungen selbst diejenigen Wohnungseigentümer, die sich nicht mit den Zahlungen von Wohngeld in Rückstand befinden, im Außenverhältnis zu dem Verwalter für die doppelte oder sogar dreifache Verwaltergebühr der säumigen Wohnungseigentümer einzustehen hätten. Dabei sollen die Entschädigungen in Abweichung von den an sich anwendbaren gesetzlichen Vorschriften des BGB über den Zahlungsverzug verschuldensunabhängig und weder zeitlich noch der Höhe nach begrenzt an den Verwalter bezahlt werden. Bereits bei der kleinsten Überschreitung der Zahlungsfrist soll eine volle Jahresgebühr fällig werden, die der säumige Wohnungseigentümer schuldet. Die Gebühr soll sich sogar verdreifachen, sobald ein gerichtliches Verfahren anhängig ist. Da der Verwalter ohnehin eine um 25 % erhöhte Vergütung nach den Gebühren der II. Berechnungsverordnung des Bundes erhalten soll, bedeuten die Regelungen über den Zahlungsrückstand einzelner Wohnungseigentümer im Ergebnis, dass der Verwalter für Tätigkeiten, die nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 WEG zu seinem normalen Aufgabenfeld gehören, das 2,5fache oder gar 3,75fache der Gebührensätze der II. Berechnungsverordnung des Bundes erhalten soll. Diese Automatik, die bereits ein noch so geringer Zahlungsrückstand auslösen soll, kann nur als finanzielle Knechtschaft der Wohnungseigentümer bezeichnet werden. Die von der früheren Verwalterin auf diese Weise vereinnahmten Beträge erreichten nach dem Vorbringen der Antragsgegner allein in den vier Jahren von 2002 bis 2005 den Betrag von ca. 310.000 €.

Eine solche mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) nicht in Einklang zu bringende und die Höhe des Verwalterhonorars für die Zukunft endgültig festlegende gemeinschaftsschädliche Regelung in der Teilungserklärung, die nur durch missbräuchliche Ausnutzung der Vertragsfreiheit des Bauträgers als Satzungsgeber zustande gekommen ist, ist daher als nichtig anzusehen.

Nach § 139 BGB ist bei einer Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Regelungen über das Verwalterhonorar insgesamt anders ausgefallen wären, wenn die Nichtigkeit der Regelung über die Höhe der Gebühren bei Säumnis eines Wohnungseigentümers mit den Wohngeldzahlungen bekannt gewesen wäre. Demgegenüber bestehen nach dem Vorbringen der Beteiligten keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Teilungserklärung insgesamt mit der Regelung über die Verwaltervergütung stehen und fallen sollte. Demnach sind nur die Bestimmungen in der Teilungserklärung über die Höhe der Verwaltergebühren nichtig.

Da das Rechtsmittel Erfolg hat, entsprach es der Billigkeit, den Beteiligten zu 2) die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen mit Ausnahme etwaiger Kosten, die durch das vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesene Rechtsmittel des Beteiligten 1) in dem Beschwerdeverfahren 9 T 180/04 entstanden und deshalb von dem Beteiligten zu 1) zutragen sind, § 47 S. 1 WEG.

Demgegenüber bestanden angesichts der erst- und zweitinstanzlich anderslautenden Entscheidungen keine hinreichenden Gründe dafür, die Anordnung außergerichtlicher Kosten auszusprechen, § 47 S. 2 WEG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die angegriffene Regelung der Teilungserklärung nur die Wohnungseigentümer untereinander bindet, sodass sich die Entscheidung des Senats nicht unmittelbar auf das Vertragsverhältnis zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Verwalter auswirkt.

Ende der Entscheidung

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