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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.09.2003
Aktenzeichen: 15 W 258/03
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 1598 Abs. 2
EGBGB Art. 234
Einem von einem Standesbeamten im Gebiet der ehemaligen DDR im Jahre 1955 beurkundeten Anerkenntnis der Vaterschaft durch einen Mann mit Wohnsitz in Westdeutschland kommt auch nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages statusbegründende Wirkung zu, ohne daß es einer Zustimmung der Mutter oder des Kindes bedarf.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 258/03 OLG Hamm

In der Nachlaßsache

betreffend den Nachlaß des am 2001 mit seinem letzten Wohnsitz in L verstorbenen Herrn S

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 29. September 2003 auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 13. Juni 2003 gegen den Beschluß der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 16. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Lohmeyer

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 26.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1) ist als Kind aus der im Jahre 1961 geschlossenen Ehe des Erblassers mit Frau S geb. --- hervorgegangen. Der Beteiligte zu 2) ist am 07.10.1955 in ... als nichteheliches Kind der Frau S geboren. Die Geburt wurde von dem Standesbeamten des Standesamtes zu Nr. ... beurkundet. Der Erblasser erkannte am 19.10.1955 in einer von dem Standesbeamten des Standesamtes ... aufgenommenen Urkunde an, Vater des Beteiligten zu 2) zu sein. Der Standesbeamte des Standesamtes vermerkte daraufhin am selben Tag das Vaterschaftsanerkenntnis am Rande des Geburtseintrags.

Die Ehefrau des Erblassers beantragte zur Niederschrift der Rechtspflegerin des Amtsgerichts vom 26.03.2002 mit der Versicherung, der Erblasser habe eine letztwillige Verfügung nicht hinterlassen, die Erteilung eines gemeinschaftlichen Mindestteilerbscheins, der nach gesetzlicher Erbfolge sie zu 1/2 und den Beteiligten zu 1) zu 1/4 Anteil als Erben ausweisen soll. Mit ihrem Antrag legte die Ehefrau ein vom 18.12.2001 datierendes DNA-Gutachten vor, in dem der Sachverständige Prof. Dr. B zu der Schlussfolgerung gelangt, es sei unmöglich, daß die Beteiligten zu 1) und 2) denselben biologischen Vater hätten. Der beantragte Erbschein wurde der Ehefrau des Erblassers am 27.03.2002 erteilt.

Der Beteiligte zu 2) hat zu notarieller Urkunde vom 10.10.2002 (UR-Nr. ... 2002 Notariat 3 ...) die Erteilung eines Teilerbscheins beantragt, der ihn nach gesetzlicher Erbfolge zu 1/4 Anteil als Erben ausweisen soll. Dieser Erbschein ist dem Beteiligten zu 2) am 24.10.2002 erteilt worden.

Gegen die Erteilung dieses Erbscheins hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 28.11.2002 Beschwerde eingelegt, die er dahin begründet hat, die Vaterschaftsanerkennung des Erblassers müsse als unwirksam angesehen werden, weil die darüber von dem Standesbeamten des Standesamtes ... errichtete Urkunde kein Siegel trage. Zudem fehle die zum damaligen Zeitpunkt erforderliche Zustimmungserklärung der Mutter des Beteiligten zu 2).

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat der Beschwerde unter Hinweis auf die Vorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB nicht abgeholfen, weil seit der Eintragung der Anerkennung in ein deutsches Personenstandsbuch mehr als fünf Jahre verstrichen seien. Das Landgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 1) durch Beschluss vom 16.05.2003 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), die er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 13.06.2003 bei dem Landgericht eingelegt hat.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, daß seine erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen. Seine Beschwerdebefugnis ergibt sich daraus, daß von seinem Standpunkt ausgehend der Beteiligte zu 2) nicht als gesetzlicher Erbe des Erblassers berufen ist und sich demzufolge der Erbanteil des Beteiligten zu 1) neben demjenigen der Ehefrau des Erblassers auf 1/2 erhöhen würde (§ 1924 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 1931 Abs. 1 S. 1 und 3, 1371 BGB).

Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Die Kammer hat ausgeführt, der dem Beteiligten zu 2) erteilte Teilerbschein sei nicht im Sinne des § 2361 BGB unrichtig. Dabei könne offen bleiben, ob sich die Abstammung des Beteiligten zu 2) als Sohn des Erblassers aus dessen Vaterschaftsanerkenntnis vom 19.10.1955 ergebe. Das Anerkenntnis habe jedenfalls deshalb nach § 1598 Abs. 2 BGB (in der Fassung durch das KindRG vom 16.12.1997) bzw. der inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 1600 f Abs. 2 BGB (in der Fassung durch das NEhelG vom 19.08.1969) statusbegründende Wirkung, weil seit der Eintragung der Anerkennung in ein deutsches Personenstandsbuch mehr fünf Jahre verstrichen seien.

Die Vorschrift des § 1598 Abs. 2 BGB bzw. ihre nach dem maßgebenden Zeitablauf vorrangig heranzuziehende Vorgängerregelung des § 1600 f Abs. 2 BGB a.F. dient der Heilung einer Vaterschaftsanerkennung, die mangels Vorliegens einer ihrer Voraussetzungen (jetzt § 1594 ff. BGB n.F.) unwirksam ist. Die Heranziehung der Heilungsvorschrift ist entbehrlich, wenn gegen die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung und ihre statusbegründende Wirkung keine sachlichen Bedenken bestehen. So liegen die Dinge hier:

Die Feststellung der Abstammung des Beteiligten zu 2) steht in Beziehung zum Recht der ehemaligen DDR, weil dieser am 07.10.1955 in ... geboren ist. Die Überleitung familienrechtlicher Verhältnisse im Gebiet der neuen Bundesländer mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages ist nach Art. 234 EGBGB zu beurteilen. Überzuleiten sind grundsätzlich nur solche Sachverhalte, die nach dem bis zum 02.10.1990 geltenden innerdeutschen Kollisionsrecht dem Recht der DDR unterlegen haben (Staudinger/Rauscher, BGB, 13. Bearb., Art. 234 § 1 EGBGB, Rdnr. 3). Das ist hier der Fall, weil nach Art. 20 Abs. 1 S. 1 EGBGB in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages geltenden Fassung die Abstammung eines nichtehelichen Kindes dem Recht des Staates unterliegt, dem die Mutter bei der Geburt des Kindes angehört. Für das innerdeutsche Kollisionsrecht ist diese Vorschrift ebenfalls mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Staatsangehörigkeit das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts tritt (Staudinger/Kropholler, BGB, a.a.O., Art. 20 EGBGB, Rdnr. 93).

Zum Zeitpunkt der Geburt des Beteiligten zu 2) galt auch in der DDR noch das BGB in seiner damaligen Fassung. Zwischen dem Vater und seinem nichtehelich geborenem Kind wurde kein Verwandtschaftsverhältnis begründet (§ 1599 BGB a.F.). Gleichwohl konnte der Vater die Vaterschaft zu dem Kind in einer öffentlichen Urkunde anerkennen. Auch ein solches Anerkenntnis hatte jedoch keine statusbegründende, sondern lediglich eine Wirkung im Hinblick auf die Unterhaltspflicht des Vaters (§ 1718 in Verbindung mit § 1717 BGB a.F.). Dementsprechend war die Wirksamkeit der Anerkennung weder von einer Zustimmung des Kindes noch der Mutter abhängig. Denn das Erfordernis der Zustimmung der Mutter bzw. des Kindes dient allein ihrem Schutz davor, sich gegen ihren Willen den Anerkennenden als Vater aufzwingen lassen zu müssen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1595, Rdnr. 1). Erst durch das am 01.04.1966 in Kraft getretene Familiengesetzbuch der DDR (FGB) wurde ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem nichtehelichen Kind und seinem Vater begründet. Dementsprechend sah § 55 Abs. 1 FGB vor, daß die Vaterschaft durch die mit Zustimmung der Mutter erklärte Anerkennung des Vaters festgestellt wurde.

Personenstandsrechtlich war das Vaterschaftsanerkenntnis nach dem zum Zeitpunkt der Geburt des Beteiligten zu 2) auch in der DDR geltenden PStG in der Fassung vom 03.11.1937 zu behandeln. Nach §29 Abs. 1 PStG 1937 war, wenn der "uneheliche" Vater nach der Geburt des Kindes seine Vaterschaft in öffentlicher Urkunde anerkannte, das Anerkenntnis am Rande des Geburtseintrags zu vermerken. Nach § 61 Abs. 1 der 1. AusfVO zum PStG 1937 konnte das Anerkenntnis der Vaterschaft u.a. auch von den Standesbeamten beurkundet werden. Besondere Formvorschriften für die Beurkundung des Standesbeamten, die über die allgemeine Vorschrift des § 3 der 1. AusfVO hinausgingen, bestanden insoweit nicht. Ausreichend war also die Feststellung der Persönlichkeit des Erschienenen, der Vermerk, daß die Erklärung vorgelesen, genehmigt und unterschrieben worden ist, sowie die Unterschriften des Erschienenen sowie diejenige des Standesbeamten (Brandis-Maßfeller, PStG, 1938, S. 440). Die Beifügung eines Amtssiegels war zur Wirksamkeit der Beurkundung nicht vorgesehen, zumal es sich um das Original der bei den Akten des Standesamtes verwahrten Anerkennungserklärung handelt; etwas anderes mag für eine beglaubigte Abschrift der von einem anderen Standesbeamten aufgenommenen Anerkennungserklärung gelten, die nach § 61 Abs. 2 der 1. AusfVO dem Standesbeamten mitzuteilen war, in dessen Geburtenbuch die Geburt des Kindes beurkundet worden war. Diesen Anforderungen genügt die am 09.10.1955 von dem Standesbeamten des Standesamtes ... aufgenommene Urkunde über das Vaterschaftsanerkenntnis. Der Standesbeamte hat sodann gem. § 29 Abs. 1 PStG korrekt noch am selben Tag den entsprechenden Randvermerk dem Geburtseintrag beigeschrieben. Entgegen der Darstellung der weiteren Beschwerde enthält das PStG 1937 keine dem § 29 a entsprechende Vorschrift, die vor der Beischreibung des Randvermerks den Nachweis einer Zustimmungserklärung der Mutter vorsieht. Vielmehr ist die Vorschrift des § 29 a PStG erstmals durch das NEhelG in das PStG aufgenommen worden, die in Durchführung der Vorschrift des § 1600 c Abs. 2 BGB eine Zuständigkeit des Standesbeamten zur Beurkundung auch der Zustimmungserklärung des Kindes begründet hat, während erst § 1595 Abs. 1 BGB in der Fassung durch das KindRG (mit der entsprechenden weiteren Änderung des § 29 a PStG) vorrangig die Erforderlichkeit der Zustimmung der Mutter vorsieht.

Eine statusbegründende Wirkung kam dem Vaterschaftsanerkenntnis des Erblassers jedoch mit dem Inkrafttreten des FGB am 01.04.1966 zu. § 8 Abs. 1 EGFGB sieht insoweit vor, daß eine vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in einer öffentlichen Urkunde erklärte Vaterschaftsanerkennung nunmehr die Wirkung einer Vaterschaftsfeststellung im Sinne des § 55 Abs. 1 FGB hat. Der Eintritt dieser Wirkung ist nach § 8 Abs. 1 EGFGB nicht etwa von einer nunmehr zusätzlich erklärten Zustimmung der Mutter abhängig. Die aufgrund dieser Vorschrift bewirkte Vaterschaftsfeststellung konnte lediglich nach Maßgabe der §§ 8 Abs. 3 EGFGB, 59 FGB durch Erhebung der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung angefochten werden.

Das Inkrafttreten des Einigungsvertrages hat diese statusbegründende Wirkung des Vaterschaftsanerkenntnisses unberührt gelassen. Art. 234 § 7 Abs. 1 S. 2 EGBGB stellt zunächst eine nach dem 31.03.1966 wirksam gewordene Vaterschaftsanerkennung statusbegründenden Feststellungsentscheidungen über die Vaterschaft gleich, deren Wirksamkeit nach S. 1 der Vorschrift unberührt bleiben. Dieselbe Rechtsfolge sieht Art. 234 § 7 Abs. 4 EGBGB vor für andere Erklärungen, die nach dem bisherigen Recht die Wirkung einer Vaterschaftsfeststellung haben. Daraus folgt, daß auch die statusbegründende Wirkung einer nach früherem Recht erklärten Vaterschaftsanerkennung, die sich erst aus der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 1 EGFGB ergibt, aufrechterhalten geblieben ist (vgl. Adler/Wagenitz, FamRZ 1990, 1171).

Auf die Anwendung der Heilungsvorschrift des § 1600 f Abs. 2 BGB in der bis zum 30.06.1998 geltenden Fassung kommt es danach für die Sachentscheidung nicht an, so daß der Senat von weiteren Ausführungen dazu absehen kann.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der landgerichtlichen Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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