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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: 15 W 26/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
Ein Eigentümerbeschluß, der die Verpflichtung der Wohnungseigentümer begründet, zur Abwicklung von Wohngeldzahlungen dem Verwalter eine Einzugsermächtigung für den Lastschriftverkehr zu erteilen, begründet für den einzelnen Wohnungseigentümer keine den Betrag von 750,00 Euro übersteigende Beschwer.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 26/05 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 21. April 2005 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 28. Dezember 2004 gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 12. November 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 02.06.2004 als unzulässig verworfen wird.

Der Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Er hat die in dieser Instanz den Beteiligten zu 2) und 3) entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Miteigentümer der vorbezeichneten Wohnungseigentumsanlage; die Beteiligte zu 3) ist die gegenwärtige Verwalterin. In der Eigentümerversammlung vom 26.03.2004 wurde zu Tagesordnungspunkt 5 mehrheitlich folgender Beschluß gefasst:

"... beschließen, daß jeder Wohnungs- und Teileigentümer verpflichtet ist, der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Händen des Verwalters eine Einzugsermächtigung zum Einzug der monatlichen Wohngeldvorauszahlungen und zum Einzug nach erfolgter Jahresabrechnung sich ergebender Abrechnungsspitzen zu erteilen. Diese Regelung gilt mit Wirkung ab 01. Mai 2004."

Diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1) mit einem bei dem Amtsgericht am 26.04.2004 eingegangenen Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten angefochten und zur Begründung im wesentlichen geltend gemacht: Es liege außerhalb der Beschlußkompetenz der Eigentümerversammlung, die einzelnen Wohnungseigentümer zu einer bestimmten Art der Zahlung des Wohngeldes zu zwingen. Der Beschluß entspreche darüber hinaus nicht dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn es handele sich um einen drastischen Einschnitt in die Kontosouveränität des einzelnen Miteigentümers, der dem Risiko möglicherweise unberechtigter Abbuchungen in unbegrenzter Höhe ausgesetzt werde.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten. Sie haben insbesondere geltend gemacht, die durch den Beschluß getroffene Regelung diene einer erheblichen Vereinfachung der Abwicklung der Verwaltung im Zusammenhang mit den Wohngeldzahlungen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 02.06.2004 den Beschlußanfechtungsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seine Verfahrensbevollmächtigten vom 09.07.2004 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht nach mündlicher Verhandlung mit den Beteiligten durch Beschluß vom 12.11.2004 aus sachlichen Gründen zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), die er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 28.12.2004 bei dem Landgericht eingelegt hat.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass seine sofortige Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil bereits die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 1) unzulässig ist. Das Rechtsbeschwerdegericht hat die Zulässigkeit der Erstbeschwerde von Amts wegen ohne Rücksicht darauf zu überprüfen, daß das Landgericht in dieser Richtung keine Bedenken getragen hat (vgl. Keidel/Kahl, FG, 14. Aufl., § 27, Rdnr. 15). Diese Prüfung führt hier zur Feststellung der Unzulässigkeit der sofortigen Erstbeschwerde, weil der Wert der Beschwer des Beteiligte zu 1) durch die Entscheidung des Amtsgerichts den Betrag von 750,00 Euro nicht übersteigt (§ 45 Abs. 1 WEG).

Der Beschwerdewert ist ausschließlich nach der Beschwer des Rechtsmittelführers, also seinem Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung zu bemessen. Dementsprechend ist der Begriff der Rechtsmittelbeschwer (§ 45 Abs. 1 WEG) streng von demjenigen des Gegenstandswertes des Verfahrens zu unterscheiden, der gem. § 48 Abs. 3 S. 1 WEG nach dem Interesse sämtlicher Wohnungseigentümer an der Entscheidung zu bemessen ist. Nur auf die Bemessung des Gegenstandswertes des Verfahrens bezieht sich auch die von der weiteren Beschwerde herangezogene Kommentierung von Merle (in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 48, Rdnr. 29).

Die Beschwer des Rechtsmittelführers ist im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung zu bewerten, die nach der auch im Verfahren nach dem WEG anwendbaren Vorschrift des § 20 Abs. 1 FGG Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist (BGH NJW 2003, 3124). Maßgebend ist danach regelmäßig die vermögensmäßige Beeinträchtigung allein des Beschwerdeführers, die sich für ihn ergibt, wenn es bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts verbleibt (BGHZ 119, 216 = NJW 1993, 2205). Besonderheiten können allerdings im Beschlußanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG gelten, wenn dem Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung keine meßbaren Vermögensnachteile entstehen, er vielmehr mit seinem Rechtsmittel allein eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß seinen Vorstellungen durchsetzen will (BGH NJW 2003, 3124, 3125 für die Anfechtung einer Entscheidung, durch die ein Eigentümerbeschluß für ungültig erklärt worden ist). Solche Besonderheiten kommen hier jedoch nicht zum Tragen. Denn Ziel des Beteiligten zu 1) ist es nicht etwa, allgemein eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten. Daß die Abwicklung der Wohngeldzahlungen auf dem Weg des Einzugsermächtigungsverfahrens den Gang der Verwaltung vereinfacht und damit der Gemeinschaft zugute kommt, wird im Kern auch von dem Beteiligten zu 1) nicht in Abrede gestellt. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Eigentümerbeschlusses leitet der Beteiligte zu 1) vielmehr ausschließlich daraus ab, daß dieser zu weitgehend in seine Rechte eingreife, indem er gezwungen werde, der Beteiligten zu 3) eine Verfügungsbefugnis über sein Kontoguthaben einzuräumen, und er deshalb ständig mit unberechtigten Abbuchungen rechnen müsse, deren nachteilige Folgen in bestimmten Konstellationen ggf. nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Daraus folgt, daß es dem Beteiligten zu 1) ausschließlich um die Abwendung eigener Vermögensnachteile geht, die er als Folge des angefochtenen Eigentümerbeschlusses für sich befürchtet.

Die Vermögensnachteile, die dem Beteiligten zu 1) durch den Zwang zur Erteilung einer Ermächtigung an die Verwalterin entstehen, sowohl die monatlichen Wohngeldvorauszahlungen als auch sich aus der jeweiligen Jahresabrechnung ergebender Nachzahlungsbeträge von seinem Konto einzuziehen, sind nach objektiven Maßstäben zu bewerten und übersteigen den Betrag von 750,00 Euro nicht. Maßgebend für diese Bewertung sind die auch von dem Beteiligten zu 1) hervorgehobenen Gesichtspunkte, die Freiheit zu behalten, selbst zu entscheiden, auf welche Weise er die auf das Gemeinschaftskonto der Verwalterin zu leistenden Wohngeldzahlungen erbringt, sowie sein Interesse, der Gefahr unberechtigten Abbuchungen durch den Einzugsberechtigten zu begegnen. Dieses Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers hat das OLG Hamburg in nicht tragenden Erwägungen seiner Entscheidung vom 06.04.1998 (vollständiger Abdruck in WuM 1988, 565) mit einem Betrag unter der damaligen Mindestbeschwer von 1.500,00 DM bewertet. Der Senat schließt sich dieser Bewertung auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beteiligten zu 1) an.

Dafür ist ausschlaggebend, daß der Beteiligte zu 1) nach seinem eigenen Vorbringen bereits ein Girokonto unterhält, von dem er die Wohngeldzahlungen auf das Konto der Gemeinschaft überweist. Durch eine Einzugsermächtigung erteilt der Bankkunde dem Zahlungsempfänger keine Verfügungsbefugnis über sein Kontoguthaben. Die Einzugsermächtigung berechtigt vielmehr lediglich in dem Valutaverhältnis zwischen dem Miteigentümer und der Gemeinschaft die Verwalterin, sich bei Fälligkeit der Lastschrift zum Einzug des geschuldeten Betrages zu bedienen. Die Ermächtigung hat demgegenüber nicht auch die Bedeutung einer in dem Giroverhältnis zur Bank erteilten Weisung, das Konto mit der Lastschrift zu belasten. Im Einzugsermächtigungsverfahren handelt die Schuldnerbank, die eine Lastschrift einlöst, nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur aufgrund einer im eigenen Namen erteilten Weisung der Gläubigerbank im Rahmen des zwischen den Banken bestehenden Giroverhältnisses. Die Belastung des Girokontos des Kontoinhabers geschieht also ohne entsprechende Weisung des Schuldners. Der Schuldnerbank steht deshalb ein Aufwendungsersatzanspruch nach § Fehler! Textmarke nicht definiert. BGB, den sie mit der Belastungsbuchung gegen den Schuldner geltend macht, erst zu, wenn der Schuldner die Belastungsbuchung gegenüber der Schuldnerbank genehmigt. Da der Schuldner in den Verfügungen über sein Konto frei ist und somit im Verhältnis zur Schuldnerbank keiner Beschränkung bei der Entscheidung unterliegt, ob und warum er einer Einzugsermächtigungslastschrift widerspricht, ist sein Widerspruch für die Schuldnerbank grundsätzlich immer verbindlich. Daraus folgt, dass der Schuldner der Belastungsbuchung auf Grund einer Einzugsermächtigungslastschrift zeitlich unbegrenzt (und nicht etwa nur innerhalb eines Zeitraumes von sechs Wochen) widersprechen kann. Eine konkludente Genehmigung des Schuldners liegt nicht bereits in einem mehrmonatigen Schweigen auf einen ihm zugegangenen Tageskontoauszug oder auch auf einen Rechnungsabschluß (vgl. BGHZ 144, 349 = NJW 2000, 2667 m.w.N.). Aufgrund des Girovertrages ist der Beteiligte zu 1) zwar gegenüber seinem Bankinstitut zur Vermeidung einer etwa entstehenden Schadensersatzpflicht in gewissem Maß zu einer laufenden Kontrolle der Kontobewegungen (vgl. etwa BGH NJW 1985, 2326, 2327) und im Fall der Verhinderung gehalten, für seine Vertretung in dieser Beziehung Sorge zu tragen. Daran ändert sich jedoch durch eine erteilte Einzugsermächtigung nichts. Das Risiko, eines Tages mit einer von der Verwalterin initiierten, unberechtigten Belastungsbuchung konfrontiert zu werden, ohne die entsprechende wirtschaftliche Belastung rückgängig machen zu können, ist also bei objektiver Bewertung als sehr gering einzustufen. Diese Bewertung entspricht den Erfahrungen der alltäglichen Praxis, daß dem Einzugsermächtigungsverfahren der Banken weitgehend Vertrauen entgegengebracht wird und auch Privatpersonen von der Möglichkeit der Erteilung einer Einzugsermächtigung zur Gewährleistung laufender Zahlungen vielfältiger Art in großem Umfang Gebrauch machen.

Da die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg bleibt, entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 47 S. 1 WEG, daß der Beteiligte zu 1) die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz zu tragen hat.

Der Senat hält es darüber hinaus für angemessen, daß der Beteiligte zu 1) auch die den Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat (§ 47 S. 2 WEG). Zwar haben die Beteiligten im Verfahren nach dem WEG grundsätzlich ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch gerechtfertigt, wenn der Beschwerdeführer durch die Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels solche Kosten verursacht.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Diese ist - wie bereits ausgeführt - von der Rechtsmittelbeschwer unabhängig und hat das Interesse sämtlicher Wohnungseigentümer an der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Der bereits vom Landgericht herangezogene Regelwert des § 30 Abs. 2 KostO erscheint in diesem Zusammenhang durchaus angemessen.

Ende der Entscheidung

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