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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 15 W 270/07
Rechtsgebiete: BGB, FGG
Vorschriften:
BGB § 1960 | |
BGB § 1961 | |
FGG § 74 |
2) Der Senat neigt zu der Auffassung, dass § 74 FGG sich nicht auf eine gem. § 1961 BGB anzuordnende Nachlasspflegschaft erstreckt.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 W 270/07 OLG Hamm
In der Nachlasspflegschaftssache
betreffend verschiedene Miteigentümer der im Grundbuch von B Blatt xxx verzeichneten Grundstücke
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.01.2008 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 13.07.2007 gegen die Beschlüsse der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 15.06.2007 durch
beschlossen:
Tenor:
Unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde im Übrigen werden der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Delbrück vom 07.03.2007 aufgehoben, soweit die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach Frau H abgelehnt worden ist.
Insoweit wird die Sache mit der Maßgabe an das Amtsgericht zurückverwiesen, dass diesem bei der erneuten Behandlung der Sache die Prüfung seiner örtlichen Zuständigkeit vorbehalten bleibt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf bis zu 1.200 € festgesetzt, wovon 800 € auf die Zurückweisung der weiteren Beschwerde entfallen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind in mehreren Erbengemeinschaften Miteigentümer der im Grundbuch von Z2 Blatt xxx verzeichneten Grundstücke. Sie haben die Teilungsversteigerung dieser Grundstücke beantragt. Das Amtsgericht Paderborn als Zwangsversteigerungsgericht konnte nicht alle weiteren, im Grundbuch verzeichneten Miteigentümer an dem Versteigerungsverfahren beteiligen, teils weil deren aktuelle Anschrift unbekannt war, teils weil diese verstorben waren.
Die o.a. Beteiligten haben daraufhin beim Amtsgericht Delbrück beantragt, für "die bisher unbekannt gebliebenen Miteigentümer" einen Nachlasspfleger zu bestellen, da nach dem Alter derselben davon auszugehen sei, dass diese verstorben seien.
Das Amtsgericht Delbrück hat den Antrag durch Beschluss vom 07.03.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aus der Grundbuchakte ersichtlich sei, dass allenfalls noch die Erben nach der vormaligen Miteigentümerin bzw. Miterbin eines Miteigentumsanteils H unbekannt seien. Insoweit habe jedoch ein Telefonat mit einem Neffen der H ergeben, dass auch die gesetzlichen Erben nach dieser bekannt seien und die Vorlage eines Erbscheins zum Zwecke der Grundbuchberichtigung bislang allein aus Zeitmangel unterblieben sei. Demnach sei nicht schlüssig vorgetragen, dass Erben unbekannt seien bzw. eine mögliche Ungewissheit nicht durch Ermittlungen zu beheben sei, so dass es an einem Bedürfnis für die Bestellung eines Nachlasspflegers fehle. Weiter sei der Antrag auch zurückzuweisen, weil die Nachlasspflegschaft allein den Interessen der Antragsteller, aber nicht der Sicherung des Nachlasses diene, wie § 74 FGG dies voraussetze.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten mit der weiteren Beschwerde.
II.)
Die weitere Beschwerde ist statthaft und formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt sich bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die weitere Beschwerde teilweise begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen (§§ 75, 57 Abs.1 Nr.3 FGG). In sachlicher Hinsicht hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung hingegen nur teilweise und auch insoweit nur im Ergebnis stand.
Das Landgericht hat die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB mit der Begründung abgelehnt, die Antragsteller beabsichtigten nicht, einen Anspruch gegen den Nachlass geltend zu machen. Mit der Zwangsversteigerung würden sie vielmehr einen Erbauseinandersetzungsanspruch nach § 2042 BGB geltend machen, der sich jedoch nicht gegen den Nachlass, sondern gegen die einzelnen Miterben richte. Dies ist zwar in rechtlicher Hinsicht zutreffend, geht jedoch von einem falschen Sachverhalt aus.
Die Grundstücke, auf welche sich die Teilungsversteigerungsanträge beziehen, stehen im Miteigentum (§ 1008 BGB). Lediglich einzelne der Miteigentumsanteile stehen (unterschiedlichen) Erbengemeinschaften zu. Den hiesigen Antragstellern stehen in unterschiedlich zusammengesetzten Erbengemeinschaften die 1/60-Miteigentumsanteile zu, die in Abteilung I des Grundbuchs mit den Ordnungsziffern 1, 2 und 8 bezeichnet sind. Aus dieser Position heraus können sie gegen die weiteren Miteigentümer ihren Aufhebungsanspruch gemäß §§ 749, 753 Abs.1 S.1 BGB geltend machen. Soweit bei den weiteren Miteigentumsanteilen zwischenzeitlich eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, richtet sich dieser Aufhebungsanspruch aber gegen den betreffenden Nachlass, wie von § 1961 BGB vorausgesetzt.
Die Entscheidung erweist sich auch aus anderen Gründen nur teilweise als richtig.
Zunächst konnte der Antrag der Beteiligten nicht wegen Unbestimmtheit zurückgewiesen werden. Der Senat teilt allerdings die Auffassung der Vorinstanzen, dass von anwaltlich vertretenen Antragstellern in einer Pflegschaftssache grundsätzlich eine eindeutige Aussage dazu erwartet werden darf, für wen die Pflegschaft eingerichtet werden soll. Hierauf konnte eine abweisende Entscheidung jedoch nicht gestützt werden, da durch den Verweis auf das Zwangsversteigerungsverfahren jedenfalls eine hinreichende Grundlage für eine Auslegung des Antrags gegeben war. Diese ergibt, dass die Antragsteller eine Nachlasspflegschaft nach den eingetragenen, aber für das Zwangsversteigerungsgericht nicht erreichbaren Miterben/Miteigentümern H2 U (Ordnungsziff.5), H, Q H, V C, G-X H und U2 H (sämtlich Ordnungsziff.11) austreten.
Auch die Begründung des Amtsgerichts für die Zurückweisung des Antrags wird von den bisher getroffenen Feststellungen nur insoweit getragen, als es nicht die Rechtsnachfolger nach Frau H betrifft. Richtig ist, dass auch eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB voraussetzt, dass die Erben unbekannt sind, wie sich aus der Verweisung auf § 1960 Abs.1 BGB ergibt. Allerdings ist die Frage, ob der Erbe unbekannt ist, aus der Sicht des Gläubigers zu beurteilen, dessen Schutz § 1961 BGB dient (MK-BGB/Leipold, 4.Aufl., § 1961 Rdn.4). Dementsprechend muss der Erbe bereits dann als unbekannt gelten, wenn die Verhältnisse so weitläufig und/oder unklar sind, dass dem Gläubiger die Beschaffung derjenigen Informationen und Unterlagen, die für den Nachweis der Passivlegitimation notwendig wären, unmöglich oder zumindest unzumutbar ist. Geht man hiervon aus, so sind die Feststellungen des Amtsgerichts unzureichend, um davon ausgehen zu können, dass auch die die Erben nach H für die Antragsteller unschwer feststellbar seien. Die Feststellungen des Amtsgerichts beschränken sich auf die Angaben eines Neffen der verstorbenen Miterbin H, die Erben seien bekannt, ohne dass klar würde, um welche Personen es sich handelt und wie der Erbgang gestaltet ist. Berücksichtigt man weiter, dass es dem Grundbuchamt trotz entsprechender Bemühungen über mehrere Monate bislang nicht gelungen ist, die Erben nach H abschließend festzustellen bzw. die in Betracht kommenden Personen zu einer Berichtigung des Grundbuchs zu veranlassen, so kann man auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht davon ausgehen, dass eine beweiskräftige Feststellung den Antragstellern unschwer möglich wäre. Im Übrigen ist die Antragszurückweisung hingegen zu Recht erfolgt, da die Rechtsnachfolger der weiteren eingetragenen Personen, die -soweit bekannt- zwischenzeitlich verstorben sind, bekannt sind. Entsprechende Erbscheine liegen dem Grundbuchamt abschriftlich vor.
Die durch das Amtsgericht getroffene Sachentscheidung kann danach allein hinsichtlich des Antrags betreffend H keinen Bestand haben. Insoweit bedarf es für eine Sachentscheidung weiterer tatsächlicher Feststellungen hinsichtlich der Informations- und Beweisbeschaffungsmöglichkeiten der Antragsteller.
Letztlich ist zu bemerken, dass auch der vom Amtsgericht nur angerissene Gesichtspunkt der außerordentlichen örtlichen Zuständigkeit nach § 74 FGG eine vollständige Zurückweisung der weiteren Beschwerde nicht rechtfertigen kann. Allerdings neigt der Senat dazu, entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf (JMBlNW 1954, 83f), zu der Annahme, dass sich die Sonderzuständigkeit nach § 74 FGG nicht auf eine gem. § 1961 BGB anzuordnende Nachlasspflegschaft erstreckt, weil diese im Gegensatz zur Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB nicht der Sicherung des Nachlasses, sondern dem Interesse des antragstellenden Gläubigers dient (vgl. in diesem Sinne etwa Jansen/Müller-Lukoschek, FGG, 3. Aufl., § 74, Rdnr. 4; Keidel/Winkler, FG, 15. Aufl., § 74 Rdnr. 2). Da jedoch keine der Vorinstanzen ihre Entscheidung auf die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit gestützt und dementsprechend auch keine tatsächlichen Feststellungen hierzu getroffen hat, war die Sache unter dem Vorbehalt der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird, sollte es örtlich unzuständig sein, in erster Linie eine Abgabe an das für den letzten Wohnsitz der H örtlich zuständige Nachlassgericht in Betracht zu ziehen haben.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 131, 30 KostO.
Ende der Entscheidung
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