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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.11.1999
Aktenzeichen: 15 W 289/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2247 Abs. 1 S. 1
Gesetz:

NK: BGB § 2247 Abs. 1 S. 1

Leitsatz:

Stichworte: Zulässige Bezugnahme in einem privatschriftlichen Testament

Die Testamentsform des § 2247 Abs. 1 S. 1 BGB ist gewahrt, wenn der Erblasser auf ein wirksames notarielles Testament Bezug nimmt, indem er in dem ihm vorliegenden, mit der später beurkundeten Erklärung übereinstimmenden Entwurf der notariellen Urkunde das einleitende Wort "Testament" in seine handschriftliche Verfügung einbezieht und auf diese Weise seinen Willen zum Ausdruck bringt, das notarielle Testament solle ungültig sein.

OLG Hamm, Beschluß vom 03.11.1999, 15. Zivilsenat, 15 W 289/99


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

15 W 289/99 OLG Hamm 7 T 149/97 LG Bochum 9 VI 167/94 AG Recklinghausen

In der Nachlaßsache

betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach dem am 31.03.1994 mit seinem letzten Wohnsitz in Recklinghausen verstorbenen Herrn

Beteiligte:

1. Frau Gabriele

2. Frau Petra

Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 2): Rechtsanwälte

3. Frau Bernhardine

- Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3):

4. Frau

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 03. November 1999 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten. zu 3) vom 12. August 1999 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 21. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter, am Oberlandesgericht Budde und Vinke beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Wertfestsetzung des Landgerichts abgeändert wird.

Die Beteiligte zu 3) hat die im Verfahren der weiteren Beschwerde den Beteiligten zu 1) und 2) entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der ersten und der weiteren Beschwerde wird auf 1.350.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Erblasser war verheiratet mit Frau Gertrud die Ehefrau des Erblassers ist im Jahre 1982 vorverstorben. Als Kinder aus der Ehe sind hervorgegangen die Beteiligte zu 1) sowie der am 26.10.1994 nachverstorbene Hans letzterer ist von der Beteiligten zu 2) beerbt worden.

Nach dem Tode des Erblassers hat das Amtsgericht folgende letztwillige Verfügungen des Erblasser eröffnet:

1.

Notarielles Testament vom 16.07.1986 (Notar F), das auszugsweise lautet:

"Ich bin Eigentümer des Hauses Erlenweg 23 in Dieses Haus soll Frau Bernhardine so wie es steht und liegt als Vermächtnis erhalten.

Weiterhin soll sie als Vermächtnis die Häuser Ehlingstr. 44 a + 44 b erhalten einschließlich Apotheke so wie sie liegt u. steht. Frau H Dortmund soll als Vermächtnis in Höhe von 1/6 des Barvermögens erhalten.

Das restliche Barvermögen soll Frau O als Vermächtnis erhalten.

Erben des Vermögens sollen meine beiden Kinder Hans und Gabriele zu gleichen Teilen sein, bis zur Höhe des Pflichtteils. ..."

2.

Notarielles Testament vom 23.07.1986 (UR-Nr. 72/1986 Notar Flögel in Recklinghausen):

"I.

Zu Erben meines Vermögens bestimme ich:

Meine zwei Kinder Hans und Gabriele zu gleichen Teilen bis zur Höhe ihres Pflichtteils.

II.

Nach meinem Tod sind folgende Vermächtnisse zu erfüllen:

1. Frau Bernhardine geb. am 28. September 1936, erhält das Eigentum an dem nachbezeichneten Grundbesitz, nämlich:

a) an meinem Wohnhaus in S

b) an dem Doppelhaus in...

Die vorbezeichneten Grundstücke mit den Häusern und der Apotheke soll Frau mit allen Einrichtungen erhalten, so wie sie liegen und stehen.

2. Frau wohnhaft in Dortmund, soll ein 1/6 von meinem Barvermögen erhalten.

3. Das verbleibende Barvermögen soll Frau als weiteres Vermächtnis erhalten.

III. ...

IV. ...

V. ...

VI.

Zur Testamentsvollstreckerin ernenne ich Rechtsreferendarin Frau Elisabeth.

Sie soll die Auseinandersetzung unter den Erben bewirken und für die Erfüllung der Vermächtnisse und der Auflagen Sorge tragen.

Sollte die genannte als Testamentsvollstreckerin aus irgendeinem Grunde nicht in Frage kommen, so hat das zuständige Nachlaßgericht einen Testamentsvollstreckung mit gleichen Befugnissen aufzustellen."

Diese beiden Testamente sind von dem Notar nicht in amtliche Verwahrung gegeben worden.

3.

Privatschriftliches Testament vom 11.07.1993:

Dieses Testament hat der Erblasser unter Verwendung eines ihm überlassenen, mit Schreibmaschine geschriebenen Entwurfs eines notariellen Testaments errichtet, der inhaltlich mit dem beurkundeten Testament vom 23.07.1986 übereinstimmt. Dabei hat der Erblasser zunächst auf Blatt 1 dieses Entwurfes, der lediglich den Kopf einer notariellen Urkunde mit den Personalangaben des Erblassers sowie die einleitende Erklärung enthält, ein Testament errichten zu wollen, unter Verwendung und Einbeziehung des mittig geschriebenen Wortes "Testament" handschriftlich folgenden Vermerk angebracht:

"dieses Testament ist wie auch eine etwaige Copie oder Durchschrift ungültig! Es gilt der Kopf des Blattes 2! 11.7.93 K. H. R

Auf Blatt 2 des Entwurfs hat der Erblasser handschriftliche Streichungen und Ergänzungen des vorhandenen Textes vorgenommen u.a. in der. Weise, daß er bei der Bezeichnung der Erben seines Vermögens (Textziffer I) den Namen der Beteiligten zu 4) mit ihrem Geburtsdatum hinzugefügt hat. Die gesamten weiteren in dem Entwurf auf den Blättern 2 - 4 vorgesehenen Verfügungen hat der Erblasser durchgestrichen und auf Bl. 3 unten einen weiteren Vermerk angebracht:

"ungültig! 11.7.93 K. H. R

Der Sohn es Erblassers hat zur Niederschrift des Rechtspflegers des Nachlaßgerichts vom 07.04.1994 die Erteilung eines Teilerbscheins beantragt, der ihn zu 1/2-Anteil als Erben des Erblassers ausweisen soll. Nach dem Tod des Antragstellers hat die Beteiligte zu 2) als seine Erbin diesen Antrag fortgeführt. Die Beteiligte zu 1) hat ihrerseits mit Schrifthatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 28.04.1996 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie und ihren Bruder zu je 1/2-Anteil als Erben ausweisen soll. Zu diesem Antrag hat sie am 18.06.1996 eine ergänzende eidesstattliche Versicherung abgegeben (UR-Nr. 269/96 Notar B). Zur Begründung ihrer Anträge haben die Beteiligten zu 1) und 2) im wesentlichen geltend gemacht: Die notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 seien unwirksam, weil der Erblasser beide Urkunden nicht unterschrieben habe. Der Unterschriftszug auf den notariellen Urkunden weiche erheblich von der Unterschrift des Erblassers ab, wie sie u.a. auch auf dem privatschriftlichen Testament vom 11.07.1993 erscheine. Ferner sei der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der notariellen Urkunde wegen Medikamentenabhängigkeit testierunfähig gewesen. Die Beteiligte zu 3) sei wegen verschiedener Verfehlungen gegenüber dem Erblasser erb- und vermächtnisunwürdig; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die schriftsätzliche Darstellung der Beteiligten zu 1) und 2) Bezug genommen. Jedenfalls enthalte die privatschriftliche Verfügung des Erblassers vom 11.07.1993 auf Bl. 1 des Testamentsentwurfs ein wirksames Widerrufstestament, das der Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 S. 1 BGB genüge. Zu diesem Widerruf habe sich der Erblasser im Hinblick auf die Beendigung seiner persönlichen Beziehung zu der Beteiligten zu 3) und die Verbesserung seiner Beziehung zu seinem Sohn veranlaßt gesehen. Zwar entspreche die weitere Verfügung des Erblassers auf Bl. 2 des Testamentsentwurfs, durch die er eine neue testamentarische Erbeinsetzung habe vornehmen wollen, nicht der Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 S. 1 BGB. Dadurch werde jedoch die Wirksamkeit seiner vorangestellten Widerrufsverfügung auf Bl. 1 des Entwurfs nicht berührt. Dementsprechend seien die Kinder des Erblassers als seine gesetzlichen Erben berufen.

Die Beteiligte zu 3) ist den Erbscheinsanträgen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 seien wirksam. Durch diese Testamente sei sie ungeachtet der in den notariellen Urkunden getroffenen Wortwahl als Vermächtnisanordnung zur Alleinerbin berufen, weil der Erblasser ihr sein Vermögen nahezu im Ganzen zugewendet habe; demgegenüber habe er seine Kinder lediglich in Höhe ihres Pflichtteils bedenken wollen. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe eines Fehlverhaltens gegenüber dem Erblasser hat sie in Abrede gestellt. Das privatschriftliche Testament vom 11.07.1993 sei unwirksam, weil es insgesamt nicht der Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 S. 1 BGB entspreche. Dies gelte bereits für den vom Erblasser auf Bl. 1 des Testamententwurfs angebrachten Ungültigkeitsvermerk, weil nicht der gesamte Text von ihm selbst geschrieben sei. Hinzu komme, daß die von dem Erblasser im Anschluß daran vorgenommene testamentarische Erbeinsetzung dieser Formvorschrift nicht genüge. Beide Regelungen seien Bestandteil einer Gesamturkunde, die auch im Hinblick auf die Wahrung der Testamentsform einheitlich bewertet werden müsse: Im übrigen sei zweifelhaft, ob der Erblasser tatsächlich eine von den notariellen Testamenten vom 16. und 23.07.1986 abweichende Regelung habe treffen wollen. Der Erblasser sei als Apotheker geschäftsgewandt und über die zulässigen Formen eines Testaments unterrichtet gewesen. Aufgrund seiner intelektuellen Fähigkeiten sei es für ihn ein leichtes gewesen, ein weiteres rechtswirksames notarielles oder auch privatschriftliches Testament zu errichten. Wenn er davon abgesehen habe, lasse dies darauf schließen, daß er in Wahrheit keine anderweitige Regelung habe treffen wollen. Es müsse die Möglichkeit berücksichtigt werden, daß der Erblasser in Kenntnis der Rechtsunwirksamkeit seiner Erklärung sich nur deshalb auf handschriftliche Vermerke in dem ihm vorliegenden Testamentsentwurf beschränkt habe, um sich auf diese Weise gegenüber dem Drängen seines Sohnes auf ein ihn begünstigendes Testament Ruhe zu verschaffen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 27.12.1996 im Wege eines Vorbescheides angekündigt, den Beteiligten zu 1) und 2) jeweils einen Teilerbschein dahin zu erteilen, daß der Erblasser von seinen Kindern zu je 1/2-Anteil beerbt worden sei, falls gegen den Beschluß nicht Beschwerde eingelegt werde.

Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 04.02.1997 Beschwerde eingelegt, der die Beteiligten zu 1) und 2) entgegengetreten sind.

Das Landgericht hat durch Beschluß vom 21.06.1999 die Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 12.08.1999 bei dem Landgericht eingelegt hat.

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3) folgt bereits daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3) ausgegangen. Der Senat nimmt insoweit insbesondere auf die Ausführungen der Kammer zur Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3) Bezug.

Verfahrensgegenstand der Erstbeschwerde ist der Vorbescheid Amtsgerichts vom 27.12.1996. Die Ankündigung der Erteilung eines bestimmten Erbscheins durch sogenannten Vorbescheid wird in der Rechtsprechung und Literatur bei zweifelhafter Sach- und Rechtslage für zulässig erachtet, weil die Rechtsscheinswirkung unrichtiger Erbscheine und ihre nachträgliche Einziehung vermieden werden sollen (BGHZ 20, 255 ff.; BayObLG NJW 1981, 1280; ständige Rechtsprechung des Senats). Daraus folgt zugleich die Rechtsmittelfähigkeit des Vorbescheids im Sinne des § 19 FGG. Allerdings entspricht der in dem Vorbescheid angekündigte Erbschein nicht in vollem Umfang dem von der Beteiligten zu 1) beantragten. Diese hat am 29.04.1996 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins (§ 2357 Abs. 1 BGB) beantragt, der sie und ihren verstorbenen Bruder Hans zu je 1/2-Anteil als Erben ausweisen soll. Demgegenüber hat das Amtsgericht angekündigt, der Beteiligten zu 1) lediglich einen Teilerbschein dahin erteilen zu wollen; daß sie zu 1/2-Anteil als Erbin berufen ist. Der Umstand; daß die Beteiligte zu 2) den noch von Herrn Hans gestellten Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins weiterverfolgt, der ihn zu 1/2-Anteil als Erben ausweisen soll, steht hingegen der Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins an die Beteiligte zu 1) nicht entgegen: Denn ein Teilerbschein (§ 2353 2. Satzteil BGB) und ein gemeinschaftlicher Erbschein können nebeneinander erteilt werden (vgl. MK/BGB-Pomberger, 3. Aufl., § 2353 Rdn. 42 und 44). Dieser Gesichtspunkt nötigt indessen nicht zur teilweisen Aufhebung des Vorbescheides, weil er die Feststellung des Erbrechts in Übereinstimmung mit den gestellten Erbscheinsanträgen nicht berührt. Das Amtsgericht wird diesen Gesichtspunkt lediglich bei der abschließenden Erteilung des Erbscheins zu berücksichtigen haben.

Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.

Die Kammer hat angenommen, der Erblasser habe durch seine handschriftlichen Eintragungen auf Bl. 1 des ihm vorliegenden Entwurfs des notariellen Testaments ein wirksames Widerrufstestament (§ 2254 BGB) errichtet. Rechtlich unbedenklich ist zunächst die Auslegung der Erklärung des Erblassers, die das Landgericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Urkunde, insbesondere unter Einschluß des mit Schreibmaschine geschriebenen Wortes "Testament" vorgenommen hat. Denn die nachstehend behandelte Frage nach der Wahrung der Testamentsform stellt sich erst, wenn der Erblasserwille festgestellt ist (BGHZ 86, 41 = NJW 1983, 672). Die Feststellung des Landgerichts, der Erblasser habe durch seinen handschriftlichen Vermerk auf Bl. 1 des Testamententwurfs unter Einbeziehung des mit Schreibmaschine geschriebenen Wortes "Testament" das mit dem Entwurf gleichlautende Testament vom 23.07.1986 widerrufen wollen, ist rechtlich bedenkenfrei. Der Widerrufswille wird durch die vom Erblasser gewählte Formulierung, das Testament sei ungültig, hinreichend zum Ausdruck gebracht. Auf welche letztwillige Verfügung sich der Widerrufswille des Erblassers bezieht, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit durch die bezugnehmende Verwendung des dem Erblasser zur Verfügung stehenden Entwurfs, der mit der mit dem notariellen Testament vom 23.07.1986 inhaltlich übereinstimmt. Ebenso rechtlich naheliegend und inhaltlich bedenkenfrei ist die Schlußfolgerung des Landgerichts, der Erblasser habe durch seinen Ungültigkeitsvermerk gleichzeitig auch seine inhaltsgleichen letztwilligen Verfügungen in dem zeitlich davor liegenden notariellen Testament vom 16.07.1986 aufheben wollen.

Diese Ausführungen des Landgerichts schließen die Feststellung ein, der Erblasser habe die Urkunde vom 11.07.1993 mit ernstlichem Testierwillen errichtet. An dieser Feststellung war das Landgericht nicht im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten zu 3) in den Tatsacheninstanzen gehindert, der Erblasser sei hinreichend geschäftsgewandt und ohne weiteres in der Lage gewesen, in einem vollständigen privatschriftlichen oder notariellen Testament seinen Widerrufswillen zum Ausdruck zu bringen. Die Art, in der der Erblasser seine Erklärung niedergelegt habe, lasse darauf schließen, daß er in Wahrheit keine von dem Testament vom 23.07.1986 abweichende Regelung habe treffen wollen. Möglicherweise habe der Erblasser lediglich in genauer Kenntnis der Rechtslage seine handschriftlichen Vermerke in den mit Schreibmaschine geschriebenen Testamentsentwurf eingefügt, um sich auf diese Weise gegenüber dem Drängen seines Sohnes Hans Ruhe zu verschaffen. Der für die Errichtung eines Testaments erforderliche ernstliche Testierwille ist zu bejahen, wenn der Erblasser rechtsverbindliche Anordnungen über sein Vermögen nach seinem Tode treffen wollte, zumindest das Bewußtsein hatte, das Schriftstücke könne unter Umständen als sein Testament angesehen werden (BayobLGZ 1970, 173, 178; NJW-RR 1989, 1092). In dieser Richtung brauchten sich dem Landgericht im Hinblick auf die äußere Gestaltung des Schriftstücks keine Zweifel aufzudrängen. Denn der Erblasser hat gezielt das mit Schreibmaschine geschriebene Wort "Testament" in seine handgeschriebene Erklärung einbezogen. Diese ist erkennbar darauf gerichtet, durch den auf diese Weise hergestellten Bezug auf sein früheres Testament seinen Aufhebungswillen zu erklären. Der abschließende Charakter dieser Erklärung wird durch die Wortwahl "ist ungültig!" ebenso unterstrichen wie durch die Hinzufügung von Datum und Unterschrift bereits auf Bl. 1 des Testamentsentwurfs. Die Behauptung der Beteiligten zu 3), der Erblasser habe bewußt lediglich eine rechtlich unwirksame Erklärung abgegeben, also nur zum Schein ein Testament errichten wollen, um sich vor seinem Sohn Ruhe zu verschaffen, ist bereits nach dem eigenen Vorbringen der Beteiligten zu 3) ausschließlich spekulativ und nicht durch die Angabe von Beweismitteln, denen die Vorinstanzen durch Ermittlungen hätten nachgehen können, belegt. Dieses Vorbringen wird auch von der Begründung der weiteren Beschwerde nicht mehr aufgegriffen.

Rechtlich zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß der Widerruf der beiden früheren Testamente die Form des privatschriftlichen Testamentes nach § 2247 BGB wahrt. Richtig ist allerdings, daß nach Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift eine eigenhändige Niederschrift des Erblassers erforderlich ist, die den gesamten Testamentswortlaut umfassen muß (BGH NJW 1958, 547 = FamRZ 1958, 102; MK/BGB-Burkart, 3. Aufl., 2247 Rdn. 14; Staudinger/Baumann, BGB, 13. Bearbeitung, § 2247 Rdn. 40; Dittmann/Reimahn/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2. Aufl., § 2247 Rdn. 4, 10). Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, daß der handschriftlich geschriebene Teil des Vermerks des Erblassers bei isolierter Betrachtung unverständlich ist. Daß es sich um eine mit Testierwillen errichtete Erklärung handelt und der Aufhebungswille sich auf die beiden früheren notariellen Testamente bezieht, ergibt sich erst daraus, daß der Erblasser das maschinengeschriebene Wort "Testament" auf dem ihm vorliegenden Entwurf unmittelbar in den Text seines Vermerkes einbezogen hat. Die Wahrung der Testamentsform des § 2247 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert es, daß der Erblasser in der von ihm niedergeschriebenen Erklärung seinen Testierwillen selbst zum Ausdruck bringt. Dies betrifft sowohl den Inhalt seiner letztwilligen Verfügung als auch die Verlautbarung des Testierwillens selbst (Senat NJW-RR 1991, 1352 = FamRZ 1992, 356). Dieser Grundsatz schließt indessen Bezugnahmen auf andere Schriftstükke nicht vollständig aus. Vielmehr wird in der Rechtsprechung die Testamentsform als gewahrt angesehen, wenn es sich bei dem in Bezug genommenen Schriftstück um eine andere wirksame, insbesondere formgerecht errichtete letztwillige Verfügung handelt (BGH NJW 1966, 201, 202; DNotZ 1980, 761, 763 = Rpfleger 1980, 337, 338; Senat a.a.0.; Staudinger-Baumann, a.a.0., § 2247 Rdn. 68; MK/BGB-Burkart, a.a.0., § 2247 Rn. 20). So hat der BGH (NJW 1966, 201) einen von dem Erblasser auf einer maschinengeschriebenen Abschrift eines notariellen Testaments angebrachten und unterschriebenen Vermerk über die betragsmäßige Begrenzung einer Zuwendung als hinreichende Grundlage für eine Auslegung der Erklärung im Hinblick auf ein Widerrufstestament angesehen. Um den Fall einer solchen inhaltlichen Bezugnahme auf das frühere notarielle Testament handelt es sich auch hier. Dabei kann keine entscheidende Rolle spielen, daß der Erblasser seinen Vermerk nicht auf einer Abschrift des notariellen Testaments, sondern einen ihm vom Notar überlassenen Entwurf desselben angebracht hat. Ausschlaggebend ist, daß er durch die Verwendung des Entwurfs und die Einbeziehung des Wortes "Testament" in den von ihm handschriftlich geschriebenen Text auf seine frühere letztwillige Verfügung hat Bezug nehmen und dadurch seinen Aufhebungswillen hat zum Ausdruck bringen wollen. Diese inhaltliche Bezugnahme läßt deshalb die Formwirksamkeit des Widerrufstestaments unberührt.

Das Landgericht hat allerdings nicht näher erörtert, ob die Wirksamkeit des Widerrufs der früheren beiden Testamente dadurch berührt wird, daß die weitere Verfügung des Erblassers in seinem Testament vom 11.07.1993 unwirksam ist. Der Erblasser hat erkennbar nicht lediglich ein Widerrufstestament errichten, sondern gleichzeitig die Erbfolge anderweitig regeln wollen. Dieser zweite Teil seiner Verfügung beginnt mit dem Satz auf Bl: 1 des Testamentsentwurfs: "Es gilt der Kopf des Blattes 2!" Auf Bl. 2 oben hat der Erblasser sodann durch handschriftliche Ergänzungen und Streichungen des vorhandenen Textes zum Ausdruck gebracht, daß er seine beiden Kinder (maschinenschriftlicher Text) sowie die Beteiligte zu 4) (handschriftliche Einfügung) zu gleichen Teilen als Erben hat berufen wollen. Diese zweite Verfügung entspricht zweifelsfrei nicht der Testamentsform des § 2247 BGB. Ob die Unwirksamkeit dieser zweiten Verfügung auch die erste (Widerruf) ergreift, ist aufgrund der Auslegungsregel des § 2085 BGB zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift hat die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem Testament enthaltenen Verfügungen die Unwirksamkeit der übrigen Verfügung nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde. Diese gesetzliche Auslegungsregel führt daher, anders als § 139 BGB, zu dem Grundsatz, daß die Unwirksamkeit einer von mehreren letztwilligen Verfügungen in einem Testament die Wirksamkeit der übrigen nicht berührt. Der Anwendbarkeit dieser Auslegungsregel steht entgegen dem Vorbringen der weiteren Beschwerde nicht entgegen, daß der Erblasser erkennbar im Ergebnis seine in dem notariellen Testament vom 23.07.1986 getroffenen letztwilligen Verfügungen durch eine andere (Erbeinsetzung seiner Kinder sowie der Beteiligten zu 4) ohne Beschwerung durch Vermächtnisse) ersetzen wollte. Fest steht, daß der Erblasser sich nicht darauf beschränkt hat, allein durch die Errichtung einer widersprechenden letztwilligen Verfügung die frühere aufzuheben (§ 2258 Abs. 1 BGB). Vielmehr hat er ausdrücklich zunächst und gesondert von seiner weiteren letztwilligen Verfügung die notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 aufgehoben. Im Rahmen der Auslegungsregel des § 2085 BGB ist deshalb zu fragen, ob nach dem Willen des Erblassers die Aufhebung der früheren notariellen Testamente und die von ihm vorgenommene anderweitige Erbeinsetzung in einem inneren Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, er also die eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen hätte.

Für eine solche Annahme bestehen jedoch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Schon die äußere Gestaltung des Testaments vom 11.07.1993 spricht dafür, daß es dem Erblasser in erster Linie darauf ankam, die notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 aufzuheben. Die Erklärung der Ungültigkeit dieser Testamente hat der Erblasser in erster Linie und gesondert zum Ausdruck gebracht. Maßgebend kommt hinzu, daß der Erblasser durch die notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 - der Formulierung nach durch Vermächtnisse - über sein gesamtes Immobilien- und Barvermögen zugunsten der Beteiligten zu 3) verfügt hatte; lediglich 1/6 des Barvermögens hat er ergänzend Frau Gerd zugewendet. Demgegenüber hat der Erblasser seine beiden Kinder jeweils nur bis zur Höhe ihres Pflichtteils bedacht, wenn auch der Formulierung nach insoweit als "Erben". Mit der angeordneten Aufhebung seiner notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 hat der Erblasser zum Ausdruck gebracht, daß er die Beteiligte zu 3) nicht mehr von Todes wegen bedenken wollte. Mit der Aufhebung der seinen Nachlaß im wesentlichen ausschöpfenden Zuwendung an die Beteiligte zu 3) waren nunmehr seine beiden Kinder als seine gesetzlichen Erben berufen. Dem hat der Erblasser durch die im Anschluß an den Widerruf verfügte testamentarische Erbeinsetzung seiner beiden Kinder Rechnung getragen, wenngleich mit der Einschränkung, daß er diese nur zu gleichen Teilen mit der als Erbin weiter eingesetzten Beteiligten zu 4) berufen hat. Bei dieser Sachlage spricht indessen nichts dafür, daß die Erbeinsetzung gerade der Beteiligten zu 4) für den Erblasser von so ausschlaggebender Bedeutung war, daß er die Wirksamkeit der Aufhebung seiner früheren notariellen Testamente vom 16. und 23.07.1986 und die bereits dadurch bewirkte Begünstigung seiner Kinder von der Wirksamkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 4) hat abhängig machen wollen.

Das Landgericht hat danach im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß nach dem Erblasser gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, dem die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1) und 2) und der Vorbescheid des Amtsgerichts entsprechen.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Danach hat der Beschwerdeführer, dessen Rechtsmittel zurückgewiesen wird, die einem anderen, im entgegengesetzten Sinn an dem Verfahren Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Vorschrift hat zwingenden Charakter (vgl. Keidel/Zimmermann, FG, 14. Aufl., § 13 a Rn. 30 m.w.N.) und läßt deshalb entgegen (der Auffassung der weiteren Beschwerde keinen Raum für eine gerichtliche Ermessensentscheidung. Daraus folgt zugleich, daß die entsprechende, für dieselbe Verfahrenssituation getroffene Kostenentscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde, beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 Kosto. Für die Wertbrechnung zugrundezulegen ist das Beschwerdeinteresse der Beteiligten zu 3), die geltend macht, als Alleinerbin des Erblassers berufen zu sein. Auszugehen ist deshalb von dem vom Landgericht unbeanstandet festgestellten Aktivnachlaß in Höhe von 2.711.238,56 DM. Bei der kostenmäßigen Bewertung des Nachlasses sind jedoch entsprechend § 107 Abs. 2 Kosto die Nachlaßverbindlichkeiten in Abzug zu bringen. Dazu gehören auch Pflichtteilsansprüche (BayObLGZ 1975, 244, 252), hier also das bei einer alleinigen Erbenstellung der Beteiligten zu 3) bestehende Pflichtteilsrecht der Kinder des Erblassers, das die Hälfte des Nachlasses ausmacht. Demzufolge hat der Senat als Gegenstandswert lediglich einen Betrag von gerundet 1.350.000,00 DM angesetzt und gleichzeitig gem. § 31 Abs. 1 S. 2 KostO die landgerichtliche Wertfestsetzung von Amts wegen abgeändert.



Ende der Entscheidung

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