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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 15 W 290/07
Rechtsgebiete: BGB, VBVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1836
VBVG § 1
ZPO § 319
Ist eine ausdrückliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuungsführung (§§ 1836 Abs.1 S.2 BGB, 1 VBVG) trotz einer entsprechenden Willensbildung des Vormundschaftsrichters erkennbar versehentlich unterblieben, so ist nach allgemeinen Regeln die Berichtigung oder Auslegung der Bestellungsentscheidung geboten. Die Frage einer rückwirkenden Nachholung der Feststellung der Berufsmäßigkeit stellt sich dann nicht.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 290/07 OLG Hamm

In der Betreuervergütungssache

hat der 15.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.12.2007 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 24.07.2007 gegen den Beschluss der Zivilkammer III des Landgerichts Detmold vom 03.07.2007 durch

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lemgo vom 18.05.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.)

Für den Betroffenen, der an einer erheblichen Minderbegabung leidet, wurde durch Beschluss vom 23.11.2001 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Grundstücksangelegenheiten und Vertretung im Restitutionsverfahren eingerichtet. Hintergrund war, dass der Betroffene Miterbe eines Nachlasses ist, zu welchem Grundeigentum bzw. entsprechende Restitutionsansprüche gehören. Zur Betreuerin wurde eine als "Berufsbetreuerin" tätige Dipl. Sozialpädagogin bestellt. Eine ausdrückliche Feststellung hinsichtlich der berufsmäßigen Führung der Betreuung enthält der amtsgerichtliche Beschluss nicht.

Die Betreuerin rechnete in der Folgezeit periodisch ihre Vergütung ab, die (überwiegend) auch antragsgemäß festgesetzt wurde. Mit Schreiben vom 29.01.2005 teilte die Betreuerin den aktuellen Stand der Nachlassabwicklung mit und regte an, angesichts der doch erheblichen rechtlichen Problematik eventuell einen Rechtsanwalt zum Betreuer zu bestellen. Mit Beschluss vom 15.02.2005 bestellte das Amtsgericht unter Hinweis auf die Anregung der bisherigen Betreuerin den Beteiligten zu 1) zum Betreuer. Auch dieser Beschluss enthält keine ausdrückliche Feststellung hinsichtlich der berufsmäßigen Führung der Betreuung.

Nachdem auf Antrag des Beteiligten zu 1) die Jahresvergütungsbeträge für 2005 und 2006 jeweils antragsgemäß festgesetzt worden waren, legte die Rechtspflegerin den Festsetzungsantrag des Beteiligten zu 1) für das I.Quartal 2007 dem Beteiligten zu 2) vor. Dieser widersprach einer Vergütungsfestsetzung unter Hinweis auf das Fehlen einer Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung. Durch Beschluss vom 16.04.2007 hat der Amtsrichter festgestellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird.

Mit Beschluss vom 18.05.2007 hat das Amtsgericht auch die Vergütung für das I. Quartal 2007 antragsgemäß gegen die Staatskasse festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der durch das Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56g Abs.5 S.2, 69e, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung zu seinem Nachteil abgeändert hat.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des mit einer zulässigen Erstbeschwerde befasst gewesenen Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im Kern dahingehend begründet, der Beteiligte zu 1) könne keine Vergütung verlangen, da er in dem hier fraglichen Zeitraum die Betreuung nicht berufsmäßig geführt habe, weil es an der insoweit konstitutiven Feststellung nach § 1836 Abs.1 S.2 BGB fehle. Der späteren Feststellung könne eine Rückwirkung nicht zukommen, da dies dem Gesetzeszweck widerspreche. Diese Begründung erweist sich als rechtsfehlerhaft.

Die Rechtsauffassung des Landgerichts widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa OLGR 2004, 189), der den Standpunkt eingenommen hat, die Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung könne auch noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren nachgeholt werden. Ob an dieser Rechtsprechung im Hinblick auf zwischenzeitlich veröffentlichte Entscheidungen anderer Obergerichte uneingeschränkt festzuhalten ist, braucht im vorliegenden Fall allerdings nicht entschieden zu werden. Denn die Begründung des Landgerichts setzt sich nämlich nicht mit allen rechtlichen Gesichtspunkten auseinander, auf welche bei der gegebenen Sachlage ein Vergütungsanspruch auch bei dem Fehlen einer ausdrücklichen Feststellung der Berufsmäßigkeit gestützt werden könnte. Auf diese kommt es vorliegend jedoch entscheidend an.

Richtig ist der rechtliche Ansatzpunkt des Landgerichts, dass der Vergütungsanspruch des Betreuers nach § 1836 Abs.1 S.2 BGB die Feststellung der berufsmäßigen Betreuung voraussetzt. Der Senat vermag dem Landgericht auch noch insoweit zu folgen, als dieses angenommen hat, dass das Gesetz nach den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrs. 13/10331 S.27) auf eine ausdrückliche Feststellung durch das Amtsgericht abzielt, das Unterlassen einer solchen also verfahrensfehlerhaft war. Dies beschreibt jedoch lediglich das Problem ohne für die Lösung desselben richtungsweisend zu sein. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der Zielvorgabe einer frühzeitigen Klärung der Vergütungsfähigkeit der Betreuung einen Anspruch des Betreuers im Falle des Unterbleibens einer ausdrücklichen Feststellung schlechthin ausschließen wollte. Vielmehr besteht in der obergerichtlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, Einigkeit, dass jedenfalls der erkennbar versehentliche Unterlassen einer ausdrücklichen Feststellung der Berufsmäßigkeit zu korrigieren ist. Keine einheitliche Auffassung herrscht allein hinsichtlich der Frage, wie dies zu geschehen hat, insbesondere ob eine rückwirkende Feststellung möglich ist.

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass die zuletzt genannte Frage zu entscheiden. Denn die Notwendigkeit einer konstitutiv-rückwirkenden Feststellungsentscheidung besteht, soweit man sie nicht aus Gründen der Verfahrensvereinfachung für wünschenswert hält, nur, wenn sich der Verfahrensmangel einer ausdrücklichen Feststellungsentscheidung nicht schon nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen beheben lässt, wobei vorrangig die Auslegung der Bestellungsentscheidung und deren Berichtigung in Betracht zu ziehen sind. Gerade mit diesen Gesichtspunkten hat sich das Landgericht jedoch nicht auseinandergesetzt.

Der Gesetzgeber hat keinerlei Bestimmungen getroffen, die auf einen Ausschluss der allgemein gültigen Verfahrensregeln schließen lassen. Insbesondere ist die Entscheidung über die Berufsmäßigkeit der Betreuung nicht in den Kanon der zwingenden Bestandteile des Bestellungsbeschlusses nach § 69 FGG aufgenommen worden. Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gilt jedoch, dass auch bei gerichtlichen Entscheidungen in Zweifelsfällen eine Auslegung möglich und geboten (BGH WRP 2004, 235ff; BayObLG BtPrax 2002, 39f) ist. Die Frage, welche Maßstäbe für diese Auslegung gelten und ob dementsprechend eine Auslegung im Einzelfall überhaupt in Betracht kommt, richtet sich primär nach der Art der gerichtlichen Entscheidung. Ein sog. Leistungstitel ist im Hinblick darauf, dass er die Grundlage für ein streng formales Vollstreckungsverfahren bildet, einer Auslegung nur insoweit zugänglich, als sich bei einer Gesamtschau von Tenor und Entscheidungsgründen ein zweifelsfreies Ergebnis finden lässt. Demgegenüber sind Entscheidungen, die auf eine Unterlassungsverpflichtung oder -wie hier- Gestaltung oder Feststellung gerichtet sind, unter Berücksichtigung des verfahrensgebundenen Adressatenkreises einer weitergehenden Auslegung zugänglich, die auch außerhalb des Titels selbst liegende Umstände berücksichtigen kann (in diesem Sinne BGH a.a.O.).

Davon abgesehen gilt auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit § 319 ZPO entsprechend (BGHZ 106, 370ff). Soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, kann das versehentliche Unterlassen einer ausdrücklichen Feststellung also jederzeit, mithin auch noch nach langer Frist von Amts wegen korrigiert werden. Angesichts der pragmatischen und weiten Auslegung, die § 319 ZPO auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren hat, hätte das Fehlen einer ausdrücklichen Feststellung aus Sicht des Senats auch hier ohne weiteres durch einen Berichtigungsbeschluss bereinigt werden können, da für sämtliche Beteiligten nach dem gesamten Verfahrensgang offenkundig sein muss, dass das Amtsgericht die Beteiligte zu 1) zur berufsmäßigen Betreuerin bestellen wollte.

Aus dem Gesetzeszweck, Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit zu erreichen, lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass beim Fehlen einer ausdrücklichen Feststellung die Grundsätze der Auslegung und Berichtigung nicht anwendbar wären. Durch die Klarstellung der Berufsmäßigkeit wollte der Gesetzgeber nämlich in erster Linie den Betreuer schützen, der bei einer berufsmäßigen Betreuertätigkeit auf die Kalkulierbarkeit seiner Vergütung angewiesen ist (vgl. BVerfG NJW-RR 2000, 1241, 1242). Allerdings besteht auch seitens eines (vermögenden) Betreuten grundsätzlich ein Interesse, im Vorhinein abschätzen zu können, ob Zahlungsverpflichtungen auf ihn zukommen (BayObLG FGPrax 2001, 79, 80). Beide Schutzzwecke sind jedoch überhaupt nur tangiert, wenn man eine der Bestellungsentscheidung nachfolgende, rückwirkende Feststellung in Betracht zieht. Eine Auslegung oder Berichtigung berührt die genannten Interessen hingegen nicht, da beides nur in Betracht kommt, wenn der Wille des Gerichts, einen berufsmäßig tätigen Betreuer zu bestellen, erkennbar bzw. offenkundig ist.

Mit der Anwendung der genannten Grundsätze weicht der Senat auch nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab. Die veröffentlichte Rechtsprechung (vgl. etwa BayObLG a.a.O.; OLG Frankfurt FGPrax 2003, 176; Brandenburgisches OLG FamRZ 2004, 1403; OLG Dresden FamRZ 2003, 935; OLG Karlsruhe NJWE-FER 2001, 312) befasst sich in dem vorliegenden Sachzusammenhang in erster Linie mit der Möglichkeit einer rückwirkenden Feststellungsentscheidung. Eine konkludente Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuung, womit eine im Wege der Auslegung zu ermittelnde Feststellung gemeint sein dürfte, ausdrücklich bejaht hat das OLG Schleswig (NJWE-FER 2001, 234). Die Entscheidung des OLG Frankfurt (a.a.O.) beschränkt sich darauf auszuschließen, dass der früheren Bewilligung einer Vergütung eine konkludente Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung entnommen werden kann. Diese Entscheidung steht danach der Feststellung des ursprünglichen Inhalts der Betreuerbestellung unter Berücksichtigung der Kriterien für die Auslegung gerichtlicher Entscheidungen nicht entgegen.

Vorliegend ergibt die Auslegung der Bestellungsentscheidung anhand aller den Verfahrensbeteiligten zugänglichen Umstände, dass das Amtsgericht den Beteiligten zu 1) zum berufsmäßig tätigen Betreuer bestellt hat. Ob es hierfür bereits ausreicht, dass der Beteiligte zu 1) Rechtsanwalt ist, von ihm also grundsätzlich nur die berufsmäßige Führung der Betreuung zu erwarten war, kann dahinstehen. Hinzu kommt nämlich, dass die Bestellung des Beteiligten zu 1) ausdrücklich im Hinblick auf seine berufliche Qualifikation und zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, in welchem die berufsmäßige Führung der Betreuung aufgrund der bereits in der Vergangenheit erfolgten Vergütungsfestsetzungen nicht zweifelhaft sein konnte.

Nach alledem ist die Vergütungsfestsetzung durch das Amtsgericht zu Recht erfolgt. Die sofortige Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) war daher zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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