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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.09.2007
Aktenzeichen: 15 W 298/07
Rechtsgebiete: GBO, ZPO, BGB, FGG, KostO


Vorschriften:

GBO § 19
GBO § 53 Abs. 1 S. 1
GBO § 71
GBO § 71 Abs. 2
GBO § 71 Abs. 2 S. 1
GBO § 78
GBO § 80
GBO § 80 Abs. 3
ZPO § 546
ZPO § 561
ZPO § 848 Abs. 2
BGB § 883 Abs. 2
BGB § 888
BGB § 892 Abs. 1 S. 1
FGG § 13a Abs. 1 S. 2
KostO § 30
KostO § 131 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2) war Eigentümer des eingangs genannten Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Mit notariellem Vertrag vom 18.09.1978 (UR-Nr. #####/####Notar B in C2) schenkte er dieses Grundstück seiner damaligen Ehefrau, der Beteiligten zu 1), und ließ es ihr auf. In § 4 dieses Vertrages vereinbarten die Vertragsbeteiligten, dass der Beteiligte zu 2) die Schenkung unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen könne, u.a. dann, wenn die Ehe geschieden wird. Zur Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung im Falle des Widerrufs der Schenkung bewilligten die Beteiligten zu 1) und 2) die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch.

Am 24.11.1978 wurde das Eigentum umgeschrieben und die Vormerkung in Abt. II des Grundbuchs unter lfd. Nr. 1 eingetragen.

Die Beteiligte zu 1) betreibt gegen den Beteiligten zu 2) die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem 8. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm geschlossenen Vergleich vom 17.11.2004 (Az. 8 UF 21/04). Sie hat am 07.06.2005, 15.12.2005 und 01.08.2006 jeweils einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (Amtsgericht Detmold - 9M ####### - , Amtsgericht Steinfurt - 18 M #####/####- und Amtsgerichts Steinfurt -18 M #####/####-) erwirkt, durch den wegen Forderungen in Höhe von 4.276,73 €, 113.910,93 € und 14,882,53 € das angebliche Anwartschaftsrecht des Beteiligten zu 2) "aus der Rückauflassung" des eingangs genannten Grundstücks an ihn gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen worden ist.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit November 2006 rechtskräftig geschieden.

Mit notariellem Vertrag vom 19.04.2007 (UR-Nr. 288/2007 Notar F in T) veräußerte die Beteiligte zu 1) das Grundstück an den Beteiligten zu 3). Unter dem 24.04.2007 beantragte sie die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 3) und die Löschung der zugunsten des Beteiligten zu 2) eingetragenen Vormerkung.

Am 14.05.2007 löschte das Grundbuchamt antragsgemäß die in Abt. II unter Nr. 1 zugunsten des Beteiligten zu 2) eingetragene Vormerkung und trug am selben Tag in Abt. II Nr. 2 eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 3) ein.

Gegen diese Löschung hat der Beteiligte zu 2) Beschwerde mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs eingelegt. Das Landgericht gab der Beschwerde mit Beschluss vom 13.07.2007 statt und wies das Grundbuchamt an, im Grundbuch einen Amtswiderspruch gegen die Löschung der Vormerkung einzutragen.

Hiergegen haben die Beteiligten zu 1) und 3) weitere Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 3) hat sein Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 20.08.2007 zurückgenommen.

Das Grundbuchamt hat mittlerweile am 21.08.2007 einen Amtswiderspruch gegen die Löschung der Vormerkung eingetragen und den bisherigen Vormerkungsberechtigten, den Beteiligten zu 2), als Begünstigten des Widerspruchs vermerkt.

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 78, 80 GBO statthaft und formgerecht eingelegt worden. Die weitere Beschwerde, die sich ursprünglich gegen die Anweisung des Landgerichts richtete, kann nach deren Vollzug mit dem Ziel der Löschung der erfolgten Eintragung im Grundbuch fortgesetzt werden. In einem solchen Fall sind zwar gem. § 80 Abs. 3 GBO für die weitere Beschwerde dieselben Beschränkungen zu beachten, die sich aus § 71 Abs. 2 GBO allgemein für die Beschwerde gegen eine im Grundbuch erfolge Eintragung ergeben (Budde in Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 78, Rdrn. 11). Die Beschränkung der Beschwerde in § 71 Abs. 2 GBO betrifft jedoch nach anerkannter Auffassung nur solche Eintragungen, an die sich ein gutgläubiger Erwerb anknüpfen kann. Dies ist bei einem Amtswiderspruch nicht der Fall, der seiner rechtlichen Funktion nach lediglich einen gutgläubigen Erwerb verhindern soll (Budde, a.a.O., § 71, Rdnr. 47). Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass sie durch die auf der Grundlage der Entscheidung des Landgerichts erfolgte Eintragung in ihren Rechten betroffen ist. Bei der Eintragung eines Amtswiderspruchs trifft dies auf denjenigen zu, gegen dessen im Grundbuch verlautbarte Rechtsstellung sich der Widerspruch richtet (BayObLGZ 1986, 294, 296 f.; MittBayNot 1991, 78; Budde, a.a.O., § 71, Rdnr. 74). Der Widerspruch richtet sich hier gegen die im Grundbuch seit dem 14.05.2007 verlautbarte Rechtsstellung der Beteiligten zu 1), dass ihr Eigentum nicht mehr mit der ursprünglich zugunsten des Beteiligten zu 2) in Abt. II Nr. 1 eingetragenen Auflassungsvormerkung belastet ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, §§ 78 GBO, 546, 561 ZPO.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) als zulässig angesehen, § 71 GBO. Die Entscheidung des Landgerichts trägt der Beschränkung der Beschwerde durch § 71 Abs. 2 S. 1 GBO Rechnung. Die erfolgte Löschung der Vormerkung Abt. II Nr. 1 des Grundbuchs ist eine Eintragung, die unter dem Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs steht. Dies ist auch bei der Löschung solcher Eintragungen der Fall, die ihrerseits dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht unterliegen, wie etwa im Allgemeinen auch Vormerkungen (BGHZ 60, 46, 51 = NJW 1973, 323, 325; NJW 1994, 2947, 2949; BayObLG NJW 1983, 1567, 1568). Die Eintragung eines Amtswiderspruchs kann einen gutgläubigen Erwerb gegenüber der nach materiellem Recht fortbestehenden Vormerkungswirkung in Ansehung künftiger Verfügungen der Beteiligten zu 1) verhindern, die derzeit weiterhin als Grundstückseigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Auf die Frage, ob der Beteiligte zu 3) seinerseits am 14.05.2007 gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB gutgläubig eine Auflassungsvormerkung mit der Maßgabe erworben hat, dass ihm gegenüber die zum Zeitpunkt seines Erwerbs gelöschte Vormerkung Abt. II Nr. 1 als nicht bestehend zu behandeln ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

In der Sache hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO vorliegen. Denn die Löschung der Vormerkung Abt. II Nr. 1 des Grundbuchs ist unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt. Infolge der Löschung ist das Grundbuch auch unrichtig geworden.

Nach § 19 GBO kann eine Eintragung im Grundbuch nur erfolgen, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Die Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Rechts bedarf deshalb der Bewilligung des eingetragenen Berechtigten, hier also des Beteiligten zu 2). An seiner Rechtstellung als Inhaber des (Rück-)Auflassungsanspruchs und damit der ihn sichernden Vormerkung hat sich durch die von der Beteiligten zu 1) ausgebrachten Pfändungen nichts geändert.

Gegenstand der eingangs wiedergegebenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ist jeweils das angebliche Anwartschaftsrecht des Beteiligten zu 2) "aus der Rückauflassung" des eingangs genannten Grundstücks. Ein - heute allgemein anerkanntes - Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechtes Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag. Ein derartiges Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers ist zu bejahen, wenn er entweder selbst den Antrag auf Eintragung als Eigentümer gestellt hat oder wenn zu seinen Gunsten des Auflassungsempfängers eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, die nach den §§ 883 Abs. 2, 888 BGB Schutz vor einer anderweitigen Verfügung des Veräußerers gewährt (BGHZ 83, 395 =NJW 1982, 1639 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil eine Auflassung des bezeichneten Grundstücks zum Zweck der Rückübertragung des Eigentums an ihn bislang ersichtlich noch nicht erklärt ist. Die erfolgte Auflassung ist aber Grundvoraussetzung für die Bejahung eines Anwartschaftsrechtes. Ohne Auflassung hat der mehraktige Rechtsübergang vom Veräußerer auf den Erwerber noch nicht begonnen. Daran ändert nichts, dass zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist. Die Vormerkung hindert zwar eine dem Erwerber nachteilige Verfügung über das Grundstückseigentum; sie allein führt aber nicht dazu, dass die mehraktige Eigentumsübertragung bereits begonnen hat (so ausdrücklich BGHZ 89, 41 = NJW 1984, 973, 974).

Die Anwartschaft als dem Vollerwerb wesensgleiche dingliche Rechtsposition ist aufgrund des Abstraktionsprinzips zu unterscheiden von dem lediglich schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung, dessen Sicherung die ursprünglich in Abt. II Nr. 1 des Grundbuchs eingetragene Vormerkung diente. Auflassungsanspruch und Anwartschaftsrecht sind selbständige Vermögensrechte. Ein Pfändungspfandrecht am schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruch hätte die Beteiligte zu 1) nur erlagen können, wenn sie zumindest auch diesen Anspruch gepfändet und sich zur Einziehung hätte überweisen lassen. Es ist anerkannt, dass ein Gläubiger neben einem etwaigen Anwartschaftsrecht wahlweise oder ergänzend auch den schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruch pfänden kann (BayObLG NJW-RR 1997, 1173). Eine Pfändung nur des Anwartschaftsrechts erfasst daher nicht den schuldrechtlichen Anspruch und umgekehrt. Eine Auslegung des Pfändungsausspruchs über den Wortlaut der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hinausgehend, dass zusätzlich auch der Eigentumsübertragungsanspruch gepfändet werde, ist ausgeschlossen (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 848, Rdnr. 15).

Unabhängig davon hätte auch eine Pfändung des schuldrechtlichen Eigentumsübertragungsanspruchs nicht zur Beseitigung der Bewilligungsbefugnis des Beteiligten zu 2) in Ansehung der Vormerkung geführt. Das Pfändungspfandrecht beschränkt lediglich zugunsten des Pfändungsgläubigers die Verfügungsbefugnis des Schuldners am Eigentumsübertragungsanspruch. Dieser kann über seinen Anspruch nicht mehr allein verfügen, insbesondere ihn nicht übertragen oder aufheben. Das Pfändungspfandrecht verschafft infolge der ausgesprochenen Überweisung dem Pfändungsgläubiger darüber hinaus eine Befugnis zur Verwertung des gepfändeten Anspruchs, die sich bei einem gepfändeten Anspruch auf Eigentumsübertragung eines Grundstücks nach § 848 Abs. 2 ZPO vollzieht: Das Grundstück ist an den Schuldner, hier also den Beteiligten zu 2), aufzulassen. Mit dessen Eigentümereintragung im Grundbuch erwirbt der Pfändungsgläubiger kraft Gesetzes zugleich eine Sicherungshypothek für seine Forderung an dem übertragenen Grundstück, die im Wege der Grundbuchberichtigung in das Grundbuch einzutragen ist. Dieselbe Wirkung tritt im Übrigen ein, wenn nach erklärter, aber im Grundbuch noch nicht vollzogener Auflassung das Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers gepfändet wird (vgl. BGHZ 49, 197 = NJW 1968, 493).

Da weitere Gründe für ein Erlöschen des Eigentumsübertragungsanspruchs des Beteiligten zu 2) nicht ersichtlich sind und auch sonst auch keine Anhaltspunkte für eine materiell-rechtliche Aufgabeerklärung (§ 875 BGB) in Ansehung der Vormerkung bestehen, muss deshalb vom materiell-rechtlichen Fortbestand der Vormerkungslage ausgegangen werden. Es ist deshalb glaubhaft, dass die Verlautbarung des Erlöschens der Vormerkung im Grundbuch auch weiterhin unrichtig ist.

Das Landgericht hat daher zu Recht das Grundbuchamt zur Eintragung eines Amtswiderspruchs angehalten. Allerdings ist seine Tenorierung erkennbar unvollständig, weil es nicht einen Begünstigten des Widerspruchs gegen die erfolgte Löschung der Vormerkung benannt hat. Dies wäre deshalb erforderlich gewesen, weil ohne Eintragung des Widerspruchsberechtigten der Widerspruch unzulässig ist (Schöner/Stöber, a.a.O. Rn. 1617 und 410). Dieser formelle Gesichtspunkt ist jedoch durch die am 21.08.2007 erfolgte Eintragung des Amtswiderspruchs, in der der Beteiligte zu 2) als Widerspruchsberechtigter ausdrücklich genannt wird, erledigt.

Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 FGG. Demgegenüber bestand kein Grund für eine Anordnung, dass auch der Beteiligte zu 3) sich an einer Kostenerstattung zu beteiligen hat, weil er sein Rechtsmittel zurückgenommen hatte, noch bevor der Beteiligte zu 2) sich zum Verfahren gemeldet hat.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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