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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.11.2001
Aktenzeichen: 15 W 329/01
Rechtsgebiete: BeurkG


Vorschriften:

BeurkG § 54 c Abs. 2
1)

Die Auslegung einer Verwahrungsanweisung muß maßgebend an den Wortlaut der notariellen Urkunde anknüpfen, in der sie erteilt ist.

2)

Die das mehrseitige Treuhandverhältnis prägende Bindungswirkung schließt es aus, daß der Notar selbst eine (ergänzende) Auslegung der Verwahrungsanweisung vornimmt, die über die durch den Wortlaut gezogenen Grenzen hinausgreift.

3)

Ist nach der Verwahrungsanweisung die Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises allein von der Sicherstellung der lastenfreien Eigentumsumschreibung des verkauften Grundstücks abhängig, darf der Notar diese Auszahlung nicht im Hinblick auf die noch nicht sichergestellte Erschließung des Grundstücks verweigern, selbst wenn der Verkäufer sich zur Herstellung dieser Erschließung verpflichtet hat.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 329/01 OLG Hamm

In der Notarsache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 26. November 2001 auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 7) vom 25. September und 10. Oktober 2001 gegen den Beschluß der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 21. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammel in und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Christ

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, soweit das Landgericht den Notar zur Auszahlung aus der zu UR-Nr. 849/1997 geführten Verwahrmasse angewiesen hat. Insoweit wird die erste Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) haben 5/6 der der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, und zwar als Teilschuldner zu je 1/5 Anteil.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 178.540,00 DM festgesetzt. Er beträgt im Umfang der Zurückweisung der weiteren Beschwerden 152.200,00 DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) hat ein von dem Landwirt Sch erworbenes Gelände im Rahmen des von der Stadt V aufgestellten Bebauungsplans "K weg" parzelliert und zur Bebauung erschlossen. Über den Verkauf der Einzelgrundstücke schloss sie mit den einzelnen Erwerbern notarielle Verträge. Insgesamt elf dieser Verträge wurden in den Jahren 1996 bis 1999 von Notar Dr. A R in Bielefeld beurkundet.

Diese Verträge sehen in einer Vorbemerkung übereinstimmend vor, die Beteiligte zu 1) wolle mit der Stadt V zur Herstellung der Regen- und Abwasserkanäle, der Baustraße und der Beleuchtungseinrichtungen einen Erschließungsvertrag gem. § 124 BauGB abschließen und zu dessen Erfüllung eine Bankbürgschaft stellen. Die nachfolgenden Vereinbarungen enthalten die Verpflichtung der Beteiligten zu 1), den Erwerbern das jeweilige Grundstück "erschlossen, vermessen, baureif und frei von grundbuchlichen Belastungen" zu übertragen. Im Kaufpreis enthalten sind jeweils die Erschließungsbeiträge und die Kosten der Verlegung der Regen- und Abwasserkanäle. In allen Verträgen ist eine Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto vorgesehen. Die Formulierungen der Voraussetzungen für die Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Beteiligte zu 1) weichen voneinander ab. In den Erwerbsverträgen der Beteiligten zu 2) und 7) (UR-Nr. 884/1996 und 1072/1996) heißt es dazu:

"Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn der lastenfreie Eigentumswechsel sichergestellt ist."

In den Verträgen der Beteiligten zu 3), 4) und 6) (UR-Nr. 715/1997, 797/1997 und 716/1997) lautet die Bestimmung:

"Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn Herr Sch das verkaufte Grundstück von seiner Sicherungsgrundschuld von 520.000,00 DM freigegeben hat."

In dem mit den Beteiligten zu 5) geschlossenen Vertrag heißt es:

"Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn Herr S das verkaufte Grundstück von seiner Sicherungsgrundschuld von 520.000,-- DM freigegeben hat und die Bezahlung der Erschließungsbeiträge sichergestellt ist."

Die Verträge mit den übrigen Erwerbern enthalten hingegen folgende Regelung:

"Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn Herr S das verkaufte Grundstück von seiner Sicherungsgrundschuld von 520.000,-- DM freigegeben hat; in Höhe von 60,-- DM/m² jedoch erst, wenn der Erschließungsvertrag mit der Stadt V abgeschlossen ist, und die Stadt die zur Erfüllung des Erschließungsvertrages erforderliche Bankbürgschaft erhalten hat."

In einem weiteren Vertrag aus dem Jahre 1999 (Ur-Nr. 1102/1999) ist die Auszahlung eines Teilbetrages von 60,-- DM/qm von der Aushändigung einer Bankbürgschaft zur Absicherung einer Inanspruchnahme der Stadt V für Erschließungskostenbeiträge vorgesehen.

Die Beteiligte zu 1) hat durch einen von ihr beauftragten Unternehmer die Regen- und Abwasserkanäle errichtet sowie die Erschließungsstraße mit einer groben Bitumendecke hergestellt. Für die vollständige Erschließung fehlen noch der weitere Straßenbelag, Randbefestigungen, Bürgersteige und Beleuchtung. Zum Abschluss eines Erschließungsvertrages zwischen der Beteiligten zu 1) und der Stadt V ist es nicht gekommen.

Sämtliche Erwerber haben die Kaufpreise auf von dem Notar eingerichtete Notaranderkonten eingezahlt. Teilbeträge in Höhe von 60,00 DM/qm verkaufter Grundstücksfläche werden von dem Notar weiterhin auf diesen Konten verwahrt. Einem Ersuchen der Beteiligten zu 1) vom 22.03.2001, die verbliebenen Beträge auf diesen Konten an sie auszuzahlen, hat der Notar nicht entsprochen.

Die Beteiligte zu 1) hat daraufhin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12.04.2001 bei dem Landgericht gem. § 15 Abs. 2 BNotO Beschwerde mit dem Ziel erhoben, den Notar anzuweisen, die Verwahrmasse auf den genannten Notaranderkonten an sie auszuzahlen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen geltend gemacht, in den mit den Beteiligten zu 2) bis 7) abgeschlossenen Kaufverträgen sei die Auszahlung der Verwahrmasse ausschließlich davon abhängig gemacht, dass die lastenfreie Übertragung der jeweils verkauften Grundstücke sichergestellt sei. Diese Bedingung sei - unstreitig - erfüllt. Im übrigen sei die Erschließung zwischenzeitlich nahezu vollständig durchgeführt. Die vorhandene Erschließungsanlage werde von den Erwerbern nach weitgehend abgeschlossener Bebauung der einzelnen Grundstücke genutzt. Die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage scheitere allein daran, dass sich die Stadt V grundlos weigere, mit ihr, der Beteiligten zu 1), einen Erschließungsvertrag abzuschließen. Die weitere Erschließung könne deshalb nur von der Stadt V im Rahmen der Vorschriften des BauGB vollzogen werden. Sie, die Beteiligte zu 1), könne nicht mehr tun, als sich um den Abschluss des in den Kaufverträgen vorgesehenen Erschließungsvertrages mit der Stadt zu bemühen. Die Fälligkeit des Restkaufpreises könne nicht von der Willkür der Stadt V abhängen.

Der Notar hat gegenüber dem Landgericht seinen Standpunkt dahin begründet, die vertragliche Verpflichtung der Beteiligten zu 1) umfasse die vollständige Erschließung der Grundstücke, deren Wert diese selbst mit 60,00 DM/qm geschätzt habe.

Diese Verpflichtung habe die Beteiligte zu 1) noch nicht erfüllt. Daraus ergebe sich die Amtspflicht des Notars, den entsprechenden Teil der Verwahrmasse noch nicht an die Beteiligte zu 1) zur Auszahlung zu bringen. Darüber hinaus habe sich die Beteiligte zu 1) in einem späteren Schriftwechsel damit einverstanden erklärt, dass der Notar die zur Deckung der Erschließungskosten bestimmten Kaufpreisteilbeträge bis zur Fertigstellung der Erschließung weiterverwahre.

Das Landgericht hat - ohne die einzelnen Grundstückserwerber zum Verfahren hinzuziehen - durch Beschluss vom 21.08.2001 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde den Notar angewiesen, die auf den zu den UR-Nr. 884/1996, 715/1997, 797/1997, 849/1997, 716/1997, 1072/1996 geführten Notaranderkonten eingezahlten Kaufpreisteilbeträge in Höhe von jeweils 60,00 DM/qm zuzüglich Zinsen an die Beteiligte zu 1) auszuzahlen.

Die Beteiligten zu 2) bis 7) haben sich mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.09. und 09.10.2001 erstmals am Verfahren beteiligt und gleichzeitig weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts mit dem Ziel eingelegt, die dem Notar erteilte Auszahlungsanweisung aufzuheben.

Die Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 15 Abs. 2 BNotO, 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) bis 7) folgt daraus, daß sie durch die in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochene Anweisung an den Notar, die auf den von ihm geführten Anderkonten verwahrten Beträge an die Beteiligte zu 1) auszuzahlen, in ihren Rechten beeinträchtigt werden (§ 20 Abs. 1 FGG).

In der Sache sind die Rechtsmittel der Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts ihnen gegenüber nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Hingegen führt die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5) zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat; insoweit hat der Senat die erste Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO in der Fassung durch das Gesetz vom 31.08.1998 (BGBl. I S. 2585) eröffnet nunmehr allgemein den Beschwerdeweg zum Landgericht, wenn sich der Notar weigert, eine bestimmte Amtshandlung vorzunehmen. Die Vorschrift bezieht in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung nunmehr ausdrücklich auch sonstige Amtstätigkeiten außerhalb der Urkundstätigkeit in das Verfahren ein. Gegenstand des Verfahrens nach § 15 Abs. 2 BNotO ist der öffentlich-rechtliche Anspruch eines Beteiligten auf Vornahme einer Amtshandlung des Notars (BGH NJW 1998, 2134, 2135), der hier darauf gerichtet ist, in bestimmter Weise mit der Verwahrmasse auf dem Notaranderkonto zu verfahren.

In dem Verfahren nach § 15 Abs. 2 S. 1 BNotO steht, wenn der Verfahrensgegenstand die Amtspflichten des Notars bei der Verfügung über ein Notaranderkonto betrifft, die Befugnis zur Einlegung der Erstbeschwerde demjenigen zu, der an dem Hinterlegungsverhältnis materiell beteiligt ist. Materiell an der Verwahrung beteiligt sind diejenigen Personen, in deren Interesse die Verwahrung liegt und die durch sie unabhängig dadurch geschützt werden sollen, wer als formell Beteiligter die Hinterlegung vorgenommen hat (KG MittRhNotK 1998, 99). Dient bei dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages die Einrichtung eines Notaranderkontos der gegenseitigen Sicherung der beiderseitigen Vertragserfüllung, so sind sowohl der Verkäufer als auch der Käufer materiell an dem Hinterlegungsverhältnis beteiligt (Keidel/Winkler, FG, 14. Aufl., § 54 a BeurkG, Rdnr. 66; Weingärtner, Das notarielle Verwahrungsgeschäft, Rdnr. 65; Senat FGPrax 2000, 75).

An den Hinterlegungsverhältnissen aus den einzelnen notariellen Verträgen materiell beteiligt waren deshalb neben der Beteiligten zu 1) auch die Beteiligten zu 2) bis 7). Daraus folgt, daß das Landgericht verfahrensrechtlich verpflichtet war, die Beteiligten zu 2) bis 7) auch formell zum Verfahren hinzuziehen und ihnen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu gewähren. Dies war jedenfalls unerläßlich, bevor die Kammer - wie hier - eine den Beteiligten zu 2) bis 7) rechtlich nachteilige Entscheidung getroffen hat. Auf diesem Verfahrensfehler beruht die Entscheidung des Landgericht jedoch nicht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Denn auch die Berücksichtigung des tatsächlichen Vorbringens der Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) im Verfahren der weiteren Beschwerde, das im Kern demjenigen des im Verfahren erster Instanz angehörten Notars folgt, kann nicht zu einer anderen Sachentscheidung führen. Der Erfolg der weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 5) beruht auf anderen Gründen.

1) Weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7):

Nach § 54 c Abs. 2 BeurkG in der Fassung durch das Gesetz vom 31.08.1998 (BGBl. I S. 2585) hat der Notar den Widerruf einer Verwahrungsanweisung, die von mehreren Anweisenden erteilt ist, nur zu beachten, wenn er durch alle Anweisenden erfolgt. Die gesetzliche Vorschrift normiert in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung eine Bindung des Notars an die Hinterlegungsanweisung der Beteiligten im mehrseitigen Treuhandverhältnis. Um solche mehrseitigen Treuhandverhältnisse handelt es sich hier bei den Vereinbarungen, die die Urkundsbeteiligten in den einzelnen notariellen Kaufverträgen über die Verwaltung der auf Notaranderkonten von den einzelnen Erwerbern einzuzahlenden Kaufpreisbeträge getroffen haben. Denn die dem Notar auf diese Weise übertragene Verfügungsmacht diente dem Sicherungsinteresse jeweils beider Vertragsparteien an der vertragsgerechten Durchführung des Kaufvertrages (vgl. Keidel/Winkler, a.a.O., § 54 c BeurkG, Rdnr. 10). Dies wird bereits in der dem Notar erteilten Verwahrungsanweisung (§ 54 a Abs. 2 Nr. 2 BeurkG) deutlich, den hinterlegten Kaufpreis an die Beteiligte zu 1) erst dann auszuzahlen, wenn die lastenfreie Umschreibung des jeweils verkauften, jedoch mit einem Grundpfandrecht noch belasteten Grundstücks gesichert ist.

Die Bindungswirkung der Verwahrungsanweisung an den Notar hängt von der Feststellung ihres Inhalts ab. Das Landgericht hat anhand der vorgelegten Abschriften der Urkunden über die von den Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) geschlossenen Verträge zu Recht festgestellt, daß in diesen Kaufverträgen die Auszahlung der hinterlegten Kaufpreise an die Beteiligte zu 1) als Verkäuferin ausschließlich an die Voraussetzung der Sicherstellung des lastenfreien Eigentumsübergangs auf die Erwerber geknüpft ist. Diese Feststellung hat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführer im Verfahren der weiteren Beschwerde Bestand. Die Auslegung der Verwahrungsanweisung muß, wenn sie - wie hier - in den notariellen Verträgen getroffen ist, maßgebend an den Wortlaut der Urkunden anknüpfen. Die das mehrseitige Treuhandverhältnis prägende Bindungswirkung für den Notar schließt es aus, daß er selbst eine Auslegung der Verwahrungsanweisung vornimmt, die über die durch den Wortlaut gezogenen Grenzen hinausgreift. Dies gilt auch dann, wenn sich der Notar subjektiv zu einer solchen Auslegung aufgrund seines Amtes als unabhängiger Betreuer der Urkundsbeteiligten (§ 14 Abs. 1 S. 2 BNotO) verpflichtet fühlt, um in einer Situation, in der sich bei der Durchführung des Vertrages Schwierigkeiten ergeben haben, den beiderseitigen Interessen der Beteiligten gerecht zu werden. Die zivilrechtlich bestehenden Möglichkeiten, solchen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, etwa durch eine über den Wortlaut hinausgreifende ergänzende Vertragsauslegung oder eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB), müssen dem Notar versagt bleiben Denn es ist allgemein anerkannt, daß es dem Notar im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Amtspflichten bei der Ausführung eines Treuhandauftrages verwehrt ist, in eigene Ermittlungen über die Berechtigung der gegensätzlichen Standpunkte der Beteiligten einzutreten und in diesem Zusammenhang eine streitentscheidende Rolle einzunehmen. Der Notar müßte dann seine neutrale Stellung aufgeben und würde Gefahr laufen, sich Schadensersatzansprüchen des jeweils Benachteiligten auszusetzen (KG OLGZ 1987, 273, 275; OLG Schleswig JurBüro 1992, 45; Senat OLGZ 1994, 491; DNotZ 1996, 384 sowie JMBl. NW 1996, 197; Weingärtner, a.a.O., Rdnr. 223).

Von diesen Grundsätzen ausgehend ergibt die Auswertung des Wortlautes der genannten notariellen Urkunden, dass die Auszahlung der auf den eingerichteten Notaranderkonten eingezahlten Kaufpreisbeträge allein davon abhängt, dass die lastenfreie Eigentumsumschreibung der verkauften Grundstücke gesichert ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist eine einheitliche Auslegung der Verwahrungsanweisungen in sämtlichen von dem Notar beurkundeten Kaufverträge ausgeschlossen. Die auf diese Weise angestrebte Auslegung, die in den anderen Verträgen getroffene Regelung, wonach die Auszahlung eines Teilbetrages von 60,00 DM/qm zusätzlich von dem Abschluss eines Erschließungsvertrages zwischen der Beteiligten zu 1) und der Stadt V abhängig ist, sei in die hier zu beurteilenden notariellen Urkunden einzubeziehen, ist rechtlich nicht tragfähig. Denn es sind hier in den einzelnen notariellen Verträgen jeweils gesonderte Hinterlegungsverhältnisse zwischen den Urkundsbeteiligten und dem Notar begründet worden, die rechtlich unabhängig voneinander beurteilt werden müssen. Mag auch die Interessenlage der einzelnen Erwerber hinsichtlich der Sicherstellung der Erschließung des Baugebietes übereinstimmen, so lassen die beurkundeten Einzelverträge gleichwohl keinerlei rechtliche Verknüpfung untereinander erkennen. Für die Auslegung der Verwahrungsanweisungen in den Einzelverträgen kann nicht ausschlaggebend sein, aus welchen Gründen es zu einer inhaltlich unterschiedlichen Beurkundung gekommen ist. Die Auslegung der Verwahrungsanweisungen kann jedenfalls kein Mittel der Korrektur einer Regelung sein, die sich aus der Sicht der Beschwerdeführer nunmehr als unbefriedigend zur Sicherung ihrer Interessen an einer vollständigen Vertragserfüllung darstellt.

Die in den notariellen Urkunden getroffenen Verwahrungsanweisungen sind auch nicht später durch eine übereinstimmende inhaltlich andere Anweisung der Urkundsbeteiligten ersetzt worden. Dies lässt sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Notars, das sich die Beschwerdeführer im Rahmen der Begründung ihrer weiteren Beschwerde zu eigen machen, nicht ableiten. Aus dem Schreiben der Beteiligten zu 1) vom 15.04.1998 an den Notar lässt sich dem Zusammenhang nach lediglich entnehmen, dass sie die Auszahlung der auf den Notaranderkonten in Höhe von 394.540,00 DM noch vorhandenen, auf die Erschließung entfallenden Kaufpreisbeträge durch eine Änderung der Hinterlegungsanweisung erreichen wollte: Die Sicherung der Erwerber durch eine weitere Verwahrung auf den Notaranderkonten sollte durch eine Bürgschaft der Städtischen Sparkasse Bad S ersetzt werden. In der Folgezeit ist dann weiter über die Beibringung einer solchen Bürgschaft korrespondiert worden, die jedoch nach den Vorstellungen der Sparkasse in Höhe eines Teilbetrages von 256.995,00 DM nicht zu einer weitergehenden Bürgenhaftung als derjenigen führen sollte, die sie im Zusammenhang mit dem angestrebten Abschluss eines Erschließungsvertrages gegenüber der Stadt V bereits übernommen hatte. Fest steht, dass es im Ergebnis nicht zur Aushändigung entsprechender Bürgschaftserklärungen der Sparkasse gekommen ist. Damit verbleibt es aber bei dem Bestand der ursprünglichen Verwahrungsanweisungen in den beurkundeten Verträgen. Aus dem Schreiben der Beteiligten zu 1) vom 15.04.1998 mag sich zwar indirekt ihre damalige Auffassung ergeben, dass hinsichtlich aller Erwerber Auszahlungsreife hinsichtlich der auf die Erschließung entfallenden Kaufpreisbeträge noch nicht bestand. Rechtsgeschäftlichen Charakter hat die Erklärung der Beteiligten zu 1) jedoch nur insoweit, als sie auf eine Änderung der Verwahrungsanweisung durch Austausch der Sicherung für die Erwerber gerichtet ist. Aus der Erklärung der Beteiligten zu 1) lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sie rechtsgeschäftlich auf etwaige weitergehende Rechte aus den notariellen Urkunden verzichten wollte. Dasselbe gilt im Hinblick darauf, dass die Beteiligte zu 1) die Verfahrensweise des Notars bis zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens im Jahre 2001 hingenommen hat. Nachdem eine Änderung der Verwahrungsanweisung nicht zustandegekommen ist, ist die Beteiligte zu 1) nicht gehindert, eine Amtstätigkeit des Notars durchzusetzen, die der in den jeweiligen notariellen Urkunden getroffenen Verwahrungsanweisung entspricht.

Von der Bindungswirkung der Hinterlegungsanweisung im mehrseitigen Treuhandverhältnis lassen lediglich die §§ 54 c Abs. 3 und 54 d BeurkG Ausnahmen zu. Nach § 54 c Abs. 3 BeurkG hat der Notar, wenn der Widerruf einer Anweisung nicht durch alle Anweisenden erfolgt und dieser darauf gegründet wird, dass das mit der Verwahrung durchzuführende Rechtsverhältnis aufgehoben, unwirksam oder rückabzuwickeln sei, sich jeder Verfügung über das Verwahrungsgut zu enthalten. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das mit der Verwahrung durchzuführende Rechtsverhältnis ist hier der schuldrechtliche Kaufvertrag, zu dessen Durchführung das Verwahrungsverhältnis begründet wurde (vgl. Keidel/Winkler, a.a.O., § 54 c BeurkG, Rdnr. 29). Den Beschwerdeführern geht es hier jedoch nicht um eine Rückabwicklung der mit der Beteiligten zu 1) geschlossenen Verträge, sondern mit dem Ziel der abschließenden Herstellung der Erschließungsanlage um die Sicherung der vollständigen Erfüllung der ihr aus diesen Verträgen obliegenden Leistungspflicht. Soweit sich daraus schuldrechtlich ein Zurückbehaltungsrecht (§ 320 BGB) hinsichtlich der eigenen Leistungspflicht der Beschwerdeführer ergeben kann, berührt dies die Bindungswirkung der Verwahrungsanweisung nicht (vgl. Keidel/Winkler, a.a.O., § 54 c BeurkG, Rdnr. 33 m.w.N.).

Nach § 54 d BeurkG hat der Notar von der Auszahlung von ihm verwahrter Beträge abzusehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er bei Befolgung der unwiderruflichen Weisung an der Erreichung unerlaubter oder unredlicher Zwecke mitwirken würde oder einem Hinterlegungsbeteiligten durch die Auszahlung des verwahrten Geldes ein unwiederbringlicher Schaden erkennbar droht. Beide Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Die erste Alternative der Vorschrift lehnt sich an diejenige des § 14 Abs. 2 BNotO an. Einen erkennbar unredlichen Zweck würde die Beteiligte zu 1) mit ihrem Auszahlungsverlangen nur dann verfolgen, wenn feststünde, dass ihr die Beträge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können. Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass es mit den Amtspflichten des Notars unvereinbar ist, eine streitentscheidende Rolle über die schuldrechtlichen Verpflichtungen der Urkundsbeteiligten einzunehmen (Senat a.a.O.). Im vorliegenden Fall steht der Beteiligten zu 1) der Anspruch auf den vollen Kaufpreis zweifellos zu. In den notariellen Urkunden ist lediglich keine Vertragsgestaltung enthalten, nach der die Beschwerdeführer im Hinblick auf die Gegenleistung der Beteiligten zu 1) zur Herstellung der Erschließungsanlage gegen die Erbringung einer ungesicherten Vorleistung geschützt werden. Der Umstand, dass die Beteiligte zu 1) auf der Durchführung dieser für sie günstigen Vertragsgestaltung besteht, kann aber nicht bereits als solcher die Annahme unredlichen Verhaltens rechtfertigen. Eine andere Beurteilung würde die Bindungswirkung der Verwahrungsanweisung aushöhlen. Hinzu kommt, dass die Beteiligte zu 1) die Erschließungsanlage zum überwiegenden Teil bereits fertiggestellt und die dafür entstandenen Kosten getragen hat.

Die Beschwerdeführer haben darüber hinaus nicht vorgetragen, dass ihnen im Sinne der zweiten Alternative des § 54 d BeurkG ein unwiederbringlicher Schaden entstünde, wenn sie darauf verwiesen werden, einen ihnen ggf. zustehenden Anspruch auf restliche Herstellung der Erschließungsanlage notfalls im Zivilprozess gegen die Beteiligte zu 1) durchzusetzen. Als solcher Nachteil kommen insbesondere nicht die mit der Führung des Zivilprozesses verbundene Mühewaltung und Kosten in Betracht. Unwiederbringlich würde den Beschwerdeführern ein Schaden nur entstehen, wenn die naheliegende Gefahr einer Insolvenz der Beteiligten zu 1) oder anderweitig die Gefahr bestünde, dass ein titulierter Anspruch nicht realisiert werden könnte (vgl. Keidel/Winkler, a.a.O., § 54 d BeurkG, Rdnr. 9; Weingärtner, a.a.O., Rdnr. 227; BT-Drucksache 13/4184 S. 39). Dafür ergeben sich nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer keinerlei konkrete Anhaltspunkte.

2) Weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5)

Die Verwahrungsanweisung in dem von diesen Beteiligten geschlossenen Vertrag UR-Nr. 849/1997 knüpft die Auszahlung des hinterlegten Betrages nicht nur an die Sicherstellung des lastenfreien Eigentumsübergangs, sondern zusätzlich daran, dass die Bezahlung der Erschließungsbeiträge sichergestellt ist. Diese Abweichung im Sachverhalt hat das Landgericht in seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Die weitergehend gefasste Verwahrungsanweisung in diesem Vertrag führt dazu, dass dem Notar eine Anweisung zur Auszahlung der Verwahrmasse aus diesem Vertragsverhältnis nicht erteilt werden kann. Denn die Beteiligte zu 1) hat nicht dargetan, dass die Bezahlung der Erschließungsbeiträge für das von den Beteiligten zu 5) erworbene Grundstück sichergestellt ist. Nach ihrem eigenen Vorbringen liegt vielmehr nahe, dass öffentlich-rechtliche Erschließungsbeiträge von den Beteiligten zu 5) noch zu erheben sind, und zwar im Hinblick auf die noch ausstehende, Fertigstellung der Erschließungsanlage, die nach ihrer Darstellung allein in der Verantwortung der Stadt V liegt. Müssen die Beteiligten zu 5) danach noch mit der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen rechnen, so muss die Beteiligte zu 1) nach der im Vertrag getroffenen Regelung dafür Sorge tragen, dass ihre Freistellung von der Beitragslast sichergestellt wird. Auch in diesem Punkt erfordert die Bestimmung der Auszahlungsvoraussetzungen in der Verwahrungsanweisung strikte Beachtung.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt, soweit die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) ohne Erfolg geblieben sind, aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Die Kostenerstattungspflicht beschränkt sich allerdings auf den Anteil der der Beteiligten zu 1) entstandenen außergerichtlichen Kosten, der dem Verhältnis des Wertes der Rechtsmittel der unterlegenen Beschwerdeführer zum Gesamtwert des Verfahrens der weiteren Beschwerde entspricht. Diesen Anteil hat der Senat mit 5/6 bemessen. Für die Kostenerstattung haften die Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) nur als Teilschuldner (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 13 a FGG, Rdnr. 13), wobei es der Senat im Hinblick auf die annähernd gleiche wirtschaftliche Betroffenheit der Beschwerdeführer bei gleichmäßigen Haftungsquoten belassen hat. Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 5) im Verfahren vor dem Senat war hingegen nach § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG zu entscheiden. Eine Erstattungsanordnung entspricht insoweit nicht der Billigkeit. Denn bei einem erfolgreichen Rechtsmittel hat es regelmäßig bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass die Beteiligten im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Dabei hat der Senat für Zwecke der Erhebung der Gerichtskosten (§ 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KostO) den auf die erfolglosen weiteren Beschwerden entfallenden Wert gesondert festgesetzt. Für die unter diesem Gesichtspunkt noch erforderliche Wertfestsetzung für das Erstbeschwerdeverfahren wird das Landgericht den Teil der ersten Beschwerde der Beteiligten zu 1) ergänzend berücksichtigen müssen, den der Senat zusätzlich zurückgewiesen hat.

Ende der Entscheidung

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