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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 15 W 355/05
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BvormG


Vorschriften:

FGG § 56 g Abs. 1
FGG § 69 a Abs. 3 S. 1
BGB § 683 S. 1
BGB § 1836 a a.F.
BvormG § 1
1) Gegenstand eines Verfahrens nach § 56 g Abs. 1 FGG können nur Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Vergütung für eine Betreuertätigkeit nach Wirksamwerden der Betreuerbestellung sein. Solche Ansprüche können deshalb für den Zeitraum einer Tätigkeit nach Ablauf der Befristung einer vorläufigen Betreuerbestellung bis zum Wirksamwerden der endgültigen Betreuerbestellung nicht festgesetzt werden.

2) Etwa an deren Stelle tretende Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 S. 1 BGB) können auch dann nicht Gegenstand einer Festsetzung nach § 56 g Abs. 1 FGG sein, wenn die Fortsetzung der Betreuertätigkeit über den Ablauf der vorläufigen Betreuung hinaus durch das Gericht mit veranlasst worden ist.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 355/05 OLG Hamm

In der Betreuungssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 16. März 2006 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 9. September 2005 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 21. Juli 2005

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die erste Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Durch Beschluss vom 20. August 2003 bestellte das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung den Beteiligten zu 2) zum vorläufigen Betreuer des mittellosen Betroffenen mit den Aufgabenkreisen der Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Vermögensangelegenheiten, Ämter- und Behördenangelegenheiten und der Entgegennahme und dem Öffnen der Post im Rahmen der vorbezeichneten Aufgabenkreise. Die Anordnung befristete das Amtsgericht bis zum 20. Februar 2004.

Der Betroffene, der obdachlos war und u.a. an einem Korsakowsyndrom leidet, befand sich im Zeitraum vom 4. August bis zum 8. Dezember 2003 in stationärer Behandlung. Nach der Entlassung wechselte er in das Haus E in L über. Der Beteiligte zu 2) regte bei dem Amtsgericht einen Betreuerwechsel an. Ausweislich eines am 7. Januar 2004 durch die Amtsrichterin niedergelegten Vermerks ist diese mit dem Beteiligten zu 2) überein gekommen, dass der Beteiligte zu 2) sich wieder bei ihr melden werde. Mit Schreiben vom 6. März 2004 berichtete der Betreuer dem Amtsgericht, dass der Betroffene beabsichtige, sofern die gewählte Therapie Erfolg zeige, seinen Wohnsitz in E zu nehmen. Da Besuche bei dem Betroffenen im Februar nicht erforderlich gewesen seien, gehe er davon aus, dass die Betreuungskosten weiterhin gering gehalten werden könnten. Daher solle erst im Mai 2004 über einen Betreuerwechsel entschieden werden.

Mit Schreiben vom 29. März 2004 fragte das Amtsgericht unter Hinweis darauf, dass die Betreuung am 20. Februar 2004 ausgelaufen sei, bei dem Beteiligten zu 2) an, wie weiter verfahren werden solle. Daraufhin regte der Beteiligte zu 2) die Verlängerung der Betreuung mit den bisherigen Aufgabenkreisen an. Mit Beschluss vom 14. April 2004 ordnete das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. Q unter dem 28. Juni 2004 stufte das Amtsgericht zutreffend als unbrauchbar ein. Nunmehr erstattete der Sachverständige Dr. I aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts vom 9. November 2004 unter dem 22. November 2004 das erforderliche nervenärztliche Gutachten. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2004 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 2) zum Betreuer des Betroffenen mit den bisher bereits wahrgenommen Aufgabenkreisen.

Der Beteiligte zu 2) ist auch nach Auslaufen der vorläufigen Betreuung umfassend für den Betroffenen tätig geworden und hat dessen Belange geregelt. Seit dem 1. September 2004 bewohnt der Betroffene eine Wohnung in E, die ihm der Beteiligte zu 2) eingerichtet hat.

Mit Schreiben vom 27. April und 1. Oktober 2004 hat der Beteiligte zu 2) beantragt, für die Zeiträume vom 1. März 2003 bis zum 26. April 2004 und vom 1. Juli bis zum 30. September 2004 Vergütung und Auslagen in Höhe von 269,89 € bzw. 1.395,35 € gegen die Staatskasse festzusetzen.

Durch Beschluss vom 11. Oktober 2005 hat das Amtsgericht die Vergütungsfestsetzungsanträge des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 2) hat gegen diesen Beschluss rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben, die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen und gegen seine Entscheidung die weitere Beschwerde zugelassen.

Eine förmliche Zustellung des Beschlusses an die Beteiligte zu 3) ist unterblieben. Diese hat mit an das Landgericht gerichtetem Schreiben vom 9. September 2005 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 bei dem Oberlandesgericht eingeholt und diese den Beteiligten zugeleitet.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft. Das in der rechten Form eingelegte Rechtsmittel ist nicht verfristet. Die Entscheidung des Landgerichts ist der Beteiligten zu 3) lediglich formlos mitgeteilt worden mit der Folge, dass die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht in Gang gesetzt worden ist. Denn gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 FGG hat die Bekanntmachung einer Entscheidung, wenn mit ihr der Lauf einer Frist beginnt, durch Zustellung zu erfolgen (vgl. Keidel-Schmidt, FG, 15. Aufl., § 16 Rdn. 31).

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Setze ein Berufsbetreuer nach dem Ablauf einer vorläufig eingerichteten Betreuung seine Tätigkeit fort und unterbleibe zunächst infolge einer verzögerten Bearbeitung durch das Vormundschaftsgericht eine später für notwendig erachtete reguläre Betreuerbestellung, stehe dem Betreuer für die Zeit der Vakanz in der Betreuerbestellung ein Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch gegen die Staatskasse nach § 683 S. 1 BGB dann zu, wenn das Vormundschaftsgericht durch den nachfolgenden Beschluss dieselbe Person mit den bisherigen Aufgabenkreisen abschließend zum Betreuer bestelle. Diese Voraussetzungen, so hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung weiter ausgeführt, seien im vorliegenden Fall gegeben.

Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung durch den Senat nicht stand.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass dem Beteiligten zu 2) ein auf §§ 1835, 1836 a.F., 1836 a a.F. BGB, § 1 BVormVG gestützter Anspruch nicht zusteht, weil der Beteiligte zu 2) während der Zeiträume, für die er eine Vergütung beansprucht, nicht zum Betreuer des Betroffenen bestellt war. Die im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte vorläufige Betreuerbestellung endete mit Ablauf des 20. Februar 2004.

Der Senat kann dem Landgericht indessen nicht darin folgen, in dem hier vorliegenden Festsetzungsverfahren könne dem Beteiligten zu 2) ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 S. 1, 670 BGB) zugesprochen werden.

Der Zeitaufwand vor Bestellung zum Betreuer ist nicht vergütungsfähig. Denn erst mit der Bestellung zum Betreuer beginnt dessen Amt, § 69 a Abs. 3 S. 1 FGG. Eine Betreuerbestellung mit rückwirkender Kraft sieht das Gesetz nicht vor. Daher ist eine Vergütungsfestsetzung nur für den Zeitraum ab der wirksamen Betreuerbestellung möglich (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, FGPrax 1998, 179; BayObLG FamRZ 2001, 575; OLG Stuttgart BWNotZ 2002, 44; OLG Köln OLGR Köln 2002, 142; OLG Braunschweig FamRZ 2006, 290). Eine darüber hinaus gehende Einbeziehung von Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag in das Festsetzungsverfahren nach § 56 g FGG ist nach Auffassung des Senats ausgeschlossen. Die Übernahme der gegen den Betroffenen gerichteten Ansprüche des Berufsbetreuers auf Vergütung und Aufwendungsersatz durch die Staatskasse (hier auf der Grundlage der §§ 1835 Abs. 4, 1836 a BGB a.F.) ist eine staatliche Sozialleistung für den mittellosen Betroffenen (vgl. BVerfG NJW 1980, 2179, 2181), die notwendig an bestimmte formale Voraussetzungen geknüpft sein muss. Die Betreuerbestellung markiert in diesem Zusammenhang den frühest möglichen Beginn der Sozialleistung und ersetzt den sonst erforderlichen gesonderten Antrag. In diesem Sinne legt die Betreuerbestellung den Grund des Anspruchs fest, während sich das Festsetzungsverfahren nach § 56 g FGG auf die Feststellung der Mittellosigkeit des Betroffenen und die Höhe der Ansprüche auf Vergütung und Aufwendungsersatz beschränkt. Dieser Zusammenhang schließt die Festsetzung von Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag im Verfahren nach § 56 g FGG aus, weil diese eine Einzelfallprüfung auch des Anspruchsgrundes zur Voraussetzung hätte. Es erscheint bereits mehr als zweifelhaft, ob die Staatskasse im Rahmen des vorstehend dargestellten Zusammenhangs überhaupt Anspruchsgegner eines Anspruchs aus einer Geschäftsführung des Betreuers sein kann, die dieser in erster Linie im Interesse des Betroffenen ausgeübt hat. Darüber hinaus müsste sich eine solche Einzelfallprüfung auch darauf erstrecken, ob der Betreuer aus seiner Sicht unter Berücksichtigung der Kenntnisse, die von ihm als Berufsbetreuer erwartet werden können, eine weitere Tätigkeit - auch in Richtung auf die Staatskasse - für erforderlich halten durfte, nachdem ihm bewusst gewesen sein muss, dass der Zeitraum der vorläufigen Betreuung abgelaufen war. Eine solche Prüfung wäre sehr stark an den Maßstäben von Treu und Glauben auszurichten, wobei im Einzelfall die Gewährung einer Vergütung bzw. der Ersatz von Aufwendungen unter Berücksichtigung der konkreten Verfahrensabläufe bis zur abschließenden Betreuerbestellung unter Billigkeitsgesichtspunkten besonders nahe liegen mag. Gleichwohl müssen der beschränkte Verfahrensgegenstand des Festsetzungsverfahrens und die darauf bezogene funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers es ausschließen, dieses Verfahren mit der Prüfung allgemeiner zivilrechtlicher Ansprüche zu belasten.

In dieser Weise zu entscheiden sieht sich der Senat durch den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. August 2001, abgedruckt in FGPrax 2001, 19, nicht gehindert. Eine Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG besteht nicht, weil der Senat mit der vorliegenden Entscheidung nicht von der vorgenannten Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts abweicht. Diese Entscheidung betrifft bereits erkennbar einen anderen Sachverhalt. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war die bisherige Vereinsbetreuerin zur Ausübung ihres Amtes nicht mehr im Stande, so dass ihre Aufgaben durch ein von ihr bevollmächtigtes anderes Mitglied des Betreuungsvereins, die später auch zur Betreuerin bestellt worden ist, vorübergehend wahrgenommen worden sind. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat dem Betreuungsverein Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche nach §§ 1835, 1836 a.F. BGB zuerkannt, da der Grundsatz, dass dem Verein ein Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe nur insoweit zustehe, als er dem Vereinsbetreuer zugestanden hätte, in Fällen wie dem der Entscheidung zugrundeliegenden, einer Einschränkung erfahren müsse. Mit der Frage, ob der noch nicht bestellte oder nicht mehr bestellte, für den zu Betreuenden tätig gewordene selbstständige Berufsbetreuer im Festsetzungsverfahren nach § 56 g FGG seine Vergütungsansprüche gegenüber der Staatskasse auch auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag stützen kann, hat sich das Brandenburgische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung nicht befasst. Allein diese Frage war von dem Senat aber im Rahmen der weiteren Beschwerde zu entscheiden, nachdem das Landgericht die weitere Beschwerde allein im Hinblick auf die Frage der Prüfung eines Anspruchs des Betreuers auf die beanspruchte Vergütung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zugelassen hat.

Die Sache ist danach zur abschließenden Entscheidung durch den Senat reif, der anstelle des Landgerichts nunmehr die sofortige Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen hat.

Eine Wertfestsetzung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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