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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: 15 W 366/02
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 2
BGB § 1908 e Abs. 1
BVormVG § 1 Abs. 1
1) Bei der Bemessung der Höhe des Vergütungsanspruchs eines Betreuungsvereins für die Tätigkeit seines als Vereinsbetreuers bestellten Mitarbeiters in der Zeit nach Inkrafttreten des BtÄndG bleibt es bei dem Richtliniencharakter der Vergütungssätze des § 1 Abs. 1 BVormVG auch dann, wenn der Anspruch sich gegen den nicht mittellosen Betroffenen richtet.

2) Diese Begrenzung des Vergütungsanspruchs ist mit dem GG auch dann vereinbar, wenn die danach festzusetzende Vergütung nicht voll ausreicht, um höhere Personal- und Sachkosten des Betreuungsvereins für den Einsatz seines qualifizierten Mitarbeiters zu decken. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 07.11.2001 (NJW 2002, 2091), die sich ausschließlich auf das bis zum 31.12.1998 geltende Vergütungsrecht bezieht.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 366/02 OLG Hamm

In der Betreuungssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 19. November 2002 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 11. September 2002 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 20. August 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Engelhardt

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 3) hat die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 475,18 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Mitarbeiter A des Beteiligten zu 3) ist - zuletzt aufgrund des Verlängerungbeschlusses des Amtsgerichts vom 27.02.2001 - als Vereinsbetreuer des Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Krankenkassen bestellt.

Der Beteiligte zu 3) hat mit Schreiben vom 11.01.2002 die Festsetzung der ihm für den Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.12.2001 zustehenden Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen in Höhe von insgesamt 2.522,61 DM (einschließlich 7 % Mehrwertsteuer) beantragt. Die Höhe der Vergütung hat der Beteiligte zu 3) nach dem aufgeschlüsselten Zeitaufwand der Betreuertätigkeit und unter Zugrundelegung eines Vergütungssatzes von 95,00 DM pro Stunde berechnet. Zur Begründung hat er im Laufe des Verfahrens ausgeführt, er, der Beteiligte zu 3), sei auf eine entsprechende Vergütungshöhe angewiesen, um die anteiligen Personal- und Sachkosten seines Mitarbeiters mit der beruflichen Qualifikation als Diplom-Sozialarbeiters decken zu können. Auf die näheren Einzelheiten der dazu von dem Beteiligten zu 3) vorgelegten Berechnungen wird Bezug genommen.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat durch Beschluß vom 04.04.2002 eine Vergütung auf lediglich 1.593,23 DM (entsprechend 816,61 Euro) festgesetzt und dabei in Anlehnung an § 1 Abs. 1 S.2 Nr. 2 BVormVG einen Stundensatz von 60,00 DM angesetzt.

Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 3) mit Schreiben vom 15.04.2002 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seinen weitergehenden Festsetzungsantrag weiterverfolgt hat. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 17.07.2002 die Beteiligte zu 3) zur Verfahrenspflegerin des Betroffenen für das Erstbeschwerdeverfahren bestellt. Durch Beschluß vom 20.08.2002 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die weitere Beschwerde zugelassen worden ist.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3), die er mit einem bei dem Landgericht am 12.08.2002 eingegangenen Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom Vortag eingelegt hat. Der Senat hat durch Beschluß vom 07.10.2002 die Beteiligte zu 2) zur Verfahrenspflegerin des Betroffenen im Verfahren dritter Instanz bestellt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 3) folgt bereits daraus, daß seine sofortige Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffen von einer gem. § 56 g Abs. 5 S. 1 FGG zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3) ausgegangen. Auch die Sachentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Nach den §§ 1908 e Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. S. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der dem Betreuungsverein zu bewilligenden Vergütung nach den für die Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Vereinsbetreuers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Betreuertätigkeit. Rechtlich zutreffend hat das Landgericht in diesem Zusammenhang für die konkrete Bemessung der Vergütung die Stundensätze nach § 1 BVormVG herangezogen und im Hinblick auf die Ausbildung des Mitarbeiters A als Diplom-Sozialarbeiter aus Abs. 1 S. 2 Nr. 2 der Vorschrift einen Stundensatz von 60,00 DM abgeleitet. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 145, 104 ff. = FGPrax 2000, 233 = NJW 2000, 3709) haben die Stundensätze des § 1 BVormVG einen Richtliniencharakter für die Bemessung der Betreuervergütung auch dann, wenn diese - wie hier - aus dem Vermögen des Betreuten aufzubringen ist. Zur Ausübung des Ermessens nach § 1836 Abs. 2 S. 2 BGB hat der BGH in seiner genannten Entscheidung hervorgehoben, es müsse dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Richtliniencharakter der Sätze des § 1 BVormVG und dem sich daraus ergebenden Ausnahmecharakter einer höheren Vergütung Rechnung getragen werden. Eine Erhöhung über die Stundensätze des BVormVG hinaus könne nur mit den weiteren in § 1836 Abs. 2 S. 2 BGB genannten Kriterien, nicht aber mit der Kostensituation der Betreuerpraxis begründet werden. Für eine Bemessung der Stundensätze nach einer vom Betreuer vorgelegten Kalkulation seiner Sach- und Personalkosten sei deshalb jedenfalls nach neuem Recht kein Raum mehr. Das neue Recht lege fest, mit welchem Stundensatz ein Berufsbetreuer in der Regel auszukommen habe. Nach dieser Vorgabe müsse der Aufwand an Sach- und Personalkosten eingerichtet werden. Auch die Höhe des Vermögens an sich sei kein Kriterium für die Vergütungshöhe, sondern könne nur insoweit mittelbare Bedeutung gewinnen, als es die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte erhöhe.

Als Kriterien der Ermessensausübung nennt § 1836 Abs. 2 S. 2 BGB die nutzbaren Fachkenntnisse des Betreuers sowie den Umfang und die Schwierigkeit der Geschäfte. Dem Umfang der Geschäfte ist nach der genannten Entscheidung des BGH dadurch Rechnung getragen, daß der erforderliche Zeitaufwand mit den entsprechenden Stundensätzen abgegolten wird. Für die Bemessung des Stundensatzes sind die beiden anderen Kriterien entscheidend. Die Fachkenntnisse des Betreuers, die für die jeweilige Vormundschaft nutzbar sind, steigern den Vergütungssatz. Dabei muß auch bei bemittelten Betreuten die Bewertung der Fachkenntnisse in § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG als Orientierungshilfe dienen. Danach ist auch bei einem Berufsbetreuer mit einer Qualifikation im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG eine Vergütung von 60,00 DM pro Stunde Zeitaufwand nicht zu niedrig bemessen. Dieselben Grundsätze gelten für die Bemessung der nach § 1908 e Abs. 1 BGB einem Betreuungsverein für die Tätigkeit seines als Vereinsbetreuer bestellten Mitarbeiters zu bewilligenden Vergütung.

Bei einem vermögenden Betroffenen dürfen deshalb die Stundensätze des § 1 Abs. 1 BVormVG nur überschritten werden, wenn die Anforderungen der Betreuung, etwa wegen des vom Betreuer geforderten außergewöhnlichen, durch den Zeitaufwand nicht abgegoltenen Engagements oder wegen anderer - gemessen an der Qualifikation des Betreuers - besonderer Schwierigkeiten im Abrechnungszeitraum, über den Regelfall einer Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis deutlich hinausgegangen sind und die Vergütung des Betreuers mit dem seiner Qualifikation nach der genannten Bestimmung entsprechenden Stundensatz zu der von ihm erbrachten gesteigerten Leistung in einem klaren Mißverhältnis stünde (BayObLGZ 2000, 316 = NJW 2001, 1221). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall von dem Beteiligten zu 3) weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Soweit die von dem Beteiligten zu 3) in verschiedenen Fassungen vorgelegte Kalkulation für die Stundenvergütung eines bei einem Betreuungsverein beschäftigten Diplom-Sozialarbeiters anteilige Sachkosten (Kosten eines Arbeitsplatzes mit und ohne Technikunterstützung) enthält, handelt es sich um allgemeine Verwaltungskosten des Betreuungsvereins, deren Einbeziehung in den zu bewilligenden Stundensatz gem. § 1908 e Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen ist (BGH FGPrax 2000, 225 = NJW 2000, 3712).

Die daraus folgende Begrenzung der dem Beteiligten zu 3) zu bewilligenden Vergütung auf einen Stundensatz von 60,00 DM stößt nicht auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2000 (FamRZ 2000, 729 = NJW-RR 2000, 1241) die Höhe der in § 1 BVormVG vorgesehenen Vergütungssätze im Rahmen der vom Gesetzgeber vorgenommenen Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübung und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe als verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet, und zwar ausdrücklich auch insoweit, als die Stundensätze nach dieser Vorschrift als Orientierungshilfe für die Bemessung einer aus dem Einkommen oder Vermögen des Betroffenen aufzubringenden Betreuervergütung heranzuziehen sind.

An dieser Bewertung hat sich durch die von dem Beteiligten zu 3) herangezogene Entscheidung des BVerfG vom 07.11.2001 (NJW 2002, 2091 = FamRZ 2002, 85) nichts geändert. Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung in dieser Entscheidung waren Vergütungsfestsetzungen für Betreuungsvereine, die auf dem bis zum 31.12.1998 geltenden Recht beruhten. In diesen mit den Verfassungsbeschwerden der betroffenen Betreuungsvereine angegriffenen Entscheidungen waren der Bemessung der Vergütung Stundensätze zwischen 25,00 DM und 45,00 DM zugrundegelegt worden. Das BVerfG hat in seiner genannten Entscheidung ausgehend von Art. 12 Abs. 1 GG beanstandet, bei der fachgerichtlichen Ermessensentscheidung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, daß die Betreuungsvereine nach § 1908 f Abs. 1 Nr. 1 BGB gehalten seien, qualifiziertes Personal zu beschäftigen, dessen sich der Gesetzgeber zur Erfüllung der Betreuungsarbeit im Rahmen der von ihm gewählten Konstruktion bediene. Bei der Festsetzung der Vergütungshöhe dürften deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht die fixen Vorhaltekosten der Betreuungsvereine für ihr qualifiziertes Personal nicht unberücksichtigt bleiben. Aus diesen Ausführungen läßt sich jedoch entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 3) kein aus der Verfassung ableitbarer Anspruch der Betreuungsvereine darauf herleiten, die Höhe der aus dem Einkommen oder Vermögen des Betroffenen aufzubringenden Vergütung müsse zwingend so bemessen werden, daß anteilig entsprechend dem geleisteten Zeitaufwand die gesamten dem Verein entstehenden Personalkosten für seinen als Vereinsbetreuer eingesetzten Mitarbeiter aus der Vergütung gedeckt werden können. Erst recht lässt sich der Entscheidung nichts dafür entnehmen, daß das BVerfG die Regelung des § 1908 Abs. 1 S. 2 BGB, die eine Erstattung allgemeiner Verwaltungskosten des Betreuungsvereins ausschließt; für verfassungswidrig hält. Das BVerfG hat es vielmehr lediglich für erforderlich gehalten, daß die einem Betreuungsverein für die Beschäftigung qualifizierten Personals, im Fall eines Diplom-Sozialarbeiters entsprechend der Vergütungsgruppe nach BAT IV b, entstehenden Personalkosten bei der Bemessung der Vergütungshöhe angemessen berücksichtigt werden müssen. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG abschließend darauf hingewiesen, im Hinblick auf den Einsatz qualifizierten, Personals sei eine Bemessung der Vergütung im oberen Bereich des Vergütunqsrahmens in entsprechender Höhe des durch das BtÄndG mit Wirkung zum 01.01.1999 nunmehr für derartige Betreuungstätigkeiten bestimmten Vergütungssatzes geboten.

Daraus folgt mit Deutlichkeit, daß das BVerfG keineswegs seine Entscheidung vom 16.03.2000, in der es die Stundensätze des § 1 Abs. 1 BVormVG als mit dem GG vereinbar erachtet hat, für den Bereich der einem Betreuungsverein zu bewilligenden Vergütung hat aufgeben wollen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß eine solche Betrachtungsweise sich keinesfalls auf die Betreuungsvereine beschränken könnte, sondern auch die freiberuflich tätigen Berufsbetreuer einbeziehen müßte, soweit sie - wie in der Regel - dieselbe berufliche Qualifikation, etwa als Diplom-Pädagoge oder Diplom-Sozialarbeiter, für ihre Betreuungstätigkeit einsetzen. Dem Senat sind aus der Befassung in früheren Entscheidungen, die freiberuflich tätige Berufsbetreuer betrafen, ähnliche Berechnungen des Personal- und Sachkostenaufwands bekannt, mit denen - vom Standpunkt der Betroffenen - die auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unzureichende Höhe der Vergütungssätze in § 1 BVormVG begründet werden sollten. Diese Berechnungen haben dem BVerfG ausweislich seiner Entscheidung vom 16.03.2000 keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung gegeben.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Wertfestsetzung für das Verfahrend dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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