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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 15 W 41/07
Rechtsgebiete: WEG, BGB, ZPO


Vorschriften:

WEG § 28
BGB § 666
BGB § 667
BGB § 259
BGB § 242
ZPO § 254
1) Dem Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen ihren (abberufenen) Verwalter auf Rechnungslegung und Herausgabe der Unterlagen betr. ein Fremdgeldkonto steht es nicht entgegen, dass über das Konto auch Geldbewegungen Dritter (hier: Mietein- und -auszahlungen im Rahmen der Sondereigentumsverwaltung) geflossen sind.

2) Der Anspruch ist nicht davon abhängig, dass die Eigentümergemeinschaft die Unterlagen zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Verwalter benötigt.

3) Mangels Informationsinteresse der Gemeinschaft, ist der Verwalter befugt, vor einer Hausgabe der Unterlagen diejenigen Beträge in den Kontoauszügen unkenntlich zu machen, die sich nach dem Buchungstext zweifelsfrei auf Geldbewegungen Dritter beziehen.

4) Der Zulässigkeit eines Stufenantrages steht es nicht entgegen, dass die in der ersten Stufe begehrte Auskunft auch Bedeutung für den Anspruchsgrund hat, wenn die Informationen zugleich für die Anspruchshöhe relevant sind.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 41/07 OLG Hamm

hat der 15.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.12.2007 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 23.01.2007 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 13.10.2006 durch

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 09.01.2006 werden aufgehoben.

Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, der Beteiligten zu 1) Auskunft über das Girokonto bei der T, Konto ##### zu erteilen durch Vorlage

--des Eröffnungsvertrages,

--eines Auszuges über die Geldbewegungen auf diesem Konto ab der Zeit ab dem 01.11.1995 sowie

--des Kontoabschlusses.

Der Beteiligten zu 2) wird nachgelassen, in den Kontoauszügen diejenigen Beträge unleserlich zu machen, welche nach dem Buchungstext ausschließlich Miteinnahmen oder Mietausschüttungen zugunsten einzelner Sondereigentümer darstellen.

Hinsichtlich des Antrages zu 2) wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Rechtsmittelverfahren zu entscheiden hat.

Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 4.500 € (Antrag zu 1) = 1.500 €; Antrag zu 2) = 3.000 €) festgesetzt.

Gründe:

I.)

Die Beteiligte zu 2) war Verwalterin der Beteiligten zu 1) und wurde durch Beschluss vom 07.06.1997 als Verwalterin abgewählt. Sie unterhielt ein Konto Nr. ##### bei der T und wickelte über dieses Konto sowohl Geldbewegungen der Beteiligten zu 1) als auch solche im Zusammenhang der von ihr wahrgenommenen Mietsonderverwaltung für einzelne Wohnungseigentümer ab.

Die Antragsgegnerin übergab -mit Ausnahme der Unterlagen hinsichtlich des vorgenannten Bankkontos- sämtliche Unterlagen aus ihrer Verwaltertätigkeit an die Antragstellerin.

Die Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich beantragt,

1.

der Antragsgegnerin aufzugeben, den Antragstellern Auskunft über das Girokonto bei der T, Kontonummer ##### durch Vorlage des Eröffnungsvertrages, der Geldbewegungen auf diesem Konto und des Kontenabschlusses zu erteilen, hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, die Verwalterin zu ermächtigen, die begehrte Auskunft unmittelbar selbst bei der T zu erheben,

2.

der Antragsgegnerin aufzugeben, den Antragstellern den Schaden zu ersetzen, der sich nach der Auskunft beziffern lässt.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen und hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 11.10.2004 sind die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen worden, wobei das Amtsgericht davon ausging, die Anträge seien mangels einer wirksam erteilten Verfahrensvollmacht unzulässig erhoben worden. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Durch Beschluss vom 09.01.2006 hat das Amtsgericht die Anträge abermals zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs.1, 43 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Zu Recht hat das Landgericht auch das Rubrum dahingehend berichtigt, dass nunmehr die Eigentümergemeinschaft als solche Beteiligte des Verfahrens und Antragstellerin ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf NZM 2006, 182 m.w.N.). Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Vorinstanzen von einer rückwirkenden Genehmigung der Verfahrensführung ausgegangen sind (zur Möglichkeit derselben vgl. BGH NJW 1989, 984f).

In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung nicht stand.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Ein Auskunfts- oder Herausgabeanspruch nach Auftragsrecht bestehe nicht, da dieser bereits erfüllt sei, die Beteiligte zu 2) habe alle Unterlagen herausgegeben, die im Zusammenhang mit der Verwaltertätigkeit ständen. Diese würden die Beteiligte zu 1) auch in der Lage versetzen, einen möglichen Schadensersatzanspruch zu berechnen.

Diese Begründung verkennt insbesondere in rechtlicher Hinsicht den Umfang der Ansprüche, die sich aus den §§ 666 S.2, 667 BGB ergeben. Nach den §§ 666 S.2, 259 BGB ist der Verwalter zur Rechnungslegung nebst Vorlage der üblichen Belege verpflichtet, die im Rahmen der Verwaltertätigkeit erlangten Belege und Unterlagen sind zudem nach § 667 BGB herauszugeben. Entgegen der Annahme des Landgerichts sind diese Ansprüche umfänglich nicht auf solche Unterlagen beschränkt, die der Auftraggeber, hier also die Eigentümergemeinschaft, zur Prüfung ihrer Ansprüche benötigt. Vielmehr erfassen die Ansprüche sämtliche Unterlagen und Konten, in denen Vorgänge betreffend die Wohnungseigentumsanlage gebucht sind (BayObLG NJWE-MietR 1997, 14 f.). Da es nicht der -ggf. willkürlichen- Handhabung des Verwalters überlassen werden kann, ob dieser Anspruch besteht, kann es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommen, auf wessen Namen oder mit welcher Zweckangabe ein (Fremd-)Bankkonto eröffnet worden ist, sondern alleine darauf, ob über dieses willentlich Geldbewegungen abgewickelt wurden, die unmittelbar die Eigentümergemeinschaft betrafen. Dies ist hier unstreitig der Fall.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es hier auch nicht darauf an, ob die Gemeinschaft für die Berechnung eines möglichen Schadensersatzanspruchs zwingend auf die begehrten Informationen angewiesen ist. Lediglich umgekehrt gilt, dass der Anspruch nach den §§ 226, 242 BGB ausgeschlossen sein kann, wenn seitens des Anspruchstellers keinerlei sachliche Interessen an den Informationen feststellbar sind. Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Der Senat teilt zwar die Auffassung des Landgerichts, dass ein Herausgabe- oder Schadensersatzanspruch der Eigentümergemeinschaft tunlichst nicht auf der Grundlage einzelner Geldbewegungen, sondern auf der Grundlage einer Einnahmen-Ausgaben-Saldierung, mithin ausgehend von den Jahresabrechnungen zu berechnen ist, was den Streit regelmäßig auf die durch den ehemaligen Verwalter nachzuweisende zweckgerechte Mittelverwendung konzentriert. Gleichwohl besteht hier jedenfalls ein billigenswertes Interesse, die Vollständigkeit der abgerechneten Einnahmen anhand der Kontoauszüge zu überprüfen.

Dem Anspruch auf Herausgabe der Kontounterlagen kann die Beteiligte zu 2) schließlich nicht entgegen halten, die Herausgabe sei ihr unmöglich, da sie nicht mehr im Besitz derselben sei. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der schlichte Vortrag, nicht mehr im Besitz der Unterlagen zu sein, nicht hinreichend ist, eine entlastende Unmöglichkeit darzutun, wenn -wie hier- feststeht, dass der Verwalter im Besitz der Unterlagen war (vgl. im Einzelnen Senat OLGR Hamm 2007, 502). Im Übrigen gilt jedoch auch, dass der Anspruch auf Rechnungslegung (§§ 28 Abs.4 WEG, 666 S.2 BGB), der gemäß § 259 BGB die Vorlage von Belegen mit umfasst, nicht alleine dadurch eingeschränkt wird, dass der Schuldner die (Original-)Belege weggeben oder sonst verloren hat. Vielmehr muss der Schuldner in diesen Fällen von den Empfängern der Belege Kopien anfordern oder sich sonst um den Ersatz derselben bemühen (Palandt/Heinrichs, BGB, § 261 Rdn.24; Staudinger/Bub, BGB, Bearb. 2005, § 26 Rdn.403). Dass ein solcher Ersatz der Belege unmöglich wäre, ist seitens der Beteiligten zu 2) nicht dargetan worden.

Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat selbst über den Hauptantrag zu 1) entscheiden.

Da im Grundsatz ein Anspruch auf Herausgabe besteht, bleibt zu prüfen, ob berechtigte Interessen anderer Auftraggeber der Anspruchserfüllung entgegenstehen. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Auskunfts- und der hieraus abgeleitete bzw. deckungsgleiche Herausgabeanspruch nur im Rahmen des § 242 BGB besteht (vgl. OLG München NJW-RR 2002, 1045, 1047). Über eine echte Verschwiegenheitspflicht hinaus kann in diesem Rahmen auch berücksichtigt werden, dass über das hier in Frage stehende Konto auch Geldbewegungen abgewickelt worden sind, die einzelne Sondereigentümer allein in dieser Eigenschaft betreffen und an deren Offenbarung die Gemeinschaft kein berechtigtes Interesse haben kann. Ob die Beteiligte zu 2) den einzelnen Miteigentümern vertraglich tatsächlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, ist dann nicht entscheidend. Denn die Pflichtverletzung der Beteiligten zu 2) liegt dann schon darin, dass sie Fremdgelder kontenmäßig vermischt und damit einen Auskunftsanspruch unterschiedlicher Auftraggeber hinsichtlich des Kontos begründet hat. Wie bereits ausgeführt, kann ein derartiges pflichtwidriges Verhalten keinesfalls dazu führen, dass der Auftragnehmer/Verwalter nunmehr keinem der Auftraggeber Auskunft über das Konto zu erteilen hätte. Erforderlich ist insoweit vielmehr eine Interessenabwägung (OLG München a.a.O.). Geht es wie hier alleine darum, dass die Bewegungen auf einem Konto verschiedene Auftraggeber betreffen, kann der (mögliche) Interessengegensatz so gelöst werden, dass von der Auskunfts- und Herausgabepflicht diejenigen Kontobewegungen ausgenommen werden, die schon nach dem Text der Kontounterlagen selbst alleine einen der Auftraggeber betreffen. Da diese Ausnahme andererseits für jeden der Auftraggeber nachvollziehbar sein muss, können von der Auskunfts- und Herausgabepflicht nur die den einzelnen Buchungen zugeordneten Beträge ausgenommen werden. Dementsprechend war dem Antrag zu 1) nur teilweise stattzugeben und die weitergehende sofortige weitere Beschwerde, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags zu 1) richtet zurückzuweisen.

Zum Antrag zu 2):

Insoweit hat das Landgericht durch die uneingeschränkte Zurückweisung der sofortigen weiteren Beschwerde auch die Zurückweisung dieses Antrags bestätigt. Die landgerichtliche Entscheidung leidet insoweit schon an einem Begründungsmangel (§ 25 FGG). Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, das Landgericht habe sich die Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung zu eigen gemacht, würde sich dies als rechtsfehlerhaft erweisen.

Die Auffassung des Amtsgerichts, der vorliegende Stufenantrag zu 2) sei unzulässig und ein möglicher Zahlungsanspruch nach Maßgabe des § 195 BGB n.F. i.V.m. Art.229 § 6 Abs.4 EGBGB zudem verjährt, weil der vorgeschaltete Auskunftsantrag nicht der Klärung der Anspruchshöhe, sondern des Anspruchsgrundes diene, ist verfehlt. Die vom Amtsgericht angezogene Entscheidung des BGH (NJW 2000, 1645) gibt für den vorliegenden Fall nichts her. Der dort beurteilte Auskunftsantrag stand zu der Höhe eines möglichen Anspruchs in keinerlei Beziehung, sondern diente allein der Klärung, ob überhaupt ein anspruchsbegründender Sachverhalt vorlag. Der unbestimmte Zahlungsantrag stand dort daher nicht in dem von § 254 ZPO vorausgesetzten Abhängigkeitsverhältnis von dem vorgeschalteten Auskunftsanspruch. Hier hingegen ist schon im Hinblick auf § 667 BGB unzweifelhaft, dass die Beteiligte zu 2) zur Zahlung verpflichtet ist, soweit sie nicht alle der Gemeinschaft zustehenden Gelder zweckentsprechend verwandt bzw. bereits an diese ausgekehrt hat. Wie bei allen Herausgabeansprüchen, auf die § 254 ZPO primär abhebt, lässt sich an diesem Punkt der Anspruchsgrund nicht von der Anspruchhöhe trennen. Will man § 254 ZPO nicht weitgehend leer laufen lassen, dann kann die Zulässigkeit des unbestimmten Stufenantrages nicht allein deshalb verneint werden, weil der Auskunftsantrag nicht ausschließlich der Klärung der Anspruchshöhe dient, sondern auch zur Klärung der möglichen Anspruchsgrundlagen beitragen kann und ggf. soll.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich des Antrags zu 2) erweisen sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Nach dem gegenwärtigen Sachstand, also vorbehaltlich der durch den Antrag zu 1) angestrebten Überprüfung insbesondere der Einnahmen der Gemeinschaft, kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass der Gemeinschaft gegen die Beteiligte zu 2) restliche Zahlungsansprüche zustehen. In Betracht zu ziehen sind insoweit ein Herausgabeanspruch nach § 667 BGB, vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche sowie Bereicherungsansprüche. Ob nach Maßgabe des bis zum 01.01.2002 geltenden Rechtszustandes bei Rechtshängigkeit des Antrages zu 2) bereits Verjährung eingetreten war, lässt sich mangels Aufklärung des Sachverhalts nicht beantworten. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Verbindlichkeit der in dem schriftlichen Verwaltervertrag enthaltenen Verjährungsfrist, da die Wirksamkeit dieses Vertrages streitig ist.

Die Sache war hinsichtlich des Antrags zu 2) daher unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nach einer Bezifferung des Antrags zu 2) die Feststellungen zu treffen haben, die für eine Beurteilung des Anspruchsgrundes, der Anspruchshöhe und einer möglichen Verjährung notwendig sind.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs.3 WEG.

Ende der Entscheidung

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