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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.06.2001
Aktenzeichen: 15 W 435/00
Rechtsgebiete: VwVG NW, BGB


Vorschriften:

VwVG NW § 51
BGB § 1147
1) Hat der Sozialhilfeempfänger dem Träger der Sozialhilfe zur Sicherung des Anspruchs auf Rückzahlung darlehnsweise gewährter Sozialhilfeleistungen eine Sicherungshypothek bestellt, so bedarf die Behörde zur Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs aus der Hypothek eines zivilprozessualen Vollstreckungstitels. Eine Selbsttitulierung durch die Behörde ist nur für die persönliche Forderung möglich.

2) Soweit die Behörde wegen ihrer persönlichen Forderung (hier: wegen eines Zinsanspruches) die Vollstreckung betreibt, kann in der Bestellung der Sicherungshypothek nicht die vorweggenommene Zustimmung des Schuldners in die Zwangsversteigerung seines Eigenheimgrundstücks im Sinne des § 51 Abs. 3 VwVG NW gesehen werden.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

in dem Verfahren

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 18. Juni 2001 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 8. Dezember 2000 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 6. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Oellers

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Anordnungsbeschluss des Amtsgerichts vom 08.07.1999 werden aufgehoben.

Der Beteiligte zu 2) trägt die Kosten des Verfahrens der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde nach einem Gegenstandswert von 150.000,00 DM.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2) betreibt gegen die Beteiligte zu 1) die Zwangsversteigerung des oben genannten Grundstücks. Die Beteiligte zu 3) hat eigene Forderungen gegen die Beteiligte zu 1) angemeldet.

Mit Bescheid vom 06.12.1993 gewährte der Beteiligte zu 2) der damaligen Eigentümer des Grundstücks, Frau K Sozialhilfe in Form eines Darlehens. In diesem Bescheid wies der Beteiligte zu 2) darauf hin, dass es sich bei dem Grundstück um verwertbares Grundvermögen handele. Es sei daher zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs heranzuziehen. Ferner wies er darauf hin, dass eine sofortige Verwertung des Hausgrundstücks nicht möglich sei und im übrigen auch eine Härte bedeuten würde. Daher gewähre er die Sozialhilfe in Form eines Darlehens in Höhe von 150.000,00 DM. Zur Sicherung des Darlehens verlangte der Beteiligte zu 2) von Frau K auf ihren Grundbesitz eine Sicherungshypothek zum Höchstbetrag von 150.000,00 DM eintragen zu lassen.

Die verlangte Hypothek wurde im Grundbuch unter III lfd. Nr. 7 als Höchstbetragssicherungshypothek mit Bezug auf die Bewilligung vom 21.10.1994 (UR-NR. 517/94 Notar in das Grundbuch eingetragen. Eine Vollstreckungsunterwerfungserklärung gemäß § 794 Abs. 1 Ziffer 5 ZPO wurde nicht abgegeben.

Frau K verstarb im Dezember 1998. Sie wurde zu gleichen Teilen beerbt von ihrem Ehemann und ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1). Diese wurde aufgrund des Erbscheins sowie aufgrund des Erbteilsübertragungsvertrages vom 22.02.1999 als alleinige Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Nach Abzug von vorangigen Leistungen anderer Träger der Sozialhilfe leistete der Beteiligte zu 2) insgesamt 176.644,88 DM an Frau K. Da die Beteiligte zu 1) diese Kosten nicht beglich, hat der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 06.07.1999 die Zwangsversteigerung des oben genannten Grundstücks beantragt. In dem Antrag heisst es:

"Für die ... aufgeführten Forderungen besteht in Abteilung III lfd. Nr. 7 des Grundbuchs eine Sicherungshypothek zugunsten des Kreises. Wir betreiben die Zwangsversteigerung mit dem Range aus dieser Hypothek. ... Als zuständige Vollstreckungsbehörde bescheinigen wir hiermit die Vollstreckbarkeit der Forderungen."

Mit Beschluss vom 08.07.1999 hat das Amtsgericht die Zwangsversteigerung angeordnet und zwar:

"Wegen eines dinglichen Anspruchs auf

a) 150.000,00 DM Hypothek III Nr. 7 und wegen des persönlichen Anspruchs auf

b) 4 Zinsen aus 150.000,00 DM seit 20.12.1998 sowie wegen der Kosten dieses Verfahrens im Verwaltungsvollstreckungsverfahren."

Mit Schriftsatz vom 21.06.2000 ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten beantragte die Beteiligte zu 1), die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Dieser Antrag wurde nach telefonischem Hinweis vom 12.07.2000 auf einen Verstoß gegen § 51 Abs. 3 VwVG NW gestützt. Nach Auffassung der Beteiligten zu 1) würde die Zwangsvollstreckung in ein Eigenheim im Sinne von § 51 Abs. 3 VwVG NW in Verbindung mit § 9 Abs. 1 II. WoBauG betrieben.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 16.08.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 01.09.2000 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 06.11.2000 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, eine Zustimmung des Vollstreckungsschuldners im Sinne des § 51 Abs. 3 VwVG NW liege vor. Diese Zustimmung sei in der Bewilligung der Eintragung der Höchstbetragssicherungshypothek zugunsten des Beteiligten zu 2) zu sehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 08.12.2000 beim Oberlandesgericht eingelegt hat.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 95 ZVG, 568 Abs. 2 Satz 1, 577 Abs. 2, 793 Abs. 2 ZPO an sich statthaft, sowie fristgerecht eingelegt. Zwar liegt in der Sachentscheidung des Landgerichts nicht unmittelbar eine neue selbständige Beschwer im Sinne des § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO, weil diese mit derjenigen des Amtsgerichts inhaltlich übereinstimmt. Die weitere Beschwerde ist jedoch unter dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Gesichtspunkt der Verfahrenszweitbeschwerde (vgl. dazu Senat NJW 1979, 170 = Rpfleger 1979, 32 m.w.N.) eröffnet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einem Verfahrensmangel beruht. Das Landgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass eine Zustimmung der Schuldnerin im Sinne des § 51 Abs. 3 VwVG NW vorliege. Dieser Gesichtspunkt ist durch die Entscheidung des Landgerichts erstmals in das Verfahren eingeführt worden. Das Landgericht hätte gemäß § 278 Abs. 3 ZPO auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hinweisen müssen. Da dieser Hinweis nicht erfolgt ist, liegt eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verfahrensmangel vor (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 568 Rdnr. 18 m.w.N.). Die Entscheidung des Landgerichts beruht auch auf diesem Verfahrensmangel. Denn das Landgericht hat den Regelungsgehalt des § 51 Abs. 3 VwVG NW nicht richtig erfaßt.

In der Hauptsache ist die Zwangsversteigerung wegen des dinglichen Anspruchs auf 150.000,00 DM aus der Hypothek lfd. Nr. 1 angeordnet worden. Entsprechend hieß es in dem Antrag auf Durchführung der Zwangsversteigerung:

"Wir betreiben die Zwangsversteigerung mit dem Rang aus dieser Hypothek."

Grundlage der Zwangsversteigerung ist daher der Duldungsanspruch (§ 1147 BGB) aus der rechtsgeschäftlich bestellten Hypothek. Wie der Senat in seinem Hinweisschreiben vom 26.03.2001 bereits ausgeführt hat, ist dieser Duldungsanspruch nicht tituliert. Der Beteiligte zu 1) betreibt wegen der Hauptforderung nicht die Zwangsvollstreckung aus der persönlich öffentlich-rechtlichen Forderung, sondern aus der Hypothek. Wird aber die Zwangsvollstreckung aus einer rechtsgeschäftlich bestellten Hypothek betrieben, muss sich der Gläubiger auch an die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung daraus halten. Es bedarf daher eines Titels für den Duldungsanspruch. Eine Selbsttitulierung nach dem VwVG NW ist nur für die persönliche Forderung möglich, nicht für die Vollstreckung aus der rechtsgeschäftlich bestellten Hypothek. Das VwVG NW ist für die Vollstreckung aus der rechtsgeschäftlich bestellten Hypothek nicht anwendbar. Diese Auffassung entspricht im Bereich der Abgabenordnung der einhelligen Meinung (vgl. Klein/Brockmeier, AO, 7. Aufl., § 323 Rdnr. 3). Es heisst dort:

"Aus einer rechtsgeschäftlichen bestellten Sicherungshypothek kann die Behörde die Vollstreckung mit dem Rand der Sicherungshypothek nur betreiben, wenn sie einen zivilprozessualen dinglichen Titel hat."

Für die Vollstreckung nach dem Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetz gilt das ebenfalls, da § 5 VwVG auf die Abgabenordnung verweist. Für eine Vollstreckung nach dem VwVG NW muss das ebenfalls gelten. Dies ergibt sich auch aus § 52 VwVG NW, der eine Vollstreckung gegen den neuen Eigentümer ohne Titel nur aus einer im Weg der Zwangsvollstreckung eingetragenen Sicherungshypothek erlaubt. Da der Beteiligte zu 2) für die betriebene Zwangsvollstreckung über keinen Titel verfügt, fehlt eine wesentliche Vollstreckungsvoraussetzung.

Die Vollstreckung ist auch insoweit unzulässig, als das Amtsgericht die Vollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs auf 4 % Zinsen aus 150.000,00 DM seit dem 20.12.1998 sowie wegen der Verfahrenskosten angeordnet hat. Zwar vollstreckt der Beteiligte zu 2) insoweit nicht aus der Hypothek, sondern aus der persönlichen Forderung, die der Beteiligte zu 2) zulässigerweise nach dem VwVG NW selbst tituliert hat. Insoweit ist aber die Zwangsvollstreckung gemäß § 51 Abs. 3 VwVG NW unzulässig, weil in ein Eigenheim im Sinne dieser Vorschrift ohne Zustimmung der Schuldnerin vollstreckt wird.

§ 51 Abs. 3 VwVG NW bestimmt, dass die Zwangsversteigerung des vom Schuldner bewohnten Eigenheimes im Sinne des II. Wohnungsbaugesetzes (WoBauG) nur mit Zustimmung des Schuldners zulässig ist. Die Prüfung der Frage der Zulässigkeit der Zwangsversteigerung nach Maßgabe des § 51 Abs. 3 VwVG NW obliegt dem Vollstreckungsgericht. Ein Eigenheim im Sinne des § 9 II. WoBauG ist ein im Eigentum einer natürlichen Person stehendes Grundstück mit einem Wohngebäude, das nicht mehr als zwei Wohnungen enthält, von denen eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Dass die Tatbestandvoraussetzungen des § 51 Abs. 3 VwVG NW vorliegen, ist von der Beteiligten zu 1) in ihrem Schriftsatz vom 08.12.2000 näher dargelegt worden. Der Beteiligte zu 2) ist dem nicht entgegengetreten.

Die Beteiligte zu 1) ist als Erbin der Sozialhilfeempfängerin auch Schuldnerin im Sinne dieser Vorschrift. Nach Auffassung des Senats bestehen auch keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 51 Abs. 3 VwVG NW. Der Beteiligte zu 2) muss jeweils die Vorschriften gegen sich gelten lassen, die für die jeweilige Vollstreckungsart maßgeblich sind. Vollstreckt der Beteiligte zu 2) aus der dinglichen Hypothek, ist das VwVG NW, und damit auch § 51 Abs. 3, nicht anwendbar. Vollstreckt der Beteiligte zu 2) allerdings aus der persönlichen öffentlich-rechtlichen Forderung und damit auf Grund des VwVG NW, hat der Beteiligte zu 2) auch die Vorschrift des § 51 Abs. 3 VwVG NW gegen sich gelten zu lassen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt keine Zustimmung der Schuldnerin im Sinne des § 51 Abs. 3 VwVG NW vor. In der Bewilligung der Eintragung der Höchstbetragssicherungshypothek auf Verlangen des Beteiligten zu 2) durch die Sozialhilfeempfängerin liegt keine Zustimmung im Sinne dieser Vorschrift. Damit hat die Erblasserin dem Beteiligten zu 2) nur eine Sicherheit gewährt. Dem Beteiligten zu 2) ist auf diesem Weg ein rechtsgeschäftliches Verwertungsrecht bestellt worden, das - wie bereits ausgeführt - vom Anwendungsbereich des § 51 Abs. 3 VwVG NW nicht erfaßt wird. Die rechtliche Tragweite der rechtsgeschäftlichen Erklärung der Mutter der Beteiligten zu 1) beschränkt sich auf die Bestellung dieser Hypothek mit dem daraus folgenden Duldungsanspruch aus § 1147 BGB, räumt dem Beteiligten zu 2) demgegenüber hinsichtlich seiner davon zu unterscheidenden persönlichen Forderung keine weitergehenden Vollstreckungsmöglichkeiten ein, als sie nach § 51 Abs. 3 VwVG NW bestehen. Da sie sich weder in der Bewilligungsurkunde noch später der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, kann nach Auffassung des Senats eine Zustimmung zur Zwangsversteigerung nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 29 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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