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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.12.2003
Aktenzeichen: 15 W 437/03
Rechtsgebiete: FGG, AuslG


Vorschriften:

FGG § 20
AuslG § 57
1) Wird die Abschiebungshaft nach einem Haftzeitraum von sechs Monaten verlängert, und zwar trotz eines nur 16 Tage nach der Entscheidung anstehenden Abschiebungstermins erneut für die Dauer von drei Monaten, so besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des zum vorgesehenen Termin abgeschobenen Ausländers, mit der Beschwerde eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung herbeizuführen, nur im Hinblick auf die Verlängerungsanordnung als solche, nicht jedoch hinsichtlich der über den Abschiebungstermin hinausgehenden Haftzeitbestimmung.

2) Insoweit fehlt es an einem Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen, weil die Abschiebungshaft ihrem Zweck entsprechend mit dem Vollzug der Abschiebung endet.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 437/03 OLG Hamm

In der Freiheitsentziehungssache

betreffend den marokkanischen Staatsangehörigen

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 22. Dezember 2003 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 5. November 2003 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 17. Oktober 2003 durch die Richter am Oberlandesgericht Budde, Engelhardt und Lohmeyer

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene reiste am 4. August 2001 zum Zwecke der Aufnahme eines Studiums in das Bundesgebiet ein. Das Studium konnte der Betroffene nicht aufnehmen, da er die sprachliche Aufnahmeprüfung nicht bestand. Auch nach Ablauf der ihm erteilten und bis zum 1. September 2002 gültigen Aufenthaltsbewilligung verließ er die Bundesrepublik nicht. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit Aushilfstätigkeiten im Gaststättengewerbe. Am 5. Februar 2003 wurde der Betroffene im Rahmen einer von dem Arbeitsamt Köln durchgeführten Gaststättenkontrolle angetroffen. Der Betroffene konnte sich nicht ausweisen und gab bei der anschließenden Identitätsüberprüfung zunächst falsche Personalien an, die er am 6. Februar 2003 richtig stellte.

Durch Beschluss vom 6. Februar 2003 ordnete das Amtsgericht Köln gegen den Betroffenen die Abschiebungshaft für die Dauer von längstens drei Monate an. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht Köln mit Beschluss vom 13. März 2003 zurück. Mit Beschluss vom 5. Mai 2003 verlängerte das nach erfolgter Abgabe zuständig gewordene Amtsgericht Paderborn die Abschiebungshaft für weitere drei Monate. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2003 zurück. Mit Beschluss vom 6. August 2003 verlängerte das Amtsgericht nach vorheriger Anhörung des Betroffenen im Beisein eines Dolmetschers die Abschiebungshaft um weitere drei Monate. Zu diesem Zeitpunkt war bekannt, dass für den Betroffenen Passersatzpapiere ausgestellt worden waren und die Abschiebung am 22. August 2003 erfolgen würde. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22. August 2003 hat der Betroffene, der an diesem Tag in sein Heimatland abgeschoben worden ist, sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er beantragt hat, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Amtsgerichts festzustellen und dem Beteiligten zu 2) die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Durch Beschluss vom 17. Oktober 2003 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen und den gleichzeitig gestellten Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, mit der er geltend macht, die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 S. 2 AuslG hätten nicht vorgelegen, weil seine anfängliche fehlende Mitwirkung nicht für das Unterbleiben der Abschiebung innerhalb der Frist des § 57 Abs. 3 S. 1 AuslG ursächlich geworden sei. Angesichts der für den 22. August 2003 bevorstehenden Abschiebung hätte das Landgericht die Fortdauer der Haft über diesen Termin hinaus nicht anordnen dürfen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 103 Abs. 2 AuslG, 11 Abs. 2 S. 1, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, §§ 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Betroffenen ausgegangen. Das Verfahren hat sich zwar im Erstbeschwerdeverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt, dass der Betroffene am 22. August 2003 in sein Heimatland abgeschoben worden ist. Gleichwohl ist das Rechtsmittel mit dem Feststellungsantrag zulässig geblieben (vgl. BVerfG NJW 2002, 2456).

Auch in der Sache selbst hält die Entscheidung des Landgerichts einer rechtlichen Überprüfung durch den Senat stand.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AuslG als erfüllt angesehen, weil der Betroffene seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne dem Beteiligten zu 2) eine Anschrift mitzuteilen, unter der er erreichbar war. Dies wird von dem Betroffenen mit der Beschwerdebegründung nicht angegriffen.

Ohne Rechtsfehler sind auch die weiteren Ausführungen des Landgerichts, wonach die Verlängerung der Abschiebungshaft über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus möglich gewesen sei, weil der Betroffene seine Abschiebung verhindert habe. Die Verhinderung der Abschiebung setzt ein von dem Ausländer zu vertretendes pflichtwidriges Tun oder Unterlassen voraus, welches ursächlich dafür ist und auch ursächlich dafür bleibt, dass die Abschiebung innerhalb von 6 Monaten nicht durchgeführt werden kann (KG FGPrax 1995, 128; SaarlOLG FGPrax 1999, 243; BayOblG, InfAuslR 2001, 176; OLG Hamm Beschluss vom 22.08.2000 - 19 W 97/00 -; Senat Beschluss vom 16.07.2002 - 15 W 277/02 -; Senat Beschluss vom 23. Dezember 2002 15 W 429/02 -). Eine Gesamtschau des Verhaltens des Betroffenen rechtfertigt den von dem Landgericht gezogenen Schluss, der Betroffene wolle seine Abschiebung verhindern. Dies ergibt sich - worauf, das Landgericht - zutreffend abgestellt hat - daraus, dass die Einleitung des Verfahrens zur Beschaffung eines Passersatzpapieres nur deshalb erforderlich geworden ist, weil der Betroffene es unterlassen hat, sich um die Beschaffung seines gültigen Nationalpasses zu bemühen, mittels dessen seine Abschiebung zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können. Die noch am 12. Februar 2003 aufgestellte Behauptung, er habe seinen Pass verloren, hat der Betroffene nicht länger aufrecht erhalten. Nachdem der Betroffene anfangs behauptet hat, er wisse nicht, wo sich "draußen" der Pass befinde, hat er später erklärt, dieser befinde sich in der Obhut eines Freundes. Da dies auch auf den Zeitpunkt der Festnahme des Betroffenen zutraf, hatte der Betroffene die Möglichkeit, unter Vermittlung der Polizeibeamten diesen namentlich nicht benannten Freund anzurufen und, ihn um Bereitstellung oder Übergabe des Passes an die Polizeibehörden zu ersuchen oder aber Namen und Anschrift dieses Freundes zu benennen, damit die Polizeibehörden vor Ort den Pass in Empfang nehmen konnten. Von dieser naheliegenden Möglichkeit hat der Betroffene keinen Gebrauch gemacht. Die Telefonnummer des betreffenden Freundes hatte der Betroffene in seinem Handy gespeichert, so dass einer telefonischen Kontaktaufnahme keine Hindernisse entgegenstanden. Zwar hat der Betroffene in seiner ersten- Vernehmung durch die Polizeibehörden am Morgen des 6. Februar noch angegeben, er kenne den PIN-Code des Telefons nicht. Dies hat sich als unwahr herausgestellt. Denn der Betroffene hat in seiner Anhörung durch das Amtsgericht Paderborn am 2. Mai 2003 angegeben, er könne seine Freunde nicht anrufen, weil die Polizeibeamten sein Handy gesperrt hätten. Danach steht fest, dass der Betroffene bereits am Tag seiner Festnahme und auch in der Folgezeit sich geweigert hat, an der Einleitung sich ohne weiteres aufdrängender und keinerlei Mühen verursachender Maßnahmen mitzuwirken, um in den Besitz seines Passes zu kommen. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob auch die Weigerung des Betroffenen, einen Antrag auf Erteilung eines Passersatzpapiers auszufüllen, als kausal für die Verzögerung der Abschiebung zu bewerten ist.

Dem Landgericht ist weiterhin darin zuzustimmen, dass der Beteiligte zu 2) das Verfahren auch mit der gebotenen Beschleunigung betrieben hat. Gegen die Haftfortdauer spricht nicht, dass der Betroffene zwischenzeitlich die Bereitschaft erklärt hat, freiwillig ausreisen zu wollen. Diese Bereitschaft des Betroffenen kann aus den bereits im Beschluss des Landgerichts vom. 11. Juni 2003 dargelegten Gründen nur als vorgeschoben und nicht ernsthaft angesehen werden. Dies gilt auch, soweit der Betroffene seine Ausreisebereitschaft in einem späteren Schreiben vom 28. Juli 2003 wiederholt hat.

Soweit der Betroffene rügt, der vom Amtsgericht angeordnete Haftzeitraum von drei Monaten überschreite das Maß des Erforderlichen, weil seine Abschiebung bereits für den 22.08.2003 vorgesehen gewesen sei, fehlt ihm bereits das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Amtsgerichts. Denn die Haftmaßnahme sichert lediglich die Abschiebung und endet deshalb ohne weiteres mit deren Vollzug. Dementsprechend ist hier die Haft mit der am 22.08.2003 durchgeführten Abschiebung beendet worden. Der Umstand allein, dass das Amtsgericht den Haftzeitraum über diesen Zeitpunkt hinaus bestimmt hat, begründet keinen tiefgreifenden Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen, der es vom Standpunkt der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes zwingend geboten erscheinen lässt, trotz eingetretener Erledigung der Hauptsache eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme im Rechtsmittelverfahren zu ermöglichen. Insoweit hat es vielmehr bei dem im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsatz zu verbleiben, dass mit dem Eintritt der Erledigung der Hauptsache das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen wegfällt und eine Sachentscheidung ausgeschlossen ist (vgl. Keidel/Kahl, FG, 15. Aufl., § 19, Rdnr. 85 f.).

Ende der Entscheidung

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