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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: 15 W 447/06
Rechtsgebiete: KostO, WEG, GKG


Vorschriften:

KostO § 31
KostO § 31 Abs. 3
WEG § 45 Abs. 2
WEG § 48 Abs. 3 S. 1
WEG § 48 Abs. 3 S. 2
GKG § 49a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird der angefochtene Beschluss hinsichtlich des Geschäftswertes teilweise abgeändert.

Die Geschäftswerte für die Anträge hinsichtlich der Eigentümerbeschlüsse vom 02.03.2004 betreffend die Jahresabrechnung 2003 und den Wirtschaftsplan 2004 werden wie folgt festgesetzt:

TOP 3 (Jahresabrechnung) 28.535,20 € und

TOP 4 (Wirtschaftsplan) 14.520,00 €.

Der Geschäftswert des gesamten Verfahrens beträgt damit 48.339,15 €.

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswertes für das Erstbeschwerdeverfahren einschließlich der von Amts wegen vorgenommenen abändernden Festsetzung für das erstinstanzliche Verfahren ist gemäß § 31 Abs.3 KostO als Erstbeschwerde zulässig (vgl. Senat FGPrax 2005, 87).

In der Sache ist die Beschwerde teilweise begründet. Das Landgericht ist bei der Wertfestsetzung zutreffend von § 48 Abs.3 S.1 WEG ausgegangen, wonach sich der Geschäftswert grundsätzlich nach dem Interesse aller Miteigentümer an der Entscheidung bemisst.

Auf dieser rechtlichen Grundlage bedürfen alleine die Wertansätze für die Beschlussanfechtungsanträge zu den TOP 4 und 6 näherer Erörterung. Die Wertansätze des Landgerichts hinsichtlich der weiteren Anträge beruhen jeweils auf einer ausgesprochen maßvollen Schätzung, die zu Geschäftswerten geführt hat, die überwiegend in der untersten Wertstufe liegen. Soweit das Landgericht den Antrag zu TOP 16 mit dem Regelwert gewertet hat, ist angesichts des Umstandes, dass es hier offenkundig um die gerichtliche Klärung eines wiederkehrenden Problems ging, auch hiergegen nichts zu erinnern.

Teilweise begründet ist die Beschwerde hinsichtlich der Bewertung des Antrages zu TOP 4 (Anfechtung der Genehmigung der Jahresabrechnung). Diesen hat das Landgericht mit 25% der gesamten von der Abrechnung erfassten Ausgaben bewertet. Dabei ist die Kammer im Grundsatz zutreffend von der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, nach der bei einer Anfechtung des gesamten Genehmigungsbeschlusses mit materiellen Einwendungen im Regelfall ein Wert von 25% des Gesamtabrechnungsvolumens anzunehmen ist. Allerdings sind dann, soweit der so bestimmte Wert dazu Anlass gibt, in einem zweiten Schritt die Voraussetzungen des § 48 Abs.3 S.2 WEG zu prüfen. Hier ergab sich ein Einzelwert von 71.185 €, so dass diese Prüfung nicht unterbleiben kann. Sie führt zu dem Ergebnis, dass alleine die sich aus dem Wert ergebende Kostenbelastung zu dem individuellen Interesse der Beteiligten zu 1) (vgl. unten) in keinem angemessenen Verhältnis mehr steht, so dass nach § 48 Abs.3 S.2 WEG eine Reduzierung des Wertes zu erfolgen hat.

Maßstab der Reduzierung hat eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu sein. Dabei hat der Senat dort, wo keine tatsächlichen Umstände des Einzelfalles eine objektivierbare Reduzierung auf einen bestimmten Wert ermöglichen, eine Reduzierung auf das Fünffache des Individualinteresses als angemessen erachtet (Senat NZM 2001, 549). Hierin sieht sich der Senat durch die mittlerweile in § 49a GKG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung bestätigt. Vorliegend vermag der Senat keine besonderen Umstände zu erkennen, die eine objektivierbare Reduzierung des Geschäftswertes auf einen bestimmten Wert rechtfertigen könnten. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die Bemessung nach dem Interesse aller Beteiligten angesichts der Rechtskraftwirkung nach § 45 Abs.2 WEG keinen grundsätzlichen Bedenken begegnet. Denn mit einer solchen Regelung durfte der Gesetzgeber auch das Ziel verfolgen, die Wohnungseigentümer dazu anzuhalten, die über ihr subjektives Interesse hinausgehende Wirkung des Verfahrens auf die anderen Beteiligten zu bedenken und von der leichtfertigen Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung abzusehen (BVerfG NJW 1992, 1673ff). Es ist daher verfehlt, wenn die Beteiligten zu 1) eine entsprechende Wertfestsetzung von vorneherein als "Strafaktion" abqualifizieren. Es bedarf vielmehr, bei entsprechenden absoluten Belastungen, einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall.

Im konkreten Fall hält der Senat daher in Ermangelung hinreichend konkreter Bemessungskriterien einen Geschäftswert in Höhe des Fünffachen des Individualinteresses für angemessen. Das Individualinteresse bemisst sich mit Rücksicht auf die Abrechnungswirkung des angefochtenen Beschlusses, der die einzelnen im Wirtschaftsjahr angefallenen Ausgaben dem einzelnen Miteigentümer nach Maßgabe des Verteilungsschlüssels verbindlich zuordnet, nach der Summe der den Beteiligten zu 1) zugeordneten Kostenanteile. Diese beträgt 5.707,04 €. Nicht zu berücksichtigen ist dabei der Saldovortrag aus dem Vorjahr, da sich die Beschlussfassung regelmäßig, also soweit kein anderer Regelungswille erklärt ist, nicht auf Rückstände aus vorangegangenen Zeiten erstreckt (MK/BGB-Engelhardt, 4.Aufl., § 28 WEG Rdn.14). Für die Anfechtung der Jahresabrechnung ergibt sich damit ein Einzelwert von 28.535,20 €. Dementsprechend war die Wertfestsetzung hinsichtlich des Antrages zu TOP 4 abzuändern.

Da dem Senat infolge der umfassenden Beschwerde die gesamte Wertfestsetzung zur Überprüfung angefallen ist und das Verbot der reformatio in peius im Beschwerdeverfahren nach § 31 KostO keine Geltung hat (Korintenberg/Lappe/ Bengel/Reimann, KostO, 16.Aufl., § 31 Rdn.69), hat der Senat den Geschäftswert für den Anfechtungsantrag zu TOP 6 (Wirtschaftsplan) heraufgesetzt. Auch insoweit gilt, dass zwar gemäß § 48 Abs.3 S.2 WEG eine Reduzierung des nach dem Gesamtinteresse bemessenen Wertes erforderlich erscheint, es mangels besonderer, objektivierbarer Kriterien für einen reduzierten Wert jedoch beim Fünffachen des Individualinteresses zu verbleiben hat. Dieses liegt hier mit dem Fünffachen des Jahresbetrages der beschlossenen Vorauszahlungen der Beteiligten zu 1) um nahezu ein Drittel über dem von der Kammer angenommenen Wert, so dass dieser dem Senat nicht mehr vertretbar erscheint.

Eine weitergehende Reduzierung des Gesamtverfahrenswertes im Sinne einer schätzweisen Erhöhung des Regelwertes, wie sie von der Beschwerde angeregt wird, ist mit § 48 Abs.3 WEG nicht zu vereinbaren. Eine Reduzierung des Gesamtwertes ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht geboten. Der Gesamtwert resultiert insbesondere daraus, dass die Beteiligten zu 1), teils ohne ein erkennbares Eigeninteresse, eine Vielzahl von Beschlüssen angefochten haben. Wenn ein Wohnungseigentümer in dieser Weise quasi gegen das gesamte Verwaltungswesen angeht, so muss er im Rahmen der durch § 48 Abs.3 S.2 WEG ermöglichten Reduzierung auch die hieraus folgenden kostenmäßigen Konsequenzen tragen.

Ende der Entscheidung

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