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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.07.2005
Aktenzeichen: 15 W 481/04
Rechtsgebiete: BGB, BSHG, SGB XII


Vorschriften:

BGB § 1836 c
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 2
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 3

Entscheidung wurde am 19.10.2005 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein amtlicher Leitsatz wurde hinzugefügt
1) Ein Geldbetrag ist nur dann zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstücks bestimmt, wenn der Empfänger der Sozialleistung konkret damit befasst ist, ein Eigenheim im Sinne des Gesetzes zu bauen oder zu erwerben.

2) Für eine solche Annahme im Rahmen der Bewertung der Umstände des Einzelfalls reicht es nicht aus, wenn der Betreute nach langjähriger Heimunterbringung weiterhin in einer betreuten Wohngruppe lebt und keine konkreten Schritte im Hinblick auf den Erwerb etwa einer Eigentumswohnung unternommen hat.


Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe: I. Für den Betroffenen besteht seit dem Jahre 1992 eine Betreuung mit den Aufgabenbereichen Gesundheitsfürsorge, Bestimmung des Aufenthalts und Vermögensangelegenheiten. Zum Betreuer ist der Beteiligte zu 2) ernannt. Der Betroffene lebt seit langen Jahren in einem Heim. Die Kosten für die Unterbringung des Betroffenen übernimmt der Landschaftsverband, die Kosten der Betreuung wurden in der Vergangenheit zunächst aus der Staatskasse bestritten. Der Betroffene war neben seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau Miteigentümer einer Grundbesitzung, die im Zuge der erfolgten Ehescheidung verwertet worden ist. Dem Betroffenen ist aus dem Erlös von 124.000,- € im September 2003 ein Betrag von ca. 50.000,- € zugeflossen. Hiervon stehen außerhalb des Schonvermögens noch ca. 41.000,- € zur Verfügung. Weitere 30.000,- € sind nach Angaben seiner Verfahrensbevollmächtigten noch zu erwarten. Im Hinblick auf das nunmehr zur Verfügung stehende Barvermögen lehnte das Amtsgericht eine weitere Vergütung des Betreuers aus der Staatskasse ab. Gleichzeitig ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. September 2004 den Vermögensrückgriff gemäß § 1836 e BGB in Höhe von 40.752,65 € an. Durch Bescheid vom 1. September 2004 setzte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe seine Rückforderungsansprüche für den Zeitraum vom 25. Dezember 2002 bis zum 31. August 2004 auf 45.338,46 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene Widerspruch ein. Der Betroffene hat mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 9. September 2004 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 6. September 2004 eingelegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die ihm aus dem Immobilienverkauf zugeflossenen Gelder als Schonvermögen i.S.d. § 88 Abs. 2 NR. 2 BSHG (= nunmehr: § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) anzusehen seien. Das Geld solle ihm dazu dienen, eine Eigentumswohnung zur Eigennutzung zu erwerben, sobald sein Gesundheitszustand es ihm erlaube, selbstständig außerhalb der betreuten Obhut des Heimes zu leben. Sein Gesundheitszustand habe sich soweit gebessert, so dass er im September 2004 in eine Außenwohngruppe habe wechseln können. Durch Beschluss vom 15. November 2004 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen und die weitere Beschwerde im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob das dem Betroffenen zustehende Vermögen dem Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII unterfällt. Der Betroffene hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten rechtzeitig sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegt und im Rahmen der Begründung darauf verwiesen, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe seine Bereitschaft erklärt habe, im Juli 2005 seine - des Betroffenen - Wohnfähigkeit außerhalb einer Wohngruppe durch einen Amtsarzt erneut zu überprüfen. Der Senat hat eine Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 bei dem Oberlandesgericht eingeholt und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, hierzu ergänzend Stellung zu nehmen. II. Die sofortige weitere Beschwerden ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des mit einer zulässigen Erstbeschwerde befasst gewesenen Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG. Das Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG (= § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII), welche eine Verwertung des Vermögens verbieten, verneint. Der dem Betroffenen zur Verfügung stehende Barbetrag diene nicht dem baldigen Erwerb einer Eigentumswohnung. Bevor der Betroffene den Erwerb einer Eigentumswohnung zur Eigennutzung planen könne, müsse er zunächst noch über einen gewissen Zeitraum unter Beweis stellen, dass er im Stande sei, alleine und selbstständig zu leben. Darüber hinaus erscheine zweifelhaft, ob im Zeitpunkt der Beschaffung der Wohnung der Betroffene dann noch als "behinderter Mensch" im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG angesehen werden könne, auch wenn die Voraussetzungen für eine Betreuung weiterhin erfüllt sein sollten. Gem. §§ 1908 i, 1836 e Abs. 1 S. 1 BGB gehen Ansprüche des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über, soweit diese den Betreuer hinsichtlich der ihm wegen der Betreuung zustehenden Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche befriedigt hat. Der Regress der Staatskasse setzt voraus, dass die Staatskasse die Aufwendungsersatz- bzw. die Vergütungsansprüche des Betreuers befriedigt hat, obwohl dem Betreuer insoweit Ansprüche unmittelbar gegen den Betreuten zustanden. Gem. § 1836 d BGB i.V.m. § 1908 i BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten ( Nr. 1 ) oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ( Nr. 2 ) aufbringen kann. Der Regress gem. § 1908 i Abs. 1 S. 1 i.V.m. 1836 c, 1836 e BGB setzt die nach § 1836 c BGB zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Betreuten voraus, wobei für diese Feststellung auf den Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz im Festsetzungsverfahren nach § 1836 e BGB abzustellen ist (Senat BtPrax 2003, 225). In welchem Umfang der Betreute das ihm zur Verfügung stehende Einkommen und Vermögen einzusetzen hat, bestimmt sich nach § 1836 c BGB i.V.m. den §§ 84 und 88 BSHG (= § 90 SGB XII). Nach § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG (= § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) darf die Sozialhilfe vom Einsatz oder von der Verwertung eines sonstigen Vermögens nicht abhängig gemacht werden, solange dieses nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks i.S.d. Nr. 8 der vorgenannten Vorschrift bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Die Frage, ob ein bestimmtes Vermögen zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstücks bestimmt ist, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO sind für die Prüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde die in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen, das heißt der bei Erlass der Beschwerdeentscheidung gegebene Sachverhalt maßgebend. Eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnis ist in der dritten Instanz somit ausgeschlossen. Die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts ist nur darauf nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften (§ 15 FGG) sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27 Rdn. 42). Eine den vorgenannten Grundsätzen entsprechende eingeschränkte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Bei der Auslegung des Begriffs "zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstücks bestimmt" ist der enge sachliche Zusammenhang zwischen der Nummer 3 und der Nummer 8 des § 90 SGB XII zu beachten. Nach der von Anfang an im damaligen Bundessozialhilfegesetz enthaltenen Regelung in § 88 Abs. 2 Nr. 7 wurden bereits beschaffte Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen des Hilfebedürftigen geschützt. Da es in der Folgezeit als unbillig angesehen wurde, nur die bereits vorhandenen Eigenheime als Schonvermögen anzuerkennen, zum baldigen Erwerb eines solchen Heims angespartes Vermögen aber nicht, wurde der damalige § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG geschaffen, der nach vorübergehender Streichung mit Wirkung zum 1. Januar 1991 wieder in das Gesetz eingefügt worden ist. Unter besonderer Berücksichtigung des aufgezeigten engen Sachzusammenhangs kann der erweiterte Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII nur demjenigen zugute kommen, der gerade konkret damit befasst ist, ein Eigenheim im Sinne des Gesetzes zu bauen oder zu erwerben. Nur dann wäre es unbillig und ist es zur Vermeidung ansonsten drohender Wertungswidersprüche zwischen den Alternativen der Nr. 3 und 8 des § 90 Abs. 2 SGB XII geboten, den Zugriff auf angespartes Vermögen zuzulassen. Wann die Bau- bzw. Erwerbsabsichten bereits konkret genug sind, die vorhandenen Geldmittel als bereitgestelltes Baugeld anzusehen, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 27, 422). Dass das Landgericht die Bereitstellung des Vermögens zum baldigen Erwerb einer Eigentumswohnung nicht anerkannt hat, weil dieser zunächst unter Beweis stellen müsse, dass er selbstständig sein Leben bewältigen könne, ist nach Auswertung des zur Verfügung stehenden Sachverhalts nicht zu beanstanden. Der Betroffene lebte bis zum September 2004 mehr als zehn Jahre in einem Heim. Der Heimaufenthalt des Betroffenen fand nur deshalb sein Ende, weil dem Betroffenen nach drei vorangegangenen Abmahnungen im März 2004 der Heimplatz gekündigt worden ist, wie sich unter anderem den Tätigkeitsberichten des Beteiligten zu 2) entnehmen lässt. Der Betroffene erschien nicht mehr zur Arbeit, ignorierte trotz heftigster Ermahnungen alle Verpflichtungen im Haus und unterließ die Körperreinigung. Unter diesen Voraussetzungen konnte der möglicherweise bei dem Betroffenen vorhandene Wunsch nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung nur als realitätsfern angesehen werden, zumal seit dem Zufluss des Geldes im September 2003 bereits ein Jahr verstrichen war, ohne dass konkrete Bemühungen um den Erwerb einer Eigentumswohnung entfaltet worden sind. Dass der Betroffene seit dem 22. September 2004 in einer Außenwohngruppe lebt, vermag eine wesentlich andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Zwar obliegt es dem Betroffenen nunmehr in eigener Verantwortung die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er pünktlich an seiner neuen Arbeitsstelle erscheint. Auch muss er sein Zimmer selbst und die Gemeinschaftsräume gemeinsam mit den übrigen Bewohnern sauber halten, sowie die Einkäufe und Versorgung mit den übrigen Mitbewohnern erledigen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts lebte der Betroffene aber gerade einmal knapp zwei Monate in der Außenwohngruppe. Angesichts des vorhergegangenen langjährigen Heimaufenthalts des Betroffenen, der sich bis zum Schluss nicht unproblematisch gestaltet hat, ist die auf einer unter Auswertung der zur Verfügung stehenden Tatsachen beruhende Prognose des Landgerichts, der Betroffene müsse sich noch eine gewisse Zeit bewähren, bevor er im Wesentlichen selbstständig in einer eigenen Wohnung werde leben können, durch die getroffenen Feststellungen jedenfalls hinreichend gestützt. Ob und zu welchem Zeitpunkt der Betroffene in Zukunft einmal die Voraussetzungen für ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung erfüllen wird, ist im gegenwärtigen Zeitpunkt ungewiss. Dies belegt auch der Umstand, dass die Überlegungen zum Erwerb einer Eigentumswohnung für den Betroffenen bislang noch nicht das Stadium eines bloßen Gedankenspiels überschritten haben. Welche Art von Wohnung der Betroffene zu welchem Preis erwerben möchte, und wie die Finanzierung und Unterhaltung eines solchen Objekts ausgestaltet werden kann, ist bislang völlig offen. Zur Darlegung hätte aber insoweit aber besondere Veranlassung bestanden, zumal nach dem Erkenntnisstand des Senats der Betroffene nur über eher bescheidene Renteneinkünfte verfügt und darüber hinaus wohl noch vorhandenen Kindern aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet ist. Soweit der Betroffene mit der Beschwerdebegründung vorgetragen hat, dass möglicherweise schon ein im Juli von der Landesversicherungsanstalt Westfalen-Lippe einzuholendes Gutachten eines Sachverständigen zeigen wird, dass er die erforderliche Wohnfähigkeit aufweise, kann dieser Umstand im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden. Dies stellte eine neue Tatsache dar, die im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich weder durch die Beteiligten noch durch das Gericht der weiteren Beschwerde eingeführt werden kann (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 559 ZPO). Der Betroffene erstrebt im Ergebnis nur die Hinauszögerung einer Sachentscheidung in der Hoffnung, dass in Zukunft ihm günstige Tatsachen eintreten werden.

Ende der Entscheidung

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