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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 15 W 55/06
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 164
Die Übergangsvorschrift des § 164 KostO ist auch auf Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit anzuwenden.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 21.10.2005 werden aufgehoben.

Auf die Kostenerinnerung der Beteiligten zu 1) werden die in dem Sammelkostenansatz vom 11. März 2005 für die im folgenden aufgeführten Eintragungsvorgänge berechneten Eintragungsgebühren endgültig wie folgt festgesetzt:

 Eintragung vomGegenstand des KostenansatzesAngewendete VorschriftenBetrag in EUR
28.5.1999Bestellung von 4 neuen VorstandsmitgliederNr. 2500, 2502 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO130,00
19.8.1999Prokuraerteilung in 5 FällenNr. 4000 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO100,00
3.9.1999Erlöschen einer ProkuraNr. 4000 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO20,00
24.7.2000Bestellung eines neuen Vorstandsmitglieds sowie Ausscheiden eines VorstandsmitgliedsNr. 2500, 2502 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO70,00
25.1.2001Prokuraerteilung in 3 FällenNr. 4000 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO60,00
29.1.2002Prokuraerteilung und Erlöschen einer ProkuraNr. 4000 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO40,00
30.8.2002Ausscheiden von vier VorstandsmitgliedernNr. 2500, 2502 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO130,00
28.10.2002Bestellung von zwei Vorstandsmitgliedern, Ausscheiden eines VorstandsmitgliedsNr. 2500, 2502 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO100,00
4.11.2002Ausscheiden eines VorstandsmitgliedsNr. 2500 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO40,00
18.11.2003Erlöschen der Prokura in 13 Fällen§ 164 Abs. 1 S. 1 KostO i.V.m. §§ 79, 26, 32 KostO a.F.162,00

Im übrigen, also hinsichtlich der Eintragungsvorgänge vom 3.12.1998, 28.12.2001, 18.7.2002, 31.7.2002, 17.1.2003, 4.3.2003 und 9.5.2003, wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die Kostenerinnerung der Beteiligten zu 1) vom 15.9.2005 an den funktionell zuständigen Richter des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) ist ein sog. großer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Ihre Satzung ist ursprünglich am 24.10.1952 festgestellt worden. Am 2.12.2002 hat die Vertreterversammlung die Auflösung des Vereins beschlossen. Es sind derzeit zwei Abwickler bestellt, welche die Beteiligte gemeinsam vertreten.

In den Jahren 1998 bis 2004 erfolgten eine Reihe die Beteiligte zu 1) betreffende Eintragungen ins Handelsregister. Die Kostenansätze für die jeweiligen Eintragungen enthielten mit der nachstehend genannten Ausnahme den folgenden Hinweis:

"Vorläufige Kostenrechnung: Vorläufiger Gebührensatz im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH; Endabrechnung nach Neubewertung der Gebühren."

Mit Schreiben vom 11.1.2005 hat sich die B1-Familienfürsorge in L2 für die Beteiligte zu 1) an das Registergericht gewandt und im Hinblick auf die Handelsregistergebührenverordnung vom 30.9.2004 (im Folgenden: HRegGebVO) um Überprüfung der Kostenansätze und Erstattung der zuviel gezahlten Kosten gebeten.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, die Übergangsvorschrift des § 164 KostO, die eine auf einen Zeitraum vor Inkrafttreten der HRegGebVO zurückbezogene Neuberechnung von Eintragungsgebühren nach Maßgabe dieser Verordnung vorschreibt, sei auf den betroffenen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht anwendbar, weil dieser weder eine Personen- noch eine Kapitalgesellschaft sei.

Nach Überprüfung hat der Kostenbeamte des Amtsgerichts mit Bescheid vom 11.3.2005 die Kostenansätze für die nachstehenden Eintragungen (beschränkt auf die angefallenen Gerichtsgebühren) abschließend aufgestellt und in der nachstehenden Aufstellung zusammengefasst. Infolge der Beibehaltung der wertbezogenen Gebührenberechnung entsprechend dem Standpunkt des Beteiligten zu 2) ergaben sich dadurch überwiegend höhere als die vorläufig berechneten Gebührensansätze:

 Eintragung vomGegenstand der Eintragungvorläufig angesetzte Gebührenendgültig angesetzte Gebühren
3.12.1998Satzungsänderung160 DM (81,81 €)132,94 €
28.5.1999Bestellung vier neuer Vorstandsmitglieder410 DM (209,63 €)363,02 €
19.8.1999Prokuraerteilung in fünf Fällen130 DM (66,47 €)163,61 €
3.9.1999Prokura erloschen80 DM (40,90 €)40,90 €
24.7.2000Bestellung eines neuen Vorstandsmitglieds, Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds150 DM (76,69 €)209,63 €
25.1.2001Prokuraerteilung in drei Fällen130 DM (66,47 €)107,37 €
28.12.2001Satzungsänderung240 DM (122,71 €)132,94 €
29.1.2002Prokuraerteilung und Erlöschen einer Prokura72 €72 €
18.7.2002Bestellung eines Sonderbeauftragten, Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds207 €207 €
31.7.2002Satzungsänderung132 €132 €
30.8.2002Ausscheiden von vier Vorstandsmitgliedern207 €357 €
28.10.2002Bestellung von zwei Vorstandsmitgliedern, Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds207 €282 €
4.11.2002Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds132 €132 €
17.1.2003Aufhebung der Bestellung des Sonderbeauftragten207 €132 €
4.3.2003Änderung der Firma, Satzungsänderung207 €132 €
9.5.2003Auflösungsbeschluss, Bestellung von zwei Abwicklern207 €282 €
18.11.2003Erlöschen der Prokura in 13 Fällen162 €162 €

Eine Überprüfung des nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk verbundenen Kostenansatzes vom 12.3.2004 betreffend die Eintragung vom 11.3.2004 (Ausscheiden eines Abwicklers und Neubestellung von zwei Abwicklern) erfolgte nicht.

Gegen den endgültigen Kostenansatz hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 15.9.2005 Erinnerung eingelegt und beantragt, den Kostenansatz vom 11.3.2005 im Sinne der HRegGebVO abzurechnen. Sie hat geltend gemacht, auch ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit falle in den Anwendungsbereich der EU-Gesellschaftssteuerrichtlinie (der RL 69/335/EWG vom 17. Juli 1969).

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat die Erinnerung mit Beschluss vom 21.10.2005 zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 20.1.2006 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen, welche die Beteiligte mittels Anwaltsschriftsatz vom 27.1.2006 eingelegt hat.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 bei dem Oberlandesgericht eingeholt.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach § 14 Abs. 5 S. 1 KostO zulässig. Sie ist insbesondere vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zugelassen worden. Entgegen der Auffassung des Leiters des Dezernats 10 des Oberlandesgerichts war die Kammer für Handelssachen bei ihrer Entscheidung ordnungsgemäß durch ihren Vorsitzenden als Einzelrichter besetzt. Denn eine Übertragung der Sache im Hinblick auf die Zulassung der weiteren Beschwerde von dem nach § 14 Abs. 7 S. 1, 2, Hs. KostO zur Entscheidung berufenen Einzelrichter auf die gesamte Kammer kam bereits nach Satz 3 derselben Vorschrift nicht in Betracht, die ehrenamtliche Richter von der Mitwirkung im Beschwerdeverfahren über den Kostenansatz ausschließt (vgl. Senat, JMBl NW 2006, 128 = OLGReport Hamm, 2006, 333 (Ls.)).

Der Senat legt das von der Beteiligten verfolgte Rechtsschutzziel dahingehend aus, dass sie sich nicht lediglich gegen die in dem neuen Kostenansatz vom 11.3.2005 berechnete Nachzahlung wendet, sondern zugleich eine Überprüfung der dort aufgeführten Kostenansätze und eine Neuberechnung der Gebühren auf der Grundlage der Handelsregistergebührenverordnung (im folgenden: HRegGebVO) vom 30.9.2004 erreichen möchte.

Gegenstand bereits der ersten Beschwerde der Beteiligten zu 1) sind ausschließlich diejenigen Gebührentatbestände, über die sich der abschließende Sammelkostenansatz vom 11.3.2005 verhält. Nur gegen diesen Bescheid richtete sich die Erinnerung der Beteiligten zu 1) und deren anschließende Beschwerde. Für die Entscheidung des Senats kann deshalb offen bleiben, ob der Beschluss des Rechtspflegers vom 21.10.2005 sich in Wahrheit lediglich als Teilentscheidung darstellt. Dies wäre der Fall, wenn das Schreiben der Beteiligten zu 1) vom 11.1.2005 als Kostenerinnerung (§ 14 Abs. 2 KostO) auch gegen zeitlich weiter zurückliegende Kostenansätze sowie den im Bescheid vom 11.3.2005 nicht erfassten weiteren Kostenansatz vom 12.3.2004 zu verstehen wäre. Die aus anderen Gründen ohnehin erforderliche Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht gibt der Beteiligten zu 1) Gelegenheit, ihr Begehren entsprechend klarzustellen.

Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache weitgehend Erfolg, da die angefochtene Entscheidung rechtlicher Nachprüfung (§ 14 Abs. 5 S. 2 KostO) nicht stand hält.

Zutreffend ist das Landgericht von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen.

Hinsichtlich der Kostenansätze für die Eintragungsvorgänge vom 3.12.1998, 28.12.2001, 18.7.2002, 31.7.2002, 17.1.2003, 4.3.2003 und 9.5.2003 muss das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) schon deswegen zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führen, weil insoweit nicht der Rechtspfleger, sondern der Amtsrichter über die Erinnerung der Beteiligten zu 1) hätte entscheiden müssen. Der Rechtspfleger ist nämlich nur dann befugt, über eine Erinnerung zu entscheiden, wenn er auch für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, § 4 Abs. 1 RPflG (Senat, FGPrax 2001, 90; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Auflage, § 14 Rn. 85 m.w.N.). Hinsichtlich der oben aufgeführten Eintragungen war bereits deswegen die Zuständigkeit des Richters für die Entscheidung über die Erinnerung begründet, weil in diesen Fällen auch die Eintragung selbst, die dem Kostenansatz zu Grunde liegt, durch den Richter vorgenommen worden war. Die Entscheidung des Rechtspflegers ist daher nach § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG unwirksam und auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) aufzuheben. Insoweit musste der Senat die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an den funktionell zuständigen Richter des Amtsgerichts zurückverweisen.

Hinsichtlich der weiteren Eintragungen erweist sich der endgültige Kostenansatz vom 11.3.2005 lediglich hinsichtlich der Eintragung vom 18.11.2003 als im Ergebnis zutreffend. Im übrigen bedurfte er der Korrektur und einer Neuberechnung der Gebühren auf der Grundlage des § 164 KostO i.V.m. den Regelungen der HRegGebVO.

Die HRegGebVO regelt auch die Gebühren für Eintragungen, die einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nach §§ 15 ff. VAG betreffen (vgl. Teil 2 Abschnitt 1 Ziff. 2102, 2106 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO). Diese Regelungen finden nach näherer Maßgabe des § 164 KostO auf Eintragungen vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 1.12.1004 Anwendung, da der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt.

Die spezielle Übergangsvorschrift des § 164 KostO ist durch das Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetzes vom 3.7.2004 (BGBl. I S. 1410) in das Gesetz eingefügt worden. Nach früherer Rechtslage sah die Kostenordnung für Eintragungen in das Handels- und Partnerschaftsregister gegenstandswertbezogene Gebühren vor. Mit Urteil vom 2.12.1997 (EuZW 1998, 172 = NZG 1998, 274 - Fantask) hatte der EuGH jedoch entschieden, dass so berechnete Gebühren mit der Gesellschaftssteuer-Richtlinie der EG (RL 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.6.1985 geänderten Fassung) nicht vereinbar seien, soweit es Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Gesellschaften i.S. der Richtlinie betreffe, und sich die Gebühren i.S. des Art. 12 Abs. 1 lit. e) der RL 69/335/EWG für derartige Eintragungen an den dafür tatsächlich getätigten Aufwendungen zu orientierten hätten.

Die EG-Gesellschaftssteuer-Richtlinie hat zum Ziel, die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital, die u.a. wegen ihrer Unterschiedlichkeit den freien Kapitalverkehr behindern, zu harmonisieren. Die Richtlinie ist auf Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenvereinigungen anzuwenden (Art. 3). Sie enthält eine Aufzählung der Vorgänge, die der Gesellschaftssteuer unterliegen (Art. 4), sowie die Fälle, in denen unter Angabe der Bemessungsgrundlage die Steuer erhoben wird (Art. 5); ferner in Art. 7 die Festsetzung gemeinsamer Steuersätze. Schließlich bestimmt Art. 10 lit. c der RL 69/335/EWG, dass, abgesehen von der Gesellschaftssteuer, die Mitgliedstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen keine anderen Steuern oder Abgaben auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität erheben, denen diese aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden können. Einschränkend hierzu ist es nach Art. 12 Abs. 1 lit. e) der RL 69/335/EWG gestattet, für Eintragungen Abgaben mit Gebührencharakter zu erheben. Nach Art. 13 war diese an die Mitgliedstaaten gerichtete Richtlinie (Art. 15) bis spätestens 1. Januar 1972 in nationales Recht umzusetzen.

In der oben genannten Entscheidung hat der EuGH festgestellt, dass sich die betroffenen Unternehmen unmittelbar auf die in Art. 10 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. e der RL 69/335/EWG getroffene Regelung berufen können, da diese Richtlinienbestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau abgefasst seien. Art. 10, 12 Abs. 1 lit. e) der RL 69/335/EWG sind daher in der Folgezeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung als innerstaatlich unmittelbar geltendes Recht angewandt worden (vgl. BayObLGZ 1998, 303; NZG 1999, 159; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 1527; OLG Karlsruhe, NJOZ 2002, 55; FGPrax 2003, 95).

Soweit es um Abgaben mit Gebührencharakter geht, hatte auch die Bundesrepublik Deutschland versäumt, die EG-Gesellschaftssteuer-Richtlinie rechtzeitig umzusetzen. Erst durch das Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz sowie die auf der Grundlage von § 79a KostO erlassene HRegGebVO vom 30.9.2004 hat der Gesetzgeber die notwendige Umstellung von wertbezogenen auf aufwandsbezogene Gebühren in Handelsregistersachen vollzogen. Die HRegGebVO ist am 1.12.2004 in Kraft getreten und gilt damit zunächst für die an diesem Tag und danach fällig gewordenen Gebühren. Im Hinblick auf die Unvereinbarkeit der früheren Rechtslage mit der EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie regelt § 164 KostO die rückwirkende Anwendung der HRegGebVO auf die Gebühren für alle eine "Gesellschaft oder Partnerschaft" betreffenden Eintragungen, die vor dem 1.12.2004 fällig geworden sind (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 164 Rn. 1).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann aus der Verwendung des Begriffs "Gesellschaft" in § 164 Abs. 1 S. 1 KostO nicht abgeleitet werden, dass der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit vom Anwendungsbereich der Übergangsvorschrift ausgenommen sein soll. Das Gesetz verwendet den Begriff "Gesellschaft" in aller Regel nicht isoliert, sondern verbunden mit bestimmten konkretisierenden Attributen, die bestimmte Gesellschaftstypen (Kapitalgesellschaft, Personenhandelsgesellschaft) oder konkrete Gesellschaftsformen (z.B. Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, stille Gesellschaft) bezeichnen. Soweit hiervon abweichend in den §§ 705 ff. BGB von "der Gesellschaft" ohne weitere Zusätze die Rede ist, kann es nicht zweifelhaft sein, dass § 164 KostO sich gerade nicht auf die Gesellschaft Bürgerlichen Rechts bezieht, da diese nicht im Handelsregister einzutragen ist. Auch im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch wird der Begriff je nach Zusammenhang mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verwand. Teilweise wird zwischen "Gesellschaften im weiteren Sinne" und "Gesellschaften im engeren Sinne" unterschieden, wobei unter letzteren lediglich die Personengesellschaften verstanden werden, während unter erstere alle "privatrechtlichen Zweckvereinigungen" (so etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 45) bzw. neben den Personengesellschaften auch die körperschaftlich organisierten juristischen Personen (so etwa Kübler, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 1) gefasst werden. Unter dem Oberbegriff des Gesellschaftsrechts wird im allgemeinen "das Recht der privatrechtlichen Personenvereinigungen, die zur Erreichung eines bestimmten gemeinsamen Zwecks durch Rechtsgeschäft begründet werden" verstanden (vgl. Kübler, a.a.O.; K. Schmidt, a.a.O., S. 3 ff) und auch das Recht des Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit abgehandelt.

Im Regelungskontext der Kostenordnung selbst wird der Begriff "Gesellschaft" verschiedentlich "im weiteren Sinne" verwendet. So findet sich der Begriff "Gesellschaft" in der amtlichen Überschrift zu § 41c KostO (Beschlüsse von Organen bestimmter Gesellschaften) und erfasst dort neben Kapital- und Personengesellschaften auch Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und juristische Personen i.S. des § 33 HGB. Ebenso wird in Teil 2, Vorbemerkung 2, Abs. 3 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO der Begriff "Gesellschaft" für alle in Teil 2 erfassten Kapitalgesellschaften verwendet, wozu neben der GmbH, der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien auch der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gehört.

Bereits dieser Befund legt es nahe, dass auch § 164 Abs. 1 S. 1 KostO den Begriff der Gesellschaft in einem weiteren Sinne verwendet. Vor allem aber gebieten Sinn und Zweck der Übergangsregelung ein weites Verständnis, das insbesondere auch den oben dargestellten EG-rechtlichen Hintergrund der Vorschrift hinreichend berücksichtigt.

Die Übergangsregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die betroffenen Unternehmen bereits vor Inkrafttreten der HRegGebVO nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar auf das aus Art. 10 lit. c), Art. 12 Abs. 1 lit. e) der RL 69/335/EWG folgende Verbot gegenstandswertbezogener Gebühren berufen konnten, die Erhebung dieser Gebühren mithin im Widerspruch zum EG-Recht stand. In der Praxis sind daher nach der Entscheidung des EuGH die seitdem fällig gewordenen Kosten in der Regel - wie auch im vorliegenden Fall - nur durch vorläufige Kostenansätze eingefordert worden (vgl. Rohs/Wedewer/Waldner, a.a.O., § 164 Rn. 2; Meyer, JurBüro 2005, 61). Zweck der vorläufigen Festsetzung ist es gerade, in den von der Rechtsprechung des EuGH betroffenen Fällen eine Korrektur des Kostenansatzes auf der Grundlage der zur Umsetzung der EG-Gesellschaftssteuer-Richtlinie geschaffenen Regelung zu ermöglichen (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für das Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz, BT-Drs. 15/2251, S. 13, re. Sp.). Aus diesem Grund trifft § 164 Abs. 3 S. 2 KostO auch für die Fälle einer Zahlung aufgrund eines vorläufigen Kostenansatzes für den Beginn der Verjährung des Rückerstattungsanspruchs eine besondere Regelung.

Auch auf Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit fanden Art. 10 lit. c), Art. 12 Abs. 1 lit. e) der RL 69/335/EWG in der Zeit zwischen dem 1.1.1972 und dem Inkrafttreten der HRegGebVO unmittelbare Anwendung, so dass die Erhebung gegenstandswertbezogener Gebühren für solche Eintragungen ins Handelsregister, die unter Art. 10 lit. c) der RL 69/335/EWG fielen, nicht mit der EG-Gesellschaftssteuer-Richtlinie vereinbar war.

Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zählt zwar nicht zu den Kapitalgesellschaften i.S. des Art. 3 Abs. 1 lit. a) bis c) der RL 69/335/EWG, er stellt jedoch eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person, die einen Erwerbszweck verfolgt, i.S. des Art. 3 Abs. 2 der RL 69/335/EWG dar. Diese sind den Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Anwendung der Richtlinie grundsätzlich gleichgestellt. Lediglich "für die Erhebung der Gesellschaftssteuer" können die Mitgliedstaaten davon absehen, sie als Kapitalgesellschaft zu behandeln. Diese Ausnahmemöglichkeit betrifft folglich nur die Anwendung der Art. 4 bis 9 der RL 69/335/EWG. Hingegen wird bereits aus dem Wortlaut des Art. 10 der RL 69/335/EWG deutlich, dass die Ausnahmemöglichkeit nicht für das Verbot gilt, für die in Art. 10 lit. a) bis c) der RL 69/335/EWG genannten Vorgänge andere Steuern als die Gesellschaftssteuer zu erheben.

Dass ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit einen Erwerbszweck verfolgt, kann nicht zweifelhaft sein. Zwar handelt es sich beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit einerseits um einen Verein, dessen Existenz auf der Mitgliedschaft der Versicherungsnehmer beruht und nicht auf einer Kapitalbeteiligung (vgl. Prölls/Weigl, VAG, 12. Aufl., § 15 Rn. 4). Er ist aber zugleich auch ein Versicherungsunternehmen, so dass sein Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (Prölls/Weigl, a.a.O. Rn. 5). Gerade im Falle eines sog. großen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist zu berücksichtigen, dass dieser nach § 21 Abs. 2 VAG auch Nichtmitglieder versichern kann. Das Gesetz selbst geht in § 2 Abs. 2 GewStG davon aus, dass ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit - genau wie eine Kapitalgesellschaft - stets einen Gewerbebetrieb darstellt, also eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 EStG).

Fiel somit der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit schon bisher in den Anwendungsbereich der Art. 10, 12 Abs. 1 lit. e) der RL 69/335/EWG, so kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber ihn bei der Schaffung des § 164 KostO vom Anwendungsbereich der Übergangsvorschrift ausnehmen wollte, zumal sich hierfür den Gesetzgebungsmaterialien keinerlei Hinweise entnehmen lassen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich daher auch hinsichtlich der Gebührenansätze für die Eintragungen vom 28.5., 19.8. und 3.9.1999, 24.7.2000, 29.1., 30.8., 28.10. und 4.11.2002 sowie 18.11.2003 als rechtsfehlerhaft. Eine Zurückverweisung der Sache war jedoch insoweit nicht erforderlich, da der Senat die für die Neufestsetzung der Gebühren notwendigen Feststellungen anhand des Akteninhalts treffen kann.

Die Beteiligte kann eine Neuberechnung aller Kostenansätze, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, unter Berücksichtigung der Gebührenbegrenzung nach § 164 Abs. 1. S. 1 KostO verlangen. Die in Frage stehenden Gebühren für die Eintragungen ins Handelsregister sind sämtlich vor dem Inkrafttreten der HRegGebVO am 1.12.2004 fällig geworden. Die Berücksichtigung der Gebührenbegrenzung ist nicht nach § 164 Abs. 1 S. 3 KostO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gilt die Übergangsregelung nicht für solche Rückerstattungsansprüche, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der HRegGebVO bereits verjährt waren. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die hier verfahrensgegenständlichen Kostenansätze sämtlich vorläufig ergangen sind. Die Verjährung der Rückerstattungsansprüche ist folglich nach § 164 Abs. 3 S. 2 KostO erst mit Ablauf des Jahres 2005 in Gang gesetzt worden, da erst in diesem Jahr der endgültige Kostenansatz mitgeteilt worden ist.

Nach § 164 Abs. 1 S. 1 KostO richtet sich die Höhe der festzusetzenden Gebühr nach dem Günstigkeitsprinzip: Die Gebühr nach der HRegGebVO ist dann für die Höhe maßgebend, wenn sie niedriger als die alte Wertgebühr ist (Meyer, JurBüro 2005, 59; Rohs/Wedewer/Waldner, a.a.O., Rn. 3; Hartmann, KostO, 36. Aufl., § 164 Rn. 6). Notwendig ist mithin ein Vergleich zwischen der Gebührenhöhe nach altem und nach neuem Recht für jeden einzelnen Fall.

Nach früherer Rechtslage waren folgende Vorschriften für die Berechnung der Gebühren maßgeblich: Nach § 79 Abs. 1 KostO war für Eintragungen ins Handelsregister die volle Gebühr nach § 32 KostO zu erheben. Nach § 79 Abs. 2 KostO war jedoch für Eintragungen auf Grund von Anmeldungen, die am selben Tag beim Registergericht eingegangen waren und dasselbe Unternehmen betrafen, nur ein Gebühr zu erheben, ausgehend von dem nach § 26 Abs. 8 KostO zu ermittelnden Gesamtgegenstandswert. Nach § 26 Abs. 2 und 4 Nr. 2 KostO a.F. waren die Gebühren bei späteren, d.h. der Ersteintragung nachfolgenden Eintragungen, die einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit betrafen, von einem Geschäftswert von 100.000 DM bzw. 50.000 € zu berechnen. Nach § 26 Abs. 5 KostO war jedoch bei der Eintragung einer Prokura oder deren Änderung ein Geschäftswert von 25.000 DM bzw. 12.500 € zugrunde zu legen, beim Erlöschen einer Prokura ein solcher von 10.000 DM bzw. 5.000 €.

Auf der Grundlage der HRegGebVO werden hingegen folgende Gebühren für spätere Eintragungen erhoben (Teil 2, Abschnitt 5 und Teil 4 des Gebührenverzeichnisses zu § 1 HRegGebVO):

- Nr. 2500: Eintragung einer Tatsache 40 €

- Nr. 2502: Eintragung jeder weiteren Tatsache aufgrund derselben Anmeldung 30 €

- Nr. 4000: Eintragung, Änderung oder Löschung einer Prokura 20 €

Nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 und 3 HRegGebVO bzw. Nr. 4000 des genannten Gebührenverzeichnisses ist zu bestimmen, ob bei einer späteren Eintragung eine oder mehrere einzutragende Tatsachen vorliegen.

Hieraus ergibt sich folgende Gegenüberstellung:

 Eintragung vomGegenstand der EintragungGegenstandswert nach § 26 KostO a.F.Gebühr nach §§ 32, 79 KostO a.F.Gebühr nach der HRegGebVO
28.5.1999 Bestellung vier neuer Vorstandsmitglieder 400.000 DM 710 DM 130 €
19.8.1999 Prokuraerteilung in 5 Fällen 125.000 DM 320 DM 100 €
3.9.1999 Erlöschen einer Prokura 5.000 DM 80 DM 20 €
24.7.2000 Bestellung eines neuen Vorstandsmitglieds, Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds 200.000 DM 410 DM 70 €
25.1.2001 Prokuraerteilung in 3 Fällen 75.000 DM 210 DM 60 €
29.1.2002 Prokuraerteilung und Erlöschen einer Prokura 17.500 € 72 € 40 €
30.8.2002 Ausscheiden von vier Vorstandsmitgliedern 200.000 € 357 € 130 €
28.10.2002 Bestellung von zwei Vorstandsmitgliedern, Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds 150.000 € 282 € 100 €
4.11.2002 Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds 50.000 € 132 € 40 €
18.11.2003 Erlöschen der Prokura in 13 Fällen 65.000 € 162 € 260 €

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass sich die Gebührenhöhe für die in Frage stehenden Eintragungen nach der HRegGebVO zu richten hat mit Ausnahme derjenigen für die Eintragung vom 18.11.2003, da in diesem Fall die alte Rechtslage für die Beteiligte zu 1) günstiger ist.

Hieraus folgt, dass die Gebühren für die im Bereich der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers vorgenommenen Eintragungen - wie im Tenor des Senatsbeschlusses erfolgt - abschließend anderweitig festzusetzen waren. Mit Blick auf die Wirkung der gerichtlichen Entscheidung nach § 14 Abs. 10 S. 1 KostO hat der Senat ferner zur Klarstellung im Tenor den vorläufige Kostenansatz vom 18.11.2003 durch einen inhaltsgleichen endgültigen Kostenansatz ersetzt.

Eine Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gem. § 14 Abs. 9 KostO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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