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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.08.2000
Aktenzeichen: 15 W 57/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB
Vorschriften:
FGG § 20 Abs. 1 | |
FGG § 69 g Abs. 1 S. 2 | |
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2 |
Gegen die mit der Betreuerbestellung verbundene Feststellung des Vormundschaftsgerichts, der Betreuer führe die Betreuung berufsmäßig, steht der Staatskasse ein Beschwerderecht nicht zu.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 W 57/00 OLG Hamm 5 T 1157/99 LG Münster 2 XVIII L 85 AG Steinfurt
In der Betreuungssache
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 28. August 2000 auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 13. Januar 2000 gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 30. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Engelhardt
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Entscheidung des Landgerichts im Kostenpunkt ergänzt wird.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der ersten und der weiteren Beschwerde etwa entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 2.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 09.03.1998 Frau S A als Betreuerin für den Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge bestellt. Diese hat mit Schreiben vom 04.10.1999 bei dem Amtsgericht angeregt, wegen der durch eigene gesundheitliche Probleme entstandenen Abwesenheit die Beteiligte zu 1) als "Ergänzungsbetreuerin" zu bestellen. Durch Beschluß vom selben Tage hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 1) gem. § 1899 Abs. 4 BGB als weitere Betreuerin mit der Maßgabe bestellt, daß sie die Angelegenheiten des Betroffenen wahrzunehmen hat, solange die bestellte Betreuerin Frau A an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verhindert ist oder ihr die Betreuung überträgt. Gleichzeitig hat das Amtsgericht ausgesprochen, daß die Beteiligte zu 1) ihr Betreueramt berufsmäßig führt (§ 1836 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Beteiligte zu 1) hat bei ihrer Verpflichtung als Betreuerin am 06.10.1999 erklärt, daß sie das Betreueramt berufsmäßig ausüben wolle. Die Beteiligte zu 1) ist seit dem 28.07.1999 als Rechtsanwältin zugelassen und beabsichtigt, im Hinblick auf ihre weitere Ausbildung als Sozialarbeiterin auch Berufsbetreuungen zu übernehmen.
Der Beteiligte zu 2) hat gegen die Feststellung der berufsmäßigen Führung des Betreueramtes durch die Beteiligte zu 1) im Beschluß des Amtsgerichts mit Schreiben vom 20.10.1999 Beschwerde eingelegt und dazu näher ausgeführt, die Beteiligte zu 1) erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Qualifizierung ihrer Tätigkeit als Berufsbetreuerin.
Die Beteiligte zu 1) ist der Beschwerde sowohl hinsichtlich ihrer Zulässigkeit als auch in Bezug auf die sachliche Beurteilung entgegengetreten.
Das Landgericht hat durch Beschluß vom 30.12.1999 die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2), die er mit Schreiben vom 13.01.2000 bei dem Landgericht eingelegt hat. Die Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Der Senat hat eine Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 des Oberlandesgerichts eingeholt, zu der die Beteiligte zu 1) sich geäußert hat.
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) folgt bereits daraus, daß das Landgericht seine Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil das Landgericht die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) zu Recht als unzulässig erachtet hat. In dieser Beurteilung folgt der Senat der Auffassung des OLG Schleswig (FGPrax 1999, 110 = BtPrax 1999, 155), das für eine mit dem vorliegenden Fall im Kern übereinstimmende Sachverhaltsgestaltung die Beschwerdebefugnis der Staatskasse verneint hat. In dem der Entscheidung des OLG Schleswig zugrundeliegenden Fall war die Feststellung, daß der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, auf dessen Beschwerde durch das Landgericht in Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung erfolgt, gegen dessen Entscheidung sich die weitere Beschwerde der Staatskasse richtete. Darin liegt für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels kein gegenüber dem vorliegenden Fall erheblicher Unterschied, weil die Beschwerdebefugnis für die erste und die weitere Beschwerde gleich zu beurteilen ist (§ 29 Abs. 4 FGG). Für die Beurteilung des Senats sind folgende Erwägungen maßgebend:
Die Betreuerbestellung nach den §§ 1896 ff. BGB ist eine Einheitsentscheidung, die die Auswahl des Betreuers einschließt. Die Befugnis, die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen mit der Beschwerde anzufechten, ist allgemein in § 69 g Abs. 1 S. 1 FGG geregelt. Die Beschwerdebefugnis steht, danach unbeschadet einer eigenen Beschwerdebefugnis des Rechtsmittelführers nach § 20 Abs. 1 FGG dem Ehegatten des Betroffenen sowie einem bestimmten Kreis mit ihm verwandter oder verschwägerter Personen sowie der zuständigen Behörde (also der Betreuungsbehörde im Sinne des BtBG) zu. Die Staatskasse ist danach zur Anfechtung der Betreuerbestellung nicht berechtigt. Dies gilt auch dann, wenn eine Person als Betreuer ausgewählt worden ist, die die Betreuung berufsmäßig führt (§ 1836 Abs. 1 S. 2 BGB). Eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG folgt in diesem Zusammenhang für die Staatskasse nicht daraus, daß sie im Falle der Mittellosigkeit des Betreuten die Vergütung des Berufsbetreuers tragen muß (§ 1836 a BGB in Verbindung mit § 1 BVormVG). Denn insoweit handelt es sich lediglich um die allgemeine Aufgabenerfüllung des Staates, die sich als Folge der gerichtlichen Betreuerbestellung aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt ("Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege" im Sinne der Entscheidung des BVerfG NJW 1980, § 2179 ff.).
Daß der Staatskasse die Anfechtung der Auswahlentscheidung des Vormundschaftsgerichts im Falleder Bestellung eines Berufsbetreuers versagt sein soll, folgt im übrigen mit Deutlichkeit aus § 69 g Abs. 1 S. 2 FGG. Nach dieser durch das BtAndG eingeführten Vorschrift kann der Vertreter der Staatskasse, wenn er geltend macht, der Betreute könne anstelle eines Berufsbetreuers durch eine oder mehrere andere geeignete Personen außerhalb einer Berufsbetreuung betreut werden, gegen einen die Entlassung des Betreuers ablehnenden Beschluß Beschwerde einlegen. Durch diese Vorschrift, die auf einen Vorschlag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zurückgeht (BT-Drucksache 13/7158 S. 50; BT-Drucksache 13/10331 S. 29), soll als Beitrag zur Begrenzung der Staatsausgaben für die Vergütung von Betreuern mittelloser Betroffener dem Vertreter der Staatskasse unter eng begrenzten bestimmten Voraussetzungen eine Beschwerderecht eingeräumt werden, nämlich wenn er nach der Bestellung eines Berufsbetreuers dem Vormundschaftsgericht einen konkreter Vorschlag zur Auswahl eines ehrenamtlichen Betreuers unterbreitet und die Entlassung des Berufsbetreuers durch das Gericht sodann gleichwohl abgelehnt wird. Mag man auch die Praktikabilität dieser Regelung bezweifeln können, so folgt aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschrift zweifelsfrei, daß ein unmittelbares Beschwerderecht der Staatskasse gegen die Betreuerbestellung einschließlich der Auswahlentscheidung ausgeschlossen werden soll.
Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) ergibt sich eine Rechtsbeeinträchtigung der Staatskasse im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG nicht daraus, daß die nach § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB erfolgte Feststellung der berufsmäßigen Ausübung des Betreueramtes gem. Absatz 2 S. 1 der Vorschrift konstitutive Wirkung für ein späteres Vergütungsfesetzungsverfahren nach § 56 g Abs. 1 FGG hat (BayObLG BtPrax 2000, 34; HK-BRU/Bauer/Deinert, § 1836, Rdnr.22). Der Senat braucht in diesem Zusammenhang nicht allgemein zu entscheiden, ob die mit einer Betreuerbestellung verbundene Feststellung gem. § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB isoliert mit der Beschwerde angefochten werden kann (so offenbar Zimmermann FamRZ 1999, 630, 632; ablehnend Bienwald, FamRefKomm., § 1836 Rdnr. 6 sowie in Betreuungsrecht, 3. Aufl., vor §§ 65 ff. FGG, Rdnr. 145). Die Beschwerde gegen eine Betreuerbestellung kann zwar nach anerkannter Auffassung auf Teile der Einheitsentscheidung, insbesondere die Entscheidung über die Auswahl des Betreuers beschränkt werden (vgl. BGH NJW 1996, 1825 = FGPrax 1996, 107; Keidel/Kayser, FG, 14. Aufl., § 69 g, Rdnr. 8 jeweils m.w.N.). Diese Beschränkung setzt jedoch eine bestehende Beschwerdebefugnis voraus. Deshalb kann für die isolierte Anfechtung eines Teils der Einheitsentscheidung nicht eine Beschwerdebefugnis bejaht werden, die für die Anfechtung der Entscheidung insgesamt nicht gegeben ist. In dem hier vorliegenden Zusammenhang ist entscheidend; daß die Feststellung der berufsmäßigen Führung des Betreueramtes nicht etwa eine Nebenentscheidung ist, die gesondert neben der Betreuerbestellung nach § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB getroffen wird. Sie ist vielmehr aus Gründen des materiellen Rechts inhaltlich mit der Auswahlentscheidung verknüpft und kann deshalb nicht Gegenstand einer isolierten anderweitigen Sachentscheidung sein.
Das BtÄndG hat gerade im Hinblick auf die Belastung der Staatskasse mit den Kosten für die Vergütung von Berufsbetreuern mittelloser Betroffener besonderen Wert darauf gelegt, daß bereits bei der Betreuerbestellung dieser Gesichtspunkt berücksichtigt wird. Nach § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB in der Fassung durch das BtÄndG soll ein Berufsbetreuer nur bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist. Die Auswahlentscheidung des Vormundschaftsgerichts soll sich also auch auf die Frage erstrecken, ob die Bestellung gerade eines Berufsbetreuers für die Führung der konkret einzurichtenden Betreuung unumgänglich ist. Auch die Bewertung der Betreuertätigkeit als berufsmäßige kann mit der Einschätzung der Art und der Schwierigkeit der von dem Betreuer zu bewältigenden Aufgaben verknüpft sein. Unabhängig von den Regelbeispielen des § 1836 Abs. 1 S. 4 BGB ist Berufsbetreuer auch derjenige, dem das Gericht gerade im Hinblick auf seine berufliche Qualifikation die Betreuung überträgt (BayObLG NJW-RR 1999, 517; BT-Drucksache 13/10331 S. 27). Schließlich darf nach § 1898 Abs. 2 BGB die ausgewählte Person nur zum Betreuer bestellt werden, wenn sie sich zur Übernahme der Betreuung bereit erklärt hat. Bereits die Auswahlentscheidung des Vormundschaftsgerichts wird deshalb von der Frage beeinflußt, ob die ausgewählte Person sich zur Führung der Betreuung bereit erklärt hat oder erklären wird. Die Beteiligte zu 1) hat sich zur Führung der Betreuung hier nur mit der Maßgabe bereit erklärt, das Betreueramt berufsmäßig auszuüben. Dem entspricht die Auswahlentscheidung des Vormundschaftsgerichts mit der gem. § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB getroffenen Feststellung. Eine Aufhebung der getroffenen Feststellung auf eine Beschwerde der Staatskasse würde also entgegen dem Willen des Vormundschaftsgerichts zur Beendigung der Betreuerbestellung der Beteiligten zu 1) führen, weil sie zur Übernahme einer lediglich ehrenamtlichen Betreuung nicht bereit ist.
Der Gesetzgeber hat deshalb aus gutem Grund in diesem Zusammenhang die Beschwerdebefugnis der Staatskasse auf die bereits zuvor dargestellte Möglichkeit der Herbeiführung eines Betreuerwechsels mit dem Ziel der Bestellung eines ehrenamtlichen Betreuers beschränkt (§ 69 g Abs. 1 S. 2 FGG). Eine andere Beurteilung würde entgegen der Intention des Gesetzgebers dazu führen, daß die Staatskasse durch Anfechtung der nach § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB getroffenen Feststellung mittelbar die Entlassung eines ihr nicht genehmen Berufsbetreuers erwirken könnte, ohne daß gleichzeitig ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt wird. Der Effekt des Rechtsmittels könnte sich deshalb darauf beschränken, daß anstelle des einen ein anderer Berufsbetreuer bestellt wird. Hinzu kommt, daß auch ein Erfolg des Rechtsmittels die konstitutive Wirkung der nach § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB getroffenen Feststellung nur für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit beseitigen könnte, weil der nach dem Gesetzeszweck beabsichtigte Vertrauensschutz für den Betreuer nicht mit rückwirkender Kraft beseitigt werden kann (BayObLG BtPrax 2000, 34). Für die bisherige Tätigkeit der Beteiligten zu 1) müßte es deshalb ohnehin bei der Vergütung als Berufsbetreuerin verbleiben. Dem stünde ein hoher Aufwand bei der sachlichen Prüfung des Rechtsmittels gegenüber. Zum Verfahren hinzugezogen werden müßte nämlich auch der Betreute, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Vergütungsanspruch des Betreuers sich gegen ihn persönlich richten kann, wenn er nach seinen gegenwärtigen oder künftigen persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht mittellos ist. Die Entscheidung über die Feststellung der Eigenschaft des Betreuers als Berufsbetreuer könnte jedoch nur sowohl gegenüber der Staatskasse als auch dem Betroffenen einheitlich ergehen. Erforderlichenfalls müßte also dem Betroffenen für dieses Verfahren zusätzlich ein - ggf. aus der Staatskasse zu vergütender -Verfahrenspfleger bestellt werden (§ 67 FGG). Solche Ergebnisse stehen der mit § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB beabsichtigten Vereinfachung ersichtlich entgegen.
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Das Landgericht hätte eine entsprechende Entscheidung für das Erstbeschwerdeverfahren treffen müssen, die der Senat nachgeholt hat. Daran ist er durch das Verschlechterungsverbot nicht gehindert, weil dieses sich nicht auf die Kostenentscheidung erstreckt (vgl. Keidel/Kahl, a.a.O., § 19, Rdnr. 116 m.w.N.).
Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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