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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: 15 W 71/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 18 Abs. 3
Die Regelung des § 18 Abs. 3 WEG ist jedenfalls insoweit dipositiv, als durch die Gemeinschaftsordnung eine Erleichterung des Mehrheitserfordernisses für den Entziehungsbeschluss vorgesehen werden kann.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 71/04 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 01.04.2004 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 26.01.2004 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 10.10.2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für die Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 14.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.)

Die Beteiligten zu 1) bis 5) sowie 7) bilden die o.a. Eigentümergemeinschaft, wobei die Beteiligten zu 1) und 7) Miteigentümer einer Eigentumswohnung sind. Der Beteiligte zu 6) ist Verwalter der Gemeinschaft.

Mit Schreiben vom 04.11.2002 berief der Beteiligte zu 6) eine Eigentümerversammlung für den 20.11.2002 ein. Zur Tagesordnung heißt es in der Einladung u.a.:

"...

TOP 7: Antrag eines Eigentümers zur Entziehung der Wohnungseigentume der Eheleute L...

TOP 8 Antrag eines Eigentümers zur Entziehung des Wohnungseigentums der Eheleute S...

..."

Der Einladung war eine Anlage beigefügt, in der die einzelnen Tagesordnungspunkte erläutert wurden. Zu TOP 7 wird erläutert, dass der Beteiligte zu 2) die Beschlussfassung beantragt habe. Die gegen die Beteiligten zu 5) erhobenen Vorwürfe werden skizziert. Zu TOP 8 werden in der Anlage unter der Überschrift "Entziehung Wohnungseigentum S..." die Ausführungen betreffend die Eheleute L... wiederholt.

In der Eigentümerversammlung fassten die Beteiligten zu 2) und 4), die zusammen über 509, 274/1000 der Miteigentumsanteile verfügen, den Beschluss, den Eheleuten S... das Wohnungseigentum zu entziehen. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Miteigentümer K... und L... sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten oder aber mit Nein gestimmt haben.

Die der Gemeinschaft zugrunde liegende Teilungserklärung lautet in § 13 wie folgt:

"Entziehung des Wohnungseigentums

Für die Entziehung des Wohnungseigentums gelten die Bestimmungen der §§ 18 und 19 WEG.

Die Entziehung kann darüber hinaus auch in folgenden Fällen beschlossen werden, wenn a... d)..

Steht das Wohnungseigentum mehreren Personen gemeinschaftlich zu, so kann die Entziehung des Eigentums zu Ungunsten sämtlicher Mitberechtigter verlangt werden, sofern nur in der Person eines Mitberechtigten die Voraussetzungen für das Entziehungsverlangen begründet sind.

Der Entziehungsbeschluss bedarf der qualifizierten Mehrheit von mehr als der Hälfte aller Stimmen."

In § 15 der Teilungserklärung heißt es u.a. wie folgt:

Eigentümerversammlung

1.

Angelegenheiten über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder dem Inhalt dieses Vertrages die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch die Beschlussfassung in der Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet.

2. ...

3.

Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, wie sie dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer mitgeteilt worden ist. In der Einladung zur Eigentümerversammlung sind die Tagesordnungspunkte stichwortartig mitzuteilen.

...

5.

Beschlüsse der Versammlung werden grundsätzlich mit einfacher Ja-Stimmenmehrheit gefasst, soweit das Gesetz oder die Gemeinschaftsordnung nicht eine qualifizierte Mehrheit verlangen. Jeder 1000-Anteil ergibt eine Stimme.

Die für einen Beschluss erforderliche Mehrheit berechnet sich nach den Miteigentumsanteilen.

Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. Stimmenenthaltungen bleiben unberücksichtigt. ..."

Der Beteiligte zu 1) hat den Beschluss zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 20.11.2002 mit anwaltlichem Schriftsatz, der am 11.12.2002 bei Gericht eingegangen ist, anfechten lassen. Er vertritt die Auffassung, dass der Beschluss für ungültig zu erklären sei, da er nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sei. Zudem sei die Einladung nicht ordnungsgemäß. Zum einen sei die Wahl des Beteiligten zu 6) zum Verwalter angefochten worden, zum anderen sei der Inhalt der Anlage zur Einladung verwirrend gewesen. Gründe für eine Entziehung des Wohnungseigentums lägen nicht vor. Das Amtsgericht hat den Antrag, das Landgericht die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) seinen Antrag weiter.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen. Auch in der Sache hält die angefochtene Entscheidung der rechtlichen Prüfung stand.

Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Eigentümerversammlung vom 20.11.2002 wirksam einberufen worden ist. Da die Bestellung des Beteiligten zu 6) im Zeitpunkt der Einberufung nicht rechtskräftig für unwirksam erklärt worden war, oblag ihm die Einberufung gemäß § 24 Abs. 1 WEG. Hieran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn die Verwalterbestellung im Nachhinein für unwirksam erklärt werden sollte (vgl. BayObLG NJW-RR 1991 S. 531ff; Senat OLGR 1992 S. 194f = NJW-RR 1992 S. 722; OLG Köln OLGR 2002 S. 53f = ZMR 2002 S. 466f).

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landgerichts, dass die Einladung inhaltlich den Anforderungen des Gesetzes und der Gemeinschaftsordnung entspricht. Nach § 15 der Teilungserklärung muss die Einladung eine stichwortartige Bezeichnung des Beschlussgegenstandes enthalten. Die Gemeinschaftsordnung deckt sich insoweit mit den Anforderungen an die Einladung, die sich nach Maßgabe der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits aus § 23 Abs. 2 WEG ergeben. Danach genügt es, dass die Wohnungseigentümer vor Überraschungen geschützt sind und ihnen eine Vorbereitung auf die Versammlung ermöglicht wird. Übertriebene Anforderungen dürfen an die Bezeichnung des Beschlussgegenstands nicht gestellt werden. Ausreichend ist in der Regel eine schlagwortartige Bezeichnung (BayObLGZ 1992, 79 [84f.] = NJW-RR 1992, 910; BayObLG, NZM 1999, 175 = WE 1999, 199; vgl. auch KG NJW-RR 1996, 526ff). Dass die Einladung selbst diesen Anforderungen genügt, bedarf keiner näheren Begründung. Die Frage, inwieweit der Einladung beigefügte Unterlagen die hinreichende Warn- und Informationsfunktion einer für sich genommen ausreichenden Einladung in Frage stellen können, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine solche Beeinträchtigung ist hier zu verneinen. Auch in der Anlage zur Einladung wird hinsichtlich TOP 8 in der Überschrift zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die beantragte Beschlussfassung gegen die Beteiligten zu 1) und 7) richtet. Wenn im weiteren Text in fehlerhafter Weise das gegen die Beteiligten zu 5) gerichtete Antragsvorbringen des Beteiligten zu 2) wiederholt wurde, so mag dies die von dem Beteiligten zu 6) offenbar beabsichtigte weitergehende Information der Beteiligten beeinträchtigt haben, der durch das Gesetz und die Teilungserklärung vorgeschriebene Mindestinhalt der Einladung wurde hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt. Angesichts der sowohl in der Einladung als auch in der Anlage enthaltenen Information, dass gegen sie ein Entziehungsverfahren beschlossen werden sollte, konnten die Beteiligten zu 1) und 7) unter Berücksichtigung des auch mit ihnen bestehenden Streits nicht ernstlich davon ausgehen, dass hier eine irrtümliche Verdoppelung des die Beteiligten zu 5) betreffenden Tagesordnungspunktes vorlag.

Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Auffassung des Landgerichts, dass der Beschluss betreffend die Entziehung des Wohnungseigentums mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen ist. Richtig ist allerdings, dass nach § 18 Abs. 3 S. 2 WEG für einen sog. Entziehungsbeschluß die absolute Mehrheit der stimmberechtigten Miteigentümer erforderlich ist. § 18 Abs. 3 WEG ist jedoch nach herrschender Auffassung grundsätzlich einer Abänderung durch Vereinbarung der Miteigentümer zugänglich (vgl. etwa OLG Celle DNotZ 1955, 320, 323; Staudinger/Kreuzer, § 18 WEG Rdn. 34; MK-BGB/ Engelhardt, 4. Aufl. § 18 WEG Rdn. 10; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl. § 18 WEG Rdn. 8; RGRK-Augustin, BGB 12. Aufl., § 18 WEG Rdn. 27; Bamberg/Roth/Hügel, Korn, zum BGB; § 18 WEG Rdn. 9). Der Senat schließt sich dieser Auffassung jedenfalls insoweit an, als es um eine Erleichterung der Herbeiführung eines sogenannten Entziehungsbeschlusses geht. Für diese Auffassung spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber in § 18 Abs. 4 WEG eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, in welcher Hinsicht die Vorschrift einer abweichenden Vereinbarung nicht zugänglich ist. Es ist mehr als fern liegend anzunehmen, dabei sei übersehen worden, zugleich eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Verfahrensfragen, wie etwa der Berechnung der erforderlichen Mehrheit, zu treffen. Der Umkehrschluss aus § 18 Abs. 4 WEG ergibt danach, dass eine Verringerung der Voraussetzungen für einen Entziehungsbeschluss durch Vereinbarung grundsätzlich möglich ist. Auch aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums ergeben sich insoweit keine grundsätzlichen Bedenken, da im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie eine Vereinbarung nach § 10 WEG bzw. die dieser gleichstehende Teilungserklärung eine hinreichende Grundlage für die Beschränkung dieses Schutzes darstellen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beschluss der Gemeinschaft über die Entziehung lediglich die formale Voraussetzung für das Entziehungsverfahren darstellt. Materielle Fragen, wie insbesondere die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Gemeinschaft, werden hingegen erst im Entziehungsverfahren selbst geprüft (KG aaO).

Entgegen der mit der sofortigen weiteren Beschwerde vertretenen Auffassung ergibt sich aus der Entscheidung des BayObLG vom 24.06.1999 (NJW-RR 2000, 17ff) nichts anderes. Das BayObLG hat die Frage, inwieweit die Bestimmung des § 18 Abs. 3 WEG einer Abänderung durch Vereinbarung zugänglich ist, vielmehr ausdrücklich offen gelassen.

Zutreffend ist schließlich auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Teilungserklärung hier eine von § 18 Abs.3 WEG abweichende Regelung dahingehend enthält, dass sich die für einen Entziehungsbeschluss erforderliche Mehrheit nach Miteigentumsanteilen berechnet. Allerdings geht der Senat in Übereinstimmung mit der vorgenannten Entscheidung des BayObLG davon aus, dass nicht jede in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Abänderung des Kopfprinzips auch als Abänderung des § 18 Abs. 3 WEG verstanden werden darf. Insbesondere kann eine Regelung, die sich ausdrücklich auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezieht; nicht im Wege der Auslegung auf die Beschlussfassung über das Entziehungsverfahren erstreckt werden, da es sich insoweit nicht um eine Verwaltungsangelegenheit handelt. Erforderlich ist daher eine Regelung durch die Teilungserklärung oder eine Vereinbarung, die sich ausdrücklich auf die Entziehung des Wohnungseigentums bezieht.

Vorliegend hat das Landgericht die Teilungserklärung in diesem Sinne verstanden. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Teilungserklärung enthält in § 13 eine gesonderte Regelung für die Entziehung des Wohnungseigentums. Diese verweist zwar in ihrem ersten Satz auf die gesetzlichen Vorschriften, jedoch ergibt sich aus der weiteren Regelung, dass durchaus eine Erweiterung derselben gewollt ist. Wenn § 13 Abs. 4 der Teilungserklärung mehr als die Hälfte der Stimmen für erforderlich erklärt, so weicht dies nicht nur von der Begriffsbildung her von § 18 Abs. 3 WEG ab, der auf die Mehrheit der stimmberechtigten Miteigentümer abstellt. § 15 der Teilungserklärung enthält nämlich eine eigenständige Regelung der Stimmenbildung. Maßgeblich sind danach die 1000stel Miteigentumsanteile, die jeweils eine Stimme geben. Ausdrücklich wird weiter bestimmt, dass sich die für einen Beschluss erforderliche Stimmenmehrheit nach den Miteigentumsanteilen berechnet. Dabei sind die Regelungen des § 15 der Teilungserklärung nach Überschrift und Wortlaut nicht auf Angelegenheiten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beschränkt, vielmehr erfassen sie alle Angelegenheiten, über die die Gemeinschaft nach dem Gesetz oder der Teilungserklärung in einer Eigentümerversammlung beschließen kann, mithin auch einen Entziehungsbeschluß nach § 18 Abs. 3 WEG.

Zu Recht hat das Landgericht es dahinstehen lassen, ob die weiteren in der Versammlung anwesenden Miteigentümer mit Nein gestimmt oder sich der Stimme enthalten haben. So oder so hat der Beschlussantrag mit 509 Stimmenanteilen die erforderliche Mehrheit gefunden.

Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen der Frage, ob hinreichende Gründe für eine Entziehung des Wohnungseigentums vorliegen, nicht weiter nachgegangen sind. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass diese Frage nicht in dem Verfahren des Gerichts nach dem WEG hinsichtlich der Wirksamkeit des Entziehungsbeschlusses, sondern in dem eigentlichen Entziehungsverfahren vor dem Prozessgericht (§ 51 WEG) zu klären ist (vgl. Engelhardt aaO Rdn. 9 m.w.N. auch auf die Rechtsprechung des Senats).

Da die die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) erfolglos bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass er die Gerichtskosten auch dieser Instanz trägt (§ 47 S. 1 WEG). Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten sieht der Senat, insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht unter Berücksichtigung der zu entscheidenden rechtlichen Problematik keinen hinreichenden Anlass von dem Grundsatz abzuweichen, dass diese jeder Beteiligte im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz selbst zu tragen hat.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Sie folgt der nicht beanstandeten Wertfestsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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