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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 15 W 88/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2271
Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass in den Fällen, in denen Eltern ihre gemeinschaftlichen Kinder zu Schlusserben bestimmen, es ihrem gemeinschaftlichen Willen entspricht, dass der überlebende Elternteil zu einer Änderung des Testaments berechtigt sein sollte, wenn es nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten zu einem Vermögenszuwachs oder zu Familienstreitigkeiten kommt.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 88/01 OLG Hamm

In der Nachlasssache

betreffend die Erteilung eines Erbscheines für den Nachlass der am 14.11.1999 in S ihrem letzten Wohnsitz verstorbenen Frau K R

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 27. September 2001 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 9. Februar 2001 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 20. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Engelhardt und Christ

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die im Verfahren vor dem Senat entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 240.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am 24.10.1913 geborene Erblasserin war verheiratet mit J R. Die Beteiligten zu 1 - 3) sind die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder. Weitere Kinder der Erblasserin sind nicht vorhanden. Der Ehemann der Erblasserin ist am 7.5.1988 vorverstorben.

Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 29.1.1985 ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut:

Unser letzter Wille

Wir, die Eheleute J R und K R geborene erklären unseren letzten Willen wie folgt:

Wir setzen uns gegenseitig zu unumschränkten Alleinerben ein, mit der Maßgabe, dass der Überlebende von uns über das beiderseitige Vermögen frei und unbeschränkt verfügen darf. Der Überlebende von uns beruft zu seinen Alleinerben:

Unsere Töchter

Helga, geboren am 28.2.1941 Karin, geboren am 4.11.1943

sowie unseren Sohn

Leo, geboren am 22.1.1950

Ersatzerben sind deren Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Für den Fall, dass eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, soll es auch nach dem Tode des längstlebenden nur seinen Pflichtteil erhalten.

Die Erblasserin und ihr Ehemann besaßen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kein nennenswertes Vermögen. Die Erblasserin erwarb jedoch im Wege der Erbauseinandersetzung bzw. vorweggenommenen Erbfolge im Jahre 1991 den Grundbesitz Schloßstr. von ihrer Tante, wohl auch als Gegenleistung dafür, dass sie diese Tante gepflegt hatte.

In einem handschriftlichen Testament vom 18.9.1996 setzte die Erblasserin ihre Kinder zu gleichen Anteilen als Erben ein. Das Testament enthält außerdem die Anordnung von Vermächtnissen.

Im Frühjahr 1999 wurde die Erblasserin pflegebedürftig. Die Sicherstellung ihrer Versorgung und Pflege führte zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten und der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1) nahm die Erblasserin in ihrer Wohnung in M auf, pflegte und versorgte sie dort unter Mithilfe ihrer Familie. Die familiären Spannungen bestanden fort. Die Erblasserin gab deshalb ihren ursprünglichen Wunsch, in die Wohnung nach D zurückzukehren, auf.

Am 23.08.1999, 25.09.1999 und 14.10.1999 errichtete die Erblasserin zu Protokoll des Notars H drei weitere Testamente. In dem Testament vom 23.8.1999 (UR-Nr. 218/99) erklärte die Erblasserin, dass sie nicht durch Bindungen aus einem früheren gemeinschaftlichen Testament oder aus einem Erbvertrag an der Errichtung des Testamentes gehindert sei. Sie setzte die Beteiligten zu 1-3) zu Erben zu je 1/3 ein. Zu Ersatzerben bestimmte sie die Abkömmlinge der Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. In dem Testament vom 25.9.1999 (UR-Nr. 251/99) modifizierte sie die Erbfolge dahingehend, dass sie die Beteiligte zu 1) zu 1/3 und die Beteiligten zu 2) und 3) sowie die Katholische Kirchengemeinde D und die Evangelische Kirchengemeinde D zu je 1/6 als Erben einsetzte. In dem Testament vom 14.10.1999 (UR-Nr. 264/99) schließlich bestimmte die Erblasserin die Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin ihres Nachlasses und setzte deren Abkömmlinge als Ersatzerben ein. Die Beteiligte zu 2) und 3) sollten nur noch den Pflichtteil erhalten.

Aufgrund des notariellen Testamentes vom 14.10.1999 beantragte die Beteiligte zu 1) mit notariellem Protokoll vom 03.05.2000 die Erteilung eines Erbscheines als Alleinerbin, während die Beteiligten zu 2) und 3) mit notariell beurkundetem Antrag vom 4.5.2000 die Erteilung eines Erbscheines begehrten, der die Beteiligten zu 1 - 3) zu je 1/3 als Erben ausweist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) vertreten die Ansicht, dass die im gemeinschaftlichen Testament vom 29.1.1985 enthaltene Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich sei und dass aufgrund der Bindungswirkung dieser wechselbezüglichen Verfügung die Erblasserin nicht mehr durch eine letztwillige Verfügung das Testament vom 29.1.1985 habe abändern können. Die Beteiligte zu 1) dagegen ist der Auffassung, dass nach den Grundsätzen der ergänzenden Testamentsauslegung Wechselbezüglichkeit nicht vorliege. Hätten die Erblasserin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gewusst, dass zum Nachlass der Erblasserin auch ein Hausgrundstück gehören würde, hätten sie schon nach der Lebenserfahrung dem Überlebenden die Möglichkeit offen gehalten, dass dieser frei verfügen könne. Die Lebenserfahrung spreche dafür, dass in einem solchen Fall schon zur Vermeidung der üblichen Streitigkeiten einer Erbengemeinschaft das Grundstück nur auf einen Erben übertragen werde. Zu den nachträglich eingetretenen Tatsachen, die eine ergänzende Testamentsauslegung rechtfertigen würden, gehöre auch der Umstand, dass die Beteiligten zu 2 und 3) ungerechtfertigt angeregt hätten, ein Betreuungsverfahren gegen die Erblasserin einzuleiten und diese damit außergewöhnlich stark verletzt hätten.

Durch Vorbescheid vom 30.06.2000 hat das Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheines entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) angekündigt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II.

Die weitere Beschwerde ist formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig, §§ 27, 29 FGG. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer nach § 19 Abs. 1 FGG zulässigen ersten Beschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins kann nach anerkannter Rechtsprechung ein Vorbescheid ergehen, durch den das Nachlassgericht bei zweifelhafter Sach- oder Rechtslage die Erteilung eines Zeugnisses lediglich ankündigen kann, um die Publizitätswirkung eines möglicherweise unrichtigen Zeugnisses zu vermeiden; ein solcher Vorbescheid stellt sich als anfechtbare Verfügung im Sinne des § 19 FGG dar (vgl. BGHZ 20, 255). Die Beteiligte zu 1) war zur Einlegung der ersten Beschwerde nach § 20 FGG befugt, weil die Entscheidung des Nachlassgerichts ihr das für sich in Anspruch genommene alleinige testamentarische Erbrecht nach der Erblasserin abspricht (dazu vgl. Keidel/Kahl, FG, 14. Aufl., § 20 Rdn 73).

In der Sache selbst hat das Landgericht im Ergebnis richtig die Entscheidung des nach § 73 Abs. 1 FGG zuständigen Amtsgerichts Hattingen, in dessen Bezirk die Erblasserin zuletzt ihren Wohnsitz hatte (§ 7 BGB), bestätigt.

Dem Landgericht ist im Ausgangspunkt dahin zu folgen, dass das gemeinschaftliche Testament vom 29.1.1985, was keiner näheren Begründung bedurfte, formgültig errichtet worden ist (vgl. § 2267 Satz 1, § 2247 BGB). Richtig ist auch die weitere Annahme des Landgerichts, dass die Erblasserin für den Fall einer wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung ihrer drei Kinder gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB gehindert war, diese Einsetzung durch das notarielle Testament, vom 14.10.1999 zu verändern.

Ohne Rechtsfehler hat die Kammer die Einsetzung der Kinder in dem gemeinschaftlichen Testament vom 29.1.1985 als Schlusserben zu gleichen Teilen als wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 BGB angesehen.

Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der einzelnen Verfügungen, so muss die Wechselbezüglichkeit durch Auslegung nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ermittelt werden. Das gilt auch dann, wenn das Testament in der Form eines sogenannten Berliner Testaments (§ 2269 Abs. 1 BGB) abgefasst ist. Die Frage, ob eine Verfügung von Todes wegen eindeutig und damit nicht auslegungsfähig oder ihr Wortlaut unklar und damit auslegungsbedürftig ist, unterliegt der Nachprüfung des Gerichts der weiteren Beschwerde. Die Auslegung selbst ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dies gilt auch für die Wechselbezüglichkeit (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 879, 880; Senat, ständig).

Das Landgericht konnte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass der Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments zur Erbeinsetzung die Wechselbezüglichkeit offen lässt. Nach der allgemeinen Auslegungsvorschrift des § 133 BGB war hier zu prüfen, ob die Schlusserbeneinsetzung der Kinder nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Ehegatten wechselbezüglich sein sollte. Hierzu musste der gesamte Inhalt der Erklärungen gewürdigt werden, einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde lagen. Auch die allgemeine Lebenserfahrung war zu berücksichtigen (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Frankfurt FamRZ 1997, 1572, 1573).

Vorliegend ergeben sich weder aus dem gemeinschaftlichen Testament noch sonst irgendwelche Hinweise darauf, was die Erblasser in Bezug auf die Wechselbezüglichkeit gewollt haben.

Das Landgericht konnte daher die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments mangels anderer Anhaltspunkte aus § 2270 Abs. 2 BGB herleiten. Wenn nach pflichtgemäßer Prüfung aller Umstände auf andere Weise nicht zu lösende Zweifel bestehen bleiben, ob die gegenseitige Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen gewollt war, gilt die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB. Danach ist die Wechselbezüglichkeit "im Zweifel" anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten vom anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist. Werden danach bestimmte wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament festgestellt, so erzeugen sie, bedingt durch den Tod des Erstversterbenden und die Annahme der Erbschaft durch den Überlebenden für diesen die sich aus § 2271 BGB ergebende Bindungswirkung.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen des § 2270 Abs. 2 BGB vorliegen. In dem hier gegebenen sehr häufigen Fall, dass die Ehegatten einander und für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten die gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen, ist nach § 2270 Abs. 2 BGB die Erbeinsetzung des Mannes zugunsten der Ehefrau wechselbezüglich sowohl mit der Erbeinsetzung der Frau zugunsten des Ehemannes als auch mit der Erbeinsetzung der Frau zugunsten der Kinder (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 879, 880). In derartigen Fällen ist die erforderliche innere Abhängigkeit zwischen der gegenseitigen Einsetzung der Eheleute zu Alleinerben und der Einsetzung der Kinder zu Erben des Längstlebenden gegeben, weil in einer intakten Familie die Vorstellung herrschen dürfte, dass das im Zeitpunkt des Todes des längstlebenden Ehepartners vorhandene Vermögen von diesem auf die gemeinsamen Kinder übergehen soll. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn die beiderseitigen Verfügungen zugunsten der Kinder im Sinne einer Wechselbezüglichkeit miteinander verbunden sind (vgl. OLG Oldenburg MDR 1998, 231).

Die Erblasserin war daher nach § 2271 Abs. 2 BGB an die Schlusserbeneinsetzung der Kinder gebunden und konnte durch das Testament vom 14.10.1999 ihre Verfügung nicht widerrufen, es sei denn, die Ehegatten hätten sich den Widerruf vorbehalten. In gleicher Weise, wie die Eheleute frei darüber entscheiden können, ob ihre Verfügungen wechselbezüglich sein sollen, können sie einander auch das Recht einräumen, eigene wechselbezügliche Verfügungen nach dem ersten Erbfall aufzuheben oder abzuändern. Eine solche Ermächtigung kann im Testament ausdrücklich erfolgen oder sich im Wege ergänzender Testamentsauslegung ergeben (vgl. MünchKomm-Musielak, BGB, 3. Aufl., § 2271 Rn.31).

Insoweit war also zunächst zu prüfen, ob die Regelung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 29.01.1985 "der Überlebende von uns darf frei und unbeschränkt über das Vermögen verfügen" dahin auszulegen ist, dass die testierenden Ehegatten nur zu Verfügungen unter Lebenden oder auch zu - widersprechenden - Verfügungen von Todes wegen ermächtigt sein sollten. Dies hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Soweit es in diesem Zusammenhang allerdings ausgeführt hat, auch die Beteiligte zu 1) gehe davon aus, dass im Zeitpunkt der Testamentserrichtung beide Ehegatten übereinstimmend von einer Bindungswirkung ausgegangen seien, ist dies rechtlich nicht haltbar, weil die Rechtsauffassung der Beteiligten zu 1) über die Auslegung des Testamentes für die hier zu entscheidende Frage nichts hergibt. Dieser Mangel stellt jedoch den Bestand der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage, insbesondere nötigt er nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung. Denn da der Sachverhalt ausreichend geklärt ist, kann der Senat selbst entscheiden. Nach Auffassung des Senats haben die Ehegatten mit dieser Regelung nur zum Ausdruck gebracht, dass der Überlebende unbeschränkt Erbe sein und damit unter Lebenden, nicht aber von Todes wegen frei über den Nachlass verfügen können soll. Hierfür spricht einmal, dass die Bestimmung in unmittelbarem sachlichen und räumlichen Zusammenhang (im selben Satz) mit der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten und nicht im Zusammenhang mit der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten niedergeschrieben worden ist. Zum anderen entspricht es der allgemeinen Ansicht, dass eine derartige Bestimmung im Zweifel nur die Ermächtigung enthält, unter Lebenden, nicht auch von Todes wegen frei zu verfügen (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 209[210]; KG JW 1936, 3264, 3265; OLG München JFG 15, 353, 358; Staudinger/Kanzleiter, BGB, 13. Bearbeitung, § 2271 Rn.57; MünchKomm-Musielak, a.a.O., § 2271 Rn.32). Dafür, dass sich diese Ermächtigung auch auf Verfügungen von Todes beziehen soll, liegen weder im Testament selbst noch außerhalb desselben Anhaltspunkte vor. Mit der Regelung sollte daher nur außer jeden Zweifel gestellt werden, dass der Überlebende hinsichtlich der Erbschaft des Vorverstorbenen gegenüber den Kindern unbeschränkter Erbe bis zu seinem eigenen Tod sein und damit über den Nachlass unter Lebenden frei verfügen können soll (BayObLG a.a.O.).

Das Landgericht hat weiter auf Grund des Vortrags der Beteiligten zu 1) geprüft, ob eine Ermächtigung zum Widerruf der Bindungswirkung im Wege einer ergänzenden Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ermittelt werden kann (vgl. hierzu Palandt/Edenhofer, BGB, GO.Aufl., § 2271 Rn.21) im Hinblick darauf, dass die Erblasserin und deren vorverstorbener Ehemann möglicherweise nicht vorhergesehen und bedacht haben könnten, dass die Erblasserin das Grundstück in D nach dem Tod ihres Ehemannes zu Eigentum erwerben und dass es im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit der Erblasserin zu Familienstreitigkeiten kommen werde. Auch für die Ermittlung des mutmaßlichen (hypothetischen) Willens ist bei einem Ehegattentestament die Willensrichtung beider Ehegatten maßgebend (BayObLG FamRZ 1993, 366, 367; Palandt/Edenhofer, a.a.O., Einf. vor § 2265 Rn.12). Hierzu hat das Landgericht im Kern ausgeführt, dass das Testament insoweit keine Lücken aufweise und dass es andererseits keine Anhaltspunkte für die Annahme gebe, dass es dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin und ihres Ehemannes entsprochen habe, dem überlebenden Ehegatten bei einem Vermögenserwerb oder Familienstreit das Recht zur Abänderung der wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung einzuräumen.

Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass in den Fällen, in denen Eltern ihre gemeinschaftlichen Kinder zu Schlusserben bestimmen, es ihrem gemeinschaftlichen Willen entspricht, dass der überlebende Elternteil zu einer Änderung des Testaments berechtigt sein sollte, wenn es nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten zu einem Vermögenszuwachs oder zu Familienstreitigkeiten kommt. Ob dies anders ist, wenn zu Schlusserben die alleinigen Kinder des zuerst versterbenden Ehegatten bestimmt sind, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. hierzu OLG Zweibrücken Rpfleger 1992, 109[111]). Es gibt daher keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass dem überlenden Ehegatten ein Widerrufsrecht eingeräumt werden sollte. Zwar hat die Erblasserin in ihren beiden letzten notariellen Testamenten anderweitig letztwillig verfügt in der - in den Testamenten ausdrücklich festgehaltenen - Meinung, nicht durch ein früheres gemeinschaftliche Testament gebunden zu sein. Aber dieser Umstand rechtfertigt schon deshalb nicht ein anderes Auslegungsergebnis, weil die Erblasserin in ihrem Testament vom 18.09.1996, also etwa 5 Jahre nach dem Erwerb des Grundbesitzes, ihre Kinder wie in dem gemeinschaftlichen Testament zu gleichen Anteilen als Erben eingesetzt hat und ungeachtet der familiären Streitigkeiten auch in dem notariellen Testament vom 23.08.2000 an den Erbquoten nichts verändert hat. Dieses Verhalten spricht dafür, dass nach dem Willen der Erblasserin und ihres Ehemannes im Zeitpunkt der Errichtung ihres gemeinsamen Testamentes die gemeinsamen Kinder auf jeden Fall zu gleichen Anteilen Erben werden sollten und eine Ermächtigung zum Widerruf der Bindungswirkung nicht gewollt war. Die Auslegung des Landgerichts ist daher möglich, wenn nicht gar naheliegend, und für den Senat bindend.

Die Erblasserin war somit, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht berechtigt, das gemeinschaftliche Testament durch ein weiteres Testament zu widerrufen, § 2271 BGB.

Das Landgericht hat schließlich geprüft, ob die Erblasserin berechtigt war, die Einsetzung ihrer Kinder als Erben nach § 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB wieder aufzuheben Es hat die Voraussetzungen als nicht gegeben angesehen. Dies nimmt die Rechtsbeschwerde hin. Insoweit ist auch ein Rechtsfehler nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, § 30 KostO, sie entspricht der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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