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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 15 W 92/05
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 43
WEG § 46
BGB § 921
BGB § 922
BGB § 1020

Entscheidung wurde am 12.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
1) Das Rechtsverhältnis der Miteigentümer benachbarter WEG-Gemeinschaften in Bezug auf ein beiderseits der Grundstücksgrenze errichtetes gemeinschaftliches Treppenhaus muss entsprechend den dinglichen Eigentumsverhältnissen beurteilt werden: Es besteht somit keine Eigentümergemeinschaft an dem gesamten Treppenhausgebäude, sondern das gemeinschaftliche Eigentum der jeweiligen WEG-Gemeinschaft erstreckt sich auf den auf dem jeweiligen Grundstück befindlichen Gebäudeteil.

2) Im Innenverhältnis der jeweiligen Gemeinschaften gelten in Bezug auf die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die hierfür anfallenden Kosten und Kostenquoten die Vorschriften des WEG.

3) Im Außenverhältnis der beiden Gemeinschaften bestehen wechselseitige Ansprüche auf Instandsetzung und Instandhaltung nach den §§ 921, 922 BGB und gegebenenfalls nach § 1020 Satz 2 BGB, sofern wechselseitig Dienstbarkeiten an dem jeweils benachbarten Grundstück zur Benutzung des dort befindlichen Gebäudeteils des Treppenhauses eingeräumt worden sind.

4) Zur Entscheidung über Streitigkeiten zwischen den beiden Gemeinschaften ist das Prozessgericht zuständig.


Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden den Beteiligten zu 1) auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 5.200 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die zu 1) beteiligten Antragsteller und die Beteiligten zu 2) bilden die aus zwei Wohnungseigentumseinheiten bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft C in F. Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden mit einem Miteigentumsanteil von 377/1.000 und die Beteiligten zu 2) sind Eigentümer der Wohnung im Erd- und Obergeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 623/1.000.

Die Beteiligten zu 3) und 4) bilden die ebenfalls aus zwei Wohnungseigentumseinheiten bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft C in F. Die Beteiligte zu 3) ist Eigentümerin der Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden mit einem Miteigentumsanteil von 377/1.000 und die Beteiligten zu 4) sind Eigentümer der Wohnung im Erd- und Obergeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 623/1.000.

Die Beteiligten zu 2) und 4) gelangen von ihren Räumen im Erdgeschoss ins Obergeschoss und die Beteiligten zu 1) und 3) von ihrem Dachgeschoss zum Spitzboden jeweils über eine innerhalb ihrer Wohnung liegende Treppe.

Die beiden Häuser, die zu einer noch weitere Häuser umfassenden Reihenhausanlage gehören und auf getrennten Flurstücken (Nr. 147 und 148) errichtet worden sind, sind durch ein gemeinsames Treppenhaus verbunden, von dem aus die Antragsteller und die Beteiligte zu 3) Zugang zu ihren Dachgeschosswohnungen haben. Die Holztreppe in dem Treppenhaus ist jeweils zur Hälfte auf den zu den beiden Häusern C 24 und 26 gehörenden Flurstücken gelegen. In den Wohnungsgrundbüchern sind wechselseitig Dienstbarkeiten zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer der beiden Grundstücke C 24 und 26 eingetragen, nach deren Inhalt der jeweilige Eigentümer des begünstigten Grundstücks berechtigt ist, "den gemeinsamen Hausflur vom Keller bis zum Dachgeschoß zu benutzen und zu unterhalten."

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Frage der Kostentragung einer Treppensanierung.

In einem zwischen den Antragstellern und der Beteiligten zu 3) und ihrem Ehemann S geführten Beweissicherungsverfahren (AG Essen 97 II 68/02 WEG) wurde Beweis erhoben über die Fragen, ob es zutrifft, dass die Treppenanlage auf sämtlichen Holzstufen Kratzspuren aufweist, die teilweise nicht nur in die Decklackschicht, sondern darüber hinaus auch unmittelbar die Holzbeschichtung angegriffen haben, ob die Kratzspuren auf die Benutzung der Treppe durch den von der Beteiligten zu 3) gehaltenen Labrador zurückzuführen sind, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die festgestellten Mängel zu beseitigen und welche Kosten für die fachgerechte Mängelbeseitigung erforderlich sind.

Der vom Amtsgericht beauftragte Dipl.-Des. X erstattete unter dem 15.05.2002 ein Sachverständigengutachten, in dem er die Beschädigungen als normale Gebrauchsspuren einordnete und die Kosten der Beseitigung mit 5214,20 € bezifferte.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Kosten für die Sanierung entsprechend den Miteigentumsanteilen der beiden Wohnungseigentümergemeinschaften getragen werden müssten.

Sie haben mit Schriftsatz vom 12.02.2003 beim Landgericht Essen Klage erhoben mit dem Antrag,

festzustellen, dass die Kosten für die Sanierung der im gemeinschaftlichen Eigentum der Parteien stehenden Treppenlage von den Beteiligten zu 2) zu 31/100, von der Beteiligten zu 3) zu 19/100, von den Beteiligten zu 4) zu 31/100 und von den Antragstellern zu 19/100 getragen werden.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, nicht verpflichtet zu sein, einer Treppensanierung zuzustimmen. Es sei nicht erkennbar, dass die Treppe saniert werden müsse. Zudem seien die Antragsteller in der Lage, eine Zahlungsklage einzureichen.

Das angerufene Landgericht - Prozessgericht - hat sich mit nicht angefochtenem Beschluss vom 02.09.2003 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das für Wohnungseigentumssachen zuständige Amtsgericht verwiesen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 24.08.2004 den Antrag mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, es fehle an dem für den Antrag erforderlichen Feststellungsinteresse. Hiergegen haben die Antragsteller rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt haben.

Das Landgericht hat mit den Beteiligten am 14. Januar 2005 vor der vollbesetzten Kammer verhandelt und mit dem am Schluss der Sitzung verkündeten Beschluss die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese ihren Verfahrenbevollmächtigten am 23. Februar 2005 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die am 1. März 2005 bei dem Landgericht eingegangen ist. Die Beteiligten zu 2) bis 4) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache führt die weitere Beschwerde zur Zurückweisung der weiteren Beschwerde.

Das Landgericht war mit einer zulässigen Erstbeschwerde der Antragsteller befasst. Sie waren zur Einlegung ihres Rechtsmittels befugt, da ihr Antrag in erster Instanz keinen Erfolg hatte (§ 20 Abs. 2 FGG). Zwar hatten die Antragsteller zu Recht das Prozessgericht angerufen und nicht das Wohnungseigentumsgericht, weil, wie unten noch ausgeführt wird, im Verhältnis der Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und der Beteiligten zu 3) und 4) andererseits keine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, sodass das Wohnungseigentumsgesetz nicht anwendbar ist. Da der Verweisungsbeschluss aber bestandskräftig ist, waren die Vorinstanzen hieran gebunden (§ 46 Abs. 1 Satz 3 WEG).

Die ausschließlich auf verfahrensrechtliche Gründe gestützte Antragszurückweisung durch die Entscheidung des Amtsgerichts hat das Landgericht im Ergebnis mit der Begründung aufrecht erhalten, dem Beteiligten zu 1) stehe aus Gründen des sachlichen Rechts der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Der Senat, der die verfahrensrechtlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 15), stellt die Verwerfung des gestellten Antrags als unzulässig durch die Entscheidung des Amtsgerichts wieder her, wenngleich unter einem anderen, nachfolgend dargestellten verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt:

Den Antragstellern fehlt die Befugnis, den ihnen und den Beteiligten zu 2) gemeinschaftlich zustehenden Anspruch ohne einen dahingehenden Beschluss der Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen.

Dies ist eine Frage schon der Zulässigkeit des Antrags. Nach den allgemein für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsätzen darf in Angelegenheiten, die - wie es bei den Verfahren in Wohnungseigentumssachen nach § 43 WEG der Fall ist - einen Antrag voraussetzen, eine Sachentscheidung nur ergehen, wenn der Antragsteller berechtigt ist, die begehrte Entscheidung zu beantragen. Fehlt es an dieser Berechtigung, so ist der Antrag wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (BGHZ 106, 222 = NJW 1989, 1091 = LM Nr. 10 zu § 43 WEG).

Für den hier geltend gemachten Anspruch steht den Antragstellern eine Antragsbefugnis nicht zu.

a) Das gemeinsame Treppenhaus der Häuser C 24 und C 26 steht nicht im gemeinschaftlichen Eigentum aller vier am vorliegenden Verfahren Beteiligten, vielmehr fällt dieser Raum in das Eigentum zweier rechtlich gesonderter Bruchteilsgemeinschaften: Soweit sich das Treppenhaus auf dem Grundstück C 24 (Flurstück Nr. 147) befindet, gehört es den Beteiligten zu 1) und 2) als Bestandteil der zwischen ihnen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft, soweit es sich auf dem Grundstück C 26 (Flurstück Nr. 148) befindet, der den Beteiligten zu 3) und 4) als Bestandteil der zwischen diesen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Trennlinie zwischen den beiden Wohnungseigentümergemeinschaften ist die gemeinsame, durch das Treppenhaus verlaufene Grundstücksgrenze.

b) Im Innenverhältnis der Gemeinschaften, also im Verhältnis zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und den Beteiligten zu 3) und 4) andererseits gelten in Bezug auf die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die hierfür anfallenden Kosten und Kostenquoten die Vorschriften des WEG, also die §§ 21, 16, 28 WEG.

c) Im Außenverhältnis hingegen, d.h. im Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft C 24 zu der Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 bestehen keine wechselseitigen Ansprüche auf Instandhaltung und Instandsetzung nach dem Wohnungseigentumsgesetz, weil es sich um getrennte Wohnungseigentümergemeinschaften handelt (eine Wohnungseigentümergemeinschaft auf zwei Grundstücken ist rechtlich auch nicht möglich). Es bestehen aber auch keine schuldrechtlichen Ansprüche, weil kein Vertrag zwischen den Beteiligten besteht, der eine gegenseitige Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung zum Gegenstand hat. Ein Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung besteht aber im Außenverhältnis nach sachenrechtlichen Grundsätzen aufgrund der gegenseitig eingeräumten und in den Wohnungsgrundbüchern eingetragenen Dienstbarkeiten. Nach der Entscheidung des BGH vom 12. November 2004 (-V ZR 42/04-; BGHZ 161, 115 = NJW 2005, 894) ist gemäß § 1020 Satz 2 BGB neben dem Eigentümer auch der Dienstbarkeitsberechtigte zur Unterhaltung und Instandsetzung einer der Ausübung der Dienstbarkeit unterliegenden Anlage (hier: die gemeinsame Treppenanlage) verpflichtet.

Vorliegend kommt man darüber hinaus über die Vorschriften über die gemeinschaftlichen Grenzanlagen nach §§ 921, 922 BGB zum selben Ergebnis. Denn bei dem Treppenhaus handelt es sich um eine Einrichtung, die von der Grenzlinie der beiden Grundstücke der Beteiligten (Flurstücke Nr. 147 und 148) geschnitten wird, dem objektiven Vorteil beider Grundstücke dient und mit Zustimmung der Beteiligten bzw. ihres Rechtsvorgängers geschaffen wurde (vgl. BGH NJW-RR 2001, 817 = NZM 2000, 106; BGHZ 154, 139 = NJW 2003, 1731; Palandt/Bassenge, 65. Aufl., § 921 Rn. 1). Die Beteiligten sind daher auch nach § 922 Satz 2 BGB zur Unterhaltung des gemeinschaftlichen Treppenhauses verpflichtet.

Die Höhe der anteiligen Erhaltungslast richtet sich nach den Maßstäben der auf Dienstbarkeiten entsprechend anwendbaren §§ 748, 742 BGB (BGHZ 161, 115 = NJW 2005, 894) bzw. § 922 Satz 2 BGB. Kostenschuldner sind insoweit die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft C 24 einerseits und die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 andererseits, da die hälftigen Treppenhäuser jeweils im Gemeinschaftseigentum dieser Eigentümer stehen.

d) Die zugunsten der Beteiligten wechselseitig eingeräumten Dienstbarkeiten an dem gemeinschaftlichen Treppenhaus sind wesentliche Bestandteile der beiden Grundstücke C 24 und 26 gemäß §§ 93, 94 Abs. 1, 96 BGB (vgl. BayObLGZ 2002, 372 = NJW-RR 2002, 451). Sie gehören daher zum gemeinschaftlichen Eigentum der Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und der Beteiligten zu 3) und 4) andererseits. Damit ist der geltend gemachte Anspruch gegen die Beteiligten zu 3) und 4) zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der aus den Beteiligten zu 1) und 2) gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft zu rechnen, die nach § 21 Abs. 1 WEG den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich (einstimmig oder mit Stimmenmehrheit, § 21 Abs. 3 WEG) zusteht. Einen zur gemeinschaftlichen Verwaltung gehörenden Anspruch können nicht einzelne Wohnungseigentümer geltend machen, sondern nach der neuen Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061) nur der teilrechtsfähige Verband, hier also die Wohnungseigentümergemeinschaft der Anlage C 24.

Die Antragsteller konnten auch nicht die Beteiligten zu 2) mit den gestellten Anträgen gerichtlich in Anspruch nehmen. Vielmehr waren sie gehalten, zunächst innerhalb ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss über die Reparatur der Treppe und die Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 herbeizuführen, den sie gegebenenfalls gerichtlich im Verfahren nach §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 4 WEG anfechten können. Erst wenn bestandskräftig durch Mehrheitsbeschluss oder Gerichtsbeschluss feststeht, dass die Treppe zu sanieren ist und die Gemeinschaft C 24 die Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 gerichtlich in Anspruch nehmen soll, kann diese Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich vor dem Prozessgericht verklagt werden.

Da der Antrag unzulässig ist, entspricht es der Billigkeit, die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde den Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, § 47 Satz 1 WEG. Hingegen besteht vor dem Hintergrund, dass die Frage der rechtlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander und insbesondere ihre gegenseitigen Verpflichtung zur Unterhaltung des Treppenhauses unter den Beteiligten unklar war, kein Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, § 47 Satz 2 WEG. Aus diesen Gründen sind die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen nicht zu beanstanden.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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