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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 15 Wx 110/08
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 19
FGG § 68 Abs. 1 Satz 1
FGG § 68 Abs. 2
FGG § 69g Abs. 5 Satz 1
FGG § 69g Abs. 5 Satz 3
FGG § 70g Abs. 3 S. 2
FGG § 70m Abs. 3
BGB § 1906 Abs. 1
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1906 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird klarstellend insoweit aufgehoben, als die sofortige erste Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen worden ist.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 03.03.2008 wird dahin klarstellend berichtigt, dass die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung angeordnet ist.

Gründe:

I.

Die Betroffene leidet nach den fachärztlichen Stellungnahmen an einer langjährigen Alkohol - und Seditivaabhängigkeit, einem frontalen Hirnschaden und einer durch das Zusammentreffen des frontalen Hirnschadens sowie des langjährigen Alkoholabusus entstandenen Persönlichkeitsstörung.

Seit September 2005 musste die Betroffene 13 - mal in der LWL - Klinik M - Psychiatrie, Psychotherapie sowie Psychosomatik - vorwiegend wegen der Suchterkrankung und Persönlichkeitsstörung behandelt werden.

Auf Anregung des sie in dem Klinikum behandelnden Arztes Dr. L2 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 17.12.2007 zunächst vorläufig und mit Beschluss vom 26.01.2008 abschließend die Beteiligte zu 2) zur Betreuerin der Betroffenen u.a. mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge bestellt.

Die Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 21.12.2007 gestützt auf eine ärztliche Stellungnahme des Stationsarztes Dr. L2 vom 20.12.2007 zunächst die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen in der LWL - Klinik M für die Dauer von 6 Wochen beantragt, um eine dauerhafte Behandlung der Betroffenen zu sichern. Hintergrund war, dass es trotz mehrfacher Behandlungen immer wieder zu Rückfällen bei der Betroffenen kam. Diesem Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.12.2007 im Wege einer einstweiligen Anordnung für die Dauer bis längstens 01.02.2008 stattgegeben.

Im Hinblick auf eine beabsichtigte Therapiemaßnahme im Haus S in X - suchtrehabilitative Einrichtung - hat die Beteiligte zu 2) am 21.01.2008 eine Genehmigung der geschlossenen Unterbringung für ein Jahr beantragt. Mit Beschluss vom 23.01.2008 hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 4) als Verfahrenspfleger bestellt. Nach persönlicher Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.01.2008 zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung befristet bis zum 08.03.2008 die geschlossene Unterbringung der Betroffenen in der LWL - Klinik in M und dem Haus S in X genehmigt.

Da in der Folgezeit die Betreuerin von einer Therapie im Haus S Abstand genommen hat, hat das Amtsgericht ohne Anhörung der Betroffenen auf Antrag der Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 15.02.2008 auch die Unterbringung in dem LWL - Wohnverbund X genehmigt. Im Unterschied zum Haus S werden in dieser Einrichtung vor allem psychisch Kranke und Behinderte betreut.

Nachdem das Vormundschaftsgericht ein Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie Dr. med. S1 Q eingeholt und in Abwesenheit des Verfahrenspflegers die Betroffene am 27.02.2008 angehört hatte, hat es mit Beschluss vom 03.03.2008 längstens bis zum 02.03.2009 die geschlossene Unterbringung der Betroffenen im LWL - Wohnverbund X oder in einer anderen vergleichbaren Einrichtung genehmigt.

Mit einem Schreiben vom 05.03.2008 hat sich der Beteiligte zu 3) gegen den Beschluss gewandt, soweit die Unterbringung im LWL - Klinikum X genehmigt wurde. Das Amtsgericht hat dieses Schreiben als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 03.03.2008 aufgefasst und die Sache dem Landgericht vorgelegt.

Das Landgericht ist von Beschwerden der Betroffenen und des Beteiligten zu 3) ausgegangen und hat mit Beschluss vom 07.03.2008 ohne persönliche Anhörung der Betroffenen beide Beschwerden zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 07.03.2008, eingegangen beim Amtsgericht am 11.03.2008, hat nunmehr auch die Betroffene gegen die amtsgerichtliche Entscheidung sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie gerügt hat, dass die Unterbringung in dem LWL - Wohnverbund X ungeeignet sei. Zugleich hat sie beantragt, den Beteiligten zu 3) anstelle der Beteiligten zu 2) zum Betreuer zu bestellen.

Gegen die die sofortige Beschwerde der Betroffenen zurückweisende landgerichtliche Entscheidung vom 07.03.2008 richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 25.03.2008 eingelegte Beschwerde der Betroffenen, mit der sie vor allem die Ungeeignetheit der derzeitigen Unterbringung geltend macht und einen Wechsel des Betreuers erstrebt.

II.

Die Beschwerde ist nach den § 19 FGG zulässig. Es handelt sich hier nicht um eine weitere, sondern um eine erste Beschwerde der Betroffenen. Die Beschwerdebefugnis der Betroffenen folgt daraus, dass das Landgericht durch Zurückweisung des Rechtsmittels eine sachliche Entscheidung über eine sofortige erste Beschwerde getroffen hat, die diese zu diesem Zeitpunkt nicht eingelegt hatte. Entgegen der Auffassung der Kammer lässt sich aus dem von der Betroffenen unterzeichneten, beim Amtsgericht am 04.03.2008 eingegangenen Schreiben vom 29.02.2008 eine Beschwerdeerklärung nicht ableiten. Dieses Schreiben nimmt nämlich lediglich inhaltlich Bezug auf die am 27.02.2008 durchgeführte Anhörung und die zu deren Ende angekündigte Beschlussfassung des Amtsgerichts. Erlassen wurde der Beschluss des Amtsgerichts jedoch lediglich in schriftlicher Form mit Datum vom 03.03.2008 und seiner am selben Tag veranlassten Herausgabe zum Zweck der Bekanntgabe an die Beteiligten. Die Erklärung der Betroffenen vom 29.02.2008 lässt bereits inhaltlich nicht den Willen erkennen, die Entscheidung des Amtsgerichts zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht zu stellen. Eine weitergehende Auslegung verbietet sich hier bereits deshalb, weil zu einem Zeitpunkt vor Erlass der Entscheidung ein Rechtsmittel wirksam ohnehin nicht eingelegt werden kann (vgl. Keidel/Kahl, FG 15. Aufl., § 19, Rdnr. 51 m.w.N.). Das Fehlen einer wirksamen Beschwerdeeinlegung der Betroffenen führt nach anerkannter Auffassung dazu, dass die Sachentscheidung, die das Landgericht über das Rechtsmittel getroffen hat, unwirksam ist (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 671; KG Rpfleger 1982, 304). An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass die Betroffene nachträglich mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11.03.1008 bei dem Amtsgericht ausdrücklich sofortige Beschwerde gegen dessen Beschluss vom 03.03.2008 eingelegt hat. Denn dieser ergänzende Schriftsatz, der bei dem Landgericht erst am 14.03.2008 eingegangen ist, ist nicht Grundlage des hier zu überprüfenden Beschlusses des Landgerichts vom 07.03.2008, der bereits am 11.03.2008 zur Bekanntmachung herausgegebenen worden ist. Eine wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung nicht lediglich anfechtbare, sondern unwirksame Entscheidung kann nicht durch den späteren Eintritt dieser Verfahrensvoraussetzung nachträglich wirksam werden.

Gleichwohl ist die Betroffene beschwerdebefugt. Diese Beschwerdebefugnis ergibt sich hier bereits aufgrund des durch die landgerichtliche Entscheidung gesetzten Rechtsscheins. Auch derjenige darf eine Beschwerde einlegen, gegen den sich die zweitinstanzliche Entscheidung richtet, obwohl er - wie hier die Betroffene - nicht an dem zweitinstanzlichen Verfahren als Beschwerdeführer beteiligt war. Es muss nämlich jedem, der durch eine unrichtige Annahme in einer gerichtlichen Entscheidung betroffen ist, das Recht eingeräumt werden, denjenigen Rechtsbehelf geltend zu machen, der zur Beseitigung der gerichtlichen Entscheidung gegeben ist (Vgl. BayObLG FamRZ 1977, 144, 147; Keidel - Kahl, FG, 15. Aufl. § 20 Rn. 14; für die GBO: OLG Frankfurt NJW - RR 1996, 1168). Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist deshalb das Rechtsmittel der Beschwerde (§ 19 FGG) gegeben. Insbesondere handelt es sich nicht um eine (sofortige) weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1 FGG), weil eine instanzabschließende Entscheidung des Landgerichts über eine (sofortige) erste Beschwerde der Betroffenen gerade nicht vorliegt (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 671; KG Rpfleger 1982, 304).

Der Senat hat daher mit lediglich klarstellender Wirkung die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben, soweit durch sie die (vermeintlich eingelegte) sofortige erste Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen worden ist. Zugleich war die Sache an das Landgericht zur Entscheidung auf die zwischenzeitlich eingelegte sofortige erste Beschwerde der Betroffenen zurückzuverweisen.

Für die erneute Sachentscheidung weist der Senat daraufhin, dass die bisherige Behandlung der Sache durch das Landgericht verfahrensrechtlich nicht unbedenklich ist und in der Sache zudem weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich erscheinen.

Das Landgericht hat sich bei der Genehmigung der Unterbringung auf die §§ 1906 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB gestützt. Nach § 1906 Abs. 1 BGB darf der Betreuer den Betroffenen freiheitsentziehend nur dann unterbringen, wenn ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht und das Vormundschaftsgericht die Unterbringung genehmigt. Dieses erteilt die Genehmigung, solange sie zum Wohle des Betroffenen erforderlich ist, weil eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, der ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann (Nr. 2 der Vorschrift). Letztere Voraussetzung ist dahin zu verstehen, dass es nicht primär um die Einsicht in die Notwendigkeit der Unterbringung, sondern um die Einsicht in die Notwendigkeit einer nur durch die Unterbringung möglichen Heilbehandlung geht. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Unterbringung wegen geistig- seelischer Defizite eines Betroffenen erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2006, 1277 ff; BayObLG BtPrax 1996, 28; OLG Düsseldorf BtPrax 1995, 29, 30). Der nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorausgesetzte Ausschluss der Einsichtsfähigkeit des Betroffenen ist gleichzusetzen mit dem Ausschluss seiner Fähigkeit zur freien Willensbestimmung, die jede betreuungsrechtliche Maßnahme gegen den natürlichen Willen des Betroffenen voraussetzt (vgl. BayObLG NJWRR 1998, 1014, 1015; BayObLGZ 1993, 18). Des weiteren ist die Erforderlichkeit der Unterbringung der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf (BVerfG NJW 1998, 1774, 1775; OLG München FamRZ 2006, 63; BayObLG FamRZ 2002, 908).

Das Landgericht hat hierzu auf der Grundlage des Gutachtens der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Q angenommen, dass die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben seien. In diesem Zusammenhang hat es festgestellt, dass bei der Betroffenen eine langjährige Alkoholabhängigkeit, eine organische Persönlichkeitsstörung und ein ausgeprägter frontaler Hirnschaden bestehe. Durch eine absolute Alkoholabstinenz wäre es u.U. möglich, das hirnorganische Psychosyndrom noch zu bessern. Es sei daher erforderlich, dass eine längerfristige Alkoholabstinenz eingehalten werde.

Diese Feststellungen bleiben indessen sehr allgemein gehalten und könnten ihrer Formulierung nach für diejenige Vielzahl von Alkoholikern zutreffen, dessen Alkoholismus bereits zu einem hirnorganischen Psychosyndrom geführt hat. Diese Feststellungen bedürfen deshalb unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einer weiteren auf die Umstände in der Person der Betroffenen zugeschnittenen Konkretisierung (§ 12 FGG), um eine geschlossene Unterbringung über einen Zeitraum von einem Jahr rechtfertigen zu können. Die Unterbringungsgenehmigung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darf - wie bereits ausgeführt - nur zweckgebunden im Hinblick auf eine Heilbehandlung erteilt werden. Das Amtsgericht hat eine Genehmigung zur Unterbringung der Betroffenen in einer psychiatrischen Fachklinik erteilt. Folglich müssen in der Begründung der gerichtlichen Entscheidung nähere Feststellungen dazu getroffen werden, welches Therapiekonzept mit den in dieser Klinik angewandten Behandlungsmethoden verfolgt wird und welcher Behandlungserfolg nach medizinischen Erfahrungswerten in der einjährigen Unterbringungszeit ggf. erwartet werden kann. Die Begründung der gerichtlichen Entscheidung muss die im Einzelfall bestehende therapeutische Indikation feststellen und eine konkrete Abwägung des möglichen therapeutischen Nutzens der Behandlung gegen die Gesundheitsschäden treffen, die ohne die Behandlung entstehen würden (BGH NJW 2006, 1277). Die auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. Q gestützte Feststellung des Landgerichts, die Gewährleistung einer Alkoholabstinenz der Betroffenen könne möglicherweise zu einer Besserung des bei ihr bestehenden hirnorganischen Psychosyndroms führen, erscheint aus der Sicht des Senats zu allgemein gehalten, weil sie dahin missverstanden werden kann, die Heilbehandlung beschränke sich auf die durch die Freiheitsentziehung gewährleistete Alkoholabstinenz der Betroffenen. Eine Freiheitsentziehung, deren Hauptzweck nur darin bestünde, die Betroffene vom weiteren Alkoholmissbrauch auszuschließen, könnte allenfalls nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen akuter Eigengefährdung der Betroffenen gerechtfertigt werden, die dann aber bereits lebensbedrohlich sein müsste.

Die abschließende Sachentscheidung kann also nicht getroffen werden ohne Einholung des Sachverständigengutachtens eines Facharztes, der in der Klinik die Verantwortung für die Therapie der Betroffenen trägt. Dessen Gutachten wird sich auch auf die aus den genannten Gründen notwendige Beurteilung einer Eigengefährdung der Betroffenen für den Fall des Unterbleibens der Unterbringung zu erstrecken haben. Der drohende Gesundheitsschaden muss so gewichtig sein, dass er den mit der beabsichtigten Unterbringungsmaßnahme verbundenen Freiheitseingriff zu rechtfertigen vermag (BGH a.a.O.). Diese Abwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände in der Person der Betroffenen muss im Mittelpunkt der gerichtlichen Entscheidung stehen. Aus der Sicht des Senats kann auch eine langfristige geschlossene Unterbringung ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn die beabsichtigte Therapie greifbare Aussichten auf einen Behandlungserfolg verspricht, ein zu erwartendes Fortschreiten des Alkoholismus gegenwärtige, schwerste Gesundheitsgefahren für die Betroffene mit sich bringt und die langfristige Behandlung unter den Bedingungen einer geschlossenen Unterbringung das letzte verfügbare Mittel ist, um einer lebensbedrohlichen Entwicklung für die Betroffene entgegenzuwirken.

Keine hinreichenden Feststellungen hat das Landgericht bislang auch dazu getroffen, ob die Betroffene ihren Willen bezüglich der Unterbringung zur Heilbehandlung - hier also einer Alkoholentzugstherapie - nicht frei bestimmen kann. Diese Feststellungen sind auf der Grundlage des Gutachtens der Dr. med. Q auch nicht möglich. Insoweit ergibt sich aus der Begutachtung, dass die Betroffene ihre Erkrankung bagatellisiere und sie dadurch nicht genügend krankheits - und behandlungseinsichtig sei. Der Sachverständigen Dr. Q ist mit dem ihr erteilten Gutachterauftrag die Beweisfrage nach einem Ausschluss der freien Willensbestimmung der Betroffenen nicht gestellt worden. Deshalb kann aus ihren vorstehend wiedergegebenen Ausführungen, die sich auf die Feststellung einer Beeinträchtigung der Krankheits- und Behandlungseinsicht bei der Betroffenen beschränken, nicht ohne Ergänzung der gutachterlichen Bewertung der Schluss auf einen Ausschluss der freien Willensbestimmung gezogen werden.

In verfahrensrechtlich bedenklicher Weise hat das Landgericht davon abgesehen, die Betroffene erneut persönlich anzuhören. Nach den §§ 70m Abs. 3, 69g Abs. 5 Satz 1 FGG gelten für das Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend, somit auch § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG, wonach das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen hat. Von der nach den genannten Vorschriften vorgeschriebenen und auch nach dem Gesetzeswortlaut zwingenden mündlichen Anhörung des Betroffenen kann nur unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 FGG, die nach Lage des Falles offensichtlich nicht vorliegen, oder des § 69g Abs. 5 Satz 3 FGG abgesehen werden (Senat in BtPrax 1999, 239). Nach der zuletzt genannten Vorschrift kann von den Verfahrenshandlungen abgesehen werden, die bereits im ersten Rechtszuge vorgenommen worden sind, wenn von ihnen keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Erforderlich ist die wiederholte Anhörung aber dann, wenn die Sitzungsniederschrift des Vormundschaftsgerichts oder die Beschlussgründe den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen nicht ausreichend vermitteln, das Vormundschaftsgericht den Betroffenen verfahrenswidrig angehört hat oder die Anhörung schon längere Zeit zurückliegt (vgl. OLG München BtPrax 2006, 151; BayObLG FamRZ 2001, 1646; Senat a.a.O.; Keidel -Kayser, FG, 15. Aufl., § 69g Rdnr 29). Insoweit fällt bei der amtsgerichtlichen Anhörung auf, dass der bereits bestellte Verfahrenspfleger nicht zu dem Termin geladen wurde. Dies war nach Lage des Falles verfahrensfehlerhaft, weil es aufgrund des Gutachtens der Fachärztin Dr. Q nahe lag, dass die Betroffene an einem Hirnschaden leidet, so dass sie ihre eigenen Interessen nicht sachgerecht wahrnehmen konnte, insbesondere nicht ausreichend ihre Vorstellung über die von der Gutachterin als notwendig erachtete Behandlung der Alkoholabhängigkeit. In einer solchen Situation musste das Amtsgericht durch Ladung eines Verfahrenspflegers zum Anhörungstermin sicherstellen, dass die Interessen des Betroffenen von dem Pfleger auch effektiv wahrgenommen werden konnten und so der Grundsatz der Wahrung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs. 1 GG) verwirklicht wurde.

Hinzu kommt, dass es sich bei der Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme für den Zeitraum eines Jahres um einen besonders schweren Eingriff in das Grundrecht der Freiheit einer Person (Art 2 Abs. 2 Satz 2 GG) handelt (BGH NJW 2006, 1277f). Nach der Rechtsprechung des Senats (so z.B. Beschluss vom 04.04.2006 - 15 W 104/06 = 6 T 179/06 LG Arnsberg) sind die Anforderungen an ein Absehen von der Anhörung umso strenger, je schwerwiegender der genehmigte Eingriff ist, je länger der genehmigte Unterbringungszeitraum ist. Diesen Anforderungen genügt eine lediglich formelhafte Begründung für die vermeintliche Entbehrlichkeit einer erneuten Anhörung bei einer Unterbringungsdauer von einem Jahr nicht. Die Anhörung dient in diesem Zusammenhang nicht nur der Gewährung des rechtlichen Gehörs, sondern soll dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck von der Betroffenen und ihrer Erkrankung verschaffen und es in die Lage versetzen, seine Kontrollfunktion gegenüber Gutachtern und Zeugen wahrzunehmen (Senat FGPrax 2008, 43; FGPrax 2001, 212, 13; OLGR München 2006, 113; OLG Karlsruhe NJW - RR 2000, 1172, 1173).

Mit der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht hat der Senat gleichzeitig eine Berichtigung der Genehmigungsentscheidung des Amtsgerichts vom 03.03.2008 vorgenommen. Die Auslegung der Entscheidung des Amtsgerichts ergibt, das dieses eine Anordnung hat treffen wollen, die eine sofortige Fortdauer der Behandlung der Betroffenen im Anschluss an die bisher genehmigte Unterbringungsdauer sicherstellen sollte. So haben auch die Beteiligten erkennbar die Entscheidung des Amtsgerichts verstanden. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass das Amtsgericht in der Sache auch formell diejenige Anordnung hat treffen wollen, die zur Gewährleistung der Fortdauer der geschlossenen Unterbringung verfahrensrechtlich erforderlich war. Dazu gehört nach § 70g Abs. 3 S. 2 FGG die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung. Gegenstand einer Berichtigung der Entscheidung kann auch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung sein (BayObLG BtPrax 2002, 39, 40). Die Berichtigung kann auch durch das Rechtsmittelgericht vorgenommen werden (BGHZ 106, 370, 373; Keidel/Schmidt, a.a.O., § 18 Rdnr. 61).

Ende der Entscheidung

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