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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: 15 Wx 283/08
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 27
FGG § 29
FGG § 70 g Abs. 3
FGG § 70 h Abs. 1
FGG § 70 e Abs. 1 Satz 1
FGG § 70 m Abs. 1
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1906 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Bestellung von Rechtsanwältin X zur Verfahrenspflegerin wird aufgehoben, nachdem der Betroffene nunmehr (wieder) anwaltlich vertreten ist.

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 18.07.2008 werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen T die geschlossene Unterbringung des Betroffenen zum Zwecke der medikamentösen Behandlung bis zum 17.01.2009 genehmigt, ohne die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anzuordnen. Zuvor hatte es den Betroffenen persönlich angehört und ihm eine anwaltliche Verfahrenspflegerin bestellt. Das Sachverständigengutachten war dem Betroffenen zuvor nicht bzw. nur in Auszügen bekannt gemacht worden, da die Sachverständige von einer Bekanntgabe vor einer Besserung seines Gesundheitszustandes abgeraten hatte.

Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde einlegen lassen. Nachdem sein Verfahrensbevollmächtigter das Mandat niedergelegte hatte, hat der Betroffene das Rechtsmittel selbst begründet. Parallel hierzu hat die Kammer die Verfahrenspflegerin angehört.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, ohne den Betroffenen nochmals persönlich anzuhören. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die er durch Schriftsatz seiner neuen Verfahrensbevollmächtigten hat einlegen lassen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 70 m Abs. 1, 70 h Abs. 1, 70 g Abs. 3, 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Betroffenen ausgegangen. Die Sachentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand.

Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Der Ausschluss der Einsichtsfähigkeit muss sich auf die Notwendigkeit der nur durch die Unterbringung möglichen Heilbehandlung beziehen (BayObLG BtPrax 1996, 28, 29; FamRZ 1999, 1304; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118). Der nach § 1906 Abs. 1 S. 2 BGB vorausgesetzte Ausschluss der Einsichtsfähigkeit des Betroffenen ist gleichzusetzen mit dem Ausschluss seiner Fähigkeit zur freien Willensbestimmung, die jede betreuungsrechtliche Maßnahme gegen den natürlichen Willen des Betroffenen voraussetzt (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 1014, 1015).

Von diesen rechtlichen Grundsätzen ist das Landgericht im Grundsatz auch ausgegangen. Die Auffassung des Betroffenen, er könne mangels "Fremd- oder Eigengefährdung" nicht geschlossen untergebracht werden, geht fehl. Es geht vorliegend nämlich nicht um eine Unterbringung nach dem PsychKG oder § 1906 Abs.1 Nr.1 BGB, bei denen eine Eigengefährdung eine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung für die Unterbringung ist, sondern um eine solche zum Zwecke der Behandlung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die von dem Betroffenen angeführte Entscheidung des BVerfG betrifft eine vorläufige Unterbringung (gemäß § 1906 Abs.1 Nr.2 BGB). Soweit dort allerdings eine Fremd- oder Eigengefährdung erörtert wird, betreffen diese Ausführungen die Prüfung der Eilbedürftigkeit. Zu der Frage, inwieweit dieser Aspekt auch bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung Bedeutung erlangt vgl. weiter unten.

Zu den Unterbringungsvoraussetzungen hat das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht mit näheren Ausführungen Folgendes festgestellt:

Der Betroffene leide an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung, nämlich einer schizophrenen Psychose. Die notwendige Heilbehandlung könne ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden, da dem Betroffenen jede Krankheitseinsicht und damit jede Behandlungsbereitschaft fehle. Die zwangsweise Unterbringung sei auch notwendig und verhältnismäßig, da bereits eine deutliche Verschlechterung der Erkrankung zu verzeichnen sei und bei einem unbehandelten Fortschreiten eine zunehmende Persönlichkeitsdeformation mit einer noch zunehmenden, erheblichen Verschlechterung der bereits jetzt erheblich reduzierten Lebensqualität drohe.

Diese tatsächliche Würdigung stützt sich auf das Gutachten der Sachverständigen T, die Gutachten der beiden zuvor im Rahmen des Betreuungsverfahrens tätigen Sachverständigen, die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht sowie die Stellungnahme der Betreuungsbehörde. Der Senat kann zwar die innere Schlüssigkeit der Annahmen der Vorinstanzen soweit es um das Vorliegen einer die freie Willensbildung ausschließenden Erkrankung geht, insbesondere auch unter Berücksichtigung der eigenen Schreiben und Eingaben des Betroffenen, nachvollziehen, gleichwohl beruhen die Feststellungen der Vorinstanzen auf einer verfahrensfehlerhaften Grundlage, nämlich einem Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 12 FGG) und -soweit das Verfahren des Landgerichts betroffen ist- die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen (§§ 70m Abs.3, 69g Abs.5 FGG).

Im Einzelnen gilt insoweit das Folgende:

Die Behauptung des Betroffenen, er sei über die Bestellung der Sachverständigen T nicht informiert worden, kann dahinstehen. Das Amtsgericht hat den Bestellungsbeschluss nach Aktenlage an den Betroffenen abgeschickt. Sollte er den Beschluss nicht erhalten haben, könnte es hierauf nur dann ankommen, wenn er bei rechtzeitiger Information wesentliche Einwendungen gegen die Person der Sachverständigen vorgebracht hätte. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann effektiv verletzt, wenn ein Informationsmangel dem Betroffenen relevanten Sachvortrag abgeschnitten hat. Hierzu trägt er jedoch nichts vor.

Die Rüge des Betroffenen, die Sachverständige habe ihr Gutachten ohne eine hinreichende persönliche Untersuchung oder Befragung im Sinne des § 70e Abs.1 Satz 1 FGG erstellt, greift nicht durch. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass nach dem Gesetzeszweck keine allgemein gültigen Anforderungen an die Art und Weise der psychiatrischen Untersuchung/Befragung gestellt werden können. § 70e Abs.1 Satz 1 FGG soll als besondere Ausprägung des Amtsermittlungsgrundsatzes einerseits eine hinreichende fachliche Begutachtung sicherstellen und andererseits abstrakt gehaltene Gutachten "nach Aktenlage" ausschließen. Dementsprechend ist zunächst jedenfalls ein persönlicher Kontakt zwischen dem Sachverständigen und eine wie auch immer geartete Kommunikation erforderlich, die unter medizinisch-fachlichen Gesichtspunkten nach Lage des Einzelfalles eine fundierte Aussage ermöglicht. Aus der mit der sofortigen weiteren Beschwerde angeführten obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Köln FamRZ 1999, 873; 2001, 310; OLGR 2005, 271; BayObLG FamRZ 1995, 1082) ergibt sich nichts anderes, da dort Fälle beurteilt wurden, in denen die Sachverständigen aufgrund der Art des persönlichen Kontakts die Aussagekraft ihrer eigenen Schlussfolgerungen jeweils in Frage gestellt, insbesondere bloße Verdachtsdiagnosen gestellt hatten. Meint der Sachverständige hingegen, aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles genüge eine auch ungewöhnliche Untersuchungssituation für eine fundierte Beurteilung, so ist das Gutachten durch das Gericht nicht schon aus Rechtsgründen zu verwerfen, sondern allein in tatsächlicher Hinsicht kritisch zu überprüfen.

Gemessen hieran ist das Vorgehen der Sachverständigen nicht zu beanstanden. Das Aufsuchen der Familie des Betroffenen und des Betroffenen selbst war in besonderem Maße geeignet, der Sachverständigen ein unmittelbares Bild von der Lebenssituation des Betroffenen zu vermitteln. Dass die Sachverständige sich mit der verbalen Ablehnung einer Untersuchung durch den Betroffenen nicht zufrieden gegeben, sondern versucht hat, ihn gleichwohl in ein Untersuchungsgespräch zu verwickeln, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn aus den Vorgutachten war die ambivalente Haltung des Betroffenen, die auch das gerichtliche Verfahren wie ein roter Faden durchzieht, bekannt, so dass ein Meinungsumschwung auf Seiten des Betroffenen durchaus im Bereich des Möglichen lag.

Insgesamt war der persönliche Kontakt geeignet, der Sachverständigen einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und seinen Lebensumständen zu vermitteln. Die notwendige Befragung des Betroffenen hat sodann in dem Telefonat am 25.01.2008 stattgefunden.

Auf sich beruhen kann auch die Rüge der weiteren Beschwerde, das Gutachten sei dem Betroffenen durch die Vorinstanzen nicht (vollständig) zur Kenntnis gegeben worden. Tatsächlich hat der Betroffene im Laufe des Erstbeschwerdeverfahrens eine vollständige Kopie des Gutachtens erhalten und konnte daher objektiv dazu Stellung nehmen. Von daher bemerkt der Senat nur vorsorglich, dass für die Kammer Anlass bestanden hätte, von der Sachverständigen eine nähere Begründung für ihre Empfehlung, von einer Bekanntgabe abzusehen, anzufordern.

Auf einer ungenügenden Sachaufklärung beruhen die Entscheidungen der Vorinstanzen jedoch insoweit, als sie sich auch hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit mit den bisher getroffenen Feststellungen der Sachverständigen begnügt haben.

Die mit der Behandlungsnotwendigkeit der Anlasserkrankung begründete medizinische Unterbringung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht an die engeren Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB - Suizidgefahr, erhebliche Gesundheitsbeschädigung - gebunden( vgl. oben), weshalb dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als notwendigem Korrektiv für die Eingriffe in das Freiheitsrecht des Betroffenen besondere Bedeutung zukommt (vgl. hierzu und zum Folgenden BGH NJW 2006, 1277). Der drohende Gesundheitsschaden muss danach so gewichtig sein, dass er den mit der beabsichtigten Unterbringungsmaßnahme verbundenen Freiheitseingriff zu rechtfertigen vermag. Für den Bereich einer neuroleptischen Medikation als notwendiger Heilbehandlung muss dabei in jedem Einzelfall eine therapeutische Indikation bestehen und der mögliche therapeutische Nutzen der Behandlung gegen die Gesundheitsschäden abgewogen werden, die ohne die Behandlung entstehen würden. Insoweit kann daher auch die Unterbringung nach § 1906 Abs.1 Nr.2 BGB nicht unabhängig von dem Gesichtspunkt einer Eigengefährdung beurteilt werden, hier jedoch nicht im Sinne drohender Selbsttötung oder Selbstverletzung, sondern im Sinne der drohenden Folgen eines Unterlassens der notwendigen Behandlung.

Es liegt auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen ist, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen verbunden werden muss und soll, was hier der Fall sein dürfte. Dies folgt schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen sind. Bei der Prüfung, ob eine sechsmonatige Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspricht, sind an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen sein.

Die Sachverständige hat hierzu Folgendes ausgeführt:

Die geschilderte psychotische Symptomatik sei dringend behandlungsbedürftig, um einer weiteren Chronifizierung und zunehmenden Residualsymptomatik mit Persönlichkeitsdeformität entgegen zu wirken, Impulsdurchbrüche mit nicht ausschließbarer akuter Eigen- und Fremdgefährdung, weitere Verluste in persönlicher, sozialer, beruflicher, familiärer und finanzieller Hinsicht und Einschränkungen der Lebensqualität möglichst zu vermeiden, aber auch um die Belastungen der Familie, insbes. der herzinfarktgefährdeten, deutlich depressiven Mutter zu lindern bzw. diese zu entlasten.

Diese Ausführungen sind nicht hinreichend, um aus ihnen in tatsächlicher Hinsicht eine ausreichende Grundlage für die soeben beschriebene, strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu gewinnen. Die Belastung der Familienangehörigen des Betroffenen, so schlimm und bedauerlich sie sein mag, kann nicht Maßstab der Entscheidung sein, da § 1906 Abs.1 Nr.2 BGB allein dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dient. Die Gefahr von Impulsdurchbrüchen ist bei einer nicht behandelten Psychose nie sicher auszuschließen. Anhaltspunkte, dass diese Gefahr hier über die abstrakte Möglichkeit hinausgeht, vermag der Senat dem Gutachten und dem weiteren Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Auch soweit die Sachverständige hier, wie an anderen Stellen des Gutachtens, auf den Gesundheitszustand des Betroffenen eingeht, bleibt dies aus Sicht des Senats zu abstrakt, als dass sich hiermit eine langfristige Unterbringung mit einer -jedenfalls zeitweisen- zwangsweisen Behandlung rechtfertigen ließe. Nach den oben dargelegten Grundsätzen muss das Gericht vor der Genehmigung einer längerfristigen Unterbringung auf der einen Seite konkrete Feststellungen hinsichtlich der gegenwärtigen Beeinträchtigungen des Betroffenen sowie der zu erwartenden weiteren Schäden und auf der anderen Seite hinsichtlich der Behandlungsaussichten im Sinne des mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Besserungszustandes treffen. Nur so lässt sich überhaupt prüfen, ob der Grad der zu erwartenden Verbesserung den schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen rechtfertigen kann.

Die Beschreibung der gegenwärtigen Beeinträchtigungen des Betroffenen mag dabei gerade noch ausreichen, wobei allerdings zu bemerken ist, dass der Betroffene einen Teil der von der Sachverständigen zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen bestritten hatte. Zu wenig konkret bleibt hingegen die Prognose hinsichtlich einer drohenden Verschlechterung. Insoweit besteht hier die Besonderheit, dass der von der Sachverständigen beschriebene Verlust an sozialer und lebenspraktischer Kompetenz durch das Elternhaus und den Betreuer zu einem erheblichen Teil kompensiert werden konnte. Die bei einer Psychose häufiger anzutreffenden Beeinträchtigungen in Dingen der grundlegenden Versorgung treffen auf den vorliegenden Fall -jedenfalls bislang- nicht zu. Es hätte daher einer konkreten Beschreibung der zu erwartenden Krankheitsfolgen bei einem unbehandelten Verlauf und deren Auswirkungen auf die tatsächliche Lebensgestaltung des Betroffenen bedurft.

Ebenfalls zu wenig konkret erscheint dem Senat die Beschreibung der möglichen Behandlung und der Erfolgsaussichten. Nach Maßgabe der o.a. Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist für eine auf eine Zwangsbehandlung hinauslaufenden Unterbringungsgenehmigung zumindest der Rahmen festzustellen, in welchem sich die ärztliche Behandlung bewegen soll. Die Feststellung, dass eine neuroleptische Medikation erforderlich sei, ist insoweit unzureichend. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten ist zwar nachvollziehbar, dass die Sachverständige mangels Erfahrungswerten aus Vorbehandlungen keine Prognose hinsichtlich des individuellen Therapieerfolges abgeben kann, es bedarf aber zumindest der Feststellung, welcher Therapieerfolg nach allgemeinen Erfahrungswerten mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Unter Therapieerfolg ist dabei die konkrete Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen oder (vgl. oben) die Vermeidung konkret drohender Verschlechterungen zu verstehen.

Der Senat kann der verfahrensrechtlichen Beurteilung des Landgerichts nicht folgen, eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei entbehrlich gewesen, weil von ihr für die Entscheidung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten gewesen seien. Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer langfristigen - hier halbjährlichen - Unterbringung, die erkennbar zusätzlich mit einer Zwangsmedikation verbunden werden soll, muss die persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen berücksichtigen und kann verantwortlich nur getroffen werden, wenn die Kammer sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft hat.

Mag die Verhältnismäßigkeit der genehmigten Unterbringung danach auch nicht feststehen, so ist die Sache doch noch nicht zur abschließenden Entscheidung reif. Der Senat ist zwar aufgrund des Rechtsfehlers der landgerichtlichen Entscheidung zu einer eigenständigen Würdigung des Tatsachenstoffes berechtigt. Allerdings ergeben sich aus den bisher eingeholten Gutachten und dem weiteren Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte dafür, dass ein unbehandeltes Fortschreiten der Krankheit zu weiteren Beeinträchtigungen des Betroffenen führen wird. Neben einer Verschlechterung des psychotischen Krankheitsbildes, die nach den bisherigen Ausführungen der Sachverständigen naheliegend, allerdings nicht hinreichend konkret beschrieben ist, ist auch die bislang noch nicht abschließend geklärte Frage einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und deren negative Beeinflussung durch die Folgen der Psychose genauer aufzuklären. Die Vorinstanzen hätten die Sachverständige daher zu einer konkretisierenden Ergänzung ihres Gutachtens veranlassen müssen. In diesem Rahmen hätte das Landgericht zugleich die Möglichkeit gehabt, den Einwendungen des Betroffenen hinsichtlich der von der Sachverständigen zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen weiter nachzugehen. Der Hinweis der Kammer auf die ihr bekannte Zuverlässigkeit der Sachverständigen ist als Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung nämlich nur insoweit tragfähig, als es um Tatsachen geht, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Sachverständigen waren. Soweit ein Sachverständiger hingegen Tatsachen verwertet, die ihm von dritter Seite mitgeteilt worden sind, muss sich der Tatrichter von der Richtigkeit einen eigenen Eindruck verschaffen, soweit es -ggf. nach einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen- hierauf ankommt.

Ergänzende tatsächliche Ermittlungen durchzuführen, ist dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht versagt. Die Sache mußte deshalb in die Tatsacheninstanz zurückverwiesen werden. Da bereits die Entscheidung des Amtsgerichts auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage beruht und die ursprüngliche Befristung der amtsgerichtlichen Entscheidung infolge des Zeitablaufs mittlerweile kaum noch Sinn macht, hat der Senat sein Ermessen dahingehend ausgeübt, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Das Amtsgericht wird nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden haben, ob es die bisherige Sachverständige mit einer Aktualisierung und Ergänzung des Gutachtens nach Maßgabe der o.a. Kriterien betraut oder -insbesondere im Hinblick auf die jetzt zu erwartenden verfahrensrechtlichen Einwendungen, mithin im Interesse einer zügigen Verfahrensförderung- einen neuen Sachverständigen beauftragt. Nach dem bisherigen Verhalten des Betroffenen wird, sollte eine Begutachtung anders nicht zu erreichen sein, auch die Anwendung von Zwangsmitteln (§ 70 e Abs. 2 FGG) zu prüfen sein. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass das Amtsgericht, sollte es erneut zu einer Genehmigung der Unterbringung gelangen, mit Rücksicht auf den zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit seiner Entscheidung in Betracht ziehen muss, so dass sich ein (ergänzender) Gutachtenauftrag auch auf die Frage der Eilbedürftigkeit einer Behandlung erstrecken sollte.

Ende der Entscheidung

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