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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 15 Wx 316/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 S. 2
FGG § 12
1) Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt der Erteilung einer Vorsorgevollmacht muss das Gericht im Wege der Amtsermittlung (§ 12 FGG) nachgehen.

2) Erweist sich ein eingeholtes Sachverständigengutachten, das eine Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen angenommen hat, bei kritischer Würdigung als lückenhaft, muss das Gericht ergänzende Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung treffen.

3) Der Vorrang der Vorsorgevollmacht (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB) darf nicht dadurch überspielt werden, dass das Gericht bereits aus einem lückenhaften Gutachten die abschließende Schlussfolgerung zieht, Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht könnte nicht ausgeräumt werden, so dass eine Betreuerbestellung erforderlich sei.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 Wx 316/08 OLG Hamm

In der Betreuungssache

Az: 15 Wx 316/08

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.05.2009 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 28.10.2008 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 1.10.2008 durch

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 3) bis 5) sind die Töchter des Betroffenen und seiner am 23.04.2004 verstorbenen Ehefrau.

Am 07.03.2003 erteilte der Betroffene der Beteiligten zu 3) in notarieller Form eine Altersvorsorgevollmacht, die sich auf seine Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten erstreckt (UR-Nr. 111/03 Notar X in T). Auf den weiteren Inhalt der Vollmacht wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23.09.2005 regte die Beteiligte zu 3) gegenüber dem Vormundschaftsgericht eine Betreuerbestellung für den Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten und die ergänzende Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts an. Am 05.10.2005 reichte sie eine ärztliche Bescheinigung des Dr. I3, Hausarzt des Betroffenen, vom 04.10.2005 ein, in der dieser bestätigte, dass der Betroffene unter einer demenziellen Entwicklung vom Alzheimertyp leide und seit Juli 2005 nicht mehr in der Lage sei, seine finanziellen und persönlichen Dinge selbständig zu regeln. Nach Anhörung des Betroffenen am 05.10.2005 bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag im Wege der einstweiligen Anordnung Frau N zur Betreuerin des Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten und ordnete für diesen Bereich einen Einwilligungsvorbehalt an.

Der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige Dr. I bestätigte in seinem Gutachten vom 18.10.2005 das Vorliegen einer demenziellen Erkrankung bei dem Betroffenen, aufgrund derer dieser seine Angelegenheiten nicht interessengerecht besorgen könne. Der Sachverständige verwies auf eine von ihm bereits im Januar 2005 vorgenommene Untersuchung des Betroffenen, bei der ebenfalls bereits erhebliche kognitive Einschränkungen vorgelegen hätten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 06.04.2006, in der der Sachverständige zu der Frage der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen am 07.03.2003 Stellung nehmen sollte, kam er zu dem Ergebnis, dass von dessen Geschäftsfähigkeit auszugehen sei, da keine Aussage bzw. ärztlichen Untersuchungsergebnisse eruierbar seien, die seine Geschäftsfähigkeit in Frage stellten.

Mit Beschluss vom 24.04.2006 bestellte das Amtsgericht abschließend Frau N zur Betreuerin des Betroffenen in Vermögensangelegenheiten und ordnete für diesen Bereich einen Einwilligungsvorbehalt an. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3) wies das Landgericht mit Beschluss vom 12.10.2006 zurück.

Die Zusammenarbeit zwischen der Betreuerin Frau N und der Beteiligten zu 3) gestaltete sich schwierig; es kam zu gegenseitigen Vorwürfen und Schuldzuweisungen. Die Beteiligte zu 3) vertrat nunmehr die Ansicht, dass es der Einrichtung der von ihr angeregten Betreuung im Bereich der Vermögenssorge aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht nicht bedurft hätte, und beantragte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 05.12.2006 die Aufhebung der Betreuung.

In einem weiteren vom Amtsgericht in Auftrag gegebenen Gutachten vom 06.12.2006 kam der Sachverständige Dr. M, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zu dem Ergebnis, dass der Betroffene am 7.3.2003 bei Erteilung der Altersvorsorgevollmacht sehr wahrscheinlich nicht ausreichend einsichts- und einwilligungsfähig gewesen sei.

Mit Beschluss vom 14.12.2006 hielt das Amtsgericht die bisher geführte Betreuung für den Bereich der Vermögenssorge aufrecht und erweiterte diese um die Aufgabenkreise Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Anhalten und Öffnen von Post und Wohnungsangelegenheiten. An Stelle der bisherigen Betreuerin, die um ihre Entlassung nachgesucht hatte, bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 2) als Berufsbetreuer. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 21.12.2006 verwies das Landgericht mit Beschluss vom 22.1.2008 das Verfahren unter Aufhebung des Beschlusses vom 14.12.2006 an das Vormundschaftsgericht zurück, weil bislang kein fachpsychiatrisches Gutachten vorliege, das sich zu dem Betreuungsbedarf in den neu hinzugenommenen Aufgabenkreisen verhalte, und eine Anhörung des Betroffenen vor der Erweiterung der Betreuung unterblieben sei.

Nachdem das Vormundschaftsgericht die Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht Hamburg am 22.04.2008 vorgenommen hatte - der Betroffene hielt sich zu diesem Zeitpunkt bei der Beteiligen zu 3) auf -, hat es mit Beschluss vom 02.05.2008 erneut die eingerichtete Betreuung für den Bereich der Vermögenssorge bestätigt und die Aufgabenkreise um die Bereiche Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Anhalten und Öffnen von Post und Wohnungsangelegenheiten erweitert. An Stelle der Betreuerin N hat es erneut den Beteiligten zu 2) als Berufsbetreuer bestellt.

Mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 13.05.2008 bzw. 21.05.2008 haben der Betroffene und die Beteiligte zu 3) Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines ergänzenden mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. M im Termin vom 12.09.2008 hat das Landgericht die Beschwerden mit Beschluss vom 01.10.2008 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 28.10.2008 eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3).

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Das Rechtsmittel ist insgesamt unbefristet. Die mit der Erstbeschwerde angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts vom 02.05.2008 enthält zwei Regelungsteile: Zum Einen ist die bestehenden Betreuung um die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten und Anhalten und Öffnen von Post erweitert worden. Soweit zum Anderen der Formulierung nach die bestehende Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge einschließlich des insoweit angeordneten Einwilligungsvorbehalts "bestätigt" worden ist, handelt es sich dem Regelungsgehalt nach ausschließlich um die Ablehnung der Anregung der Beteiligten zu 3) auf Aufhebung der Betreuung nebst dem Einwilligungsvorbehalt. Denn der Bestand des Beschlusses des Amtsgerichts vom 24.04.2006, durch den die Betreuerbestellung mit diesem Aufgabenkreis angeordnet worden war, ist insoweit auch nicht etwa durch Verlängerung des Überprüfungszeitraumes geändert worden. Die Begründung der Entscheidung des Amtsgerichts, in der vorrangig die Erforderlichkeit des Fortbestandes der Betreuerbestellung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge hervorgehoben wird, lässt deutlich werden, dass durch die Formulierung des Tenors eine Regelung im Hinblick auf den Fortbestand dieser Betreuung getroffen werden sollte, die dem Zusammenhang nach nur durch Ablehnung der Aufhebung der Betreuung erfolgen konnte. Es ist deshalb insoweit eine Entscheidung nach § 69i Abs. 3 FGG getroffen worden, die ebenso wie die erstmalige Betreuerbestellung der unbefristeten Beschwerde unterliegt. Dies gilt auch, soweit gleichzeitig die Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts abgelehnt worden ist. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Entscheidung im Sinne des § 69g Abs. 4 Nr. 1 FGG, die nur die Anordnung oder Ablehnung eines Einwilligungsvorbehalts betrifft (vgl. BayObLG, Beschl. v. 02.07.1997 - 3Z BR 274/97 - zitiert nach juris; Knittel, BtG, § 69i FGG Rn. 30). Folglich ist auch die weitere Beschwerde gegen die den Beschluss des Amtsgerichts bestätigende Entscheidung des Landgerichts unbefristet (§ 29 Abs. 2 FGG).

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Die weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zu Recht von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3) ausgegangen. Ihre Beschwerdebefugnis ergibt sich daraus, dass sie zu dem Personenkreis gehört, der nach § 69g Abs. 1 S. 1 FGG unabhängig von einer eigenen Beschwer zur Anfechtung bestimmter betreuungsrechtlicher Entscheidungen befugt ist. Die genannte Vorschrift findet sowohl im Falle der Erweiterung des Aufgabenkreises (§ 69i Abs. 2 FGG) als auch bei der Aufhebung einer Betreuung (§ 69i Abs. 3 FGG) entsprechende Anwendung, wobei im letzten Fall auch die Ablehnung einer Aufhebung der Betreuung von der Verweisung umfasst wird (vgl. Knittel, a.a.O., § 69i FGG, Rn. 31).

In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.

Rechtlich unbedenklich hat die Kammer zunächst festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1, 1a BGB für eine Betreuerbestellung vorliegen. Auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. I vom 18.10.2005 und des Dr. M vom 06.12.2006 hat das Landgericht festgestellt, dass der Betroffene an einer fortgeschrittenen Demenz vom Alzheimertyp erkrankt ist, die dazu führt, dass dieser aktuell zu einer freien Willensbestimmung nicht mehr in der Lage ist.

Zutreffend hat die Kammer erkannt, dass einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht grundsätzlich Vorrang vor einer Betreuung zukommt (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Der Kammer ist auch darin zuzustimmen, dass bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer erteilten Vorsorgevollmacht der vorhandene Betreuungsbedarf durch Bestellung eines Betreuers abgedeckt werden muss (BayObLG FamRZ 1994, 720). Dieses gilt aber nur dann, wenn auch nach Durchführung der nach § 12 FGG gebotenen Ermittlungen Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht verbleiben. Denn dem vom Gesetz gewollten Vorrang der privaten Vorsorgevollmacht (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB) würde nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn bereits nach den Umständen berechtigte Zweifel an deren Wirksamkeit ausreichen könnten, um diese durch eine Betreuerbestellung zu übergehen.

Die Kammer kommt nach den von ihr durchgeführten Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass gewichtige Zweifel am Vorliegen der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen am 07.03.2003 verbleiben. Diese tatsächliche Feststellung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt hat, sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt hat und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze, zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Auflage, § 27 Rn. 42). Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht in allen Punkten gerecht.

Die tatsächliche Würdigung des Landgerichts beruht maßgebend auf dem im Anhörungstermin vom 12.09.2008 mündlich ergänzten Gutachten des Sachverständigen Dr. M. Die Kammer hat bei der Würdigung dieses Gutachtens zwar festgestellt, dass die Ausführungen des Sachverständigen nicht in allen Punkten widerspruchsfrei sind, daraus jedoch nicht die gebotenen verfahrensrechtlichen Konsequenzen gezogen. Aus der Sicht des Senats sind in diesem Zusammenhang die folgenden Gesichtspunkte von maßgebender Bedeutung:

Aufgabe des Sachverständigen war es, aus der Verwertung der Schilderungen von Zeugen über Verhaltensweisen des Betroffenen wissenschaftlich gesicherte Schlüsse auf einen Ausschluss der freien Willensbestimmung des Betroffenen zum Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht vom 07.03.2003 abzuleiten. Aus der Sicht des Senats ist bereits nicht verständlich, warum das Landgericht davon abgesehen hat, ergänzend auch die im Termin erschienenen Zeuginnen E und H zu vernehmen, die zu dem maßgeblichen Zeitpunkt als "Haushälterinnen" im Hause des Betroffenen tätig waren. Aufgrund ihres täglichen Umgangs mit dem Betroffenen konnten von diesen Zeuginnen durchaus nähere Informationen über etwaige Ausfallerscheinungen (insbesondere Störungen der Gedächtnisleistungen) ggf. auch mit Verlaufsbeobachtungen über einen längeren Zeitraum erwartet werden. Die Verbreiterung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage für den Sachverständigen war nach § 12 FGG geboten, zumal seine Erkenntnisgrundlage über konkret greifbare Ausfallerscheinungen des Betroffenen in dem maßgeblichen Zeitraum sich auf die Angaben des Zeugen F beschränkt, der wiederum nur über Orientierungsstörungen des Betroffenen während eines sich zeitlich an die Beurkundung der Vollmacht anschließenden vierwöchigen Kuraufenthalt in einer für den Betroffenen fremden Umgebung eines Kurortes im Südschwarzwald berichten konnte.

Das Landgericht hat ausdrücklich hervorgehoben, dass die Beurteilung des Sachverständigen Dr. M, der Betroffene sei bereits am 07.03.2003 infolge einer demenziellen Erkrankung vom Alzheimertyp zu einer freien Willensbstimmung nicht mehr in der Lage gewesen, in einem Widerspruch steht zu der Bekundung des Zeugen Dr. I3, der noch im Jahre 2003, sogar noch bis zum Zeitpunkt seiner Bescheinigung vom 05.08.2004, keine Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen hatte, vielmehr erst für den Zeitraum November/Dezember 2004 von einer deutlichen Verschlechterung des Zustandes Betroffenen ausging. Diese Wahrnehmung des Zeugen kann keine oberflächliche gewesen sein, weil er bereits seit dem Jahre 2002 Hausarzt des Betroffenen war und ihn etwa einmal monatlich zur Behandlung gesehen hat. Dieser Zeuge hat nicht nur von einer immer vorhandenen Orientierung des Betroffenen, sondern auch davon berichtet, dieser habe trotz einer leichten Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses auch Zusammenhänge nachvollziehen und erkennen können. Diese Sichtweise stimmt auffällig überein mit dem Arztbrief vom 04.04.2003 über die Kurbehandlung des Betroffenen, in der von einem beginnenden demenziellen Syndrom die Rede ist. Der Sachverständige hat sich nach dem Inhalt seiner protokollierten Ausführungen über die Aussage des Zeugen Dr. I3 verwundert gezeigt. Seine Aufgabe als Sachverständiger wäre es demgegenüber gewesen, im Rahmen seines Gutachtens näher zu erläutern, welche gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ausprägungsformen des langjährigen Verlaufs einer Demenz vom Alzheimertyp vorliegen, die - so kann der Zusammenhang seiner bisherigen Ausführungen verstanden werden - den Schluss darauf zulassen, dass auch bereits bei einem beginnenden demenziellen Syndrom mit Störungen der Gedächtnisleistung ein Ausschluss der freien Willlensbestimmung eintritt. Wenn eine solche fundierte Darstellung im Rahmen einer mündlichen Gutachtenerstattung nicht möglich war, hätte diese schriftlich ergänzt werden müssen.

Die Kammer hat in der Begründung ihrer Entscheidung die fehlende Überzeugungskraft des Sachverständigengutachtens in Detailpunkten für die hier zu treffende Entscheidung für unerheblich erachtet, weil bereits verbleibende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen ausreichten, um trotz der Erteilung einer Vorsorgevollmacht eine Betreuerbestellung erforderlich erscheinen zu lassen. Diese Schlussfolgerung hält der Senat nicht für rechtlich tragfähig. Denn die Erforderlichkeit der näheren Aufklärung (§ 12 FGG) der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen soll gerade den Vorrang der Vorsorgevollmacht vor der Betreuerbestellung (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB) sicherstellen. Der Vorrang der Vorsorgevollmacht darf deshalb nicht dadurch überspielt werden, dass sich das Landgericht zwar um die erforderliche Sachverhaltsaufklärung erkennbar bemüht hat, jedoch ausgerechnet in dem Augenblick die aus dem materiellen Recht abgeleitete Regel der Feststellungslast vorzeitig anwendet, in dem die Lückenhaftigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens deutlich wird. In einem solchen Sinn kann auch die dazu bereits herangezogene Entscheidung des BayObLG (FamRZ 1994, 720) nicht verstanden werden, die sich auf eine Fallkonstellation bezieht, in der bereits zwei ausführliche Sachverständigengutachten vorlagen, in denen der krankheitsbedingte Ausschluss der freien Willensbestimmung des Betroffenen diagnostiziert worden war. Aus der Sicht des Senats kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle eines lediglich beginnenden demenziellen Syndroms der Schluss auf eine Aufhebung der Fähigkeit zur freien Willensbestimmung wissenschaftlich nicht gesichert erscheint. Dann muss es auch betreuungsrechtlich bei dem Vorrang der Vorsorgevollmacht bleiben.

Die Entscheidung der Kammer erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.

Rechtlich zutreffend hat die Kammer zwar ausgeführt, dass eine Betreuung trotz bestehender wirksamer Vorsorgevollmacht dann eingerichtet werden muss, wenn der Bevollmächtigte zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen nicht geeignet ist (BayObLG FamRZ 1997, 1358), der Bevollmächtigte die Vollmacht zum Nachteil des Betroffenen missbraucht hat (BayObLG FamRZ 2003, 1219) oder die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten dessen Wohl klar zuwiderläuft (BayObLG FamRZ 1997, 1358; KG FGPrax 2006, 182).

Die Kammer hat festgestellt, dass die Beteiligte zu 3) zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen nicht geeignet sei, da der Verdacht bestehe, dass sie die Vollmacht zu eigennützigen Zwecken missbrauche. Die Beurteilung des Tatrichters, ob der Bevollmächtigte zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen geeignet ist oder ein anderer wichtiger Grund dagegen spricht, ihn auf der Grundlage der erteilten Vollmacht die Interessen des Betroffenen wahrnehmen zu lassen, kann vom Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden (Keidel/Meyer-Holz, a. a. O.; BayObLG FamRZ 1997, 1358). Auch in diesem Punkt hält die landgerichtliche Entscheidung der Überprüfung nicht stand.

Die tatsächliche Beurteilung der Kammer bezieht sich ausschließlich auf die Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten der Betroffenen. Seine Bedenken gegen die persönliche Eignung der Beteiligten zu 3) stützt das Landgericht in diesem Zusammenhang ausschließlich darauf, dass der Betroffene im Jahre 2005 die Bezugsberechtigung von drei bestehenden Ausbildungsversicherungen über jeweils 5.000,00 Euro in der Weise geändert hat, dass anstelle der Kinder der Beteiligten zu 4) und 5) jeweils die Tochter der Beteiligten zu 3) als Bezugsberechtigte bezeichnet worden ist. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, diese eigene Verfügung des Betroffenen sei maßgebend auf den tatsächlichen Einfluss der Beteiligten zu 3) zurückzuführen, ist nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser Vorgang reicht jedoch nach Auffassung des Senats nicht aus, um die Eignung der Beteiligten zu 3) zur Wahrnehmung der Vermögenssorge als Bevollmächtigte des Betroffenen grundsätzlich in Frage zu stellen. In dieser Funktion hat sie die Vermögensinteressen des Betroffenen, nicht hingegen diejenigen seiner Verwandten wahrzunehmen. Die Ausbildungsversicherungen sollten nach der Intention des Betroffenen bei deren Abschluss nicht seine eigene wirtschaftliche Versorgung sicherstellen, sondern den Enkelkindern zugute kommen. Durch die Änderung der Bezugsberechtigung sind die eigenen Vermögensinteressen des Betroffenen somit in keiner Weise beeinträchtigt worden. Weitergehende tatsächliche Feststellungen, die den konkreten Verdacht begründen, die Beteiligte zu 3) werde die Vorsorgevollmacht zu eigennützigen Zwecken missbrauchen oder die Vermögensinteressen des Betroffenen gefährden, hat die Kammer bislang ausdrücklich nicht getroffen.

Die Vorsorgevollmacht vom 07.03.2003 bezieht sich auch auf die Wahrnehmung der Angelegenheiten des Betroffenen im Bereich der Personensoge, insbesondere also der Gesundheitsfürsorge und der Aufenthaltsbestimmung. Tatsächliche Feststellungen dazu, dass die Beteiligte zu 3) nicht geeignet sei, in diesen Bereichen die ihr erteilte Vollmacht im Interesse des Betroffenen auszuüben, hat das Landgericht nicht getroffen. Fest steht, dass die Beteiligte zu 3) sich in der Vergangenheit in vielfältiger Weise um die persönlichen Angelegenheiten ihres Vaters einschließlich der Gesundheitsfürsorge gekümmert hat. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts war noch nicht abschließend absehbar, ob der Betroffene weiterhin in T oder bei der Beteiligten zu 3) in I2 leben wird. Die im Wege der Rechtshilfe durchgeführte Anhörung des Betroffenen hat jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass das persönliche Wohl des Betroffenen während seines Aufenthaltes in I2 in irgendeiner Weise gefährdet sein könnte.

Unabhängig von der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht fehlen tatsächliche Feststellungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit der Betreuerbestellung in den Aufgabenkreisen der Personensorge. Insbesondere bleibt offen, ob die Kammer sich eine entsprechende Überzeugung bereits auf der Grundlage des Ergebnisses der Anhörung im Wege der Rechtshilfe vom 22.04.2008 gebildet hat, obwohl das Landgericht noch in seinem Beschluss vom 22.01.2008 das Fehlen eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage beanstandet hatte, das auch im nachfolgenden Verfahren durch das Amtsgericht nicht eingeholt worden ist. Wenn das Landgericht auf der Grundlage der Anhörung vom 22.04.2008 entsprechende tatsächliche Feststellungen treffen wollte, bestünden dagegen aus der Sicht des Senats keine durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken.

Da die abschließende Entscheidung unter den genannten Gesichtspunkten noch durch weitere tatsächliche Ermittlungen vorbereitet werden muss, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden können, musste der Senat die Sache an das Landgericht zurückverweisen.

Für die weitere Behandlung der Sache weist der Senat auf Folgendes hin:

Die notarielle Urkunde vom 07.03.2003 beschränkt sich ihrem Wortlaut nach auf die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht an die Beteiligte zu 3) für alle Angelegenheiten der Vermögenssorge und der Personensorge. Für den Fall, dass gleichwohl ein Betreuer zu bestellen ist, ist ergänzend zu erwägen, ob die Erklärung dahin auszulegen ist, dass sie zumindest auch einen Vorschlag des Betroffenen mitumfasst, für diesen Fall die Beteiligte zu 3) als Betreuerin zu bestellen. Für eine solche Auslegung kann sprechen, dass die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung der Beteiligten zu 3) inhaltlich umfassend ist und das besondere Vertrauen erkennen lässt, das der Betroffene ihr entgegen gebracht hat. An diesen Vorschlag wäre das Gericht nach § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB bei der Auswahl der Person des Betreuers gebunden, sofern dieser dem Wohl des Betroffenen nicht zuwider läuft. Die so beschriebene Bindungswirkung an den Auswahlvorschlag des Betroffenen ist, weil es sich um eine Erklärung verfahrensrechtlicher Art handelt, gem. § 66 FGG nicht von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen abhängig (BayObLG FamRZ 1993, 1110; Senat FGPrax 1996, 183); ausreichend ist seine Fähigkeit, einen eigenständigen, von Dritten unbeeinflussten Willen zu bilden (BayObLG FamRZ 2003, 1871; BayObLG BtPrax 2005, 35; Senat a.a.O.). Auf dieser Grundlage könnte die Beteiligte zu 3) bei einem Fortbestand der Betreuerbestellung im Rahmen der Auswahlentscheidung nur übergangen werden, wenn konkret greifbare Tatsachen gegen ihre Eignung zur Wahrnehmung des Amtes in einzelnen Aufgabenkreisen sprechen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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