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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: 15 Wx 62/08
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
FGG § 22 Abs. 2
1) Die Bestimmung einer Teilungserklärung "Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwaltung von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist" schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist nicht aus, wenn es dem Wohnungseigentümer gelingt glaubhaft zu machen, dass er die Einladung zu der Eigentümerversammlung nicht erhalten hat.

2) Der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses, durch den eine bauliche Veränderung genehmigt wird, können die übrigen Wohnungseigentümer nicht erfolgreich mit dem Einwand entgegentreten, ihnen stehe aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu der baulichen Veränderung zu.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 Wx 62/08 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. November 2008 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) vom 12. Februar 2008 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 23. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung für beide Vorinstanzen abgeändert werden.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Verfahrens der ersten Beschwerde tragen die Beteiligte zu 1) zu 24 % und die Beteiligten zu 2) bis 4) zu 76 %. Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 2) bis 4).

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet in allen Instanzen nicht statt.

Der Gegenstandswert wird wie folgt festgesetzt:

für das erstinstanzliche Verfahren auf 32.264,00 €

für das Verfahren der ersten Beschwerde auf 31.764,00 €

für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 24.264,00 €.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) war zunächst Alleineigentümerin des Hausgrundstücks L-Str. in I. Mit Teilungserklärung vom 30.12.2002 begründete sie vier Miteigentumsanteile, die sie mit dem Sondereigentum an einem Ladenlokal im Erdgeschoss sowie drei Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss verband. Die Beteiligte zu 1) ist weiterhin Eigentümerin der Teileigentumseinheit im Erdgeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 250,98/1.000; die Beteiligten zu 2) und 3) sind Eigentümer der Wohnung im Dachgeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 235,29/1.000; der Beteiligten zu 4) gehören zwei Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss mit Miteigentumsanteilen von zusammen 513,73/1.000.

§ 16 der Teilungserklärung regelt die Durchführung von Eigentümerversammlungen. Diese sind nach Nr. 2 der Vorschrift von dem Verwalter einzuberufen. Unter Ziffer 3 heißt es "Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer / Teileigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist". Auf den weiteren Inhalt der Teilungserklärung wird Bezug genommen.

Unter dem 23.10.2002 schloss die Beteiligte zu 1) mit dem Zeugen J, dem damaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks, folgende Vereinbarung:

"Beide Parteien erklären hiermit wechselseitig, unwiderruflich und für alle Rechtsnachfolger bindend, dass sie mit dem nachträglichen Anbau von Balkonen an dem jeweilig anderen Objekt (Hervorhebung durch den Senat) der Parteien einverstanden sind. Die Parteien erklären schon jetzt unwiderruflich ihr Einverständnis zum Bauantrag der jeweils anderen Partei."

Einen Verwalter für die Wohnungseigentumsanlage bestellten die Beteiligten zunächst nicht. Die Beteiligte zu 1) wohnte bis zum 28.2.2006 in der F-Straße in I und verlegte danach ihren Wohnsitz nach Frankreich.

Mit Schreiben vom 10.1.2006 und 13.1.2006 lud die Beteiligte zu 4) "auf Antrag" der Beteiligten zu 2) bis 4) zu einer Wohnungseigentümerversammlung am 4.2.2006 mit den Tagesordnungspunkten (entsprechend dem Schreiben vom 13.1.2006):

1) Bestellung eines Verwalters

2) Abschluss eines WEG Verwaltervertrages

3) Genehmigung Balkonanlage

4) ............ (im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht mehr von Interesse)

Ob die Beteiligte zu 1) diese Schreiben erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. In der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006, an der die Beteiligte zu 1) nicht teilnahm, wurden nach dem von der Beteiligten zu 4) angefertigten Protokoll u.a. folgende Beschlüsse gefasst Unter TOP 1) lautet: "Als Verwalter wurde die Firma J bestellt. Die Verwaltung ist für 5 Jahre und beginnt am 1.1.2006 rückwirkend." Unter TOP 2) heißt es unter anderem: "Ein WEG-Verwaltervertrag wurde beschlossen und von den anwesenden Eigentümern unterschrieben." TOP 3) enthält die Formulierung: "Die Eigentümergemeinschaft genehmigt die Balkonanlage".

Mit Schriftsatz vom 8.5.2006, beim Amtsgericht eingegangen am 10.5.2006, hat die Beteiligte zu 1) neben weitergehenden Anträgen, die nicht mehr Gegenstand der Verfahrens dritter Instanz sind, beantragt, die in der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006 gefassten Beschlüsse insgesamt für ungültig zu erklären sowie ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist zu gewähren. Zur Begründung hat sie vorgetragen, eine Einladung zu der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006 nicht erhalten zu haben. Von den dort gefassten Beschlüssen habe sie erstmals durch ein Fax aus dem Büro der Beteiligten zu 4) vom 26.4.2006 erfahren, mit dem ihr das Protokoll übermittelt worden sei. Die Richtigkeit dieser Angaben hat sie mit eidesstattlicher Versicherung vom 8.5.2006 bekräftigt.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind den Anträgen entgegengetreten, indem sie behauptet haben, die Beteiligte zu 1) habe die Einladung zu der Versammlung vom 4.2.2006 erhalten. Dazu haben sie zunächst ein an die Adresse "F-Straße in I" gerichtetes Einladungsschreiben vorgelegt. Das Protokoll der Versammlung vom 4.2.2006 sei dann am 10.2.2006 in vierfacher Ausfertigung an die Beteiligte zu 1) geschickt worden, und zwar einmal an die Adresse "F-Straße in I", an das für die Beteiligte zu 1) und deren Verfahrensbevollmächtigte bestimmte Postabholfach im Hause I-Straße in I, in dem die Verfahrensbevollmächtigte zunächst ihre Kanzlei betrieben habe, und zweimal in den Briefkasten des im gleichen Hause gelegenen Büros der Zeugen N und O, auf den auch die Verfahrensbevollmächtigte Zugriff gehabt habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 29.8.2006 hat die Beteiligte zu 3) das entsprechende Procedere dann für das Einladungsschreiben vom 10.1.2006 behauptet.

Mit Beschluss vom 29.8.2006 hat das Amtsgericht die Anträge der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Beteiligte zu 1) habe die Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG nicht unverschuldet versäumt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 1) die Einladung zur Versammlung vom 4.2.2006 erhalten und es danach schuldhaft versäumt habe, sich nach den in der Versammlung gefassten Beschlüssen zu erkundigen.

Gegen diesen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 17.11.2006 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 27.11.2006 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Beschlussanfechtungsanträge und ihren Antrag auf Wiedereinsetzung weiterverfolgt und unter dem 27.11.2006 erneut an Eides statt versichert hat, keine Einladung zur Versammlung am 4.2.2006 erhalten zu haben.

Nach Übertragung der Sache auf den Einzelrichter hat das Landgericht im Termin vom 18.01.2008 mit den Beteiligten mündlich verhandelt sowie durch Vernehmung der Zeugen J und N Beweis erhoben. Mit Beschluss vom 23.1.2008 hat das Landgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und in teilweiser Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts der Beteiligten zu 1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist gewährt und die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.02.2006 zu TOP 1, 2 und 3 für ungültig erklärt. In der Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die Beteiligte zu 1) habe nach dem Ergebnis der Anhörung der Beteiligten und der Beweisaufnahme glaubhaft gemacht, dass sie die Einladungsschreiben nicht erhalten habe und ihr das Protokoll erst mit Fax vom 26.4.2006 übermittelt worden sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12.2.2008 eingelegte sofortige weitere Beschwerde Beteiligten zu 2) bis 4).

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 62 Abs. 1 WEG n.F., 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG a.F., 27, 29 FGG statthaft sowie frist - und formgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) bis 4) folgt bereits daraus, dass das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss zu ihrem Nachteil abgeändert hat.

Das Rechtsmittel ist in der Hauptsache unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer nach § 45 Abs. 1 WEG zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht der Beteiligten zu 1) Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gewährt.

Die Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des § 22 Abs. 2 FGG ist nach gefestigter Rechtsprechung auf die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG entsprechend anwendbar (vgl. etwa BayObLGZ 1989, 13; Senat OLGZ 1985, 147/150; FGPrax 1998, 215). Wiedereinsetzung kann danach gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war, und er binnen zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Beschlussanfechtungsantrag mit dem Antrag auf Gewährung der Wiedereinsetzung nachholt.

Das Landgericht hat nach dem Ergebnis der Anhörung der Beteiligten und der Beweisaufnahme als glaubhaft erachtet, dass die Beteiligte zu 1) eine Einladung zu der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006 nicht erhalten und sie von den in dieser Versammlung gefassten Beschlüssen erstmals durch das Fax vom 26.4.2006 erfahren habe. Diese tatsächliche Würdigung unterliegt im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer eingeschränkten Nachprüfung dahin, ob sich der Tatrichter bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt hat und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze verstoßen hat vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27, Rn. 42 m.w.N.). Denn bei der Antragsfrist nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (BGH NJW 1998, 3648), deren Prüfung eine Frage der Anwendung des sachlichen Rechts betrifft, die hinsichtlich der zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nur der dargestellten eingeschränkten Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegt. Die entsprechende Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 22 Abs. 2 FGG ändert an diesem Zusammenhang nichts (BayObLG NJW-RR 2001, 1592, 1593).

Dieser eingeschränkten Nachprüfung hält die tatsächliche Würdigung des Landgerichts stand. Die vom Landgericht herangezogenen eidesstattlichen Versicherungen der Beteiligten zu 1) sind nach § 15 Abs. 2 FGG zulässige Mittel der Glaubhaftmachung. Die Begründung der Kammer, dass die Glaubhaftmachung nicht durch die Darstellungen der Beteiligten zu 3) in ihrer mündlichen Anhörung und die Aussage des Zeugen J erschüttert werden, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Der Einzelrichter hat hier aus den von ihm aufgezeigten Widersprüchlichkeiten der Darstellung der Beteiligten zu 3) und des Zeugen J den Schluss gezogen, dass deren Bekundungen über die Versendung der Einladungsschreiben vom 10.1. und 13.1.2006 und des Protokolls vom 4.2.2006 Zweifel wecken, die der Glaubhaftigkeit deren Angaben entgegen stehen. Die tatsächliche Würdigung des Landgerichts ist in diesem Zusammenhang rechtlich möglich; sie muss nicht zwingend sein (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O.). Deshalb handelt es sich bei dem Vortrag der weiteren Beschwerde, die Widersprüchlichkeiten beträfen lediglich Details in Randpunkten des tatsächlichen Geschehens, der Kernsachverhalt sei von der Beteiligten zu 3) und dem Zeugen J übereinstimmend und glaubhaft dargestellt worden, um den im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässigen Versuch, die eigene abweichende Würdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.

Das Landgericht konnte deshalb rechtsfehlerfrei als glaubhaft ansehen, dass die Beteiligte zu 1) von den auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüssen erst durch den Zugang des Fax am 26.4.2006 erfahren hat. Dieses Fax hat die Beteiligte zu 1) im Übrigen als Anlage ihrer Antragschrift vom 8.5.2006 beigefügt und auf Seite 5 des Schriftsatzes auch ausdrücklich als Anlage erwähnt. Das Fehlen dieser Anlage ist in den Verfahren vor den Tatsachengerichten nicht gerügt worden. In der Rechtsbeschwerde kann diese Rüge nicht mehr erhoben werden. Im Übrigen trägt die Anlage die Faxkennung des Büros der Beteiligten zu 4) und das Datum 26.4.2006, so dass nichts für einen früheren Zugang des Faxes spricht. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde lässt das Schreiben der Beteiligten zu 1) vom 18.4.2006 keinesfalls den zwingenden Schluss darauf zu, sie müsse zum damaligen Zeitpunkt bereits von den Beschlüssen der Eigentümerversammlung Kenntnis erhalten haben. Zwar hat die Beteiligte zu 1) in diesem Schreiben die Errichtung der Balkone moniert. Daraus kann jedoch nicht ohne Weiteres auf ihre damals schon bestehende Kenntnis von dem Beschluss einer Eigentümerversammlung geschlossen werden, durch den die Errichtung der Balkone genehmigt worden ist.

Rechtlich zutreffend ist das Landgericht bei seiner Würdigung davon ausgegangen, dass bereits die Glaubhaftmachung der fehlenden Kenntnis von dem Beschluss der Eigentümerversammlung zur Gewährung der Wiedereinsetzung ausreicht. Dieser Beweismaßstab wird entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde durch § 16 Ziff. 3 der Teilungserklärung nicht dahin verändert, dass die Beteiligte zu 1) den vollen, jede vernünftige Zweifel ausschließenden Beweis im Sinne des § 286 ZPO führen muss, dass sie weder das Einladungsschreiben noch das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 04.02.2006 erhalten hat.

Die auch im Rechtsbeschwerdeverfahren uneingeschränkt nachzuprüfende Auslegung der Teilungserklärung (BGH NJW 2004, 3413) führt hier nicht zu dem Ergebnis, dass durch die oben wiedergegebene Bestimmung in § 16 Nr. 3 die Gewährung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist durch Veränderung des Beweismaßstabes erschwert werden sollte. Bereits der Wortlaut der Bestimmung erfasst - wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat - die hier vorliegende Fallgestaltung nicht. Denn die Bestimmung bezieht sich lediglich auf die Einladung einer Eigentümerversammlung, die im Rahmen seiner Organstellung nach Nr. 2 der Vorschrift von dem Verwalter vorgenommen wird. Für die von der weiteren Beschwerde angestrebte ergänzende Auslegung der Vorschrift in dem Sinne, dass diese auch für die lediglich von einem Wohnungseigentümer ausgesprochene Einladung zu einer Eigentümerversammlung Geltung soll beanspruchen können, fehlt jegliche hinreichende Grundlage. Denn bei der hier allein maßgeblichen objektiven Sicht eines unbefangenen Betrachters (vgl. BGH a.a.O.) entspricht es erkennbar nicht einer interessengerechten Auslegung, eine Vorschrift, die für den einzelnen Wohnungseigentümer zu einer Verkürzung seiner Rechte führen kann, auch dann anzuwenden, wenn die Einladung ihrerseits objektiv rechtwidrig erfolgt ist, weil sie gerade nicht von dem dazu allein berufenen Verwalter ausgeht. Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ordnungsgemäßheit einer Einladung, die allein durch die Versendung an die letzte bekannte Anschrift des Wohnungseigentümers bewirkt wird, nicht ohne Weiteres den Maßstab der Sorgfaltsanforderungen für den einzelnen Wohnungseigentümer verändert, die im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung einer Wiedereinsetzung in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 2 FGG zu stellen sind, worauf es in dem vorliegenden Zusammenhang allein ankommt. Im Rahmen der oben dargestellten Auslegungskriterien kann nicht angenommen werden, dass durch die Bestimmung der Teilungserklärung einem Wohnungseigentümer zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit auferlegt werden soll, sich mindestens einmal monatlich bei dem Verwalter danach zu erkundigen, ob zwischenzeitlich Beschlüsse in einer Eigentümerversammlung gefasst worden sind, die ihm, dem anfragenden Wohnungseigentümer, nicht bekannt geworden sind, weil damit gerechnet werden muss, dass die an ihn adressierte Post ihn nicht erreicht hat.

Die Gewährung der Wiedereinsetzung eröffnet die sachliche Überprüfung der Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006, die das Landgericht zu den Tagesordnungspunkten 1, 2 und 3 zu Recht für ungültig erklärt.

Die genannten Beschlüsse leiden an einem Einberufungsmangel, weil die Beteiligte zu 4) zur Einberufung der Versammlung nicht berechtigt war. Das Landgericht geht auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung davon aus, dass dieser Einberufungsmangel nicht die Nichtigkeit der in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse, sondern nur deren Anfechtbarkeit bewirkt (BGH NJW 1999, 3713; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 23, Rn. 172). Ebenso ist zutreffend, dass ein Einberufungsmangel nicht automatisch zur Ungültigerklärung der gefassten Beschlüsse führt, sondern die Beschlüsse als gültig zu erachten sind, wenn positiv feststeht, dass sie nicht auf dem Einberufungsmangel beruhen (Senat WE 1996, 33; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O.).

Die fehlende Kausalität des Einberufungsmangels kann aber nur dann festgestellt werden, wenn klar zutage liegt, dass der Beschluss bei ordnungsgemäßer Einberufung der Versammlung gleichfalls zustande gekommen wäre. Die Möglichkeit, dass der durch den Mangel betroffene Wohnungseigentümer das Beschlussergebnis hätte beeinflussen können, muss nicht nur unwahrscheinlich sein, sondern bei vernünftiger Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen. Abzustellen ist dabei darauf, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn die Beteiligte zu 1) bei ordnungsgemäßer Einladung erschienen wäre und die Möglichkeit gehabt hätte, das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen. Dabei sind innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft strenge Maßstäbe bei der Feststellung zugrunde zu legen, dass sich ein Einberufungsmangel nicht auf das Ergebnis eines angefochtenen Beschlusses ausgewirkt hat. Denn die Einberufungsvorschriften sollen gewährleisten, dass jeder Wohnungseigentümer an der Willensbildung der Gemeinschaft mitwirken kann, und zwar auch dann, wenn er sich in einer Minderheitenposition befindet. Es darf daher nicht allein auf das mutmaßliche Abstimmungsergebnis bei einer Teilnahme der Beteiligten zu 1) an einer Abstimmung abgestellt werden oder darauf, dass der angefochtene Beschluss auf einer späteren Eigentümerversammlung erneut gefasst worden ist (Senat WE 1996, 33).

Das Landgericht hat sich insoweit nicht davon überzeugen können, dass die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1) und 2) (Verwalterbestellung und Abschluss des Verwaltervertrages) auch bei einer Teilnahme der Beteiligten zu 1) an der Eigentümerversammlung gefasst worden wären. Auch insoweit unterliegt die tatsächliche Würdigung des Landgerichts nur der oben beschriebenen eingeschränkten Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren, die jedenfalls im Ergebnis keinen Rechtsfehler erkennen lässt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Erwägung des Landgerichts, bei einer Teilnahme der Beteiligten zu 1) hätte die Beteiligte zu 4) für den Abschluss des Verwaltervertrages keine Mehrheit finden können, ohne Abschluss des Vertrages wäre es auch nicht zur Verwalterbestellung der Beteiligten zu 4) gekommen, in jeder Hinsicht überzeugend ist. Aus der Sicht des Senats hätte das Landgericht seine Beurteilung im Ergebnis auch auf die weitere Überlegung stützen können, dass die Beteiligte zu 1) bei einer Teilnahme an der Diskussion mit Recht darauf hätte hinweisen können, dass das Verfahren der Eigentümerversammlung zur Vorbereitung der Beschlussfassung durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) begegnet. Es handelt sich bei der vorgenommenen Bestellung um eine Erstbestellung eines gewerblich gegen Vergütung tätig werdenden Verwalters. In einer solchen Situation entspricht es regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung, die Entscheidung über die Neubestellung des Verwalters durch die Einholung mehrerer Angebote verschiedener Leistungsanbieter vorzubereiten. Wie bei der Erteilung von Aufträgen für Instandsetzungsarbeiten an Handwerksunternehmen ist auch bei der Vorbereitung der Neubestellung eines Verwalters die Einholung mehrerer Angebote regelmäßig erforderlich, um die Angemessenheit der Honorarvorstellungen des jeweiligen Leistungsanbieters überprüfen zu können (Senat ZMR 2003, 51). Die Einholung von Vergleichsangeboten war hier umso mehr geboten als die Vorbehalte der Beteiligten zu 1) gegen die Beteiligte zu 4) vorhersehbar waren. Insoweit hätte eine offene Diskussion unter Beteiligung der Beteiligten zu 1) durchaus ergeben können, dass den Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Bestellung eines neutralen Verwalters am Besten gedient ist. Jedenfalls ist dieses nicht auszuschließen.

Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3 entspricht unabhängig von dem Einberufungsmangel nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil er wirksam nur zustande kommen konnte, wenn die Beteiligte zu 1) ihm zustimmte. Bei der Errichtung der Außenbalkone handelt es sich um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 BGB. Der Eigentümerversammlung steht zwar nach der Rechtsprechung die Beschlusskompetenz zu, eine bauliche Veränderung zu genehmigen (BayObLG NJW-RR 2001, 1592 = NZM 2001, 133; OLG Köln NJW-RR 2001, 1096 = NZM 2001, 293.) Verändert werden dadurch jedoch nicht die materiellen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer baulichen Veränderung, die § 22 Abs. 1 WEG dahin umschreibt, dass sie der Zustimmung aller derjenigen Wohnungseigentümer bedarf, die durch die Veränderung über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Eine solche Beeinträchtigung ist hier im Hinblick auf den massiven zusätzlichen Baukörper der vorgesetzten Außenbalkonkonstruktion und der jedenfalls nicht lediglich geringfügigen Verschattungswirkung, die sich für die im Erdgeschoss gelegenen Räumlichkeiten zwangsläufig ergeben, zu bejahen. Für die Wirksamkeit des Eigentümerbeschlusses ist nur entscheidend, dass die danach erforderliche Zustimmung der Beteiligten zu 1) derzeit fehlt. Wenn die Beteiligten zu 2) bis 4) meinen, ihnen stehe ein schuldrechtlicher Anspruch auf Zustimmung gegen die Beteiligte zu 1) zu, mögen sie einen solchen Anspruch geltend machen. Ein solcher Anspruch steht der Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses nicht entgegen (BGH NJW 1995, 2791 m.w.N.). Denn derzeit wird der Inhalt des Gemeinschaftsverhältnisses der Wohnungseigentümer (hier in Ansehung der Zulässigkeit der baulichen Veränderung) ausschließlich durch die gesetzliche Vorschrift des § 22 Abs. 1 WEG bestimmt. Eine Änderung dieses Inhalts des Gemeinschaftsverhältnisses tritt gem. § 894 ZPO erst mit der Rechtskraft eines den Anspruch auf Zustimmung zusprechenden Urteils ein. Geschieht dies, ist die bauliche Veränderung gegenüber der Beteiligten zu 1) rechtmäßig, ohne dass es dazu eines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümerversammlung bedarf (BGH NJW 1979, 817).

Der Senat hat die vom Landgericht vorgenommene Geschäftswertfestsetzung aus den nachstehenden Gründen in zwei Punkten von Amts wegen abgeändert (§ 31 Abs. 1 S. 2 KostO); dies führt zugleich zu einer teilweisen Abänderung der Kostenentscheidung des Landgerichts.

Den Geschäftswert für die Anfechtung zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 (Bestellung des Verwalters und Abschluss des Verwaltervertrages) hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise einheitlich festgesetzt. Allerdings bemisst sich der Geschäftswert bei einer Anfechtung über die Bestellung des Verwalters regelmäßig nach der Vergütung, die dieser für den Zeitraum, für den er bestellt ist, hätte beanspruchen können. Nach dem eingereichten, auf fünf Jahre abgeschlossenen Verwaltervertrag stünde der Beteiligten zu 4) monatlich eine Vergütung von 104,40 € zu, das sind jährlich 1.252,80 € und damit in fünf Jahren 6.264,00 €. Entsprechend ist der Geschäftswert festzusetzen. Es besteht kein Anlass den Geschäftswert höher zu bemessen, weil die Beteiligte zu 1) einen Missbrauch der Verwalterstellung durch die Beteiligte zu 4) befürchtet.

Auch die Festsetzung des Geschäftswerts zum Tagesordnungspunkt 3 bedarf der Korrektur. Bei der Anfechtung eines Beschlusses über eine Verwaltungsmaßnahme sind grundsätzlich deren Kosten in voller Höhe anzusetzen (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 48 Rn. 27). Mangels anderer Anhaltspunkte sind dieses die Kosten für die Errichtung der Balkonanlage, die nach den Angaben der Beteiligten zu 2) bis 4) auf 18.000,00 € geschätzt werden können. Es besteht kein Anlass, diesen Wert zu erhöhen, weil sich durch die Installation der Balkonanlage der Wert der Wohnungen erhöht.

Die weiteren Wertfestsetzungen stehen im Einklang mit § 48 Abs. 3 WEG und sind auch nicht beanstandet worden. Der Geschäftswert des landgerichtlichen Verfahrens beträgt daher 31.764,00 €, derjenige der ersten Instanz 32.264,00 € und derjenige im Verfahren der weiteren Beschwerde 24.264,00 €.

Billigem Ermessen im Sinne des § 47 S. 1 WEG entspricht es, die Belastung der Beteiligten mit den Gerichtskosten des Verfahrens an dem Umfang ihres sachlichen Unterliegens auszurichten. Die Entscheidung des Landgerichts trägt diesem Grundsatz Rechnung, bedarf jedoch einer Korrektur, die sich aus der teilweise abweichenden Geschäftswertfestsetzung durch den Senat ableitet. Ausgehend von dem Gesamt-geschäftswert von 31.764,00 € hat die mit den Anträgen zur Anfechtung bezüglich der Tagesordnungspunkte 1, 2 und 3 (Geschäftswert insoweit 24.264,00 €) obsiegende Beteiligte zu 1) mit einem Anteil von 76 % obsiegt, so dass sie die Gerichtskosten zu 24 % zu tragen hat. Die Gerichtskosten der erfolglosen weiteren Beschwerde haben die Beteiligten zu 2) bis 4) allein zu tragen.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten (§ 47 S. 2 WEG) hat es bei dem im Verfahren nach dem WEG geltenden Grundsatz zu verbleiben, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen haben. Besondere Gründe, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal die Vorinstanzen sachlich divergierende Entscheidungen getroffen haben. Dem trägt die Kostenentscheidung des Landgerichts für die Vorinstanzen beanstandungsfrei Rechnung.

Ende der Entscheidung

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