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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 16 U (Baul.) 5/06
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 39
BauGB § 42
Die Ausweisung von Konzentrationszonen für Windkraftanlagen in einem Flächennutzungsplan begründet keine Entschädigungsansprüche in analoger Anwendung der §§ 39, 42 BauGB für die Eigentümer solcher Grundstücke im Außenbereich, die nicht in der entsprechenden Konzentrationszone liegen.
Tenor:

Die Berufung der Beteiligten zu 1) gegen das am 8. Februar 2006 verkündete Urteil der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beteiligten zu 2) und 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

540 ZPO)

A)

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) zur Leistung von Entschädigung. Die Beteiligte zu 1) betreibt auf einem von ihrem geschäftsführenden Mitgesellschafter angepachteten Grundstück seit Mai 1998 eine Windkraftanlage. Mit Bauschein vom 08.12.1999 erhielt die Beteilige zu 1) von der Beteiligten zu 2) die Baugenehmigung zur Errichtung einer weiteren Windkraftanlage. Diese Genehmigung nutzte sie nicht aus.

Am 18.02./13.04.1999 hatte die Beteiligte zu 1) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Windparks mit 5 Windkraftanlagen beantragt, nachdem sie die betreffenden Grundstücke am 07.01.1999 von dem Eigentümer angepachtet hatte. Mit Bescheid vom 08.11.1999 wies die Beteiligte zu 2) diesen Antrag zurück. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beteiligte zu 3) am 22.10.2002 zurück. Zur Begründung führte die Beteiligte zu 3) aus, das Vorhaben widerspreche trotz seiner gesetzlichen Privilegierung den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der seit dem 09.07.1999 Konzentrationsflächen für derartige Windparks ausweist. Die Auswahl dieser Konzentrationsflächen als Standort für Windkraftanlagen schließe eine Errichtung an anderer Stelle aus, zumal das Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung sowie des Natur- und Landschaftsschutzes nicht vereinbar sei. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Beteiligte zu 1) Klage vor dem Verwaltungsgericht, die sie nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts zurücknahm.

Die Aufstellung des betreffenden Flächennutzungsplans hatte die Beteiligte zu 2) am 24.03.1998 beschlossen. Die frühzeitige Beteiligung der Bürger fand in dem Zeitraum vom 20.04. bis 05.05.1998 statt. Der Entwurf zur 32. Flächennutzungsplanänderung wurde in der Zeit vom 30.11. bis 30.12.1998 öffentlich bekannt gemacht. Die Änderung wurde am 24.03.1999 beschlossen, am 28.06.1999 durch die Beteiligte zu 3) genehmigt und am 09.07.1999 veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 20.12.2002 beantragte die Beteiligte zu 1) eine Entschädigung bei der Beteiligten zu 2). Den Antrag wies die Beteiligte zu 2) am 14.04.2005 zurück. Diese Entscheidung bestätigte die Beteiligte zu 3) mit Bescheid vom 08.08.2005.

Gegen diesen Bescheid hat die Beteiligte zu 1) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Entschädigung wegen der fehlenden Möglichkeit zu, den Windpark zu betreiben. Dieser Anspruch ergebe sich aus einer analogen Anwendung des § 39 BauGB, jedenfalls aber aus § 42 BauGB.

Die rechtsanwaltlich nicht vertretenen Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag der Beteiligten zu 1) entgegen getreten. Sie sind der Ansicht, dass der Beteiligten zu 1) der geltend gemachte Anspruch weder aus § 39 BauGB noch aus § 42 BauGB zustehen könne.

Das Landgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beteiligten zu 1), mit der diese ihren erstinstanzlichen Sachantrag, nämlich festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, ihr wegen der Nichterteilung von Genehmigungen für die Errichtung von fünf Windkraftanlagen Entschädigung zu leisten, weiter verfolgt. Dabei wiederholt und vertieft die Beteiligte zu 1) ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Zusätzlich hat die Beteiligte zu 1) in der Berufung eine Erklärung vom 08.06.2006 vorgelegt, ausweislich derer Herr I als Eigentümer der mit den Windkraftanlagen zu bebauenden Grundstücke seine Entschädigungsansprüche an die Beteiligte zu 1) abgetreten und die Beteiligte zu 1) diese Abtretung angenommen hat.

Die Beteiligten zu 2) und 3) treten der Berufung entgegen.

B)

Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist unbegründet. Der Beteiligten zu 1) stehen die geltend gemachten Entschädigungsansprüche weder gem. § 39 BauGB analog noch gem. § 42 I BauGB zu.

I. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 39 BauGB liegen nicht vor. Auch kommt eine analoge Anwendung des § 39 BauGB nicht in Betracht.

1. Gem. § 39, 1 BauGB können Eigentümer oder in Ausübung ihrer Nutzungsrechte sonstige Nutzungsberechtigte, die im berechtigten Vertrauen auf den Bestand eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans Vorbereitungen für die Verwirklichung von Nutzungsmöglichkeiten getroffen haben, die sich aus dem Bebauungsplan ergeben, angemessene Entschädigung in Geld verlangen, soweit die Aufwendungen durch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des Bebauungsplanes an Wert verlieren. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Für das von der Beteiligten zu 1) angepachtete Gelände existierte zu keiner Zeit ein Bebauungsplan. Demzufolge haben etwaige von der Beteiligten zu 1) getätigte Aufwendungen nicht durch die Änderung eines Bebauungsplanes an Wert verloren.

2. Eine analoge Anwendung des § 39 BauGB auf den hier vorliegenden Sachverhalt, der dadurch geprägt ist, dass die Beteiligte zu 1) behauptet, der von ihr geplante Windpark sei lediglich deshalb unzulässig, weil der am 09.07.1999 in Kraft getretene Flächennutzungsplan Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen ausweist und das von ihr angepachtete Gelände nicht in einer solchen Konzentrationszone liegt, scheidet aus (vgl. Bielenberg/Runkel, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 39 Rz. RZ. 19; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage, § 39 Rz. 7 für den hier vorliegenden Fall einer Maßnahme im Außenbereich; Jäde, in: Jäde / Dirnberger / Weiss, BauGB, 4. Auflage, § 39 Rz. 10; Breuer, in: Schrödter, BauGB, 7. Auflage, § 39 Rz. 40; Vogel, in: Brügelmann, BauGB, § 39 Rz. 7; Stüer, ZfBR 2004, 338, 341; ders., in: Handbuch des Fachplanungsrechts, 2005 Rz. Rz. 1705 f.; ders., in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Stand Januar 2006, Rz. 1093; Enders / Bendemacher, ZfBR 2002, 29, 36; a.A. Schenke WuV 2000, 226, 248 ff.; Maslaton LKV 2004, 289, 291, 292; offen BVerwG NVwZ 2003, 214, 216, verneinend nunmehr ausdrücklich BVerwG NVwZ 2005, 578, 579).

Ebenso wenig, wie das Vertrauen in einen nichtigen Bebauungsplan Ansprüche in direkter oder entsprechender Anwendung des § 39 BauGB auslösen kann (BGH NJW 1983, 215), kann etwas anderes gelten, wenn ein Nutzungsberechtigter im Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Bodennutzbarkeit gem. § 35 BauGB Aufwendungen gemacht hat und diese Aufwendungen durch die planerische Aufhebung oder Einschränkung der gesetzlichen Nutzbarkeit entwertet werden. Grundsätzlich ist nämlich das Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlich bestehenden, tatsächlich aber nicht verwirklichten Nutzungsmöglichkeit gem. § 35 BauGB nicht geschützt, da es insoweit an der spezifisch planerischen Gewährleistung fehlt. § 39 BauGB kann vor diesem Hintergrund nicht im Hinblick auf das Postulat der Gleichbehandlung und Systemgerechtigkeit erweiternd dahin ausgelegt werden, dass auch das Vertrauen auf den Bestand eines nach § 35 BauGB gegebenen Baurechts geschützt ist. Dies gilt auch in einem Fall wie dem hier vorliegenden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Darstellungen eines Flächennutzungsplans für den Außenbereich positive Zonenmarkierungen enthalten, nämlich deren Konzentration in Vorrang- und Eignungszonen (§ 35 I Nr. 5, III 3 BauGB). Der mit einem solchen Flächennutzungsplan einhergehende Ausschluss solcher Nutzungen in den übrigen Gebietsflächen beruht auf einem gesetzlichen, situationsadäquaten Planvorbehalt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Rechtsposition eines privilegierten Vorhabens im Außenbereich auch nicht mit der Rechtsposition gleichzusetzen, die ein Bebauungsplan dem Eigentümer vermittelt. Auch wenn ein Vorhaben im Außenbereich an sich privilegiert ist, darf dieses Vorhaben nicht zugelassen werden, wenn dem Vorhaben öffentliche Belange entgegen stehen (§ 35 III 3 BauGB), wobei die Frage, ob dies der Fall ist, im Wege einer nachvollziehenden Abwägung zu ermitteln ist (BVerwG NVwZ 2005, 578). Hierdurch unterscheidet sich § 35 I Nr. 5 BauGB maßgeblich von § 30 BauGB.

Dass es im vorliegenden Fall an einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke fehlt, ergibt sich im Übrigen unmittelbar aus der Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau). In dieser hatte der genannte Ausschuss - allerdings im Zusammenhang mit der Regelung des § 42 BauGB - zur Problematik der Entschädigungspflicht darauf verwiesen, dass der Ausschuss keinen Anlass für eine gesetzliche Änderung sieht. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Ausschuss weiter darauf hingewiesen, dass die in § 42 BauGB vorausgesetzte zulässige Nutzung die Qualität einer eigentumsrechtlichen Rechtsposition haben muss und diese Voraussetzung - anders als in den Fällen der nach den §§ 30 und 34 BauGB zu beurteilenden Nutzungen - in den Fällen des § 35 BauGB grundsätzlich zu verneinen ist, weil bei privilegierten Vorhaben im Außenbereich eben nicht generell von deren Zulässigkeit auszugehen ist, sondern sie unter dem Vorbehalt der Nichtbeeinträchtigung stehen (BT-DrS 15/2996, S. 61 f.).

II. Der Beteiligten zu 1) steht ein Entschädigungsanspruch auch nicht in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 42 BauGB zu.

1. Aus eigenem Recht steht der Beteiligten zu 1) ein entsprechender Anspruch nicht zu. Denn eine entsprechende Anwendung des § 42 BauGB scheidet schon deshalb aus, weil § 42 BauGB nur dem Eigentümer und - anders als § 39 BauGB - nicht dem Nutzungsberechtigten einen Entschädigungsanspruch zubilligt. Die Klägerin als Pächterin kann daher in keinem Fall einen Entschädigungsanspruch aus § 42 BauGB herleiten.

2. Ein Anspruch besteht aber auch nicht aus abgetretenem Recht des Grundstückseigentümers, Herrn I.

a) Zwar liegt entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1) eine Klageänderung vor, da die Beteiligte zu 1) ihre Klage nunmehr auf fremdes und zwar auf das ihr abgetretene Recht des Grundstückeigentümers Herrn I stützt (vgl. Musielak-Foerste, ZPO, 4. Auflage, § 263 Rz. 3; Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 263 Rz. 7). Diese Klageänderung ist allerdings aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit sachdienlich (§ 533 ZPO).

b) In der Sache besteht ein Anspruch allerdings nicht.

(1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 BauGB liegen nicht vor. Durch einen Flächennutzungsplan kann die "zulässige Nutzung" eines Grundstücks im Sinne des § 42 BauGB nicht aufgehoben oder geändert werden (Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 35 Rz. 74; Battis, in Krautzberger/Battis/Löhr, a.a.O., § 42 Rz. 5; Bielenberg/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 42 Rz. 54 f.; Jäde, a.a.O., § 42 Rz. 4; Breuer, a.a.O., § 42 Rz. 26a für negative Ausweisungen eines Flächennutzungsplans; Stüer, in: Hoppenberg/de Witt, a.a.O., Rz. 1107; ders. ZfBR 2004, S. 339; Vogel, a.a.O., § 42 Rz. 7; HK-BauGB / Kröninger, § 42 Rz. 4; unklar Enders/Bendermacher, ZfBR 2002, 29, 36; a.A. Schenke, WuV 2000, 226, 356 ff.; Maslaton, a.a.O., S. 293). Flächennutzungspläne sind keine Rechtsnormen und regeln nicht unmittelbar die Nutzung des Grund und Bodens. Rechtsgrundlage für Entscheidungen nach § 35 BauGB ist das Gesetz selbst, nicht der Flächennutzungsplan. Dies gilt auch im Hinblick auf die Regelung des § 35 III 3 BauGB. Der dort normierte Ausschluss bestimmter privilegierter Vorhaben im übrigen Geltungsbereich eines Flächenutzungsplans ist nicht strikter Natur, sondern soll nur in der Regel eintreten. Im Rahmen der Zulässigkeitsentscheidung nach § 35 I BauGB verbleibt der Genehmigungsbehörde ein Abwägungsspielraum, der es ermöglicht, den Eigentümerinteressen hinsichtlich bestehender Nutzungsansprüche hinreichend Rechnung zu tragen. Die Aufhebung einer zulässigen Nutzung tritt somit nicht schon durch eine entsprechende Darstellung im Flächennutzungsplan ein, sondern erst durch die Zulässigkeitsentscheidung nach § 35 I BauGB. Die von der Beteiligten zu 1) zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 08.12.2005, Az. 1 C 10065/05 betrifft eine andere Fragestellung - nämlich die eines aufgrund des rheinland-pfälzischen Landesrechts bejahte Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens gem. § 47 I Nr. 2 VwGO gegen einen Flächennutzungsplan - und ist für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ohne Bedeutung.

(2) Im Hinblick auf den zitierten Beschluss des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen kann auch nicht vom Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann. Ohne Erfolg beruft sich Beteiligte zu 1) für die Richtigkeit ihrer gegenteiligen Auffassung auf die Entscheidung des BVerwG vom 19.09.2002, Az.: 4 C 10/01 (NVwZ 2003, 214). Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil eine analoge Anwendung des § 42 BauGB für möglich gehalten. Von dieser Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht allerdings in der Entscheidung vom 27.01.2005, Az.: 4 C 5/04 unter Hinweis auf den oben zitierten Beschluss abgerückt (BVerwG 2005, 578).

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Ziffer 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da nach Auffassung des Senats die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 II 1 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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