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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: 18 U 114/05
Rechtsgebiete: ZPO, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 4
HGB §§ 84 ff
HGB § 84 Abs. 1
HGB § 86 Abs. 1
HGB § 89 a Abs. 1
HGB § 89 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 626 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. Mai 2005 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert, soweit die Klage hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 1. und 42. abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis weder durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2002 noch durch deren Kündigung vom 28.11.2003 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht.

Im Übrigen wird das angefochtene Urteil nebst dem dazugehörigen Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurück-verwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagte mit mehr als 20.000,00 €; die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestehens eines Vertragsverhältnisses zur Beklagten und verfolgt im Wege der Stufenklage Provisionsansprüche.

Die Beklagte vertreibt Kosmetikartikel, Nahrungsergänzungsmittel und seit dem 01.07.2002 auch Aloe Vera-Produkte. Zum Vertrieb setzt die Beklagte sogenannte M-Berater ein, die die Produkte der Beklagten in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an Untervertreter oder Endverbraucher weiterveräußern.

Der Kläger war seit dem 01.11.1998 für die Beklagte als Berater tätig. Hinsichtlich der Geschäftsbedingungen für M-Berater wird auf die Anlage B 1a (BI. 19 GA) verwiesen. Unter dem 10.06.1999 schlossen die Parteien einen "Vertrag für Organisationsleiter" (sog. Orgaleitervertrag), der in § 8 Ziffer 4 eine Einschränkung des Kündigungsrechtes und in § 11 Wettbewerbsabreden enthält. Wegen der Einzelheiten dieses Vertrages wird auf Bl. 20 bis 29 GA verwiesen.

Die Firma G vertreibt ebenfalls Kosmetikartikel und insbesondere auch bereits seit 2001 Aloe Vera-Produkte.

Mit Schreiben vom 19.12.2001 (Bl. 78 GA) forderte der Zeuge I2 als Vertriebsleiter der·Beklagten den Kläger zur Stellungnahme dazu auf, dass er nach Informationen für den Wettbewerber G tätig sei und in Zusammenarbeit mit einem Herrn L Seminare für diese Unternehmen durchführe. Der Kläger bestritt in seinem Antwortschreiben vom 19.12.2001 (Bl. 79 GA) beide Vorhalte, indem er ausführte: "1. Ich bin für den Wettbewerber, G, nicht tätig. 2. Ich führe für dieses Unternehmen, weder mit Herrn L noch mit anderen Personen Seminare durch." Daraufhin teilte der Zeuge I2 dem Kläger per Fax vom 28.12.2001 (Bl. 80 GA) mit: "... vielen Dank, daß Du so schnell zur Klärung beigetragen hast. Parallel informiere ich W, so daß die Angelegenheit auch hier gelöst wird. ...".

Mit Schreiben vom 14.11.2002 (BI. 7/8 GA), das von Herrn I2 als Vertriebsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung unterzeichnet wurde, erklärte die Beklagte die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung der bestehende Geschäftsbeziehung mit der Begründung, sie habe feststellen müssen, dass der Kläger sich vertrieblich einem Konkurrenzunternehmen (G zugewandt habe, dessen Produkte er nunmehr vertreibe. Dies könne belegt werden durch die Aussage eines Beraters sowie durch die Vorlage eines Flyers, der G-Produkte bewerbe und mit dem Stempel der Firma des Klägers versehen sei. In diesem Zusammenhang lagen der Beklagten ein Schreiben der Frau I vom 31.10.2002 (BI. 33 GA) sowie eine auf den Namen des Herrn T2 lautende eidesstattliche Versicherung vom 30.10.2002 (BI. 35 GA) vor.

Im Zuge des Rechtsstreits hat die Beklagte weiterhin mit Schreiben vom 28.11.2003 die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung erklärt. Insoweit wird auf BI. 256 bis 259 GA Bezug genommen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Kündigungen unwirksam seien. Auf den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung habe die Beklagte mit Abschluss des Organisationsleitervertrages verzichtet. Zudem seien die Kündigungen verfristet. Der Kläger hat behauptet, im Jahre 2001 habe sein Sohn D einen Flyer für Aloe Vera-Produkte erstellt und ohne sein Wissen und Wollen mit seinem, des Klägers, Stempel versehen. Diesen Flyer habe sein Sohn im Wartezimmer der Praxis L2 ausgelegt. Der Sohn D sei vorübergehend bei der Firma G eingeschrieben gewesen; die Tätigkeit habe jedoch bereits im April 2002 geendet. Zudem habe der Zeuge T nur für seinen Eigenbedarf bestellt. Dies bedeute, dass der jeweilige Berater Produkte nur in einem derartigen Umfang vertreibe, dass er durch die hierbei erzielten Provisionen seinen Eigenbedarf an diesen Produkten decken könne. Der Kläger habe seinen Sohn in diesem Zusammenhang nicht beeinflusst. Die Zeugin I habe bereits im Jahre 2001 dem Kläger erklärt, ihre Mutter habe einen Flyer aus der Praxis mitgebracht. Der Kläger habe der Zeugin gegenüber klargestellt, dass dieser Flyer nicht von ihm stamme. Die Zeugen I hätten daraufhin zu späteren Zeitpunkten dritten Zeugen gegenüber erklärt, ihnen sei sehr wohl bekannt, dass der Flyer nicht von dem Kläger, sondern von dessen Sohn herrühre, dass man dies aber gleichwohl dem Kläger anlasten würde, um ihn mit allen Mitteln aus dem Unternehmen der Beklagten herauszudrängen. Hintergrund sei, dass die Zeugin I mit Frau Q und Herrn Y zusammenarbeite, die ihrerseits einen unmittelbaren erheblichen finanziellen Vorteil davon hätten, wenn der Kläger aus den Diensten der Beklagten ausscheide. Alle Provisionen, die bisher an den Kläger geflossen seien, würden in diesem Fall unmittelbar der von Frau Q und Herrn Y betriebenen Gesellschaft zu Gute kommen.

Mit dem Zeugen T2, der bis ca. 1992 Berater der Beklagten gewesen sei, habe über Jahre ein gutes Bekanntschaftsverhältnis bestanden. Im Herbst 2001 habe der Zeuge T2 angerufen, da er zum damaligen Zeitpunkt ein Produkt für Entkalkungsgeräte vertrieben habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sich ein Top-Verkäufer der Firma G, der Zeuge L, bei dem Zeugen T für einen Besuch angekündigt. Der Zeuge T2 habe den Zeugen L unbedingt kennenlernen wollen und aus diesem Grund an dem Gespräch des Herrn T mit dem Zeugen L und den Zeugen E, T3 und H teilgenommen. Mit dem Kläger, der teilweise an dem Gespräch teilgenommen habe, habe dies nichts zu tun.

Im Durchschnitt des Jahres 2002 habe er, der Kläger, aus der Tätigkeit für die Beklagte Provisionsansprüche in einer Größenordnung von monatlich 6.983,75 € erzielt.

Der Kläger hat beantragt,

1.

festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2002 das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis nicht beendet hat, sondern dies unverändert fortbesteht,

2.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welcher Umsatz in den Monaten November 2002, Dezember 2002 sowie Januar und Februar 2003 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

3.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate November 2002, Dezember 2002 sowie Januar und Februar 2003 Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers bei der Beklagten eingeschrieben haben,

4.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die dem Kläger für die Monate November 2002, Dezember 2002 sowie Januar und Februar 2003 zustehenden Provisionen,

5.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffer 2 und 3, hilfsweise zu Ziffer 4 ein Eides Statt zu versichern,

6.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate November 2002, Dezember 2002 sowie Januar und Februar 2003 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskunft zu Ziffer 2 und 3, hilfsweise zu Ziffer 4 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (04.08.2003) zu zahlen,

7.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welcher Umsatz in den Monaten März, April und Mai 2003 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben;

8.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate März, April und Mai 2003 Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers bei der Beklagten eingeschrieben haben,

9.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung über die dem Kläger für die Monate März, April und Mai 2003 zustehenden Provisionen zu legen,

10.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffern 7 und 8 hilfsweise zu Ziffer 9 an Eides Statt zu versichern,

11.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate März, April und Mai 2003 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskünfte zu Ziffer 7 und 8 hilfsweise zu Ziffer 9 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen,

12.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welcher Umsatz in den Monaten Juni, Juli und August 2003 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

13.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate Juni, Juli und August 2003 Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers sich bei der Beklagten eingeschrieben haben,

14.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung über die dem Kläger für die Monate Juni, Juli und August 2003 zustehenden Provisionen zu legen,

15.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffern 12 und 13, hilfsweise zu Ziffer 14 an Eides statt zu versichern,

16.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Juni, Juli und August 2003 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskünfte zu Ziffer 12 und 13, hilfsweise zu Ziffer 14 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes (06.01.2004) zu zahlen,

17.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welcher Umsatz in dem Monaten September, Oktober und November 2003 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

18.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate September, Oktober und November 2003 Umsatzlisten auszuhändigen, die seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers bei der Beklagten eingeschrieben haben,

19.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung über die dem Kläger für die Monate September, Oktober und November 2003 zustehenden Provisionen zu legen,

20.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffern 17 und 18, hilfsweise zu Ziffer 19 an Eides statt zu versichern,

21.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate September, Oktober und November 2003 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskünfte zu Ziffer 17 und 18, hilfsweise zu Ziffer 19 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes (25.05.2004) zu zahlen,

22.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welcher Umsatz in den Monaten Dezember 2003 und Januar 2004 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

24.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung über die dem Kläger für die Monate Dezember 2003 und Januar 2004 zustehenden Provisionen zu legen,

25.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffern 20 und 21, hilfsweise zu Ziffer 22 an Eides statt zu versichern,

26.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Dezember 2003 und Januar 2004 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskünfte zu Ziffer 21 und 22, hilfsweise zu Ziffer 24 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes (30.07.2004) zu zahlen,

27.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welchen Umsatz in den Monaten Februar 2004 und März 2004 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

28.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate Februar 2004 und März 2004 Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers bei der Beklagten eingeschrieben haben,

29.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die dem Kläger für die Monate Februar 2004 und März 2004 zustehenden Provisionen,

30.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Februar und März 2004 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskünfte zu Ziffer 26 und 27, hilfsweise zu Ziffer 28 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes (26.08.2004) zu zahlen,

31.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffer 27 und 28, hilfsweise zu Ziffer 29 ein Eides Statt zu versichern,

32.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welchen Umsatz in den Monaten April, Mai und Juni 2004 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

33.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate April, Mai und Juni 2004 Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers bei der Beklagten eingeschrieben haben,

34.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die dem Kläger für die Monate April, Mai und Juni 2004 zustehenden Provisionen,

35.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffer 32 und 33, hilfsweise zu Ziffer 34 an Eides Statt zu versichern,

36.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate April, Mai und Juni 2004 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskunft zu Ziffer 32 und 33, hilfsweise zu Ziffer 34 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (12.11.2004) zu zahlen,

37.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte und welchen Umsatz in den Monaten Juli, August und September 2004 von den Beratern getätigt wurden, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben,

38.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate Juli, August und September 2004 Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer #### des Klägers bei der Beklagten eingeschrieben haben,

39.

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die dem Kläger für die Monate Juli, August und September 2004 zustehenden Provisionen,

40.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu Ziffer 37 und 38, hilfsweise zu Ziffer 39 an Eides Statt zu versichern,

41.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Juli, August und September 2004 Vergütung in einer nach Erteilung der Auskunft zu Ziffer 37 und 38, hilfsweise zu Ziffer 39 noch zu bestimmenden Höhe, mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (31.12.2004) zu zahlen,

42.

festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 28.11.2003 das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis nicht beendet hat, sondern dies unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 20.10.2001 dem Zeugen T2 als ehemaligen M-Berater zwei G-Startersets verkauft und ihn über einen GBeratervertrag unter Vertrag genommen. Zudem habe der Kläger sowohl im Oktober 2001 wie auch im Oktober 2002 Flyer mit seinem Stempel in der Praxis L2 in X auslegen lassen. Er habe hierbei seinen Sohn vorgeschickt und ihn aktiv unterstützt. Von diesen Einzelheiten habe die Beklagte erst Ende Oktober 2002 Kenntnis erhalten. Der Zeuge I2 sei als Vertriebsleiter auch einzelvertretungsberechtigt gewesen.

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung von Zeugen (T, I, G2, E, T3, T4, T2, H, I2, X, C sowie im Wege der Rechtshilfe T2) abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts ist das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien unter dem 14.11.2002 wirksam fristlos gekündigt worden. Der Kläger habe gegen das in § 11 Abs. 2 des Organisationsleitervertrages enthaltene Wettbewerbsverbot verstoßen, welches der allgemeinen Interessenwahrnehmungspflicht eines Handelsvertreters entspreche. Zudem liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 3 des Organisationsleitervertrages vor, wonach es dem Orgaleiter untersagt sei, während des Bestehens des Vertrages für ein anderes Unternehmen im Bereich des Multilevel-Marketing oder des Network-Marketing (Strukturvertrieb) tätig zu sein. Zwischen der Beklagten und der Firma G habe ein Konkurrenzverhältnis bestanden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger die Firma G in ihren Vertriebsbemühungen unterstützt habe. Durch die Werbevorstellung des Herrn L im Haus des Klägers am 20.10.2001 habe der Kläger zumindest den Anschein eines unzulässigen Wettbewerbs gesetzt. Dass es sich dabei um eine Angelegenheit des Sohnes des Klägers gehandelt habe, überzeuge nicht. Dagegen habe sich nicht feststellen lassen, dass die sogenannten Flyer mit vorherigem Wissen und Wollen des Klägers in der Praxis des L2 ausgelegt worden seien. Die Belange der Beklagten seien beeinträchtigt worden. Es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 89 a HGB vor, der der Beklagten die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses unzumutbar mache. Insoweit sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip, zu beachten seien. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger sei ca. 1 1/2 Jahrzehnten für die Beklagte tätig sei, einen wesentlichen Teil seines Einkommens aus dieser Tätigkeit beziehe, gute Ergebnisse erzielt habe und als Organisationsleiter tätig gewesen sei, wobei dieses Vertragsverhältnis, solange die festgelegten Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt seien, nicht ordentlich kündbar sei. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Verletzung des Wettbewerbsverbots, wie es hier in Rede stehe, zu einem schweren Verstoß gegen die vertraglichen Treuepflichten führe und grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung berechtige. Die den Sachverhalt verfälschende Antwort des Klägers gegenüber der Beklagten in seinem Schreiben vom 19.12.2001, in dem er den Vorgang einer Präsentation in seinem Hause strikt ableugne, führe nicht zur Wiederherstellung der durch die Gestattung der Präsentation eingetretenen Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses. Einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung habe es nicht bedurft. Zwar könne diese im Handelsvertreterverhältnis vor einer Kündigung erforderlich sein. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, bei denen eine Billigung des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen sei, wie auch bei Pflichtverletzungen, die zu einer Störung im Vertrauensbereich führen, bedürfe es keiner vorhergehenden Abmahnung. Es stelle einen besonders schwerwiegenden Verstoß dar, dass der Kläger es als Organisationsleiter der Beklagten zugelassen habe, dass eine Konkurrentin in seinem Hause Präsentationen durchführe. Die Kündigung sei auch im Übrigen wirksam. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass dem Zeugen I2, der die Kündigung unterzeichnet habe, formlos und schlüssig eine entsprechende Vollmacht erteilt worden sei. Es liege ein Fall der Handlungsvollmacht entsprechend § 54 HGB vor. Die Kündigung sei auch nicht verfristet. Da das Vertragsverhältnis durch die fristlose Kündigung beendet worden sei, seien auch die weitergehenden Zahlungs- und Auskunftsanträge sowie der Feststellungsantrag unbegründet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertieft sein Vorbringen, wonach die Kündigung nicht nachvollziehbar sei. Er, der Kläger, seit ca. 1 1/2 Jahrzehnten äußerst erfolgreich für die Beklagte tätig gewesen sei, zu seiner Struktur hätten insgesamt 15.500 Vertreter gehört. Bei der Kündigung handele es sich um ein Komplott. Ziel der Kündigung sei es, dass sich die mit dem Vertriebsleiter der Beklagten, dem Zeugen I2, befreundeten M-Berater Y und Q der Struktur des Klägers bemächtigen und dessen Provisionen vereinnahmen könnten. In die Abwägung des Landgerichts sei nicht ausreichend eingeflossen, dass ihm, dem Kläger, durch die Kündigung wirtschaftlich alles genommen werde; er stehe ohne Altersversorgung da. Ein wichtiger Grund liege bei Abwägung der Gesamtumstände, die das Landgericht fehlerhaft vorgenommen habe, nicht vor. Er, der Kläger, habe sich nicht pflichtwidrig verhalten. Jedenfalls wäre zumindest eine Abmahnung erforderlich gewesen. Zudem sei die Annahme des Landgerichts, der Zeuge I2 sei bevollmächtigt gewesen, eine Kündigung für die Beklagte auszusprechen, fehlerhaft. Schließlich sei die Kündigung auch verfristet.

Der Kläger beantragt,

abändernd

1.

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis weder durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2002 noch durch deren Kündigung vom 28.11.2003 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht,

und den Rechtsstreit wegen der weiteren Anträge an das Landgericht zurückzuverweisen, wenn der Senat diesem Zwischenfeststellungsantrag stattgibt;

2.

im Wege der Stufenklage nacheinander

a.

dem Kläger Abrechnung über die Provision zu erteilen, die er für die Zeit seit dem 01.11.2002 zu beanspruchen hat, einen Buchauszug über sämtliche Geschäfte und Umsätze seit 01.11.2002 von den Vertretern, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers (zuletzt: Nr. ####) bei der Beklagten eingeschrieben haben, zu erstellen und auszuhändigen und Auskunft über alle Umstände zu erteilen, die für den Provisionsanspruch des Klägers für den Zeitraum seit 01.11.2002, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind;

b.

die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung und des Buchauszuges gem. Ziff. 2. a. an Eides Statt zu versichern;

c.

für den Fall, dass der Buchauszug verweigert wird oder begründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung und des Buchauszuges gem. Ziff. 2. a. bestehen, dem Kläger nach dessen Wahl selbst oder durch einen von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Bucheinsicht zu gewähren;

d.

die Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Einsichtnahme vorgelegten Bücher an Eides Statt zu versichern;

e.

dem Kläger die auf Grund der Abrechnung, des Buchauszuges, der Auskunft oder der Einsichtnahme in die Bücher der Beklagten zu beziffernden Provisionen - mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto - zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Monate

a. 11/2002 bis 02/2003 seit Rechtshängigkeit,

b. 03/2003 bis 05/2003 seit dem 31.10.2003;

c. 06/2003 bis 08/2003 seit dem 06.01.2004,

d. 09/2003 bis 11/2003 seit dem 25.05.2004,

e. 12/2003 und 01/2004 seit dem 30.07.2004,

f. 02/2004 und 03/2004 seit dem 26.08.2004,

g) 04/2004 bis 06/2004 seit dem 12.11.2004,

h) 07/2004 bis 09/2004 seit dem 31.12.2004,

g. 10/2004 bis 08/2005 seit Zustellung dieses Schriftsatzes (07.09.2005).

3.

hilfsweise, im Wege der Stufenklage

a.

die Beklagte zu verurteilen,

aa.

dem Kläger Auskunft zu erteilen über die getätigten Geschäfte und den Umsatz der Berater, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben für die Monate seit November 2002, und für den Zeitraum seit November 2002 dem Kläger jeweils monatliche Umsatzlisten von den Beratern auszuhändigen, die sich seit dem 01.11.1989 unter der Beraternummer des Klägers #### bei der Beklagten eingeschrieben haben;

bb.

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die dem Kläger für die betreffenden Zeiträume jeweils zustehenden Provisionen;

b.

die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit ihrer Angaben zu Ziff. 2. a., an Eides Statt zu versichern;

c.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum seit November 2002 Provisionen in einer nach Erteilung der Auskunft zu Ziff. 2. a., noch zu bestimmenden Höhe - mindestens jedoch monatlich 6.983,75 € netto - zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Monate

j) 11/2002 bis 02/2003 seit Rechtshängigkeit,

k) 03/2003 bis 05/2003 seit dem 31.10.2003;

I) 06/2003 bis 08/2003 seit dem 06.01.2004,

m) 09/2003 bis 11/2003 seit dem 25.05.2004,

n)12/2003 und 01/2004 seit dem 30.07.2004,

o) 02/2004 und 03/2004 seit dem 26.08.2004,

p) 04/2004 bis 06/2004 seit dem 12.11.2004,

q) 07/2004 bis 09/2004 seit dem 31.12.2004,

r) 10/2004 bis 08/2005 seit Zustellung dieses Schriftsatzes (07.09.2005).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages die angefochtene Entscheidung, wobei sie sich insbesondere auch auf die während des Verfahrens ausgesprochene Kündigung vom 28.11.2003 beruft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Auf seinen Klageantrag zu 1) ist das unveränderte Fortbestehen des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien festzustellen. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge hat der Senat auf Antrag des Klägers in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht Gebrauch gemacht.

I. Bei dem Klageantrag zu 1) handelt es sich um eine Zwischenfeststellungsklage. Sie ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger begehrt mit seinem Klageantrag zu 1), mit dem er die in erster Instanz gestellten Klageanträge zu 1) und 42) zusammengefasst hat, die Feststellung, dass die Kündigungen vom 14.11.2002 und vom 28.11.2003 das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis nicht beendet haben, sondern dass dieses unverändert fortbesteht. Bei diesem Antrag handelt es sich - vor dem Hintergrund der weiteren Anträge seiner Stufenklage, die gestützt auf das Vertragsverhältnis der Parteien insbesondere auf Auskunft und Zahlung gerichtet sind - um eine Zwischenfeststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen. Aus der Antragsformulierung lässt sich nämlich zweifelsfrei entnehmen, dass der Kläger nicht etwa die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen begehrt, sondern die Feststellung des Fortbestehens des Vertragsverhältnisses, wobei die Wirksamkeit der Kündigungen lediglich eine Vorfrage darstellt.

2. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht unverändert fort, da die Kündigungen vom 14.11.2002 und vom 28.11.2003 unwirksam sind und andere Vertragsbeendigungsgründe oder Vertragsänderungsgründe weder geltend gemacht werden noch ersichtlich sind.

a) Die Kündigungserklärung vom 14.11.2002 ist weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung wirksam.

aa) Die materiellen Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung sind nicht erfüllt. Es kann deshalb offen bleiben, ob der Zeuge I2 bevollmächtigt war, die Kündigung für die Beklagte zu erklären.

(1) Rechtsgrundlage für eine fristlose Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger ist § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB. Diese Bestimmung gilt für den Handelsvertretervertrag. Ein solcher Vertrag besteht zwischen den Parteien. Zwar ist der Kläger - soweit er von der Beklagten Waren bezieht und sie dann im eigenen Namen verkauft - kein Handelsvertreter, sondern Vertragshändler (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 84 Rdnr. 10). Abgesehen davon, dass auch auf den Vertragshändler Handelsvertreterrecht entsprechend anwendbar sein kann (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 84 Rdnr. 11), ergibt sich die Handelsvertretereigenschaft des Klägers im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB aber jedenfalls daraus, dass es nach § 1 Nr. 1 des Organisationsleitervertrages zu seinen Aufgaben gehört, der Beklagten im Rahmen der als Strukturvertrieb aufgebauten Absatzorganisation neue Berater zu vermitteln. Im Übrigen folgt aus der vorgenannten Vertragsbestimmung, in der es heißt, dass der Kläger "als Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff HGB verpflichtet" sei, zweifelsfrei, dass die Parteien ihr Rechtsverhältnis als Handelsvertreterverhältnis gewertet wissen wollen.

(2) Ein Kündigungsgrund, der für eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ausreichend ist, bestand nicht. Er wäre nur dann gegeben, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB vorlag. Das ist dann der Fall, wenn für den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar ist (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89 a Rdnr. 6). Soweit nach § 8 Nr. 5 des Organisationsleitervertrages eine Verletzung der Wettbewerbsabreden nach § 11 des Vertrages als wichtiger Grund für eine Kündigung zu werten ist, handelt es sich um eine Ausprägung des § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB. Daraus folgt, dass nicht schon jede geringe Wettbewerbsverletzung eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, sondern nur eine solche, der das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne des § 89 a Abs. 1 HGB zukommt. Dafür spricht hier auch, dass der Vertrag in § 11 Nr. 4 für Wettbewerbsverstöße auch Sanktionen außerhalb einer Kündigung vorsieht, und zwar eine Vertragsstrafe sowie Schadensersatzansprüche.

Zwar ist dem Landgericht insoweit zu folgen, als es von einem Wettbewerbsverstoß des Klägers hinsichtlich seiner Aktivitäten für die Firma G ausgeht. Es trifft auch zu, dass ein Wettbewerbsverstoß eines Handelsvertreters gerade bei Zuwiderhandeln gegen eine vertragliche Wettbewerbsklausel ohne Weiteres zur fristlosen Kündigung berechtigen kann (vgl. von Hoyingen-Huene in MK-HGB, § 89 a HGB Rdnr. 33 m.w.N.). Das Fehlverhalten des Klägers wiegt jedoch bei einer Gesamtabwägung aller Umstände entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht so schwer, dass es eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigt. Zudem war die Kündigung verfristet.

(a) Der Kläger unterlag gegenüber der Beklagten einem Wettbewerbsverbot. Nach § 11 Abs. 2 und 3 des Organisationsleitervertrages ist er während der Dauer des Vertrages nicht berechtigt, für Wettbewerber der Beklagten oder für andere Strukturbetriebe tätig zu sein. Gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmungen bestehen keine Bedenken, zumal sie der Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters nach § 86 Abs. 1 HGB entsprechen, aus der ohnehin ein Wettbewerbsverbot abgeleitet wird (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 86 Rdnr. 22).

(b) Zwischen der Beklagten und der Firma G bestand bereits im Jahr 2001 und in der Folgezeit ein Konkurrenzverhältnis. Dies gilt unabhängig davon, dass die Firma G auf Aloe Vera-Produkte im Bereich der Kosmetik und Nahrungsergänzung spezialisiert ist, während die Beklagte Aloe Vera-Produkte erst ab Juli 2002 vertrieben hat. Denn unstreitig haben beide Firmen schon ab 2001 jedenfalls Kosmetikartikel vertrieben. Eine Konkurrenzlage hinsichtlich einzelner Sortimentsteile reicht aber aus (Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 1. Aufl., § 86 Rdnr. 19). Ab welchem genauen Zeitpunkt zwischen den Firmen auch im Hinblick auf Nahrungsergänzungsmittel ein Konkurrenzverhältnis bestand, bedarf unter diesen Umständen keiner Entscheidung. Im Übrigen ist in § 11 Abs. 3 des Organisationsleitervertrages bestimmt, dass während des Bestehens des Vertrages bereits die Tätigkeit für ein anderes Unternehmen im Bereich des Multi-Level-Marketing oder des Network-Marketing (Strukturvertrieb) unabhängig davon, welche Produkte und/oder Dienstleistungen es herstellt oder vertreibt, als Konkurrenztätigkeit gelten soll und untersagt ist. Nach dieser Vertragsregelung bestand zwischen der Beklagten und der Firma G schon deshalb ein Konkurrenzverhältnis, weil beide Unternehmen im Bereich des Strukturvertriebs tätig waren.

(c) Bei einer solchen Konkurrenzlage verstößt jedes Handeln des Handelsvertreters gegen das Wettbewerbsverbot, durch welches mittelbar oder unmittelbar die Interessen des Konkurrenten gefördert werden. Unmittelbare Konkurrenztätigkeit liegt nicht nur im Vertrieb des Konkurrenzproduktes, sei es mit oder ohne förmliche Übernahme einer Konkurrenzvertretung, sondern in jeder sonstigen Hilfeleistung oder Unterstützung des Konkurrenten und seines Produkts. Darunter fallen zum Beispiel Kritik an der Ware des Geschäftsherrn verbunden mit gleichzeitigem Lob der Ware des Konkurrenten, Beratung des Konkurrenten, Überlassung von Kundenlisten oder sonstigen der Geheimhaltung unterliegenden Informationen an ihn, Belieferung von dessen Kunden, Zurverfügungstellen eigener Geschäftsräume für Zwecke des Konkurrenzunternehmens oder Abwerbung von Handelsvertretern oder Personal des Geschäftsherrn. Eine mittelbare Konkurrenztätigkeit liegt unter anderem in jedem Geschäft, durch welches das Verbot umgangen werden soll. Weil das Wettbewerbsverbot das vertragliche Vertrauensverhältnis sichern soll, stellen bereits solche Handlungen einen Verstoß dar, durch welche bei objektiver Würdigung der Anschein einer unzulässigen Wettbewerbstätigkeit entstehen kann, wie zum Beispiel durch die Aufnahme einer Bürogemeinschaft mit dem Handelsvertreter eines Konkurrenten oder durch das Angebot, für die Produkte eines Konkurrenten des Geschäftsherrn zu werben oder die Handelsvertretung zu übernehmen. Konkurrenztätigkeiten des von ihm eingesetzten Hilfspersonals, Untervertreters oder Strohmanns muss der Handelsvertreter sich zurechnen lassen (vgl. Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 86 HGB Rdnr. 20 m.w.N.).

(d) Dem Landgericht ist weitgehend dahin zu folgen, dass der Kläger mit seinen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Präsentationsveranstaltung vom 20.10.2001 in seinem Hause, die sich auf Produkte der Firma G bezog, im Ergebnis den Vertrieb der Konkurrenzfirma G unterstützt und damit das Wettbewerbsverbot verletzt hat, während die Beweisaufnahme - auch in zweiter Instanz - nicht ergeben hat, dass ihm die Auslage von Flyern in der Praxis des L2 zuzurechnen ist.

Unstreitig hat am 20.10.2001 im Hause des Klägers eine Werbevorstellung des Herrn L, eines besonders erfolgreichen Verkäufers der Firma G, stattgefunden. An dieser Veranstaltung hat der Kläger teilweise teilgenommen. Dass diese Veranstaltung nach Klägervortrag im Zusammenhang mit dem Sohn des Klägers, dem Zeugen T, erfolgt sein soll, entlastet den Kläger nicht. Dies gilt auch, obwohl bei Würdigung der Gesamtumstände letztlich nicht bewiesen ist, dass der Kläger seinen Sohn gezielt zur Umgehung des Konkurrenzverbotes vorgeschickt hat. Denn der Kläger hat durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Präsentationsveranstaltung jedenfalls den Anschein eines unzulässigen Wettbewerbs erweckt.

Wie der Kläger in erster Instanz eingeräumt hat, hat er selbst zu Herrn L Kontakt aufgenommen, nachdem er dessen Biographie gelesen hatte (Bl. 168 GA). Des Weiteren hat der Kläger erklärt, dass er Herrn L in G besucht habe; bei dieser Gelegenheit habe dieser ihm und seiner Ehefrau Produkte der Firma G geschenkt, die er mit nach Hause genommen habe; sein Sohn habe diese Produkte probiert und daraufhin beschlossen, sich (bei der Firma G einschreiben zu lassen (Bl. 169 GA). Vor dem Hintergrund dieser Erklärung des Klägers ist die Einschätzung des Landgerichts, damit habe er zunächst seinen Sohn an diese Produkte herangeführt und letztlich dessen Einschreibung als Berater bei der Firma G eingeleitet, - entgegen den Angriffen in der Berufungsbegründung (Bl. 466 GA) - nicht zu beanstanden. Ebenso fehlerfrei ist die Hervorhebung des Gewichts der Aktivitäten des Klägers aufgrund der Erwägung, dass die Teilnehmer an der Präsentation nicht etwa durch den Zeugen T, sondern durch den Kläger und dessen Ehefrau eingeladen worden seien. Andererseits bietet die Überlegung des Landgerichts, es sei "zweifelhaft", ob der Top-Verkäufer L die Präsentation ohne den Kontakt zum Kläger vorgenommen hätte, keine gegen den Kläger sprechende Tatsachengrundlage, weil sie nicht über eine Vermutung hinausgeht. Demgegenüber ist die Würdigung, wonach den Widersprüchen zwischen der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen T2 vom 30.10.2002 sowie dem Inhalt seiner Vernehmung im Wege der Rechtshilfe am 21.01.2005 zu entnehmen sei, dass zumindest dieser Zeuge davon ausgegangen sei, die Präsentation sei durch den Kläger eingeleitet worden, plausibel und rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass mit dieser Würdigung, die der Senat teilt, gerade nicht bewiesen ist, dass der Kläger dem Zeugen T2 am 20.11.2001 zwei G-Startersets verkauft und der Zeuge von dem Kläger durch einen G-Beratervertrag unter Vertrag genommen worden sei. Jedoch hat die Beweisaufnahme - wie das Landgericht zutreffend ausführt - ergeben, dass der Kläger auf Frage des Zeugen T2 überprüft hat, ob dieser Zeuge den Antrag für die Firma G richtig ausgefüllt habe.

Dagegen ließ sich auch nach teilweiser Wiederholung der Beweisaufnahme in zweiter Instanz nicht feststellen, dass die sogenannten Flyer, mit denen auf Aloe Vera-Produkte hingewiesen wurde, mit Wissen und Wollen des Klägers in der Praxis des L2 ausgelegt wurden. Die Beweisaufnahme hat keine Umstände ergeben, die gegen die Bekundung des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung in erster Instanz sprechen, er habe erst im Dezember 2001 erfahren, dass sein Sohn, der Zeuge T, Flyer mit Aloe Vera-Werbung unter Verwendung des Stempels des Klägers erstellt und ausgelegt hatte (Bl. 168 GA). Dem Kläger ist insoweit allerdings vorzuwerfen, dass er sich um den Verbleib dieser Flyer nicht gekümmert hat, obwohl diese seinem Sohn offensichtlich zum Vertrieb von G-Produkten dienen sollten, während sein Sohn gleichzeitig bei der Beklagten als Berater eingeschrieben war. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen T, wonach sein Vater ihn nicht aufgefordert hatte, die Flyer einzusammeln.

Des Weiteren hat die Beweisaufnahme allerdings nicht ergeben, dass über April 2002 hinaus noch dem Kläger oder seiner Familie zuzurechnende Flyer auslagen. Der Zeuge T hat insoweit glaubhaft und nachvollziehbar bekundet, dass er die Flyer im April 2002 eingesammelt habe, nachdem er erfahren habe, dass die berufliche Position seines Vaters bei der Beklagten gefährdet sei (Bl. 625 GA). Aus der Aussage der Zeugin I hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, dass in der Praxis des L2 noch im Oktober 2002 auf Veranlassung des Klägers oder seines Sohnes Flyer auslagen. Zwar hat die Zeugin geschildert, sie habe nicht nur im Oktober 2001, sondern auch im Oktober 2002 einen Flyer zu Aloe Vera-Produkten in der Praxis des L2 gefunden (Bl. 623f. GA). Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass - sollten dort solche Flyer vorhanden gewesen sein - der Kläger oder seine Familie damit in Verbindung zu bringen ist. Die Bekundung der Zeugin I war insoweit unsicher und vermochte schon für sich nicht zu überzeugen. So konnte die Zeugin die Frage, wie viele Flyer im Oktober 2002 dort noch gelegen haben sollen, nicht annähernd beantworten. Auch hatte sie keine Erklärung dafür, dass sie nach ihrer Aussage vor dem Senat einen Flyer mit anderem Stempel, und zwar mit "N" gefunden haben will, während in ihrem Schreiben vom 31.10.2002 an Frau Q und Herrn Y von zwei Flyern sowie von einem Stempel "N2" die Rede ist. Wie die weitere Beweisaufnahme vor dem Senat ergeben hat, handelt es sich bei "N" um eine Firmenbezeichnung der Ehefrau des Klägers. Diese hat jedoch auf Vorhalt des Stempels Bl. 184 GA glaubhaft erklärt, dass sie diesen Stempel nicht kennt (nur aus dem Prozess), keinen entsprechenden Stempel verwendet, im Übrigen eine andere Telefonnummer verwendet und solche Flyer weder hergestellt noch ausgelegt habe. Im Ergebnis ist deshalb nicht etwa davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers den Vertrieb von Aloe Vera-Produkten der Firma G fortgeführt hat oder dass Entsprechendes dem Kläger oder einem anderen Mitglied seiner Familie zuzurechnen ist.

Nach alledem hat der Kläger die Belange der Beklagten beeinträchtigt. Keinesfalls hätte er die Präsentationsveranstaltung von G-Produkten in seinem Haus zulassen, selbst teilweise daran teilnehmen und den Zeugen T2 beim Ausfüllen eines Antrages der G unterstützen dürfen. Selbst wenn die vertragliche Verbindung zur Firma G nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber seinem Sohn bestand, so musste dem Kläger in seiner Stellung als Organisationsleiter der Beklagten klar sein, dass er eine solche Veranstaltung in seinem Hause in keiner Weise fördern oder unterstützen durfte, sondern im Gegenteil sogar versuchen musste, sie zu verhindern. Dafür spricht erst recht, dass auch sein Sohn bei der Beklagten eingeschrieben war, so dass es ein für einen Strukturvertrieb verheerendes Bild abgeben musste, wenn es sogar in der Familie eines Organisationsleiters zu einem illoyalen Verhalten gegenüber der Beklagten kam. Offenbar hat der Kläger dies auch selbst erkannt, wofür seine Schilderung spricht, er habe sich veranlasst gesehen, den Eheleuten G2 mitzuteilen, dass sich sein Sohn gleichzeitig auch bei G eingeschrieben habe, um Ruhe in seiner Erstlinie zu haben (Bl. 168f. GA). Im Übrigen konnte durch die Anwesenheit eines Top-Verkäufers der Firma G im Hause des Klägers zumindest der Anschein entstehen, dass Verbindungen des Klägers zu G bestanden, weil aus Sicht der an der Präsentation Beteiligten kaum anzunehmen war, dass Herr L für den Sohn des Klägers eine Präsentation durchgeführt hätte, wenn nicht bereits Kontakt zum Kläger bestand. Dem Kläger musste auch klar sein, dass sein Telefonanschluss auch von Kunden seines Sohnes, die sich für G-Produkte interessierten, genutzt werden könnte. Zudem hätte er nach Kenntniserlangung über die Auslage der Flyer sofort dafür Sorge tragen müssen, dass diese entfernt werden. Schließlich ist die vorgetragene Erwägung, von dem Top-Verkäufer der G, Herrn L, lernen zu wollen keinesfalls geeignet gewesen, die geschilderte Art der Aktivitäten des Klägers zu rechtfertigen. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die von dem Zeugen T geschilderte Weitergabe von G-Produkten durch den Kläger an ihn zunächst aus medizinischen Gründen erfolgt war, weil der Sohn an Heuschnupfen litt und zur Bekämpfung der damit verbundenen Beschwerden Aloe Vera-Produkte ausprobieren wollte.

(e) Bei der nach alledem vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen kommt der Senat indessen nicht zu dem Ergebnis, dass die Vertrauensgrundlage der Parteien so tiefgreifend erschüttert worden ist, dass der Beklagten die Vertragsfortsetzung ohne eine vorherige Abmahnung nicht zumutbar war.

Bei der Frage, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, ist unter Abwägung der beiderseitigen Belange zu fragen, ob die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Der Begriff des wichtigen Grundes ist dabei nur dann richtig angewendet, wenn die für die Würdigung in Frage kommenden Tatsachen hinreichend erschöpfend und widerspruchslos gewürdigt sind (BGH, Urteil vom 28.04.1958 - II ZR 12/57 -, HVR Nr. 159). Nach Auffassung des Senats hat das Landgericht die dabei auch zu berücksichtigenden Belange des Klägers indessen nicht vollständig und ausreichend gewichtet.

Allerdings trifft es zu, dass der Kläger durch den Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot in schwerwiegender Weise gegen seine vertraglichen Treuepflichten verstoßen hat. Abgesehen davon, dass die Interessenwahrnehmungs- und Konkurrenzschutzpflichten des Klägers gegenüber der Beklagten im Organisationsleitervertrag, insbesondere in den detaillierten Regelungen des § 11 sowie des § 2 Abs. 7, äußerst klar und deutlich hervorgehoben wird, versteht es sich von selbst, dass gerade ein Strukturvertrieb auf die Loyalität und Verlässlichkeit seiner Mitarbeiter angewiesen ist, erst recht wenn es sich um einen Mitarbeiter in der Funktion eines Organisationsleiters handelt, dem eine Vorbildfunktion zukommt und der sich als besonderer Repräsentant seines Unternehmens der Außenwirkung seines Handelns bewusst sein muss. Diesen Anforderungen ist der Kläger mit seinen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Firma G nicht gerecht geworden. Zudem entsprach das strikte Ableugnen der Vorgänge in dem Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 19.12.2001 (Bl. 79 GA) nicht seiner Verpflichtung zur Offenlegung von Interessenkollisionen nach § 2 Abs. 7 des Organisationsleitervertrages. Insoweit bestand die Pflicht, die Vorgänge offen und vor allen Dingen vollständig zu schildern, während das Schreiben über ein bloßes "Abblocken" der Vorwürfe nicht hinausgeht.

Zugunsten des Klägers ist indessen zu berücksichtigen, dass bei Ausspruch der Kündigung am 14.11.2002 der Verstoß längst beendet war, zumal - wie bereits oben ausgeführt - die Beweisaufnahme nicht ergeben hat, dass die Aktivitäten des Sohnes des Klägers für die Firma G über April 2002 hinausgingen. Auch ist es aufgrund der Aktivitäten nicht zur Ansprache eines Kundenkreises in erheblicher Größenordnung gekommen, zumal die Präsentationsveranstaltung mit Herrn L in einem kleinen Rahmen mit nur wenigen Personen stattfand und - wie sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen T ergibt - dieser letztlich nur unter 30 Personen (geschätzt) G-Produkte vorgestellt hat (Bl. 171 GA). Der relativ geringe Umfang der Tätigkeit des T für die Firma G lässt sich auch daran ablesen, dass er nach seiner glaubhaften Aussage insgesamt nur Provisionen von 699,03 € erzielt hat. Zudem ist auf den Flyern, die ausgelegt worden, die Firma G nicht genannt. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger mit seiner unzureichenden schriftlichen Antwort an die Beklagte vom 19.12.2001 - abgesehen von der offenbaren Unvollständigkeit der Angaben - subjektiv unwahre Angaben gemacht hatte. Insbesondere muss stärker zugunsten des Klägers gewichtet werden, dass er viele Jahre, und zwar seit 1989, für die Beklagte tätig war, für sie ein sehr großes Vertriebsnetz aufgebaut hatte und dass ihm - soweit ersichtlich - bis dahin keine Verfehlungen vorzuwerfen waren (zur Berücksichtigung langer, einwandfreier und erfolgreicher Tätigkeit bei der Abwägung vgl. BGH, BB 1979, 242). Bei langer bisheriger Vertragsdauer sind an die Frage der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zudem strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.1972 - 23 U 11/72 -, HVR Nr. 464). Des Weiteren spricht auch die grundsätzlich unbegrenzte Vertragsbindung - wie sie hier vorliegt (siehe unter I.2.a)bb)) - ebenfalls dafür, einen strengen Maßstab anzulegen, weil der Dienstverpflichtete durch den Vertrag in besonderer Weise gesichert werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1958 - II ZR 12/57 - HVR Nr. 159). Der Kläger weist in diesem Zusammenhang im Übrigen zutreffend darauf hin, dass auch der Gesichtspunkt seiner finanziellen Alterssicherung aufgrund des Vertrages mit der Beklagten als bedeutender Gesichtspunkt in die Abwägung einfließen muss.

Bei Abwägung aller Gesamtumstände durfte eine fristlose Kündigung nicht ohne Abmahnung ausgesprochen werden. Ob vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung nach § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB eine Abmahnung entbehrlich ist, hängt bei einer Beeinträchtigung des Vertrauens, die hier vorliegt, davon ab, ob das Vertrauensverhältnis so nachhaltig gestört ist, dass die Abmahnung die Vertrauensbasis nicht wiederherstellen kann (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89 a HGB Rdnr. 10). Dies gilt auch bei Wettbewerbsverstößen, denn es trifft nicht zu, dass in diesen Fällen die Vertrauensbasis immer vollständig zerstört ist, so dass eine Abmahnung unterbleiben kann (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 981; BGH, ZIP 1999, 1307). Vorliegend kommt der Senat bei einer Gesamtabwägung aller Umstände - insbesondere vor dem Hintergrund der langjährigen erfolgreichen Tätigkeit des Beklagten und des Umstandes, dass seine zu beanstandenden Aktivitäten bei Ausspruch der Kündigung längst beendet waren - zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen der Beklagten in den Kläger bei Ausspruch der Kündigung noch nicht vollständig und endgültig zerstört war. Gegen eine so tiefgreifende Erschütterung der Vertrauensgrundlage spricht bereits der unstreitige Umstand, dass der zuständige Mitarbeiter der Beklagten nach Bekanntwerden des Verdachtes von Wettbewerbsverstößen Ende 2002 den Einlassungen des Klägers geglaubt hat, ohne dem Verdacht weiter nachzugehen. Das lässt erkennen, dass die Beklagte sich durch die erhobenen Vorwürfe nicht so beeinträchtigt fühlte, dass eine sofortige endgültige Trennung der Prozessparteien geboten erschien. Außerdem spricht alles dafür, dass der Kläger im Falle einer Abmahnung angesichts der dann für ihn offenkundigen Gefahr des Verlustes seiner wirtschaftlichen Existenz jegliche Aktivitäten im Zusammenhang mit der Firma G sofort eingestellt hätte, wenn die Abmahnung zu einem Zeitpunkt erfolgt wäre, zu dem es solche Aktivitäten überhaupt noch gab. Zudem sind seine Pflichtwidrigkeiten nicht von solchem Ausmaß, dass dann die Herstellung eines Vertrauensverhältnisses nicht mehr möglich gewesen wäre. Im übrigen hätte der Organisationsleitervertrag eine Grundlage für eine verhältnismäßige Sanktion außerhalb der Kündigung geboten, da § 11 Abs. 4 des Vertrages die Möglichkeit bietet, bei Wettbewerbsverstößen eine Vertragsstrafe zu verhängen.

Nur ergänzend ist anzumerken, dass die Aufforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 19.12.2001, zu den Vorwürfen einer Tätigkeit für G und der Durchführung von Seminaren für diese Firma Stellung zu nehmen, weder eine Abmahnung darstellt noch eine solche entbehrlich macht.

Weiter ist ergänzend anzumerken, dass der Senat in seine Gesamtabwägung auch die in der Berufungserwiderungsschrift auf den Seiten 7 und 8 (Bl. 549, 550 GA) unter a) bis j) genannten Einzelumstände berücksichtigt hat mit Ausnahme der Behauptung unter h) - Zulassen des Auslegens von Flyern - die nicht bewiesen ist, während es auf den Vortrag zu f) - Übergabe eines G-Kataloges an Frau I - und j) - Verabreichung von G-Produkten an den Zeugen G2 in werbender Form - nicht ankommt, weil dies am Gesamtergebnis nichts ändert. Auch bedurfte es mangels Auswirkung auf das Gesamtergebnis keiner weiteren Aufklärung des weiteren Vortrages unter j), k), l) (Bl. 550f. GA), ob der Kläger der Reinemachefrau C2 Werbematerialien der Firma G übergeben hatte, in M-Seminaren ständig auf die Person des Starverkäufers der G, Herrn L, hinwies und gegenüber den Eheleuten G2 äußerte, er habe sich bei G einhaken müssen und keine Probleme, zu G zu wechseln. Entsprechendes gilt für den in der Berufungserwiderung mehrfach aufgegriffenen Vortrag, der Kläger habe geäußert "Wir machen jetzt G und wenn der eine Topf voll ist, machen wir den anderen voll".

(f) Schließlich war die Kündigung auch verfristet. Zwar muss die Kündigung eines Handelsvertretervertrages aus wichtigem Grund nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt werden. Vielmehr ist dem zur Kündigung Berechtigten eine angemessene Überlegungszeit zuzugestehen, deren Dauer sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet, die aber regelmäßig kürzer als zwei Monate ist. Für den Beginn der Frist ist aber nicht notwendig auf eine sichere Kenntniserlangung "harter, verifizierbarer Fakten" abzustellen, auf die eine Kündigung gestützt werden kann und die im Streitfall nachweisbar sind; vielmehr ist eine solche sichere Kenntnis für den Fristbeginn dann nicht erforderlich, wenn der Kündigungsberechtigte bereits hinreichend konkrete Hinweise auf ein vertragswidriges Verhalten erhalten hat, es aber gleichwohl unterlässt, diesen nachzugehen (BGH, ZIP 1999, 1307).

Vorliegend gab es solche Hinweise bereits im Dezember 2001. Dies entnimmt der Senat dem Schreiben der Beklagten vom 19.12.2001 an den Kläger, in dem es unter anderem heißt "Sie sind laut unseren Informationen für den Wettbewerber "G" tätig" (Bl. 78 GA). Im Übrigen ergeben sich konkrete Informationen über Aktivitäten des Klägers für die Firma G aus einer "eidesstattlichen Versicherung" der Eheleute G2 vom 16.12.2001 (Bl. 616 bis 618 GA), die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf ausdrückliche Nachfrage des Senats im Termin vom 22.05.2006 überreicht hat. Wie die lange Zeitspanne von fast einem Jahr bis zum Ausspruch der Kündigung zeigt, ist die Klägerin diesen Informationen nicht in ausreichender Weise nachgegangen. Insbesondere ist es in diesem Zusammenhang unverständlich, dass sich die Beklagte mit der lapidaren Antwort des Klägers vom 19.12.2001 offenbar zunächst zufrieden gab. Jedenfalls ist eine angemessene Überlegungszeit, innerhalb der die Kündigung ausgesprochen werden muss, eindeutig überschritten. Dies gilt auch dann, wenn das Schreiben der Zeugin I vom 31.10.2002 betreffend das Auffinden von Flyern der Auslöser für das Sammeln weiterer Informationen gegen den Kläger gewesen sein sollte.

bb) Die Kündigungserklärung vom 14.11.2002 hat auch nicht zu einer ordentlichen Beendigung des Organisationsleitervertrages geführt. Nach § 8 Nr. 4 des Organisationsvertrages (Bl. 25 GA) hat die Beklagte auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet, solange der Organisationsleiter die Qualifikationsvoraussetzungen zur Führung des Titels "Orgaleiter" erfüllt und ihm der Titel nicht entzogen ist. Da diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen und gegen die Wirksamkeit der Bestimmung keine Bedenken bestehen, hatte die Beklagte kein Recht zur ordentlichen Kündigung.

b) Auch die Kündigungserklärung vom 28.11.2003 hat das Vertragsverhältnis weder fristlos noch befristet beendet.

Der Senat hat die in diesem Kündigungsschreiben genannten Kündigungsgründe bereits im Rahmen der Untersuchung der Kündigungserklärung vom 14.11.2002 gewürdigt, und zwar mit der Überlegung, dass es sich um ein Nachschieben von Kündigungsgründen handeln kann. Im Übrigen sind auch die im Kündigungsschreiben vom 28.11.2003 genannten Vorfälle in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, eine Kündigung ohne Abmahnung zu rechtfertigen. Des Weiteren handelt es sich um Altgeschehen aus dem Jahr 2001, so dass auch diese Kündigung verfristet ist, weil die Beklagte angesichts der ihr vorliegenden Informationen den Vorwürfen gegen den Kläger hätte näher nachgehen müssen und sich nicht darauf zurückziehen kann, dass ihr - wie es im Kündigungsschreiben heißt - erst im Nachgang zur Beweisaufnahme vor dem Landgericht weitere Tatsachen bekannt geworden seien. Als ordentliche Kündigung ist die Erklärung vom 28.11.2003 aus den unter I.2.a)bb) genannten Gründen unwirksam.

II. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge hat der Senat auf Antrag des Klägers in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht Gebrauch gemacht, da der Streit insoweit noch nicht zur Entscheidung reif ist. Da eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift dann geboten ist, wenn bei einer Stufenklage eine vollständige Klageabweisung der ersten Instanz vorliegt, während die zweite Instanz einen Auskunftsanspruch bejaht (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 538 Rdnr. 48), gilt dies erst recht, wenn - wie hier - den einzelnen Klagestufen eine Zwischenfeststellungsklage vorgeschaltet ist, die zu einer Bindung an die Feststellung innerhalb der Klagestufen führt.

III. Die Kostenentscheidung ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorzubehalten (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rdnr. 58). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

IV. Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt erscheint.

Ende der Entscheidung

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