Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 18 U 147/06
Rechtsgebiete: HGB, VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 87 a Abs. 2
HGB § 87 a Abs. 3 Satz 2
HGB § 92 Abs. 1
HGB § 92 Abs. 2
VVG § 39
BGB § 288
BGB § 291
ZPO § 696 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 18.05.2006 verkündete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und unter Einschluss des bereits rechtskräftigen Teiles des Urteils wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.143,89 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.734,47 € seit dem 19.05.2004 und aus 2.294,21 € seit dem 05.01.2005 sowie aus 6.115,21 € seit dem 30.05.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert keine der Parteien mit mehr als 20.000,-- Euro; die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Nachdem die Beklagte ihre Berufung gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 5.028,68 € nebst Zinsen zurückgenommen hat, so dass insoweit die angefochtene Entscheidung rechtskräftig geworden ist, war nur noch über die Berufung des Klägers zu entscheiden. Dieses Rechtsmittel war auf die Zahlung weiterer 6.115,21 € nebst Zinsen gerichtet. Dieser weitergehende Betrag ist dem Kläger zuzusprechen, da er über den bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrag hinaus einen Anspruch auf Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse in der geltend gemachten Höhe gegen die Beklagte hat.

I. Dieser Anspruch ergibt sich aus den §§ 87 a Abs. 2 HGB i.V.m. § 92 Abs. 1 und 2 HGB. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen vor.

1. Unstreitig war die Beklagte als Versicherungsvertreterin i.S.d. § 92 Abs. 1 HGB für den Kläger tätig. Der Senat hat angesichts der vom Kläger vorgelegten umfangreichen Dokumente auch keinen Zweifel daran, dass hinsichtlich der nach der Rücknahme der Berufung der Klägerin noch streitgegenständlichen Fälle Nr. 6 bis 13 und 15 bis 17 jeweils Nichtleistungen der Versicherungsnehmer vorlagen. Diese Nichtleistungen beruhten auf Umständen, die vom Unternehmer, also dem Kläger, nicht zu vertreten sind, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB. Da dieses Nichtvertretenmüssen vom Unternehmer zu beweisen ist (BGH, VersR 1983, 371), muss er erforderlichenfalls eine Nachbearbeitung der Verträge darlegen und beweisen (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 87 a Rdnr. 27, 30; § 92 Rdnr. 10). Unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang eine Nachbearbeitung bei den einzelnen Fallgestaltungen der Nichtleistung eines Versicherungsnehmers erforderlich ist, reichte es vorliegend jedenfalls aus, wenn die Beklagte von dem Kläger hinsichtlich der gefährdeten Versicherungsverträge Stornogefahrmitteilungen erhielt, was auch nach dem Ausscheiden der Klägerin aus den Diensten des Beklagten erfolgen konnte (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1196 = Vers 2005, 1078; Besprechung dieser Entscheidung: Mecklenbrauck, VersR 2006, 1157).

2. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte Stornogefahrmitteilungen in allen noch zur Entscheidung anstehenden Fällen erhalten hat. Es kommt deshalb im Ergebnis nicht darauf an, ob mit dem Landgericht davon auszugehen war, dass in diesen Fällen allein die Maßnahmen nach § 39 VVG nicht ausreichten, von deren Durchführung auch der Senat mit dem Landgericht ausgeht. Die Stornogefahrmitteilungen waren bezüglich aller Einzelfälle in den Außendienstabrechnungen enthalten. Dass die Beklagte ihrem Vortrag zufolge die Außendienstabrechnungen erhalten habe, jedoch ohne die jeweilige Seite mit den Stornogefahrmitteilungen, hält der Senat für widerlegt. Vielmehr hat der Senat aufgrund der Vernehmung des Zeugen L die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte die hier maßgeblichen Außendienstabrechnungen vollständig, also mit den jeweiligen Stornogefahrmitteilungen erhalten hat.

Der Zeuge L hat im Einzelnen geschildert, dass die Vollständigkeit der jeweiligen Schreiben der Versicherung seit Jahren anhand eine Codesystems maschinell überprüft werde. Die dabei verwendete Maschine sei seit zehn Jahren im Einsatz. In dieser Zeit habe es keine Fehler gegeben. Der Senat hat keinen Anlass, diese Bekundung in Zweifel zu ziehen. Der Zeuge war ersichtlich bemüht, präzise und wahrheitsgemäß auszusagen. Insbesondere bestand bei ihm keine Begünstigungstendenz zugunsten des Klägers als Arbeitgeber. Dies ist insbesondere dadurch deutlich geworden, dass der Zeuge ohne Umschweife erklärt hat, er könne allein anhand der ihm vorgehaltenen Kopien der Außendienstabrechnungen nicht erkennen, ob entsprechende Außendienstabrechnungen versandt worden seien. Die vorgenannte Bekundung steht der Überzeugungsbildung des Senats jedoch nicht entgegen. Auch wenn der Zeuge zur Vollständigkeit der konkreten Schreiben aus eigener Anschauung keine Erklärung abgeben konnte, so ergibt sich aus seiner Aussage jedoch, dass es in dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Fehler hinsichtlich der Vollständigkeit von Außendienstabrechnungen gegeben hat. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre zudem zu erwarten gewesen, dass sich Außendienstmitarbeiter über die Unvollständigkeit der Schreiben beschwert hätten, was auf der Grundlage der Aussage des Zeugen L jedoch gerade nicht der Fall war. Dass gleichwohl bei der Beklagten, und zwar wiederholt, entsprechende Fehler aufgetreten sein sollen, überzeugt den Senat nicht. Vielmehr hat der Senat insbesondere angesichts der geschilderten Zuverlässigkeit des maschinellen Überprüfungssystems und der jahrelangen Fehlerfreiheit des Versandes die Überzeugung über die Vollständigkeit der der Beklagten zugegangenen Außendienstabrechnungen gewonnen.

3. Nach alledem sind neben den vom Landgericht zuerkannten Beträgen noch folgende nicht ins Verdienen gebrachte Vermittlungsprovisionen (VP) und Organisationskostenzuschüsse (OKZ) von der Beklagten an die Klägerin zurückzuzahlen, wobei wegen der jeweiligen Versicherungsnummern auf die vom Kläger vorgelegte Anlage K 72 Bezug genommen wird:

Nr. 6 L2 - VP 654,61 €; OKZ 146,43 €

Nr. 7 T - VP 336,93 €; OKZ 75,37 €

Nr. 8 D - VP 484,12 €; OKZ 108,68 €

Nr. 9 D2 - VP 673,87 €; OKZ 150,73 €

Nr. 10 L3 - VP 58,82 €

Nr. 11 L4 - VP 556,83 €; OKZ 124,13 €

Nr. 12 L3 - VP 540,87 €; OKZ 124,14 €

Nr. 13 L5 - VP 540,87 €; OKZ 124,14 €

Nr. 15 L6 - VP 496,54 €; OKZ 115,27 €

Nr. 16 F - VP 1.303,40 €; OKZ 292,60 €

Nr. 17 L6 - VP 48,68 €.

Die vorgenannten Beträge ergeben eine Summe von 6.957,03 €. Mit der bereits erfolgten rechtskräftigen Verurteilung über 5.028,68 € ergibt sich ein Gesamtbetrag von 11.985,71 €. Der Kläger macht insgesamt jedoch nur einen geringeren Betrag geltend, und zwar 11.143,89 €. Nachdem die Klägerseite in der Verhandlung vom 06.08.2007 erklärt hat, die Differenz von 841,82 € möge auf die Forderung Nr. 16 verrechnet werden, hat der Senat diese Position entsprechend gekürzt und insoweit VP 461,58 € in Ansatz gebracht.

4. Die hilfsweise Aufrechnung mit einem Guthaben aus einer Stornoreserve hat die Beklagte fallen lassen. Soweit sie eine Aufrechnung mit angeblichen Betreuungsprovisionen geltend gemacht hat, fehlt es zumindest an einer Bezifferung. Das Bestreiten des Anfangssaldos ist im Ergebnis unbeachtlich, weil der Kläger Einzelpositionen einklagt.

II. Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 291, 288 BGB. Die Rechtshängigkeit lag nicht schon mit der Zustellung des Mahnbescheides vor, weil keine alsbaldige Abgabe i.S.d. § 696 Abs. 3 ZPO erfolgte.

III. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 516 Abs. 3, 91 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO geprüft und davon abgesehen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt erscheint.

Ende der Entscheidung

Zurück