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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.06.1999
Aktenzeichen: 18 U 215/98
Rechtsgebiete: ZPO, KVO, BGB, CMR


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 697 Abs. 1
ZPO § 697 Abs. 2
ZPO § 215
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
KVO § 40 Abs. 1 S. 1
KVO § 40 Abs. 1 S. 2
KVO § 3
KVO § 40 Abs. 2
KVO § 40 Abs. 4
BGB § 198
BGB § 209 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 211 Abs. 2 S. 1
BGB § 211 Abs. 2 S. 2
CMR Art. 32 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

18 U 215/98 OLG Hamm 3 O 352/95 LG Paderborn

Verkündet am 17. Juni 1999

Koblitz, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiekötter sowie die Richter am Oberlandesgericht Völker und Augstein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Oktober 1998 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 04.12.1997 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt, jedoch mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 04.12.1997 verursachten Kosten, die die Beklagte trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers beträgt 49.098,65 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Klage ist entgegen der Auffassung des Landgerichts bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht begründet.

I.

Gegenüber den von dem Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüchen für die Durchführung von Transporten greift die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede durch.

1.

Für die Vergütungsansprüche gilt eine einjährige Verjährungsfrist, und zwar ergibt sich diese für den überwiegenden Teil der Transporte aus § 40 Abs. 1 S. 1 KVO - einer der Sonderfälle des § 40 Abs. 1 S. 2 KVO liegt nicht vor - oder, soweit es sich um grenzüberschreitende Transporte, nämlich von oder nach Österreich handelte, aus Art. 32 Abs. 1 S. 1 CMR.

Auf die dem Kläger von der Beklagten erteilten Aufträge ist Frachtrecht und damit die KVO bzw. die CMR anwendbar. Dies gilt ohne weiteres insoweit, als die Aufträge dahin gingen, Transportgut auf einer bestimmten Strecke zu befördern. Gleiches trifft aber auch zu, soweit die Aufträge - wie der Kläger, jedenfalls zu den seiner Rechnung vom 31.01.1995 (Bl. 15 d.A.) zugrundeliegenden Transporten, vorträgt - darauf gerichtet waren, der Beklagten mit Fahrern besetzte Fahrzeuge zu deren Disposition zu stellen, wobei die entstehenden Kosten (Kraftstoff, Stundenlohn des Fahrers, Fahrzeugmiete) nach Aufwand abgerechnet werden sollten. Selbst wenn die Beklagte es nach dieser vertraglichen Ausgestaltung allein in der Hand gehabt haben sollte, für welche Beförderungen sie die einzelnen Fahrzeuge und Fahrer einsetzte, handelte es sich nicht etwa um eine Kombination aus Dienstverschaffung und Miete, sondern allenfalls um einen Lohnfuhrvertrag, weil die Fahrer - wie der Kläger selbst geltend macht - nach wie vor auch seinem Weisungsrecht unterstanden und er damit Besitzer der Fahrzeuge blieb; es besteht damit eine große Nähe zum Frachtvertrag (vgl. Koller, Transportrecht, 3. Auflage, § 425 HGB Rdnr. 7), so daß die Anwendung von Frachtrecht sachgerecht erscheint. Dies wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen.

b)

Zwischen den Parteien ist auch nicht im Streit, daß die den Rechnungen von 16.01.1995, 30.01.1995 und 31.01.1995 zugrunde liegenden Aufträge ausschließlich Beförderungen in Güterfernverkehr bzw. den grenzüberschreitenden Verkehr betrafen. Soweit der Kläger einwendet, die KVO sei möglicherweise nicht anwendbar, weil der KVO-Beförderungsvertrag gem. § 3 KVO zwischen dem Unternehmer und dem frachtbriefmäßigen Absender des Gutes - hier dem jeweiligen Möbelhersteller - geschlossen worden sei, greift dies nicht durch, abgesehen davon, daß dann die Beklagte auch nicht für die Vergütungsansprüche passivlegitimiert wäre. Denn die Regelung des § 3 KVO stellt lediglich eine widerlegliche Vermutung auf (vgl. Koller, § 3 KVO lidnr. 1)., Vorliegend ist zwischen den Parteien aber unstreitig, daß die Aufträge dem Kläger nicht unmittelbar von dem Möbelhersteller - wohl in aller Regel Möbel Sch in Steinheim - erteilt wurden, sondern daß diese zunächst der Beklagten erteilt und von letzterer dann - wie auch aus den vorgelegten Telefax-Schreiben ersichtlich - an den Kläger weitervergeben wurden.

2.

Die damit geltende einjährige Verjährungsfrist gem. § 40 Abs. 1 S. 1 KVO bzw. Art. 32 Abs. 1 S. 1 CMR beginnt gem. § 14 Abs. 2 a) KVO grundsätzlich mit der Annahme des Gutes zur Beförderung bzw. gem. Art. 32 Abs. 1 S. 3 c) CMR drei Monate nach Abschluß des Beförderungsvertrages. Ob es im Rahmen dieser Vorschriften auf den Beginn der Verjährungsfristen einen Einfluß haben könnte, wenn die Vergütungsansprüche noch nicht fällig waren, weil die Fälligkeit nach den getroffenen Abreden eventuell von einer Aushändigung des vom Empfänger quittierten Lieferscheins abhing, braucht nicht entschieden zu werden. Denn der Kläger hat - wie er behauptet - der Beklagten zu sämtlichen durchgeführten Transporten die quittierten Lieferscheine - sogar mehrfach - ausgehändigt und damit jedenfalls nach seinem Vortrag die Fälligkeit herbeigeführt. Daß er sich das entgegenstehende Vorbringen der Beklagten, die Lieferscheine seien größtenteils nicht ausgehändigt worden, hilfsweise zu eigen machen will, ist nicht ersichtlich, zumal dann der Klageanspruch - wenn auch möglicherweise nicht wegen Verjährung - jedenfalls wegen mangelnder Fälligkeit scheitern würde.

Im übrigen wäre eine Fälligkeit des Vergütungsanspruchs auch nur dann für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich, wenn zumindest der Rechtsgedanke des § 198 BGB, wonach der Beginn der Verjährung grundsätzlich auch von der Fälligkeit des Anspruchs abhängig ist (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, 58. Auflage, § 198 Rdnr. 1), im Rahmen des § 40 KVO und des Art. 32 CMR herangezogen werden könnte. Dies ist aber jedenfalls für Art. 32 CMR sehr zweifelhaft (vgl. Koller, Art. 32 CMR Rdnr. 6). Auch § 40 Abs. 2 KVO wird allgemein als Sondervorschrift zu § 198 BGB angesehen (vgl. dazu Willenberg, KVO, 4. Auflage, § 40 Rdnr. 14; Koller, § 40 KVO Rdnr. 5).

3.

Die Verjährungsfrist ist zwar durch die am 17.03.1995 erfolgte Zustellung des Mahnbescheids gem. § 40 Abs. 4 KVO bzw. Art. 32 Abs. 3 CMR jeweils i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtzeitig unterbrochen worden. Jedoch endete die Unterbrechung hier gem. § 211 Abs. 2 S. 1 BGB dadurch, daß der Prozeß ab Dezember 1995 zunächst in Stillstand geraten ist; die damit gem. § 211 Abs. 2 S. 2 BGB erneut beginnende einjährige Verjährungsfrist ist hingegen nicht mehr rechtzeitig unterbrochen worden, weil der Kläger das Verfahren erst mit Schriftsatz vom 12.09.1997 weiter betrieben hat.

a)

In diesem Zusammenhang hält der Senat grundsätzlich an seiner in der Beschwerdeentscheidung vom 14.05.1998 vertretenen Auffassung fest, daß der beim Amtsgericht Stuttgart eingereichte Schriftsatz vom 04.10.1995 den an eine Anspruchsbegründung zu stellenden Anforderungen bereits genügte und daher an sich für das Landgericht keine Notwendigkeit mehr bestand, dem Kläger gem. § 697 Abs. 1 ZPO eine Frist zur Anspruchsbegründung zu setzen. Die Fallkonstellation, daß eine wirksame Anspruchsbegründung an das Mahngericht bereits vorliegt und es lediglich an der Postulationsfähigkeit des den Kläger bisher vertretenden Rechtsanwalts beim Streitgericht fehlt, wird von § 697 Abs. 1 ZPO ersichtlich nicht erfaßt; eine Regelung für diese Verfahrenssituation enthält demgegenüber § 215 ZPO.

b)

Nach der Vorlage des gerichtlichen Schreibens vom 07.11.1995 (Bl. 216 d.A.) im Senatstermin vom 17.06.1999 ist hingegen gleichwohl davon auszugehen, daß der eingetretene Verfahrensstillstand in erster Linie von den damaligen Anwälten des Klägers zu vertreten und nicht auf eine pflichtwidrig unterbliebene Förderung des Verfahrens durch das Landgericht zurückzuführen ist. Daß entsprechend der Zuständigkeitsregelung des § 697 Abs. 1 ZPO von der Geschäftsstelle des Landgerichts herrührende Schreiben vom 07.11.1995 enthielt nicht nur die (nach Auffassung des Senats überflüssige) Aufforderung zur Anspruchsbegründung in einer der Klageschrift entsprechenden Form, sondern darüber hinaus - wie es durchaus sinnvoll war - einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Bestellung eines postullationsfähigen Anwalts und eine Stellungnahmefrist zur beabsichtigten Übertragung der Sache auf den Einzelrichter. Soweit eine Frist zur Anspruchsbegründung gesetzt wurde, bewegte sich die Geschäftsstelle dabei immerhin im Rahmen einer vertretbaren Gesetzesauslegung und im Einklang mit einer verbreiteten, ja sogar überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Kommentarliteratur (vgl. zum Meinungsstand insbesondere die Entscheidung BGH NJW-RR 1994, 889, die allerdings selbst den Meinungsstreit unentschieden gelassen hat). Wenn die Geschäftsstelle des Landgerichts dann noch auf die Rechtsfolgen des § 697 Abs. 2 ZPO hingewiesen hat, obwohl ein solcher Hinweis gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, konnte von den damaligen Rechtsanwälten des Klägers erwartet werden, daß sie in jeder Hinsicht auf das Schreiben vom 07.11.1995 reagierten und sich nicht lediglich auf die mit Schriftsatz vom 15.11.1995 abgegebene Stellungnahme zur Übertragung der Sache auf den Einzelrichter beschränkten. Selbst wenn die damaligen Anwälte des Klägers der (nach Ansicht des Senats zutreffenden) Auffassung gewesen wären, eine den Erfordernissen des § 697 Abs. 1 ZPO genügende Anspruchsbegründung liege bereits vor und sie brauchten vor einer Terminierung der Sache eine solche nicht mehr beim Streitgericht einzureichen, hätte es aus ihrer Sicht nahegelegen - und wäre von ihnen angesichts des bestehen Meinungsstreits zur Auslegung des § 697 Abs. 1 ZPO auch unbedingt zu verlangen gewesen -, etwaige Einwände gegen die ihnen von der Geschäftsstelle mitgeteilte, sich sogar im Einklang mit der überwiegenden Meinung bewegende Verfahrensweise zur Geltung zu bringen. Taten sie dies nicht, sondern erweckten sie im Gegenteil - wie durch den Schriftsatz vom 15.11.1995 geschehen - zumindest konkludent den Eindruck, sie seien mit der Verfahrensweise des Gerichts sogar einverstanden, findet sich die Ursache für den in der Folgezeit eingetretenen Verfahrensstillstand ganz überwiegend in ihrem Verantwortungsbereich. Dies rechtfertigt es, in Anbetracht des Schreibens der Geschäftsstelle vom 07.11.1995 auch nach der vom Senat vertretenen Auffassung davon auszugehen, daß ein dem Kläger anzulastendes Nichtbetreiben des Prozesses im Sinne des § 211 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegt.

c)

Letzteres würde erst recht dann gelten, wenn man der überwiegenden Auffassung (vgl. insbesondere Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 57. Auflage, § 697 Rdnr. 5 und Münchener Kommentar zur ZPO, 1992, § 697 Rdnr. 11 a.E. jeweils m.w.N.) folgen würde, daß im Falle einer beim Mahngericht einreichten Anspruchsbegründung durch einen beim Streitgericht nicht postulattionsfähigen Anwalt eine Fristsetzung gem. § 697 Abs. 1 ZPO erfolgen muß. Eine solche Fristsetzung läge hier, anders als in der der Entscheidung BGH NJW-RR 1994, 889 zugrunde liegenden Fallkonstellation, im Hinblick auf das Schreiben der Geschäftsstelle vom 07.11.1995 ohne weiteres vor. Da das Landgericht in verfahrensrechtlicher Hinsicht beanstandungsfrei vorgegangen ist, stände es außer Frage, daß der Stillstand allein auf ein mangelndes Weiterbetreiben des Verfahrens durch den Kläger bzw. seine damaligen Anwälte zurückzuführen ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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