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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 18 U 98/07
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 425 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.05.2007 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld - 15 O 60/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin in Höhe von 6.030,60 Euro; die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 6.030,60 Euro nebst Zinsen zu. Zwar ist die Klägerin aktivlegitimiert, so dass Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Beschädigung der Sonderrotoren auf die Klägerin übergegangen wären. Solche Schadensersatzansprüche bestehen jedoch nicht.

I. Aus § 425 Abs. 1 HGB ergibt sich kein Anspruch. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die aufgrund der vorliegenden Fixkostenspedition gemäß § 459 HGB zur Anwendung kommt, liegen nicht vor. Der Schaden ist nicht zwischen der Übernahme zur Beförderung und der Ablieferung entstanden, sondern erst nach der Ablieferung verursacht worden.

1. Die Ablieferung ist ein zweigliedriger Akt, der die Möglichkeit einer durch den Frachtführer ungestörten Sachherrschaft des Empfängers und das Element des Einverständnisses des Empfängers mit der Übernahme der Sachherrschaft umfasst (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 425 HGB Rdnr. 24). Dementsprechend ist eine Sache dann abgeliefert, wenn der Frachtführer den vollständigen Besitz und Gewahrsam an dem Gut mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten wieder aufgibt und diesen in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (BGH, TranspR 1980, 94, 95; BGH, TranspR 1982, 11). Diese Voraussetzungen können schon vor der Entladung vorliegen. Ist jedoch der Frachtführer zur Entladung des Frachtgutes verpflichtet, erfolgt die Ablieferung frühestens mit der Beendigung der vertragsgemäßen Entladung (vgl. Koller, a.a.O., § 425 Rdnr. 27).

a) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Entladung bestand indessen nicht, so dass sich unter diesem Gesichtspunkt keine Auswirkungen auf die Anforderungen an die Ablieferung im Sinne des § 425 Abs. 1 HGB ergeben. Gemäß § 412 Abs. 1 S. 1 HGB traf die Absenderin die Pflicht zum Entladen des Transportgutes, da sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nichts anderes ergibt. Insbesondere bestand keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zum Entladen. Auch eine wirksame Weisung der Empfängerin an die Beklagte zum Entladen nach § 418 Abs. 2 HGB lag nicht vor. Dies scheitert bereits daran, dass eine solche Weisung dem Frachtführer oder dessen Stellvertretern zugegangen sein muss (vgl. Koller, a.a.O., § 427 HGB Rdnr. 51). Daran fehlt es aber, wenn die Erklärungen - wie hier - lediglich an den Fahrer der Subunternehmerin der Frachtführerin gerichtet worden sind. Demnach kommt es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob sich das Weisungsrecht des Empfängers abgesehen vom Ablieferungsort auch darauf erstreckt, die Frachtstücke nur an einer bestimmten Stelle der Lkw-Ladefläche zu übernehmen, nicht an. Dass der Fahrer der Unterfrachtführerin tatsächlich bei der Entladung mitgeholfen hat, führt ebenfalls nicht zu einer Ausdehnung des Haftungszeitraumes des § 425 Abs. 1 HGB auf die Entladephase, weil diese Hilfe bei der vorliegenden Fallgestaltung im Verhältnis zur Empfängerin lediglich als bloße Gefälligkeit einzustufen ist (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost-Gass, Handelsgesetzbuch, § 425 Rdnr. 37). Schließlich folgt der Senat auch nicht der Auffassung der Klägerin, die Regelung des § 427 Abs. 1 Nr. 3 HGB wirke sich auf die Bestimmung des Zeitpunktes der Ablieferung im Sinne des § 425 Abs. 1 HGB aus. Vielmehr handelt es sich bei der Bestimmung des Haftungszeitraumes des § 425 Abs. 1 HGB um eine Frage, die dem Anwendungsbereich des § 427 Abs. 1 Nr. 3 HGB vorgelagert ist (vgl. z.B. Koller, a.a.O., § 427 Rdnr. 54).

b) Die nach alledem maßgeblichen Voraussetzungen einer Ablieferung bei nicht bestehender Entladepflicht des Frachtführers waren bereits vor der Beschädigung des Transportgutes erfüllt.

aa) Dies gilt zunächst für die erforderliche Sachherrschaft des Empfängers. Da es für die Ablieferung nicht erforderlich ist, dass der Empfänger die Sachherrschaft tatsächlich ausübt, sondern es genügt, wenn er die Möglichkeit erhält, auf das Gut einzuwirken (vgl. Koller, a.a.O., § 425 Rdnr. 24, 25; Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425 Rdnr. 18; Ebenroth/Boujong/Joost-Gass, a.a.O., § 425 Rdnr. 33), stehen seiner tatsächlichen Sachherrschaft keine Hinderungsgründe mehr entgegen, wenn das Transportmittel an der Ablieferungsstelle abgestellt wird und der Fahrer die Ladefläche zur Entladung zugänglich macht (Ebenroth/Boujong/Joost-Gass, a.a.O., § 425 Rdnr. 33 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Koller, a.a.O., § 425 HGB Rdnr. 26). Das ist zum Beispiel mit der Öffnung der Ladeklappe eines Lkw, spätestens mit der Lösung von Blockiervorrichtungen an den Paletten der Fall (vgl. BGH, VersR 1979, 83, 85). Das Entfernen des Gutes aus dem Transportmittel gehört bereits zum Entladen (vgl. Neufang/Valder, TranspR 2002, 325, 328), welches hier nicht zu den Pflichten des Frachtführers gehörte. Vorliegend ist die Sachherrschaft diesen Grundsätzen entsprechend auf die Empfängerin übertragen worden, indem der Fahrer der Subunternehmerin der Beklagten den Lkw an dem ihm von der Empfängerin zugewiesenen Entladeplatz abstellte, die Planen zum Entladen des Gutes öffnete und die Ladefläche zugänglich machte. Damit war der Empfängerin die Möglichkeit eingeräumt, auf das Gut einzuwirken. Dessen Beschädigung erfolgte erst danach.

bb) Auch das erforderliche Einverständnis der Empfängerin mit der Übernahme der Sachherrschaft bestand bereits vor der Beschädigung des Transportgutes. Indem die Empfängerin dem Fahrer einen Handhubwagen zum Verbringen des Frachtgutes von der Stirnseite des Lkw?s an dessen Heck zur Verfügung stellte und an den Fahrer die Bitte richtete, die Frachtstücke mit dem Hubwagen an das Heck vorzuziehen, hat sie ihre Bereitschaft zur Übernahme der Sachherrschaft klar zum Ausdruck gebracht (vgl. auch Koller, a.a.O., § 412 Rdnr. 34).

cc) Der Vortrag der Klägerin, die Empfängerin habe die Frachtstücke erst am Heck der Ladefläche übernehmen wollen, überzeugt nicht. Die an den Fahrer gerichtete Bitte des Personals der Empfängerin, die Frachtstücke mit dem Hubwagen an das Heck vorzuholen, lässt nicht erkennen, dass auch der Wille zur Übernahme der Sachherrschaft erst nach Verbringen der Frachtstücke zum Heck wirksam werden sollte. Wie bereits ausgeführt, war der Fahrer zu dieser Tätigkeit, die schon zum Entladen gehörte, nicht verpflichtet. Er erbrachte vielmehr eine Gefälligkeit. Dass die Empfängerin aber bei der gegebenen Sachlage ihren Willen zur Übernahme der Sachherrschaft von der Erbringung einer Gefälligkeit abhängig machen wollte, ist fernliegend und kann nicht angenommen werden. Die Annahmeverweigerung der Empfängerin bezüglich der in der Entladephase beschädigten Ware rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Denn das Frachtgut war bereits zuvor abgeliefert.

II. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 6.030,60 Euro folgt auch nicht aus den §§ 280 Abs. 1, 278 BGB.

1. Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung der Beklagten aus dem durch den Frachtvertrag zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin der Klägerin begründeten Schuldverhältnis liegen nicht vor. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Subunternehmerin der Beklagten gegen die Pflicht verstoßen hätte, das Transportmittel an der Ablieferungsstelle so zu sichern, dass es gefahrlos entladen werden kann (vgl. OLG Stuttgart, TranspR 2003, 104, 105; Koller, a.a.O., § 425 HGB Rdnr. 26). Ob eine während des Entladevorganges entstehende Schneeglätte auf der Ladefläche überhaupt geeignet war, einen solchen der Beklagten zuzurechnenden Pflichtenverstoß zu begründen, nachdem die Empfängerin unter Mithilfe des Fahrers der Subunternehmerin der Beklagten mit der Entladung trotz der offenkundigen Wetterverhältnisse ohne Weiteres begonnen hatte, kann dahinstehen, da die Klägerin eine Schneeglätte auf der Ladefläche gerade bestreitet.

2. Die Beklagte hat auch nicht gegen eine Verpflichtung verstoßen, auch außerhalb des Obhutszeitraumes des § 425 Abs. 1 HGB ihre Vertragspartner vor Schäden zu bewahren. Der Fahrer der Subunternehmerin der Beklagten ist hinsichtlich seiner Hilfe bei dem Entladevorgang tätig geworden, ohne dass die Beklagte dies wusste oder gar angeordnet hatte. Entlädt jedoch eine Hilfsperson auf eigene Faust unter Leitung des Empfängers, so haftet der Frachtführer nicht aus § 280 BGB, weil der Helfende nicht als Hilfsperson des Frachtführers tätig geworden ist (vgl. BGH, VersR 1979, 83, 85; AG Köln, TranspR 2000, 466; Koller, a.a.O., § 412 HGB Rdnr. 13 und Rdnr. 34). Die Hilfsperson wird bei solchen Fallgestaltungen als kurzfristig integrierter Teil in der Organisationssphäre des Absenders oder Empfängers tätig (Risch, VersR 2001, 948, 949). Dass die Beklagte ein Auswahlverschulden trifft, ist nicht ersichtlich.

III. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB scheitert schon daran, dass der Fahrer der Subunternehmerin der Beklagten nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten, sondern allenfalls ihrer Subunternehmerin ist. Die Subunternehmerin wiederum ist nicht Verrichtungsgehilfin der Beklagten, da sie als selbständige Frachtführerin eingeschaltet war und den Transport eigenverantwortlich durchführte, also nicht weisungsabhängig war.

IV. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

V. Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt erscheint.

Ende der Entscheidung

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