Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.11.1999
Aktenzeichen: 18 W 41/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 S. 1 Ziff. 2
Prozeßkostenhilfe

§ 116 S. 1 Ziff. 2 ZPO

1. Beteiligter i.S.v. § 116 S. 1 Ziff. 2 ZPO ist ein solcher Gläubiger, dem die Klageforderung abgetreten war und der sodann mit der klagenden Partei eine Rückabtretung zum Zwecke der Geltendmachung im Prozeß vereinbart hat, an den jedoch im Falle des Obsiegens der klagenden Partei der zuerkannte Betrag vereinbarungsgemäß ganz oder zu einem erheblichen Teil auszuzahlen ist.

2. Die Unterlassung der Rechtsverfolgung läuft allgemeinen Interessen nicht zuwider, wenn nur elf Kleingläubiger davon betroffen und/oder irr. Fall der Beitreibung der Klageforderung nur vier Arbeitsplätze (vorübergehend) gesichert sind.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

18 W 41/99 OLG Hamm 7 O 68/99 LG Siegen

In dem Rechtsstreit

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgericht Hamm am 11. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiekötter, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Schwerdtner und den Richter am Landgericht Filla

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Siegen vom 29. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt.

Gründe:

Das Landgericht hat der Antragstellerin zu Recht Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Klage verweigert, da die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Ziffer 2 ZPO nicht vorliegen.

Nach der genannten Gesetzesbestimmung kann einer parteifähigen Vereinigung, die die Antragstellerin als Kommanditgesellschaft ist, Prozeßkostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die Kosten der Rechtsverfolgung weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Im vorliegenden Fall kann weder das eine noch das andere festgestellt werden.

1.

Es mag sein, daß die Kosten der Rechtsverfolgung von der Klägerin selbst nicht aufgebracht werden können. Daß dies auch bei den am Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten so ist, ist indessen nicht dargelegt. Der Senat läßt offen, ob wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 116 S. 1 Ziffer 2 ZPO stets die Gläubiger sind (dafür wohl Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, § 116 Rz. 17 i.V.m. Rz. 9; dagegen - jeweils m.w.N. Zöller/Philippi, ZPO, § 116 Rz. 13; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 116 Rz. 21; MünchKomm/Wax zu § 116 ZPO Rz. 23). Wirtschaftlich Beteiligter ist aber ein solcher Gläubiger, an den abredegemäß der eingeklagte Betrag im Fall des Obsiegens der Partei ausgekehrt werden muß und in dessen Interesse der Prozeß maßgeblich geführt wird, auch wenn die klagende Partei durch die Weiterleitung des im Prozeß geltend gemachten Betrages von einer Verbindlichkeit befreit wird und somit die Durchführung des Prozesses auch in ihrem Interesse liegt. Dies gilt insbesondere, wenn die Klageforderung - wie hier - bereits an den Gläubiger abgetreten war und lediglich zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung rückabgetreten wird. Denn in einem solchen Fall liegt die Durchführung des Prozesses zumindest in gleichem Maße im Interesse des Gläubigers wie der klagenden Partei. Dafür, in einem solchen Fall dem Gläubiger als wirtschaftlich Beteiligten anzusehen, spricht auch, daß es nicht hingenommen werden kann,- daß zur Umgehung des Prozeßrisikos und zur Minimierung des Kostenrisikos eine kostenarme Partei vorgeschoben wird, um den Prozeß auf Kosten der Allgemeinheit durchzuführen, während die Früchte des Prozesses dann vor allem dem Gläubiger zugute kommen. Dies läßt sich zuverlässig nur verhindern, wenn der Gläubiger, in dessen Interesse (und möglicherweise Auftrag) der Prozeß geführt wird, als wirtschaftlich Beteiligter angesehen wird. Es liegt im vorliegenden Fall nahe, sowohl die Volksbank Lüdinghausen-Olfen als auch die AOK Westfalen-Lippe als Beteiligte im Sinne des Gesetzes anzusehen. Der Volksbank Lüdinghausen-Olfen war nach eigener Darstellung der Klägerin die Forderung zur Sicherheit abgetreten. Die Verbindlichkeiten der Klägerin bei der Volksbank dürften die Klageforderung übersteigen. Soweit den recht dürftigen Angaben der Klägerin zu ihren Vermögensverhältnissen zu entnehmen ist, bestanden per 31.12.1997 - neuere Angaben fehlen - Bankverbindlichkeiten in Höhe von 921.408,89 DM. Es ist anzunehmen, daß die Volksbank Lüdinghausen-Olfen Hauptgläubigerin war (siehe die Globalzession). Sie hat die Klageforderung lediglich "zum Zwecke der Geltendmachung im Zivilprozeß vor dem Landgericht Siegen", nicht etwa zur freien Verfügung an die Klägerin rückabgetreten. Jedenfalls hat die Klägerin ihre Absprache mit der Volksbank nicht offengelegt, so daß angenommen werden muß, daß sie über die Klagesumme, sofern sie im Prozeß obsiegt, keineswegs nach Belieben verfügen kann, sondern sie jedenfalls in erheblichem Umfang an die Volksbank auskehren muß. Es ist indessen nicht einzusehen, wieso im maßgeblichen Interesse einer Gläubigerbank ein Prozeß im Wege der Prozeßkostenhilfe auf Kosten der Allgemeinheit geführt werden sollte. Entsprechende Erwägungen gelten auch in Bezug auf die AOK Westfalen-Lippe als Gläubigerin, die wegen einer Forderung von 58.581,55 DM eine Pfändung ausgebracht hatte und im Laufe des Verfahrens die Pfändungs- und Überweisungsverfügung zurückgenommen hat. Es ist nichts dafür dargelegt, daß die mit ständigen Verlusten arbeitende Klägerin die Verbindlichkeiten gegenüber der AOK getilgt hätte. Aufgrund welcher Abrede die AOK die Pfändungs- und Überweisungsverfügung zurückgenommen hat, ist dunkel, so daß die Annahme naheliegt, daß die Klägerin die Forderung im Prozeß für die AOK geltend machen soll, später beigetriebene Beträge jedoch (teilweise) an die AOK abzuführen hat. Für solche "Stellvertreterprozesse" ist das Institut der Prozeßkostenhilfe nicht gedacht.

2.

Jedenfalls kann der Klägerin deswegen Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, weil nicht ersichtlich ist, daß die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde. Zwar ist ein öffentliches Interesse bejaht worden, wenn "zahlreiche Kleingläubiger" durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung betroffen sind (vgl. Zöller/Philippi a.a.O. Rdz. 15 m.w.N.). Das ist hier indessen nicht der Fall. Die Volksbank Lüdinghausen-Olfen und die AOK Westfalen-Lippe sind schwerlich als Kleingläubiger zu bezeichnen. Soweit - wofür substantiiert aber nichts vorgetragen ist - aus der Bezahlung der Klageforderung auch einige kleine Gläubiger der Klägerin noch ganz oder teilweise befriedigt werden könnten, handelt es sich nicht um zahlreiche Gläubiger. Was unter "zahlreich" in diesem Sinne zu verstehen ist, kann zwar im Einzelfall fraglich sein. Jedoch ist dieses Kriterium unter dem Aspekt entwickelt worden, daß die Rechtsverfolgung - wie das Gesetz es erfordert - im allgemeinen Interesse liegen muß, d. h. die Entscheidung muß größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens berühren (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. Rz. 20; Zöller/Philippi a.a.O. Rz. 15). Das ist indes nur bei einer Vielzahl von Gläubigern anzunehmen und nicht bei nur wenigen Gläubigern wie im vorliegenden Fall. Der Bundesgerichtshof (BGH WM 91, 32) hat schon einmal 27 Gläubiger als "Vielzahl" angesehen. Hier aber hat die Klägerin (neben der Volksbank Lüdinghausen-Olfen und der AOK Westfalen-Lippe) insgesamt nur 11 Gläubiger benannt, von denen 5 Beträge zwischen 15.000,00 und 40.000,00 DM zu beanspruchen haben und die kaum als Kleingläubiger angesehen werden können. Selbst wenn man aber sämtliche 11 Gläubiger als "Kleingläubiger" bezeichnen wollte, ist nicht ersichtlich, wieso größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens betroffen wären, wenn diese (wenigen) Gläubiger nicht befriedigt werden.

3.

Soweit die Klägerin geltend macht, die vier bisher noch vorhandenen Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn die Klageforderung nicht durchgesetzt werde, kann dies gleichfalls nicht zur Bewilligung von Prozeßkostenhilfe führen. Schon daraus, daß durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeine Interessen, d. h. weite Kreise der Bevölkerung betroffen werden müssen, folgt, daß Prozeßkostenhilfe unter diesem Aspekt nur bewilligt werden kann, wenn zahlreiche Entlassungen zu befürchten sind (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. Rz. 21). Dies läßt sich bei einer Gefahr für nur vier Arbeitsplätze schwerlich sagen. Insbesondere ist aber angesichts des Umstandes, daß die Klägerin nach ihrer Darstellung keine Gewinne, sondern in großem Umfang Verluste erwirtschaftet, keineswegs gesichert, daß die vier noch vorhandenen Arbeitsplätze auf lange Sicht erhalten bleiben, wenn die Klageforderung bezahlt würde. Durch die Begleichung der Klageforderung träte nur ein teilweiser Abbau der gegenwärtigen weit höheren Schulden ein, würde der Betrieb der Klägerin aber keineswegs rentabel gestaltet.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück