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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 19 U 116/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 323
BGB § 346
BGB § 347
BGB § 433
BGB § 434
BGB § 434 Abs. 1
BGB § 434 Abs. 1 S. 1
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BGB § 435
BGB § 437
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 439
BGB § 440
BGB § 441
BGB § 442
BGB § 443
BGB § 475 Abs. 1
BGB § 475 Abs. 1 S. 1
BGB § 476
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. Juni 2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus den nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen nichts anderes ergibt.

Der Beklagte trägt in der Berufung vor, das Landgericht habe die Bedeutung der Beschaffenheitsvereinbarung verkannt.

Ausweislich des Wortlautes des § 2 des Kaufvertrages stelle das Ergebnis der gesundheitlichen Untersuchung in der Form der objektiven Befunderhebung des schriftlichen Untersuchungsberichts die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes im Zeitpunkt der Übergabe dar.

Dadurch, dass die Käuferin auf weitergehende Untersuchungen verzichtet habe, habe sie ausdrücklich erklärt, das Risiko vorhandener versteckter Mängel tragen zu wollen.

Da hier eine vertragliche Vereinbarung über die Beschaffenheit vorliege, greife auch § 475 I 1 BGB nicht.

Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Insertionsdesmopathie bei der Ankaufsuntersuchung aufgefallen wäre, wenn sie zu dem Zeitpunkt vorhanden gewesen wäre. Die Erkrankung zeige klinische Befunde, die bei der Ankaufsuntersuchung eben nicht vorgelegen hätten.

Das Landgericht habe den angebotenen Zeugen Dr. C2 dazu hören müssen, ob die Erkrankung zum Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung vorgelegen hat. Der Sachverständige habe sich im Gutachten dazu nicht eindeutig geäußert.

Die Insertionsdesmopathie des Pferdes könne für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht festgestellt werden. Bei der Untersuchung des Dr. N2 am 1.03.04 habe das Pferd nicht an der Krankheit gelitten. Es habe eine Lahmheit an der linken Schultergliedmaße, nicht an der Hinterhand gezeigt. Zeitlich aufeinander folgende Lahmheiten könnten unterschiedliche Ursachen haben.

Es greife auch nicht die Beweislastumkehr des § 476 BGB.

Die Krankheit sei erst am 29.04.2004, also nach dem Ablauf der Sechsmonatsfrist, diagnostiziert worden. Die Krankheit könne auch eine traumatische Ursache haben, wie der Sachverständige hervorgehoben habe. Die Inkubationszeit für die Insertionsdesmopathie greife keinesfalls auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs zurück.

Auch am 21.04.04 habe die hochgradige Entzündung des Fesselträgers längst noch nicht vorgelegen, denn anderenfalls hätte Dr. C diese erkannt und auch eine Gelenksbehandlung vorgenommen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Krankheitsverlauf spreche gegen ein plötzliches Trauma.

Nach Aussage des Sachverständigen spreche eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Krankheit am 3.11.2003 schon vorgelegen habe. Es gebe verschiedene Zustände der Erkrankung, die sie bei der Ankaufsuntersuchung nicht ohne weiteres erkennen ließen.

Die Formulierung in § 2 des KV zeige deutlich, dass das Pferd über die dokumentierten Veränderungen hinaus keinerlei Abnormitäten aufweisen darf, da beide Parteien nach der Kaufuntersuchung davon ausgegangen seien, dass das Pferd gesund sei.

Jedenfalls scheitere ein Ausschluss der Mängelhaftung in § 2 des Kaufvertrages an § 475 Abs.1 BGB. Der Käuferin solle das Risiko eventuell nicht festgestellter Mängel aufgebürdet werden. Bei § 2 des Kaufvertrages handele es sich um einen typischen Fall, die gesetzlich festgelegte Haftung des Unternehmers gegenüber einem Verbraucher zu umgehen.

Ergänzende Beweisaufnahmen des Landgerichts seien nicht angezeigt gewesen. Auch die Untersuchung vom 1.03.2004 durch Dr. N2 ergebe nichts anderes. Der Sachverständige führe eindeutig aus, dass die Befunde korrelieren mit der Diagnose des Sachverständigen. Das Pferd habe im Januar 2004 auch an der linken Beckengliedmaße stark zu lahmen begonnen, wie bereits in der Klageschrift vorgetragen worden sei.

Der Mangel sei auch bereits im Januar 2004, also innerhalb der 6-Monatsfrist des § 476 BGB aufgetreten und durch die Tierärztin L und Dr. N2 und Dr. T festgestellt. Außerdem laufe die 6-Monatsfrist erst am 3.05.2004, also nach der eindeutigen Diagnose in der Tierklinik I, ab.

Nach dem Sachverständigengutachten spreche nichts für ein plötzliches Trauma nach der Übergabe.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises und Ersatz der notwendigen Auslagen aus §§ 437 Nr. 2, 323, 346, 347 BGB.

Das verkaufte Pferd wies einen Sachmangel gemäß § 434 Abs.1 BGB auf, wobei gemäß § 476 BGB vermutet wird, dass dieser bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Das Pferd ist als Reitpferd verkauft worden, wozu es wegen der Insertionsdesmopathie nicht geeignet ist.

Eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt allerdings nicht vor und zwar weder positiv noch negativ. Entgegen der Meinung des Beklagten bedeutet die Durchführung einer Ankaufsuntersuchung in Verbindung mit § 2 des Kaufvertrages nicht, dass die Klägerin das Risiko unentdeckter gesundheitlicher Mängel übernommen habe. Zum Einen geht die Beschaffenheitsvereinbarung durch das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung nur so weit, wie Untersuchungen durchgeführt wurden, kann sich aber nicht auf gar nicht untersuchte Bereiche und Krankheiten erstrecken. Zum Anderen ist die im Vertrag erklärte Risikoübernahme der Klägerin für versteckte Mängel gemäß § 475 Abs.1 BGB unwirksam. Es handelt sich hier um einen Verbrauchsgüterkauf, da der Beklagte gewerblich mit Pferden handelt und die Klägerin Verbraucherin ist. Die vertragliche Vereinbarung der Risikoübernahme weicht erheblich von der gesetzlichen Risikoverteilung gemäß §§ 433 - 435, 437, 439 - 443 BGB ab, wonach stets der Verkäufer das Risiko von Mängeln zum Zeitpunkt der Übergabe trägt, auch wenn sie später erst entdeckt werden.

Es liegt jedoch ein Mangel gemäß § 434 Abs. 1 S.2 Nr. 1 BGB vor, da sich das Pferd wegen der Insertionsdesmopathie nicht für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch als Reitpferd eignet.

Dass das Pferd an dieser Krankheit leidet und sie zu dazu führt, dass das Pferd nicht mehr geritten werden kann, ist vom Landgericht festgestellt und wird in der Berufung auch nicht angegriffen.

Gemäß § 476 BGB wird vermutet, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Wie bereits gesagt, handelte es sich hier um einen Verbrauchsgüterkauf.

Übergabe des Pferdes war am 3.11.2003. Der Mangel Insertionsdesmopathie hat sich innerhalb der folgenden sechs Monate, also bis zum 3.05.2004 gezeigt. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt des endgültigen Untersuchungsberichts an, sondern darauf, dass das Pferd am 29.04.2004 mit bestimmten Krankheitssymptomen in die Tierklinik I gebracht wurde und die dann folgenden mehrtägigen Untersuchungen als Diagnose für die Symptome die Insertionsdesmopathie ergaben.

Dem Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung des § 476 BGB zu widerlegen.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, greift § 476 BGB auch beim Tier als verkaufter Sache ein; allerdings ist der Frage der Unvereinbarkeit des Mangels mit der Vermutung beim Tierkauf besondere Aufmerksamkeit zu widmen. So ist die Vermutung unvereinbar mit Krankheiten, deren Inkubationszeit jedenfalls nach Übergabe eingesetzt hat und unter Umständen mit festgestellten Spontanereignissen als Krankheitsursachen. Darlegungs- und beweispflichtig für die diesbezüglichen Tatsachen ist der Verkäufer.

Entgegen der Meinung des Beklagten lässt sich auch aus dem Urteil des BGH vom 2.06.2004 - VIII ZR 329/03 - nichts anderes herleiten. Im dortigen Fall hat der BGH das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB lediglich deshalb verneint, weil noch gar kein Sachmangel festgestellt worden war. Die Vorschrift setzt aber einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus. Für die Tatsachen zur Begründung eines Sachmangels trifft aber den Käufer, nachdem er die Kaufsache angenommen hat, die Darlegungs- und Beweispficht.

Ist aber ein Sachmangel festzustellen und geht es für die Haftung des Verkäufers allein noch um die Frage, ob dieser Sachmangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, greift § 476 BGB ein. Das gilt uneingeschränkt, auch wenn der Mangel auf einem Spontanereignis beruhen kann, weil anderenfalls die Beweislastumkehr des § 476 BGB weitgehend leer liefe (vgl. dazu BGH Urteil vom 14.09.2005 - VIII ZR 363/04).

Eine positive Feststellung, dass die Krankheit zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorgelegen hat, hat das Landgericht nicht getroffen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die daran Zweifel begründen könnten. Insbesondere bestand für das Landgericht keine Veranlassung, den Zeugen Dr. C2, der die Ankaufsuntersuchung durchgeführt hat, zu vernehmen.

Die Frage, ob bei der Ankaufsuntersuchung die Insertionsdesmopathie hätte festgestellt werden müssen, wenn sie denn vorgelegen hat, war geradezu ein Schwerpunkt der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Einholung des Sachverständigengutachtens und dessen mündlicher Erläuterung. Der Sachverständige hat dabei mehrfach betont, dass die durchgeführte Ankaufsuntersuchung die bei der Insertionsdesmopathie dieses Pferdes problematischen Bereiche gar nicht untersucht hat und deshalb nicht geeignet war, diese Krankheit festzustellen. Das ist auch überzeugend, weil sich aus dem schriftlichen Gutachten ergibt, dass zur Feststellung der Krankheit schritt- und abschnittsweise Anästhesien notwendig sind, um sich der Ursache zu nähern. Der Sachverständige hat auch glaubhaft erklärt, dass sich der weitere Krankheitsverlauf mit diversen Vorstellungen des Pferdes bei verschiedenen Tierärzten, ohne das diese die Diagnose gestellt hätten, durchaus in das Bild dieser Krankheit passen und sogar darauf hinweisen, dass die Krankheit bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag.

Konkrete Darlegungen, dass die Krankheit auf einem Spontanereignis beruht, hat der Beklagte nicht gemacht.

Zwar hat der Sachverständige bekundet, dass die Krankheit auch traumatische Ursachen haben kann, doch sind dem Vortrag des Beklagten und der gesamten Akte keinerlei konkrete Anzeichen dafür zu entnehmen, dass hier ein Trauma bei dem Pferd stattgefunden hat.

Es ist auch nicht festzustellen, dass die Inkubationszeit für die Krankheit nach der Übergabe begonnen hat.

Eine feste Inkubationszeit für die Insertionsdesmopathie gibt es nach den Erklärungen des Sachverständigen nicht. Wie oben bereits dargelegt, hat der Sachverständige hier sogar aus der konkreten Symptomatik und den mehrfachen Untersuchungen des Pferdes geschlossen, dass die Krankheit bereits bei Übergabe vorlag.

III.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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