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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 19 U 121/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 123
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 142
BGB § 162
BGB § 162 Abs. 1
BGB § 295
BGB § 433 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Juni 2005 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abgeändert.

Die Kläger und Widerbeklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Beklagte 5.992,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2003 zu zahlen, Zug um Zug gegen Lieferung eines Heizungsbausatzes zur Selbstmontage, bestehend aus einem Stück Sieger Solarkomplettbausatz, Typ Ibiza, inkl. 285/300 l Solarspeicher mit 2 Kollektoren Aufdach.

Es wird festgestellt, dass sich die Kläger mit der Annahme der o.g. Zug um Zug zu bewirkenden Leistung in Annahmeverzug befinden.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus den nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen nichts anderes ergibt.

Die Beklagte trägt in der Berufung vor,

das Landgericht habe - bei Zugrundelegung seiner Auffassung - die Klage allenfalls als derzeit unbegründet abweisen dürfen, weil mangels Bedingungseintritts noch keine Fälligkeit gegeben sei.

Die Kläger seien vertraglich verpflichtet, den Förderantrag zu stellen. Soweit sie geglaubt hätten, nicht zur Vertragserfüllung berechtigt gewesen zu sein, hätten sie sich schlicht in einem vermeidbaren Rechtsirrtum befunden, dessen Risiko sie selbst zu tragen hätten.

Jedenfalls seien die Kläger spätestens seit der Kundgabe der Beurteilung zur Sittenwidrigkeit und Anfechtbarkeit des Vertrages durch das Landgericht zur Antragstellung verpflichtet gewesen. Damit sei jedenfalls jetzt der Bedingungseintritt treuwidrig vereitelt worden.

Die Auffassung des Landgerichts zu § 162 BGB, dass nur der entstandene Nachteil auszugleichen sei, sei nicht mehr nachvollziehbar. Nach § 162 BGB werde schlicht der Bedingungseintritt fingiert und damit der Vertrag wirksam.

Die Beklagte beantragt,

die Widerbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 5.992,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.07.03 zu zahlen, Zug um Zug gegen Lieferung eines Heizungsbausatzes zur Selbstmontage, bestehend aus ein Stück Sieger Solarkomplettbausatz, Typ Ibiza, inkl. 285/300 l Solarspeicher mit 2 Kollektoren Aufdach.

festzustellen, dass sich die Widerbeklagten mit der Annahme der Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung in Annahmeverzug befinden.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Landgerichts beruhe jedenfalls nicht auf einem Rechtsfehler zum Bedingungseintritt, weil der Kaufvertrag nichtig iSd. § 138 BGB sei und zudem gemäß § 123 BGB wirksam angefochten sei.

Bei der Frage der Nichtigkeit sei das Landgericht von einem Vergleich zum üblichen Marktpreis ausgegangen. Zu vergleichen sei aber mit der üblichen Vergütung im Rahmen stattfindender Messen. Hier übersteige der Verkaufspreis das Doppelte des marktüblichen Messepreises. Das sei auch erstinstanzlich durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt worden.

Offenbar gehe das Landgericht grundsätzlich davon aus, dass der Begriff "Messepreis" eine besonders günstige Offerte beinhalte, sodass die gerichtlichen Feststellungen widersprüchlich seien. Mit dem Begriff "Messepreis" habe die Beklagte einen im Vergleich zu den ortsüblichen Preisen günstigeren Preis suggeriert und damit eine rechtswidrige Täuschung begangen.

Die Kläger hätten den Bedingungseintritt nicht treuwidrig vereitelt. Sie hätten die Antragstellung nicht deshalb unterlassen, um den Eintritt der Bedingung zu verhindern, sondern weil sie die Willenserklärung zum Vertragsschluss angefochten hätten.

Allenfalls liege ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor.

Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte die Kläger nie aufgefordert habe, ihrer Verpflichtung zur Antragstellung nachzukommen.

Zudem sei die Bedingung, die eintreten müsse, die Fördermittelbewilligung und nicht die Antragstellung.

Es reiche aus, wenn aus den Gründen des Urteils ersichtlich sei, dass der Anspruch als nur zur Zeit unbegründet abgewiesen werde. Eine formelle Rechtsverletzung sei deshalb nicht ersichtlich.

II.

Die Berufung hat Erfolg.

Die Beklagte hat gegen die Kläger Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und Abnahme der Heizungsanlage aus §§ 433 Abs. 2, 162 BGB, wobei sich die Kläger mit der Annahme in Verzug befinden.

1.

Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist nicht gemäß § 138 BGB nichtig.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Marktpreis für diese konkrete Solaranlage im Jahre 2003 bei 3.051,26 € brutto lag und damit der Vertragspreis den Marktpreis nicht um 100 % überstieg.

Entgegen der Ansicht der Kläger ist vom Landgericht auch richtiger Weise ein üblicher Marktpreis und nicht etwa ein üblicher Messepreis als Vergleichsmaßstab genommen worden.

Der Vergleich mit einem üblichen Messepreis würde voraussetzen, dass es einen solchen überhaupt gibt, weil sich die Angebote auf den häufig regional stattfindenden und stets nur kurzzeitigen Verbrauchermessen so angleichen, dass sich ein allgemeiner Messepreis für Heizungsanlagen gebildet hätte. Zum Einen sind jedoch schon die Anzahl der Hersteller, erst recht diejenige der Anbieter und insbesondere die Ausgestaltungen der Heizungsanlagen selbst sehr vielgestaltig und individuell für jedes Bauprojekt ausgerichtet. Zum Anderen sind auch die Messen und ihre Ausstattung und Kosten für die Aussteller sehr unterschiedlich. Dass sich unter diesen Umständen ein allgemein üblicher Messepreis bilden kann, ist in keiner Weise ersichtlich.

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Kläger zur subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichts vortragen.

Für eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 2 BGB wegen Wuchers muss zu dem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung auf der subjektiven Seite des Käufers eine Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche hinzukommen. Auch soweit man an das Merkmal der "Unerfahrenheit" denken wollte - wozu nichts vorgetragen ist - greift dieses nicht ein. Dabei geht es nämlich generell um einen Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung, nicht um mangelnde Fachkenntnisse (s.d. Palandt/Heinrichs § 138 Rn 71).

Für eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB aufgrund eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte. Ein besonders grobes Missverhältnis setzt u.a. voraus, dass der absolute Unterschiedsbetrag ganz erheblich ist, was bei etwa 3.000 € keinesfalls der Fall ist.

2.

Der Vertrag ist auch nicht gemäß § 142 BGB nach erfolgreicher Anfechtung gemäß § 123 BGB nichtig.

Die notwendige Anfechtungserklärung ist in dem Schreiben vom 8.05.2003 (Bl. 13 GA) durchaus zu sehen. Die Kläger machen darin deutlich, dass sie am Vertrag wegen maßlos überteuertem Vertragsschluss nicht festhalten wollen.

Entgegen der Ansicht der Kläger liegt in der Verwendung des Begriffs "Messepreis" jedoch nicht die Erklärung, im Verhältnis zum üblichen Marktpreis einen besonders günstigen Preis anzubieten. Wie schon vom Landgericht in dem angegriffenen Urteil ausgeführt, ist der Begriff "Messepreis" anbieterbezogen zu sehen.

Der Begriff "Messepreis" kann vom objektiven Erklärungsempfänger nur so verstanden werden, dass es sich um ein zeitlich auf die Dauer der stattfindenden Messe begrenztes (s.d. OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1046) Angebot des jeweiligen Anbieters handelt. Eine Täuschung könnte dann gegeben sein, wenn die gleiche auf der Messe als besonders günstiges Messeangebot beworbene Heizungsanlage von diesem Anbieter auch außerhalb der Messeveranstaltung noch günstiger angeboten wird (s.d. OLG Brandenburg Urteil vom 11.07.2001, 7 U 186/00, insoweit nicht abgedruckt in NJW-RR 2001, 1635). Dabei kommt es auf das Ausgangsangebot an, nicht etwa auf nach Verhandlungen erzielte Preise einzelner Käufer (s.d. BGH NJW 2002, 3100, 3103). Der Anbieter will mit seinen Preisangaben stets lediglich seine Ware anbieten. Wenn er dann mit besonders günstigen Angeboten wirbt, bedeutet das, dass er gegenüber seinem zeitlich oder örtlich anderweitigen Angebot dieses Artikels im Zeitraum dieses günstigeren Angebotes einen niedrigeren Preis verlangt. Mit jeder Art von Sonderangebot ist nie verbunden, dem Verbraucher gegenüber irgendwie verbindlich erklären zu wollen, gegenüber anderen Anbietern auf dem Markt nunmehr den günstigsten Preis anzubieten. Der Preisvergleich auf dem Markt ist stets ureigene Sache des potentiellen Käufers. Er ist dafür verantwortlich, sich zu informieren und Preisvergleiche anzustellen und zwar auch, wenn ein Anbieter mit Sonderangeboten wirbt. Da dieses zu den Grundlagen der Marktwirtschaft gehört, kann ein objektiver Erklärungsempfänger jedes anpreisende Sonderangebot und damit auch ein "Messeangebot" nur anbieterbezogen und nicht marktbezogen verstehen.

Dass die Beklagte diese konkrete Heizungsanlage zeitgleich günstiger angeboten hätte, tragen die Kläger nicht vor. Sie tragen schon zu dem konkreten Vorgang des Angebotes und der Verhandlungen zu ihrem Vertrag nicht vor. Wenn zum Beispiel lediglich der ausgehandelte Endpreis ihres Vertrages vom Verkäufer als Messepreis bezeichnet wurde, liegt darin gar keine Anpreisung eines Sonderangebotes mehr. Der Messepreis ist dann vielmehr Ergebnis individueller Verhandlungen. Die Kläger stellen stets auf einen Vergleich zum allgemeinen Markt- oder Messepreis ab, nicht aber zu Angeboten der Beklagten bei anderer Gelegenheit zur gleichen Zeit.

3.

Gemäß § 162 Abs. 1 BGB gilt die vertraglich vereinbarte Bedingung, dass Solarfördermittel vom BAFA gewährt werden, als eingetreten, da die Kläger den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindern.

Die Kläger sind auch nach dem schwebend unwirksamen Vertrag verpflichtet, die Fördermittel zu beantragen. Es gehört zu ihren vertraglichen Nebenpflichten, das zu tun, was zur Wirksamkeit des Vertrages erforderlich ist. Die Kläger haben jedoch den erforderlichen Antrag zur Bewilligung von Fördermitteln gar nicht gestellt. Dazu können sie sich nicht darauf berufen, der Meinung gewesen zu sein, der Vertrag sei nichtig. Die Kläger mussten ohne weiteres damit rechnen, dass der Vertrag entgegen ihrer Meinung nicht nichtig oder anfechtbar ist. Das Risiko, dass sie mit ihrer Rechtsmeinung unrecht haben, trägt jedenfalls nicht die Beklagte. Es kommt hier noch hinzu, dass die Kläger bei Beantragung von Fördermitteln kein Risiko eingingen. Wenn die von ihnen eingeleitete gerichtliche Klärung der Wirksamkeit des Vertrags zu ihren Gunsten ausgegangen wäre, hätten sie schlicht bewilligte Fördermittel nicht abzurufen brauchen.

Die Beklagte behauptet auch substantiiert, dass die Kläger bei Stellung eines Förderantrages zeitnah nach Vertragsschluss Fördermittel erhalten hätten und legen dazu auch eine entsprechende Auskunft des BAFA vor. Dass auch bei pflichtgemäßer Antragstellung keine Fördermittel bewilligt worden wären, haben die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Kläger demgegenüber - auch nach eingehender Erörterung und entsprechenden Hinweisen des Senats in der Sitzung weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt.

4.

Aufgrund der bisher gezeigten Weigerung der Abnahme bzw. dem Nichtabruf entgegen der vertraglichen Verpflichtung sind die Kläger auch in Annahmeverzug, § 295 BGB.

III.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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