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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 19 U 39/06
Rechtsgebiete: BGB, ApoG


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
ApoG § 11
ApoG § 12
Die Verabredung eines regelmäßigen Hol- und Bringdienstes für hochpreisige Medikamente zwischen einer Apotheke und einer Arztpraxis verstößt gegen das sogenannte Ärztebevorzugungsverbot nach § 11 ApoG.

Der Kaufvertrag über eine Apotheke, kann sittenwidrig sein, sofern die konkrete Gefahr besteht, dass der Käufer die berufsrechtswidrige Praxis fortsetzt.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Dezember 2005 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das vorgenannte Urteil abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden keine abweichenden Feststellungen ergeben.

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers, der der Beklagte mit der Anschlussberufung entgegentritt.

Der Kläger rügt:

Entgegen der Würdigung des Landgerichts stehe dem Beklagten aufgrund § 11 des Kaufvertrages kein Rücktrittsrecht zu. Es handele sich hinsichtlich der Erteilung der Betriebserlaubnis allenfalls um eine aufschiebende Bedingung, deren Eintritt der Beklagte treuwidrig verhindert habe. Durch die Nichtbetreibung des Erlaubnisverfahrens und die Abstandnahme vom Vertrag habe der Beklagte seine vertraglichen Pflichten zur Leistungstreue und Mitwirkung schuldhaft verletzt. Der Rücktritt stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.

Ein Verstoß gegen § 11 ApoG liege entgegen der Einschätzung des Landgerichts nicht vor. Im Hinblick auf die vom Kläger mit den beiden Ärzten praktizierte Zusammenarbeit fehle es an einer Absprache. Für ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zwischen Arzt und Apotheker müssten entsprechende Hinweise vorliegen. Außerdem sei § 34 Abs. 5 MBO-Ä, wonach Ärzte Patienten mit hinreichendem Grund an bestimmte Apotheken verweisen können, spiegelbildlich zugunsten der Apotheker anzuwenden. Da die betreffenden beiden Ärzte gewusst hätten, dass die benötigten hochpreisigen Medikamente in der Apotheke des Klägers vorrätig gewesen seien, hätten sie den Patienten unter anderem diese Apotheke vorgeschlagen.

Der Beklagte habe bei Vertragsschluß von der bestehenden Praxis gewusst, so dass er dagegen nachträglich nichts mehr vorbringen und sich auch nicht auf eine Sittenwidrigkeit berufen könne. Er habe mangels vertraglicher Verpflichtung die Praxis so auch nicht fortführen müssen. Eine dann daraus folgende Beeinträchtigung der Ertragsfähigkeit der Apotheke sei allenfalls als Sachmangel zu qualifizieren. Die Sachmängelhaftung sei vertraglich ebenso ausgeschlossen wie ein Rücktrittsrecht des Beklagten. Außerdem habe der Beklagte die Apotheke gemäß dem Beweisergebnis in positiver Kenntnis davon übernommen, so dass er auch kein Minderungsrecht habe. Ferner sei die salvatorische Klausel am Ende des Vertrages zu beachten. Der Beklagte habe den Betrieb entgegen der Annahme des Landgerichts nach Vertragsschluß gemäß den Vereinbarungen bereits übernommen gehabt, geleitet und dabei einzelne Umdispositionen vorgenommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 357.782,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 % aus 300.000 Euro seit dem 16.9.2004 bis zum 20.12.2004 und aus 270.000 Euro seit dem 21.12.2004; 9 % Zinsen aus 73.651,55 Euro seit dem 11.9.2004 bis zum 1.12.2004 und aus 26.270,72 Euro seit dem 2.12.2004; 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 50.236,05 Euro seit dem 1.12.2004; 8 % über dem Basiszinssatz aus 11.275,26 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die aufgrund der Nichterfüllung des Apothekenkaufvertrages vom 1.9.2004 durch den Beklagten entstanden sind oder noch entstehen,

3) die Anschlussberufung zurückzuweisen,

4) für den Fall seines Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. auf die Anschlussberufung abändernd die Klage insgesamt abzuweisen.

Er verteidigt das Urteil, soweit es die Klage abweist, und wiederholt und vertieft dazu seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die vom Landgericht dem Kläger zuerkannten Vertragskosten schulde der Beklagte schon wegen der Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht. Außerdem habe der Beklagte seinen Rücktritt vom Vertrag nicht zu vertreten, da er entgegen dem insoweit unzutreffenden Beweisergebnis des Landgerichts vor Vertragsschluß nicht über den illegalen Hol- und Bringdienst der Apotheke mit den beiden Ärzten informiert worden sei. Dies habe er vielmehr erst nach Vertragsschluß erkannt und zum Anlaß für den Rücktritt genommen und nehmen dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erklärungen gegenüber dem Senat gemäß Wiedergabe in den Gründen zu II. Bezug genommen.

Soweit der nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingegangene, nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 15.9.2006 neues Tatsachenvorbringen enthält, hat der Senat dieses nicht berücksichtigt. Ein Anlaß, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen, besteht nicht, §§ 296 a, 156 ZPO.

II.

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Die Berufung ist unbegründet, die Anschlussberufung ist begründet.

Das angefochtene Urteil ist insoweit abzuändern, als die Klage insgesamt abzuweisen ist.

1.

Der Kläger hat keine Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund des Kaufvertrags der Parteien vom 1.9.2004 betreffend die Steinapotheke in E.

Nicht zu vertiefen ist, ob § 11 des Kaufvertrages gemäß dem Standpunkt des Landgerichts dahin ausgelegt werden kann, dass jede Vertragspartei, solange die Betriebserlaubnis nicht erteilt war, die Erteilung nach Belieben verhindern und vom Vertrag zurücktreten durfte, was angesichts des Wortlauts sowie der Begleitumstände des Vertrages fraglich erscheint.

Denn der Kaufvertrag ist sittenwidrig und deshalb nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB, und zwar nach dem eigenen Vortrag des Klägers. Aufgrund sich daraus ergebender tatsächlicher Anhaltspunkte war dies von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Parteien haben nach terminsleitend eingehend erteiltem Hinweis des Senats dazu Stellung genommen. Es liegt ein nach dem Gesamtcharakter sittenwidriges Geschäft in Form des gemeinsamen, sittenwidrigen Verhaltens der Parteien gegenüber der Allgemeinheit vor. Zu berücksichtigen sind neben dem Inhalt des Geschäfts die Beweggründe der Beteiligten und der von ihnen verfolgte Zweck; zudem muß ihr Verhalten auch subjektiv sittenwidrig sein, wofür ausreicht, das sie die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit gegenüber der Allgemeinheit begründen, kennen oder sich ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (Palandt-Heinrichs, 65. A., § 138 BGB Rz. 8, 40 m.w.N.).

Nach inzwischen wohl einhelliger Ansicht begründet nicht schon der Verkauf einer Apotheke an sich einen Sittenverstoß nach § 138 Abs. 1 BGB. Etwas anderes gilt jedoch, wenn durch den konkreten Vertrag eine den rechtlichen Erfordernissen entsprechende Berufsausübung des Käufers gefährdet wird. Beim Verkauf von Praxen oder Betrieben standesrechtlich gebundener Berufstätiger -dazu gehören die Apotheker im Hinblick auf die speziellen Regelungen beispielweise des Apothekengesetzes- dürfen die Vertragsbedingungen nicht die Gefahr begründen, dass der Erwerber diese in einer Allgemeininteressen widersprechenden Weise fortführt (vgl. BGHZ 43, 46/50 f. (Anwaltspraxis); Palandt, a.a.O., Rz. 59 f.). Das ist hier indessen der Fall.

Der Kläger praktizierte jahrelang einen Hol- und Bringdienst seiner Apotheke gegenüber den in E ansässigen Ärzten Dr. Y sowie Dr. M. Dieser betraf Rezepte für hochpreisige, labile (kühlkettenpflichtige) Medikamente und dies nicht etwa lediglich in Einzelfällen wie Notbedarfsfällen, sondern die fragliche Praxis war geschäftsmäßig etabliert. Das verstößt gegen das sogenannte Ärztebevorzugungsverbot nach § 11 ApoG. Aus den Angaben des Klägers gegenüber dem Senat geht hervor, dass eine Absprache zwischen ihm und den genannten Ärzten betreffend die Zuweisung insbesondere der Medikamente Polyglobin und Granozyte zugrunde lag, die seit den Jahren 2001/2002 umgesetzt wurde und Tagesroutine war. Der Kläger hat erklärt, erstmals etwa im Jahr 2000 persönlich Kontakt mit Dr. Y gehabt zu haben, der sich dann mit seiner Praxis in E niederließ. Etwa ein dreiviertel bis ein Jahr später habe Dr. Y ihn angerufen und telefonisch Probleme mit der termingerechten Versorgung mit den genannten Medikamenten, die laufend für Dauerbehandlungen wie Infusionen benötigt würden, geschildert. Auf den Hinweis des Klägers, dass noch drei andere Apotheken zwischen seiner Apotheke und der Arztpraxis liegen, habe Dr. Y erklärt, daß die Apotheken in seiner Nähe die Medikamente nicht vorrätig hätten. Er habe den Kläger gebeten, die Medikamente zu bevorraten, um die Versorgung zu sichern. Damit habe sich der Kläger einverstanden erklärt und seine Apotheke durch Anlage von Vorräten darauf eingestellt. Ungefähr ein weiteres halbes Jahr später habe er erst zufällig anlässlich einer telefonischen Bestellung aus der Praxis Dr. Y bei seinen Mitarbeitern in der Apotheke die zu dem Zeitpunkt bereits laufende Übung mitbekommen und von seinen Mitarbeitern bestätigt erhalten, dass die vorgehaltenen Medikamente täglich telefonisch direkt von der Arztpraxis bei der T-Apotheke bestellt, per Botendienst der Apotheke zur Praxis gebracht und dort gegen das ausgestellte Rezept ausgeliefert wurden, so dass die betroffenen Patienten gar nicht mehr in Erscheinung traten. Dieser -fortgeführten- Handhabung habe sich Dr. M angeschlossen.

Da eine Absprache im Sinne des § 11 ApoG auch stillschweigend getroffen werden, schlüssig sogar nur aus einer eingespielten Übung hervorgehen kann (OVG Münster ApoR 2001, 20 ff. = NVwZ-RR 2000, 216 ff.), kann ihr Vorliegen unter diesen Umständen nicht zweifelhaft sein. Die vorhergehend getroffene ausdrückliche Absprache zur Vorratshaltung und die daran anschließenden regelmäßigen Zuweisungen der Verschreibungen sowie der damit ineinandergreifende Hol- und Bringdienst waren von den Beteiligten übereinstimmend und auf Dauer gewollt; sie erbrachten für den Kläger mit unstreitig 55 % über die Hälfte des Umsatzes. Diese Absprache ist nach § 12 ApoG nichtig.

Hierbei kann offen bleiben, ob die Ärzte, wie der Kläger pauschal behauptet, 'die Patienten' zuvor befragt und diese ihr Einverständnis mit dieser Praxis erklärt haben. Zwar trägt § 11 ApoG auch dazu bei, die Freiheit des Patienten in der Wahl seiner Apotheke zu wahren. Erstrangiger Regelungszweck der §§ 11, 12 ApoG ist aber die vom Gesetzgeber gewollte strenge Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und des Apothekers. Die zur Wahrung einer funktionell differenzierten Gesundheitsfürsorge zu sichernde Unabhängigkeit zwischen den Heil- und den Heilhilfsberufen liegt im öffentlichen Interesse; sie darf deshalb auch nicht mit Einverständnis des einzelnen Patienten verwischt werden (vgl. BGH MDR 1981, 471; OVG Münster, a.a.O.; BVerwG NJW 1995, 1627; Schiedermair-Pieck, Apothekengesetz, 3. A., zu § 11 ApoG Rz. 2, 19). Aus der vom Kläger im Termin überreichten BGH-Entscheidung (Urteil v. 29.6.2000, I ZR 59/98) ergibt sich nichts anderes, da sie einen nicht vergleichbaren Fall betrifft.

Deshalb kommt es auch nicht auf die vom Kläger angeführten Reformen und Reformbestrebungen zur rechtlichen Liberalisierung des Gesundheitswesens sowie ferner auf sein Vorbringen an, die durchgeführte Praxis mit den beiden Ärzten habe einem praktischen Bedürfnis nach Sicherung der medizinischen Versorgung der betroffenen Patienten entsprochen. Derartige Gründe hat der Gesetzgeber nicht zum Anlaß genommen, die §§ 11 Abs. 1, 12 ApoG abzuändern; eine derartige Absicht ist bisher auch für die Zukunft nicht erkennbar. Dem darf die nach Art. 97 Abs. 1 GG an das Gesetz gebundene Rechtsprechung nicht durch eine 'weite Gesetzesauslegung' oder 'teleologische Reduktion' im Sinne des Klägers vorgreifen. Im übrigen bleibt vom Kläger nicht schlüssig gemacht, dass es gerade des Hol- und Bringdienstes der Ärzte mit seiner Apotheke bedurfte.

Entgegen der Ansicht des Klägers rechtfertigt § 34 Abs. 5 der Musterberufsordnung für Ärzte keine andere Auslegung. Diese Bestimmung, für die es für den Apothekerberuf keine Entsprechung gibt, passt schon von der Zweckrichtung her nur für Ärzte und nicht für Apotheker. Selbst wenn man dem Kläger eine 'spiegelbildliche' Anwendung zugute kommen lassen wollte, hilft diese hier nicht weiter. Er behauptet selbst nicht, dass es keine anderen Apotheken im örtlichen Bereich gibt oder gab, die die fraglichen Arzneien ebenfalls führten oder unschwer hätten beschaffen und vorhalten können. Dann fehlt aber ein rechtlich hinreichender Grund, gerade ihn damit zu betrauen.

Der Kaufvertrag zwischen den Parteien begründete nach seinen Umständen die konkrete Gefahr, dass der Beklagte als Käufer die berufsrechtswidrige Praxis in standeswidriger Weise fortführte. Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger den Beklagten aus Anlaß der Vertragsverhandlungen über die bestehende Praxis sowie auch die Umsätze informiert und ihm überdies eine persönliche Vorstellung bei den Ärzten Dr. Y und Dr. M angeboten. Der Beklagte hat hierzu geäußert: 'Ich wäre doch schön blöd, wenn ich das nicht weitermachen würde'. Darin ist zumindest eine stillschweigende Willensübereinstimmung zwischen den Parteien über die Aufrechterhaltung dieser Praxis zu sehen. Es handelte sich hierbei um einen Umstand, der für das Geschäft von wesentlicher Bedeutung war. Der vom Beklagten zu zahlende Kaufpreis von 300.000 Euro war gemäß den Erörterungen mit den Parteien am erzielten Umsatz der Apotheke ausgerichtet, über den der Kläger den Beklagten vor Vertragsschluß anhand der Geschäftsunterlagen -mit dessen dargestellter Reaktion- genau ins Bild gesetzt haben will. Der Beklagte hatte sich somit schon durch die Höhe des Kaufpreises in eine wirtschaftliche Abhängigkeit begeben, die Geschäfte genauso fortzuführen, um das Umsatzniveau zu halten (vgl. BGHZ 43, 51), und tatsächlich hat er sie nach Vorbringen des Klägers während der Zeit seiner Leitung der Apotheke ab 2.9.2004 auch so fortgeführt. Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis des Klägers, es habe keine vertragliche Verpflichtung zur Fortführung jener Praxis gegeben und der Beklagte diese somit jederzeit einstellen können, vordergründig. Keiner der Beteiligten ist davon ernsthaft ausgegangen, so dass der Einwand nach der konkreten Sachlage rein theoretischer Natur ist.

Zur subjektiven Seite ist zu berücksichtigen, dass den Parteien als approbierten und überdies in der Leitung von Apotheken erfahrenen Apothekern die Bestimmungen der §§ 11, 12 ApoG geläufig sind, wie der Kläger auch bestätigt hat. Dann haben sie im Wissen um alle Umstände laut Klägervortrag und erstinstanzlichen Feststellungen die Augen vor der Nichtigkeitsfolge zumindest leichtfertig verschlossen, was für die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB begründenden Tatsachen ausreicht. Die Parteien mussten den Kaufvertrag nicht selbst als sittenwidrig und nichtig einstufen.

Die sich auf den ganzen Vertrag erstreckende Nichtigkeit erfasst auch dessen salvatorische Klausel.

Das Geschäft konnte nicht dadurch nach § 141 BGB bestätigt und geheilt werden, dass die Parteien nach Klägervortrag den Vertrag wissentlich in Vollzug gesetzt haben, indem der Beklagte die Apotheke ab dem 2.9.2004 übernahm und leitete. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Gründe für die Sittenwidrigkeit nicht mehr fortbestanden (Palandt, a.a.O., § 141 BGB Rz. 5). Sie bestanden jedoch fort, weil die wirtschaftliche Lage sich nicht geändert hatte und der Beklagte die Praxis mit dem Hol- und Bringdienst unverändert fortsetzte (s.o.).

Die Anführung der Sittenwidrigkeit ist auch nicht ausnahmsweise treuwidrig. Zwar kommt der Gegeneinwand auch in diesem, von Amts wegen zu berücksichtigenden Zusammenhang im Einzelfall in Betracht. Aber gegenüber dem Interesse des Klägers an der Vertragserfüllung überwiegt wegen der dargestellten wirtschaftlichen Abhängigkeit das Interesse der Allgemeinheit an der Unwirksamkeit des Geschäfts sowie das Interesse des Beklagten, das Geschäft nicht ohne Verstoß gegen die §§ 11, 12 ApoG fortführen und auf den damit verbundenen Umsatzanteil verzichten zu müssen. Außerdem darf nicht die Folge sein, ein sittenwidriges Geschäft für die Zukunft aufrechtzuerhalten (BGH NJW 1981, 1439 f.). Im Vergleich zu jenem vom BGH entschiedenen Fall handelt es sich hier um die gegenteilige Konstellation. Der BGH ließ aufgrund einer Gewichtung im Einzelfall ein eigentlich sittenwidriges Geschäft gelten, weil es bereits ganz überwiegend erfüllt war und es nur um die Vergangenheit und lediglich noch einen geringen abzuwickelnden Rest ging. Hier stand alles noch ganz am Anfang. Der Beklagte führte das Geschäft allenfalls vom 2.9.2004 bis zur Rücktrittserklärung vom 27.9.2004 (Bl. 45 d.A.), also rund dreieinhalb Wochen.

Folge des nach Klägervortrag beiderseitigen Sittenverstosses ist, dass keine kaufvertraglichen Schadensersatzansprüche bestehen (Palandt, a.a.O., § 138 BGB Rz. 22).

2.

Der Kläger kann keinen Schadensersatz wegen Verschuldens des Beklagten bei Vertragsschluß nach den §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB n.F. verlangen. Das käme nur in Betracht, wenn der Beklagte von vornherein vorgehabt hätte, den Vertrag nicht durchzuführen, er dies verschwiegen und den Kläger dadurch zum Vertragsschluß und zur Überlassung der Apotheke veranlasst hätte. Das behauptet aber der Kläger nicht. Er macht geltend, der Beklagte habe es sich nach Vertragsschluß anders überlegt.

3.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus den §§ 662, 280 Abs. 1 BGB (Auftrag) oder aus den §§ 677, 280 Abs. 1 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) aus Anlass der Tätigkeit des Beklagten in der Apotheke und seines Verhaltens ab dem 2.9.2004. Dabei kann offen bleiben, ob der Beklagte die Apotheke übernommen hatte und in dieser Zeit für sich selbst als Betriebsinhaber führen wollte und geführt hat. Der Beklagte hat nämlich das Geschäft weder pflichtwidrig noch schuldhaft entgegen dem Interesse oder dem Willen des Klägers geführt.

3.1. Hinsichtlich der Kaufpreisdifferenz von 270.000 Euro wirft der Kläger dem Beklagten vor, sich nach dem 27.9.2004 unvermittelt aus dem ganzen Geschäft zurückgezogen zu haben. Folgen seien die Schließung der Apotheke ab 4.10.2004, Nichtzahlung aufgelaufener Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, deren Geltendmachung (verlängerter) Eigentumsvorbehalte und Abtransport des Warenlagers gewesen, was insgesamt dazu geführt habe, dass die Apotheke 'verbrannt' und beim schließlich anderweitigen Verkauf am 30.11.2004 für nur 30.000 Euro entsprechend viel weniger wert gewesen sei. Als Hauptgrund erscheint somit die Nichtzahlung des Kaufpreises, den der Beklagte aber nicht schuldete. Zur Fortsetzung der Geschäftsführung war der Beklagte außerdem nicht verpflichtet. Von ihm konnte weder die Fortführung der illegalen, zur Sittenwidrigkeit führenden Geschäftspraxis erwartet werden, weil man andernfalls darüber wieder dem zu mißbilligenden Vertragsziel Geltung verschaffte, noch wegen der oben dargelegten wirtschaftlichen Abhängigkeit eine Fortsetzung im legalen Rahmen, also ohne Verstoß gegen die §§ 11, 12 ApoG.

Es war dem Beklagten auch unzumutbar, unter der Gefahr strafbewehrter falscher eidesstattlicher Versicherungen gegenüber der Apothekenaufsichtsbehörde hinsichtlich des bestehenden und von ihm laut Klägervortrag fortgeführten illegalen Hol- und Bringdienstes, der zudem die Betriebserlaubnis kosten konnte (vgl. Bl. 123 ff. d.A.), die Erteilung seiner Betriebserlaubnis weiter zu betreiben, um über den 30.9.2004 hinaus weitermachen zu können. Zu dem Zeitpunkt -also nur drei Tage später- wäre deshalb die Betriebserlaubnis des Klägers ohnehin abgelaufen und auch keine Vertretungsregelung mehr zulässig gewesen (vgl. Bl. 34, 35 d.A.). Es ist nicht erkennbar, dass bei diesem Verlauf für den Kläger noch ein günstigerer anderweitiger Verkauf möglich gewesen wäre. Nichts anderes gilt, wenn man als interessengerecht für den Kläger einen zeitnahen Rückzug Anfang September 2004 ansehen wollte. Zur Kausalität behauptet der Kläger nur pauschal (Bl. 328 d.A.), dass dann 'eine geordnete Einstellung und Liquidation des Betriebs möglich gewesen wäre'. Wie das ohne den an anderer Stelle (Bl. 11 d.A.) von ihm selbst als zentral erforderlich herausgestellten Kaufpreis geschehen sollte, ist nicht ersichtlich.

Soweit im Klägervortrag unsubstantiiert anklingt, es hätten auch Irritationen der Lieferanten infolge der Auswechselung des Großlieferanten sowie Umstellung der Zahlungsweise auf Lastschriftverfahren durch den Beklagten eine Rolle gespielt, ist schon nicht dargelegt, dass der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Geschäftsführung gegen Interessen des Klägers verstoßen hat. Der Beklagte hat sich gemäß seinem Vortrag von dem Wechsel günstigere Lieferkonditionen versprochen, wogegen der Kläger nichts vorbringt.

3.2. Entsprechendes wie zu 3.1. gilt für die Differenzeinnahmen hinsichtlich des Warenlagers.

4.

Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung ab dem 2.9.2004 entstandener Miet- und Personalkosten, der allenfalls aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 BGB in Betracht käme, besteht nicht. Da das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien unwirksam ist und die Einnahmen aus dieser Zeit unstreitig letztlich dem Kläger zugeflossen sind, ist nicht darüber hinaus ein Ausgleich dahin erforderlich, dass der Beklagte auch noch zu den Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen entstanden sind, heranzuziehen ist. Diese Kosten hat der Kläger zu tragen. Das gilt ebenso in Bezug auf die Vertretungskosten der Frau K am 20.9.2004, die Kosten der öffentlich-rechtlichen Apothekenrevision am 14.9.2004 von 200 Euro (Bl. 23, 41 d.A.) sowie für die Kosten für Werbung und EDV-Anlage.

5.

Auch Anwaltskosten kann der Kläger nicht ersetzt verlangen. Die Kosten zur Verteidigung gegenüber den Lohnforderungen des Personals für September 2004 kann er nicht abwälzen, da er diese im Innenverhältnis zu tragen hat. In Bezug auf die Anwaltskosten im Rahmen des anderweitigen Verkaufs der Apotheke ist ein kausales Ausführungsverschulden des Beklagten nicht erkennbar, wie oben (3.1.) ausgeführt. Da dem Kläger im Ergebnis kein Anspruch gegen den Beklagten zusteht, kann er auch nicht die vor diesem Rechtsstreit entstandenen außergerichtlichen Kosten ersetzt verlangen.

6.

Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung nach den §§ 823, 826 BGB scheiden nach dem Vorhergesagten ebenfalls aus. Da der Beklagte sich aus dem Geschäft zurückziehen durfte, hat er Rechtsgüter des Klägers nicht rechtswidrig und schuldhaft verletzt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß Antrag des Klägers zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung. Es geht um die Rechtsanwendung im Einzelfall und um einfache Auslegungsarbeit hinsichtlich der bestehenden Absprachen. Daß derartige Absprachen in Ärzte- und Apothekerkreisen auch anderweitig praktiziert würden oder gar üblich wären und deshalb ein über die vorliegende Entscheidung hinausweisendes rechtliches Klärungsinteresse bestände, bringt auch der Kläger nicht vor.

Ende der Entscheidung

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