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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 19 U 72/05
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, BGB


Vorschriften:

InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt.
InsO § 22 Abs. 2
InsO § 23 Abs. 1 S. 3
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 55 Abs. 2
InsO § 61
InsO § 61 S. 1
InsO § 61 S. 2
InsO § 149
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 253 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 263
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.04.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer I des Landgericht Detmold abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Klägerin eine Masseverbindlichkeit in Höhe von 8.538,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 24.02.2004 zusteht.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 61 InsO gegen den Beklagten zu, soweit die o.g. Masseverbindlichkeit nicht voll erfüllt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit nicht nachfolgende Feststellungen entgegenstehen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergebe sich nicht aus Vertrag. Insbesondere bestehe kein Treuhandvertrag zwischen den Parteien, da der Beklagte die Forderungen zwar treuhänderisch gegenüber der Insolvenzschuldnerin verwaltet habe, nicht aber vertraglich gegenüber der Klägerin gebunden gewesen sei. Rechtsinhaber des von dem Beklagten eingerichteten Insolvenzanderkontos sei zwar der Beklagte als Treuhänder gewesen. Aufgrund seiner Stellung als vorläufiger Insolvenzverwalter sei er aber hinsichtlich dieses Kontos nur verfügungsbefugt gewesen.

Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus unerlaubter Handlung. Es liege weder eine Eigentumsverletzung der Klägerin noch ein veruntreuendes Verhalten des Beklagten vor.

Ein Bereicherungsanspruch scheitere schließlich daran, dass Leistungsempfängerin nicht der Beklagte persönlich, sondern die Insolvenzschuldnerin gewesen sei, deren Vermögen der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter treuhänderisch verwaltet habe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt:

Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte mit der Veranlassung der Zahlung ausschließlich auf das Insolvenzanderkonto auch gegenüber der Klägerin eine besondere Verantwortung für die Korrektheit der Kontoführung übernommen habe. Auch habe das Landgericht verkannt, dass der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter ermächtigt gewesen sei, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Insolvenzschuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen, während die Insolvenzschuldnerin nicht mehr berechtigt gewesen sei, über ihr Konto zu verfügen. Auch ergebe sich bereits aus der Kontoführung, dass die Zahlung der Klägerin gerade nicht in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gelangt sei.

Nachdem die Klägerin zunächst ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt hat, der Beklagte habe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Zahlung nur in Höhe der berechtigten Forderung der Insolvenzschuldnerin der Masse zugeführt, macht sie sich nun den Vortrag des Beklagten zu eigen, das von ihm eingerichtete Insolvenzanderkonto nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Gläubigerversammlung als Hinterlegungsstelle gemäß § 149 InsO weitergeführt zu haben. Sie vertritt die Ansicht, der Beklagte habe den von ihr versehentlich bezahlten Überschuss nicht der Insolvenzmasse zuführen dürfen, da sie ihn rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass eine Fehlüberweisung vorgelegen habe. Wenn der Beklagte dies gleichwohl getan habe, hafte er auch unabhängig von einer etwaigen Massearmut auf Rückzahlung des Überschusses. Insoweit beruft sich die Klägerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, dass der Beklagte für die fehlerhafte Behandlung der Forderung der Klägerin nach § 61 InsO einzustehen habe.

Falls der Beklagte formal als vorläufiger Insolvenzverwalter zu verklagen sei, sei bereits erstinstanzlich um einen entsprechenden Hinweis gebeten worden.

Die Klägerin erweitert ihre Klage nunmehr auf den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C GmbH, der dieser Klageerweiterung widersprochen hat.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass der Klägerin eine Masseverbindlichkeit in Höhe von 8.538,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2004 zusteht;

2. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.538,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt persönlich und in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages.

Dass allein er über das eingerichtete Insolvenzanderkonto habe verfügen können, ändere nichts daran, dass er die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt habe. Zuvor sei er verpflichtet gewesen, dieses Vermögen zugunsten aller Gläubiger zu sichern und nicht einzelne Gläubiger vorab zu befriedigen. Deshalb seien die auf das Insolvenzanderkonto gelangten Beträge Vermögen der Insolvenzschuldnerin gewesen. Es gebe kein zweigeteiltes Vermögen in dem Sinne, dass neben dem Vermögen des Insolvenzschuldners ein originäres, durch den vorläufigen Insolvenzverwalter begründetes Vermögen bestehe.

Der Beklagte behauptet, mit einem an das Insolvenzgericht gerichteten Schreiben vom 02.12.2005 angezeigt zu haben, dass Masseunzulänglichkeit vorliege. Dazu hat er zwei Schreiben des Amtsgerichts Detmold vom 05.12.2005 in Kopie vorgelegt, wegen deren Inhalt auf Blatt 178 und 179 d.A. verwiesen wird.

Hinsichtlich einer eventuellen Haftung nach § 61 Inso vertritt er die Ansicht, eine solche scheide schon deshalb aus, weil durch die Überzahlung der Klägerin keine Masseverbindlichkeit begründet worden sei. Zudem setze eine solche Haftung auch ein Verschulden des Insolvenzverwalters voraus, was nicht gegeben sei bei solchen Masseverbindlichkeiten, auf dessen Entstehung der Verwalter keinen Einfluss gehabt habe.

II.

Die Klagen gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter und gegen den Beklagten persönlich sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Der in der Berufungsinstanz zuletzt gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.

a)

Die in diesem enthaltene Klageerweiterung auf den Beklagten als Insolvenzverwalter ist gemäß §§ 533, 263 ZPO zulässig.

Zur Zulässigkeit einer Klageerweiterung in zweiter Instanz gehört zwar grundsätzlich die Zustimmung des neuen Beklagten. Diese darf aber nicht rechtsmissbräuchlich verweigert werden (allg.Meinung; vgl. BGH NJW 1997, 2885; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 533 Rn. 3; Musielak / Ball, ZPO, 4. Aufl., § 533 Rn. 6). Eine solche rechtsmissbräuchliche Verweigerung liegt hier vor. Es ist kein berechtigtes Interesse des Beklagten gegeben, welches einer Erweiterung der Klage gegen ihn als Insolvenzverwalter entgegensteht. Der Beklagte ist durch die nachträgliche Parteierweiterung in zweiter Instanz nicht schlechter gestellt, als es durch eine bereits erstinstanzliche Klagehäufung der Fall gewesen wäre. Obwohl prozessual in zwei verschiedenen Parteirollen ist der Beklagte als ein- und dieselbe natürliche Person am Rechtsstreit beteiligt. Nur weil ihm zwei verschiedene Vermögensmassen zugeordnet werden, ist er persönlich Partei und als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Partei kraft Amtes. Der gesamte Prozessstoff erster Instanz ist ihm bekannt. Zudem ist sein Verteidigungsvorbringen in erster Instanz sowohl gegen seine persönliche als auch gegen seine Haftung als Insolvenzverwalter ausgerichtet gewesen, da bereits erstinstanzlich diskutiert worden ist, ob der Beklagte persönlich oder als Insolvenzverwalter in Anspruch zu nehmen sei.

Aus diesem Grunde hat auch der Klageerweiterungsschriftsatz der Klägerin vom 04.01.2006 nach Auffassung des Senats noch den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügt. Zwar wird darin der Beklagte nicht ausdrücklich als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C GmbH bezeichnet und der Sachverhalt, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet, nicht erneut dargestellt. Dem Beklagten ist aber aus dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.11.2005 die Klageerweiterung auf ihn als Partei kraft Amtes bekannt und aus seiner bisherigen Verfahrensbeteiligung die zweifelsfreie Individualisierung des Klageanspruchs möglich gewesen. Es hätte sich als reine Förmelei dargestellt, von der Klägerin die Einreichung eines weiteren, den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO genau entsprechenden Schriftsatz, zu verlangen.

b)

Der Feststellungsklage fehlt auch nicht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse, da die von der Klägerin zunächst erhobene Leistungsklage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist.

Nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kann der Insolvenzverwalter nicht mehr zur Leistung verurteilt werden, da der Gläubiger einer Masseforderung gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO keine Vollstreckungsmöglichkeit besitzt. Eine anhängige Leistungsklage eines Massegläubigers ist nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit umzustellen in eine Feststellungsklage (MünchKomm / Hefermehl, InsO, Band 2, § 208 Rn. 65).

Den Einwand der Masseunzulänglichkeit hat der Beklagte ausreichend geltend gemacht. Nachdem die Klägerin die von dem Beklagten behauptete Anzeige an das Insolvenzgericht bestritten hat, hat der Beklagte mit der Vorlage der Schreiben des Insolvenzgerichts vom 05.12.2005 an den Beklagten und an die Massegläubiger die Anzeigenerstattung nachgewiesen, womit er seiner prozessualen Darlegungslast genügt hat. Einer Belegung der Masseunzulänglichkeit selbst durch entsprechenden Tatsachenvortrag bedarf es nicht (Münch Komm / Hefermehl, a.a.O., Rn. 67).

2.

Der Feststellungsantrag ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

a)

Zum Zeitpunkt der irrtümlichen Überweisung der 8.538,75 € auf das Insolvenzanderkonto des Beklagten ist ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB entstanden.

Die Überweisung hat eine Leistung der Klägerin an den Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter dargestellt. Denn die Gutschrift aus der Überweisung ist nicht in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, sondern in das des Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter gelangt, der allein über das Insolvenzanderkonto hat verfügen können.

Das Amtsgericht hatte dem Beklagten zwar mit seinem Beschluss vom 14.01.2004 nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin übertragen. Vielmehr hatte es gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 2.Alt. InsO das Zustimmungserfordernis des Beklagten angeordnet. Zugleich hatte das Amtsgericht ihn jedoch gemäß § 22 Abs. 2 InsO ermächtigt, Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und eingehende Gelder entgegen zu nehmen, und den Drittschuldnern gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 InsO verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Demgemäß hat der Beklagte das Insolvenzanderkonto eingerichtet und die an die Klägerin adressierte Rechnung mit einem entsprechenden Hinweis versehen. Hinsichtlich des auf diesem Konto vorhandenen Guthabens ist er als Kontoinhaber aber allein verfügungsbefugt gewesen. Diese Verfügungsbefugnis über das auf dem Insolvenzanderkonto gebildete Vermögen ist deutlich von der über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin zu unterscheiden.

Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob der Beklagte Treuhänder hinsichtlich des Vermögens der Schuldnerin im eigentlichen Sinn gewesen ist oder nicht. Selbstverständlich hat er - wie jeder Treuhänder - nicht beliebig mit den auf dem Insolvenzanderkonto eingehenden H verfahren können, sondern ist an die ihm obliegenden Pflichten aus der Insolvenzordnung insbesondere gegenüber der Schuldnerin gebunden gewesen. Entscheidend ist, dass nur der Beklagte und nicht etwa die Schuldnerin Inhaber des eingerichteten Insolvenzanderkontos gewesen ist, weswegen nur der Beklagte Leistungsempfänger und Bereicherungsschuldner geworden ist.

Dem widerspricht auch nicht das von dem Beklagten angeführte Urteil des BGH vom 19.05.1988 - III ZR 38/87 -, ZIP 1988, 1136, welches allein das Verhältnis zwischen einer Sparkasse und einem Kontoinhaber betrifft. In dem zu entscheidenden Fall ist es um die Frage gegangen, ob für das von einem Betriebswirt und berufsmäßigen Konkursverwalter eingerichtete Anderkonto die Sonderbedingungen für Anderkonten gelten oder das Konto als Sonder- oder Fremdkonto zu behandeln ist, was nichts damit zu tun hat, ob der Kontoinhaber Empfänger von auf dem Konto eingehenden Zahlungen ist.

Da die Bereicherung nicht bei dem Vermögen des Beklagten persönlich, sondern bei dem von dem Beklagten gebildeten Vermögen auf dem Insolvenzanderkonto eingetreten ist, hält der Senat den Bereicherungsanspruch nicht gegenüber dem Beklagten persönlich, sondern nur gegenüber dem Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter für entstanden.

Im Unterschied zu dem Vollrechtstreuhänder, der eine ihm persönlich übertragene Vermögensmasse zu treuen Händen verwaltet und über sie verfügt, hat der Beklagte mit der Einziehung von H auf dem Insolvenzanderkonto nicht nur ein von dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin, sondern auch ein von seinem persönlichen Vermögen klar abgegrenztes Sondervermögen gebildet. Dies hat allein dazu gedient hat, Insolvenzmasse zu schaffen und das Kontenguthaben bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung quasi wie Insolvenzmasse zu behandeln. Bei dieser Sachlage wäre es nicht gerechtfertigt, das persönliche Vermögen des Beklagten als Haftungsmasse für die Bereicherungsschuld anzusehen. Vielmehr hält der Senat es für geboten, nur das Sondervermögen, das zu Unrecht bereichert worden ist, mit der Bereicherungsschuld zu belasten.

b)

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist aus der Bereicherungsschuld aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO geworden.

Allerdings ist nicht etwa das auf dem Insolvenzanderkoto befindliche Guthaben automatisch Insolvenzmasse geworden, denn die Forderung gegen die kontoführende Bank hat nach wie vor allein der Beklagte als Insolvenzverwalter inne gehabt. Indem der Beklagte aber nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C GmbH das Insolvenzanderkonto zur Hinterlegungsstelle gemäß § 149 InsO gemacht hat, hat er das Kontoguthaben in die Insolvenzmasse überführt. Mit dieser Übertragung des von dem Beklagten gebildeten Sondervermögens auf die Insolvenzmasse ist auch die Verbindlichkeit aus der Bereicherungsschuld auf die Insolvenzmasse übergegangen.

Dies ist die konsequente Fortführung des Ansatzes, dass der Beklagte ein Sondervermögen gebildet hat. Der Grund dafür, den Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufigen Insolvenzverwalter als Bereicherungsschuldner anzusehen, besteht ja gerade darin zu berücksichtigen, dass das Insolvenzanderkonto allein den Zweck gehabt hat, Insolvenzmasse zu schaffen und das Kontoguthaben bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung quasi wie Insolvenzmasse zu behandeln. Dann muss aber auch der Rechtsgedanke des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreifen, wonach ungerechtfertigte Bereicherungen der Masse Masseverbindlichkeiten sind. Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist es, dass der rechtsgrundlose Erwerb von Insolvenzmasse den Insolvenzgläubigern nicht haften und der Bereicherungsgläubiger ihn der Masse entziehen können soll. Nichts anderes kann aber für den Fall gelten, dass ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gebildetes Sondervermögen, das einerseits nicht dem Schuldnervermögen zuzuordnen und deshalb der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners entzogen ist, andererseits wegen fehlender förmlicher Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann und nach der Verfahrenseröffnung aber zur Insolvenzmasse überführt wird, rechtsgrundlos bereichert ist.

Dem steht auch nicht § 55 Abs. 2 InsO entgegen, wonach nur bestimmte vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, unter die Verbindlichkeiten aus ungerechtfertigter Bereicherung gerade nicht fallen, nach der Eröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten. Es geht hier nicht um eine Verbindlichkeit aus ungerechtfertigter Bereicherung der Insolvenzschuldnerin. Denn es ist - wie oben ausgeführt - nicht das Vermögen der Schuldnerin, sondern das von dem Beklagten gebildete Sondervermögen rechtsgrundlos vermehrt worden, weswegen das Vermögen der Schuldnerin ohnehin nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung gehaftet hat. Erst nachdem der Beklagte das Sondervermögen in die Insolvenzmasse überführt hat, ist eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse eingetreten. Dann ist aber kein Grund dafür ersichtlich, dass der Bereicherungsgläubiger diese nicht der Masse entziehen können soll.

3.

Aus Vorstehendem folgt, dass eine Schadensersatzpflicht des Beklagten persönlich gegenüber der Klägerin als Massegläubigerin aus § 61 S. 1 InsO besteht.

Mit dem Eintritt der Masseunzulänglichkeit kann die bestehende Verbindlichkeit aus ungerechtfertigter Bereicherung aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden. Die Verbindlichkeit aus ungerechtfertigter Bereicherung ist durch eine Rechtshandlung des Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter begründet worden, indem er den ohne Rechtsgrund auf das Insolvenzanderkonto gelangten Betrag in die Insolvenzmasse überführt hat.

Der Beklagte hat sich hinsichtlich dieser Haftung nicht gemäß § 61 S. 2 InsO entlastet.

Nach § 61 S. 2 InsO entfällt die bei der Masseunzulänglichkeit regelmäßig eintretende persönliche Haftung des Verwalters, falls dieser beweist, dass er bei Begründung der Verbindlichkeit die voraussichtliche Unzulänglichkeit der Masse nicht erkennen konnte. Hiernach kann der Verwalter die Vermutung, dass der Forderungsausfall wahrscheinlicher als das Gegenteil war, ausräumen, indem er das Gegenteil beweist oder beweist, dass er die vermutete Unzulänglichkeit nicht kannte (Münch Komm / Brandes, InsO, Band 1, §§ 60, 61 Rn. 35). Hierzu mangelt es an jeglichem Vortrag des Beklagten und liegen sonstige Anhaltspunkte auch nicht vor.

Der Einwand des Beklagten, es mangele an einem Verschulden, da es sich um eine aufgezwungene oder oktroyierte Masseverbindlichkeit handele, auf deren Entstehen oder Höhe er keinen Einfluss gehabt habe, überzeugt nicht. Auch wenn der Beklagte den gezahlten Betrag nicht angefordert hat, hat es sich nicht um eine aufgezwungene Masseverbindlichkeit gehandelt. Denn diese ist, wie oben ausgeführt, erst durch eine eigene Rechtshandlung des Beklagten, nämlich der Überführung des Guthabens auf dem Insolvenzanderkonto in die Insolvenzmasse, entstanden. Dabei hätte der Beklagte es zu der Überführung auch des Geldes, welches die Klägerin irrtümlich zuviel überwiesen hatte, gar nicht erst kommen lassen müssen, nachdem die Klägerin bereits dessen Rückzahlung geltend gemacht hatte.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Sowohl die Rechtsfrage, ob eine Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter bestanden hat, als auch die Rechtsfrage, ob mit der Überführung des Guthabens auf dem Insolvenzanderkonto in die Insolvenzmasse eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse eingetreten ist, sind für die Entscheidung erheblich gewesen. Die Fortbildung des Rechts durch eine Revisionsentscheidung ist erforderlich, da der Fall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO bei einer ungerechtfertigten Bereicherung des von einem vorläufigen Insolvenzverwalter gebildeten Sondervermögens aufzuzeigen.

Ende der Entscheidung

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