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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.08.2008
Aktenzeichen: 19 U 85/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 166 Abs. 1
BGB § 323 Abs. 1
BGB § 433 Abs. 2
BGB § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
BGB § 437 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. März 2007 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen keine Änderungen ergeben (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine Vollmacht des Zeugen F für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages verneint.

Zudem sei davon auszugehen, dass sowohl der Kläger als auch der Zeuge F Kenntnis davon gehabt hätten, dass das Pferd einen Mangel aufwies. Für den Zeugen F folge dies bereits aus seiner eigenen Aussage, da die von ihm beobachteten Symptome und eine Einschätzung des Pferdes als "ungewöhnlich" von einem seriösen Veranstalter mitgeteilt worden wären. Es komme nicht darauf an, ob bei den Gesprächen des Zeugen mit dem Tierarzt ausdrücklich das Stichwort "Shivering-Syndrom" gefallen sei. Die Kenntnis des Zeugen sei auch durch die schnelle Bereitschaft zur Rückabwicklung des Vertrages belegt.

Das Landgericht habe zudem rechtsfehlerhaft nicht gesehen, dass dem Beklagten jedenfalls ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gegeben sei. Nach seinen eigenen Angaben habe der Zeuge N vergessen, dem Beklagten zu sagen, dass das Shivering-Syndrom festgestellt worden sei.

Auch der hilfsweise erklärte Rücktritt vom Vertrag sei wirksam. Ziffer 4 der Auktionsbedingungen, wonach jede Haftung für Schadensersatz oder Gewährleistung ausgeschlossen sei, sei wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, für den Zeugen F sei das Pferd fremd gewesen. Der Zeuge habe auch bei den ca. 30 anderen Pferden keine medizinischen Feststellungen treffen können; dazu sei schließlich ein Arzt beauftragt worden.

Eventuelle Ansprüche seien ausschließlich gegen den Zeugen N zu richten, da die Auktionsbedingungen ausdrücklich vorsähen, dass die Stellungnahme des Arztes eigenverantwortlich sei und deren Inhalt keine Vertragszusage des Veranstalters oder Verkäufers darstelle.

Es könne dahinstehen, ob das Pferd zum Zeitpunkt der Auktion tatsächlich unter einem sog. Shivering-Syndrom gelitten habe. Die Haftung sei nämlich gemäß Ziffer 4 der Auktionsbedingungen ausgeschlossen. Vorsatz und grob fahrlässiges Verhalten könnten nicht unterstellt werden. Sowohl der Zeuge F als auch der Kläger selbst seien absolut gutgläubig gewesen. Dies gelte umso mehr, als der Zeuge F den im Käuferinteresse eingeschalteten Tierarzt auf seine Beobachtungen hingewiesen habe, die selbst der Sachverständige für sehr geringgradige Symptome halte. Da der Tierarzt dann nicht von einer entsprechenden, angeblich von seiner Mitarbeiterin bereits diagnostizierten, Erkrankung gesprochen habe, habe auch der Zeuge F darauf vertrauen dürfen, dass seine Beobachtungen keinen ernsteren und vertraglich relevanten Hintergrund hatten.

Der Senat hat die Zeugen F und N erneut vernommen und ein Gutachten des Sachverständigen Dr. T eingeholt. Auf den Berichterstattervermerk zur Sitzung vom 13.11.2007 und auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 29.05.2008 wird insoweit Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 433 Abs. 2 BGB aus dem am 03.10.2006 im Rahmen der privatrechtlichen Versteigerung geschlossenen Kaufvertrag. Zwar ist der Vertrag aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung mangels entsprechender Vollmacht des Zeugen F nicht einvernehmlich aufgehoben worden. Der Vertrag ist jedoch unwirksam, weil er durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 24.10.2007 rechtswirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist (§§ 123 Abs. 1, 142 BGB).

Durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. T und die Zeugenaussagen ist erwiesen, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe am 03.10.2006 an einer Erkrankung, dem sog. Shivering-Syndrom gelitten hat.

Der Sachverständige hat diese Erkrankung bei seiner Untersuchung am 09.05.2008 festgestellt. Die Ausprägung ist gering, die Befunde sind aber erkennbar und unverwechselbar. Eine effektive Behandlung dieser Erkrankung gibt es nicht, die Prognose ist ungünstig, es ist mit einem langsamen Fortschreiten zu rechnen. Bei einem solchen Krankheitsbild kann zwar die Nutzung des Pferdes für bestimmte Aufgaben durchaus möglich sein (Freizeitsport, unterer Turniersport). Es gibt jedoch für ein junges Pferd, das am Anfang seiner Ausbildung steht, keinen Markt, wenn es eine solche Erkrankung aufweist.

Zweifel an diesen Feststellungen des Sachverständigen, gegen die die Parteien keine Einwendungen erhoben haben, hat der Senat nicht.

Es ist ferner erwiesen, dass die Krankheit bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes am 03.10.2006 vorhanden war. Allerdings hat der Sachverständige ausgeführt, dass er auf Grund der durchgeführten Untersuchungen nicht beurteilen könne, in welchem Lebensabschnitt die Krankheit bei dem 2003 geborenen Pferd aufgetreten sei. Es sei allerdings davon auszugehen, dass mit Auftreten der Erscheinungen, auch wenn diese in sehr geringer Ausprägung auftreten, das Krankheitsbild vorhanden ist. Zur Rückdatierung sieht der Sachverständige in dem Akteninhalt medizinische Hinweise im Rahmen der Untersuchungen vor und nach der Auktion und führt hierzu aus, deutlicher als in dem Schreiben der Tierärztlichen Klinik U vom 16.11.2006 über eine Untersuchung am 05.10.2006 könne das Auftreten nicht zum Ausdruck kommen.

Angesichts der Zeugenaussagen zu den Symptomen, des Berichts der Tierklinik U vom 16.11.2006 (Anlage 2 zum Gutachten) sowie der schnellen Bereitschaft zur Rückabwicklung des Vertrages durch den Zeugen F unmittelbar nach Konfrontation mit dem Mangel hat der Senat keinen Zweifel, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag. Der Zeuge F hat vor der Versteigerung bemerkt, dass sich das Pferd "extrem ungewöhnlich" (erstinstanzliche Aussage) verhielt bzw. "von der Norm abwich", und deshalb Veranlassung gesehen, den Tierarzt anzusprechen. Bei den von ihm geschilderten Auffälligkeiten handelt es sich um Symptome der von dem Sachverständigen festgestellten Erkrankung. Die Mitarbeiterin des Zeugen N die das Pferd daraufhin vor der Auktion untersucht hat, hat festgestellt, dass es ein Problem gibt und gemeint, dass es sich um das Shivering-Syndrom handelt. Ausweislich des Berichts der Tierklinik U vom 16.11.2006 zeigte das Pferd zwei Tage nach der Übergabe am 05.10.2006 "klare Symptome im Sinne von Streukrampf/Shivering". Nach Auffassung der Tierklinik U kann hinsichtlich dieser Erkrankung mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es sich um eine akute Problematik handelt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Symptomatik bereits zwei Tage zuvor am 03.10.2006 vorgelegen habe.

Hiernach ist jedenfalls festzustellen, dass die Symptome der Erkrankung zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T ist deshalb davon auszugehen, dass das Krankheitsbild zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war.

Mit dieser Erkrankung wies das Pferd einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf. Beide Parteien haben in der Sitzung des Landgerichts am 08.03.2007 bestätigt, dass das Pferd mit einer solchen Erkrankung nicht gut veräußerbar ist. Dies entspricht den Ausführungen des Sachverständigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist ferner davon auszugehen, dass der Zeuge F, dessen Kenntnis und Verhalten sich der Kläger im Rahmen des Vertragsschlusses nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss, den Beklagten jedenfalls durch Verschweigen dringender Verdachtsmomente auf die Erkrankung arglistig getäuscht hat. Bei einer solchen Erkrankung handelt es sich um Tatsachen, die für die Willensbildung eines Käufers offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Dies ergibt sich bereits aus den Auswirkungen auf die Veräußerbarkeit eines solchen Pferdes und damit auf den Verkehrswert. Den Verkäufer trifft deshalb eine Aufklärungspflicht und zwar nicht nur, wenn die Erkrankung zu seiner Gewissheit feststeht, sondern auch, wenn dringende Anhaltspunkte und Verdachtsmomente für deren Vorliegen gegeben sind.

Dass solche Anhaltspunkte vorlagen und dem Zeugen F bekannt waren, ist durch dessen Aussage und die Aussage des Zeugen N erwiesen. Im Kerngeschehen ergeben sich keine Zweifel an den Zeugenaussagen, die insoweit übereinstimmen.

Der Zeuge hätte den Beklagten darüber informieren müssen, dass er bemerkt hatte, dass das Pferd "sich extrem ungewöhnlich verhielt"und "von der Norm abwich" und er deshalb Veranlassung gesehen hatte, den Tierarzt anzusprechen. Er hätte ferner den Beklagten in Kenntnis setzen müssen, dass der Zeuge N ihm telefonisch mitgeteilt hatte, dass es bei dem Pferd nach den Feststellungen seiner Mitarbeiterin ein Problem gibt, und dass eine mit dem Zeugen N für den Auktionstag verabredete weitere Untersuchung aus Zeitgründen nicht stattgefunden hat. Es kann hierbei dahin gestellt bleiben, ob bei dem Telefonat zwischen dem Zeugen F und dem Zeugen N das Wort "Shivering-Syndrom" gefallen ist. Auch kommt es nicht darauf an, ob dem Zeugen F - wie er ausgesagt hat - diese Erkrankung mit dieser Bezeichnung nicht bekannt ist. Unabhängig davon hätte nämlich der Zeuge diese Vorgänge offen legen müssen, um dem Beklagten in dieser Situation Gelegenheit zu geben, die sich hieraus ergebenden Risiken in seine Kaufentscheidung einfließen zu lassen.

Der Zeuge F hat arglistig gehandelt, weil bei den hier gegebenen Umständen klar auf der Hand lag, dass die geschilderten Vorgänge für einen Käufer von wesentlicher Bedeutung sind.

Das Verschweigen dieser Tatsachen ist für die Willenserklärung des Beklagten ursächlich geworden. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte entweder nach tierärztlicher Abklärung oder ohne Weiteres von dem Kaufentschluss Abstand genommen oder jedenfalls das Pferd zu einem weitaus geringeren Preis erworben hätte, wenn er die geschilderten offenbarungspflichtigen Umstände gekannt hätte. Dass dem Beklagten die Erkrankung oder die konkreten Verdachtsmomente zum Zeitpunkt des Erwerbs bekannt waren, hat der Kläger weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt.

Nach dem festgestellten Sachverhalt wäre auch der hilfsweise erklärte Rücktritt vom Vertrag nach §§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB wirksam gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidunng über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revison war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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