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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.12.2006
Aktenzeichen: 19 W 21/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 397
ZPO § 411
ZPO § 492
Die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt durch sachliche Erledigung, nicht durch Beschluss des Gerichts.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2 wird der Beschluss der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold vom 25.04.2006 insoweit, als er das selbstständige Beweisverfahren für beendet erklärt, aufgehoben.

Die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert dieses Beschwerdeverfahrens wird auf 110.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Antragsschrift vom 19.03.2004 hat die Antragstellerin ein selbstständiges Beweisverfahren durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens eingeleitet zur Feststellung von Mängeln an einem Bauvorhaben.

Unter dem 10.05.2004 hat das Landgericht einen entsprechenden Beweisbeschluss erlassen, den es auf Antrag der Antragsgegnerin zu 2 am 16.12.2004 um einige Fragen ergänzt hat.

Der Sachverständige hat unter dem 14.03.2005 ein Gutachten erstattet.

Auf Antrag der Antragsgegnerin zu 2 hat das Landgericht am 4.06.2005 beschlossen, ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen einzuholen. Das hat der Sachverständige am 15.10.2005 erstattet.

Innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme stellte die Antragsgegnerin zu 2 den Antrag auf Einholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens, hilfsweise mündliche Befragung des Sachverständigen.

Das Landgericht hat unter dem 16.02.2006 einen Beweisbeschluss erlassen, nach dem der Sachverständige ein weiteres Ergänzungsgutachten erstatten sollte.

Nachdem der Sachverständige mit Schreiben vom 16.03.2006 mitteilte, dass er aus Altersgründen seine öffentliche Bestellung zum Sachverständigen zurückgegeben habe, aber bereit zu einer weiteren Ergänzung sei, bat die Antragsgegnerin zu 2 mit Schriftsatz vom 22.03.2006 darum, einen anderen Sachverständigen mit der weiteren Ergänzung zu beauftragen und lehnte den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Daraufhin schrieb der Sachverständige unter dem 30.03.2006, dass er sich entschlossen habe, ein zweites Ergänzungsgutachten nicht mehr auszuarbeiten. Im Übrigen sehe er einige der gestellten Fragen bereits als beantwortet an. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Kardinalplanungsfehler in der Zuordnung von Speichervolumen und Kollektorfläche liege.

Die Antragsgegnerin zu 2 beantragte daraufhin, insgesamt einen anderen Sachverständigen mit einer völlig neuen Begutachtung zu beauftragen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25.04.2006 das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt und festgestellt, dass das selbstständige Beweisverfahren beendet sei. Der Sachverständige habe in seiner Stellungnahme vom 30.03.2006 die Fragen aus dem Beschluss der Kammer vom 16.02.2006 in einer für dieses Verfahren ausreichenden Weise beantwortet.

Der Beschluss wurde nicht förmlich zugestellt.

Die Antragsgegnerin zu 2 hat mit am 11.05.2006 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Das selbstständige Beweisverfahren sei nicht beendet. Sie müsse sich nicht auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen. Das Gericht habe den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden, wenn eine Partei die Befragung des Sachverständigen beantrage, auch wenn das Gericht eine Erläuterung nicht für notwendig halte. Das Schreiben des Sachverständigen vom 30.03.2006 sei als Erfüllung des Beweisbeschlusses vom 16.02.2006 keinesfalls ausreichend.

Soweit die Beschwerde sich gegen die vom Landgericht für unbegründet erachtete Ablehnung des Sachverständigen richtete, hat der 32. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Beschwerde mit Beschluss vom 29.09.2006 zurückgewiesen.

II.

Die Beschwerde hat in Bezug auf die vom Landgericht getroffene Feststellung der Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens Erfolg.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Die Antragsgegnerin zu 2 macht auch eine Beschwer durch die angegriffene Feststellung geltend.

Die Antragsgegnerin zu 2 hat in ihrem Schriftsatz vom 17.11.2005 eine Reihe von Ergänzungsfragen an den Sachverständigen gestellt. Dadurch, dass das Landgericht das Verfahren für beendet erklärt hat, ohne dass ein weiteres Ergänzungsgutachten eingeholt wurde und ohne dass der Sachverständige mündlich angehört wurde, kann die Antragsgegnerin zu 2 in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör im laufenden Beweisverfahren verletzt sein.

Die Beschwerde ist auch gemäß § 569 ZPO form- und fristgemäß eingelegt worden.

Da eine nach § 339 Abs. 3 ZPO gebotene Zustellung des angefochtenen Beschlusses nicht festzustellen ist, beginnt gemäß § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO die Notfrist mit dem Ablauf von fünf Monaten nach dessen Bekanntgabe (s.d. Zöller/Gummer § 569 Rn 4).

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das selbstständige Beweisverfahren ist noch nicht erledigt. Die Feststellung des Landgerichts, das Beweisverfahren sei beendet, verletzt deshalb die Antragsgegnerin zu 2 in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Außerdem führt sie dazu, dass das gesamte durchgeführte selbstständige Beweisverfahren im Hauptprozess wegen des Verfahrensfehlers unverwertbar sein würde.

Die Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens erfolgt durch sachliche Erledigung, nicht durch Beschluss des Gerichts. Sachliche Erledigung tritt entweder durch den Abschluss eines Vergleichs oder Bekanntgabe des Beweisergebnisses ein. Bei Einholung eines schriftlichen Gutachtens geschieht dies durch Übersendung eines Abdrucks an die Beteiligten (BGH NJW 2002, 1640), sofern nicht von den Parteien die Ergänzung des Gutachtens oder die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung (§§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3 ZPO) verlangt wird (Musielak § 492 Rn 3). Dabei muss einem rechtzeitig gestellten Antrag einer Partei auf Ergänzung des Gutachtens oder Ladung des Sachverständigen zwecks Befragung stattgegeben werden, auch wenn das Gericht die bisherige Begutachtung für ausreichend und überzeugend hält (BGH NJW-RR 2002, 1417; NJW-RR 2001, 1431; NJW 1998. 162; NZBau 2000, 249). Wird der Antrag auf Ladung übergangen, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (BVerfG NJW 1998, 2273).

Hier hat das Landgericht selbst unter dem 16.02.2006 beschlossen, ein weiteres Ergänzungsgutachten einzuholen. Das ist vom Sachverständigen eindeutig nicht erstattet worden. In seinem Schreiben vom 30.03.2006 teilt er vielmehr mit, dass er ein zweites Ergänzungsgutachten nicht mehr erstellen will. Eine Reihe von Fragen der Antragsgegnerin zu 2 bleiben schon formal unbeantwortet. Darauf hat sie auch hingewiesen und deutlich gemacht, dass sie ihren Ergänzungs- und Erläuterungsbedarf noch nicht als erfüllt ansieht.

Das selbstständige Beweisverfahren war deshalb keineswegs sachlich beendet. Auch wenn der Sachverständige sich in seinem Schreiben vom 30.03.2006 nicht mehr Willens gezeigt hat, weiter tätig zu sein, stehen der Kammer verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung - u.a. die im Beschluss des hiesigen 32. Senats in Bezug auf den bisher tätigen Sachverständigen aufgeführten - das Verfahren ordnungsgemäß fortzusetzen. Letztlich kann die Kammer wegen §§ 492 Abs. 1, 397 ZPO gehalten sein, gemäß §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3 ZPO einen Termin zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu bestimmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert des selbstständigen Beweisverfahrens, dessen Beendigung hier angegriffen wird. Dessen Wert wiederum richtet sich nach dem Wert des Hauptsacheverfahrens. Bei der möglichen Auseinandersetzung wegen Mängeln richtet sich dessen Wert nach dem zu erwartenden Mängelbeseitigungsaufwand. Dieser liegt nach dem Gutachten vom 14.03.2005 - unter Berücksichtigung von Sowieso-Kosten - bei etwa 110.000 €.

Ende der Entscheidung

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