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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: 19 W 24/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 67 | |
ZPO § 74 | |
ZPO § 494a |
Tenor:
Auf die Beschwerde des Streithelfers wird der Beschluss der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold vom 8. Mai 2007 abgeändert.
Den Antragstellern wird gemäß § 494a Abs. 1 ZPO eine Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache von 6 Wochen gesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
1.
Die Antragsteller haben am 12.03.2003 einen Antrag im selbstständigen Beweisverfahren auf Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über den baulichen Zustand von Gebäuden gestellt. Die Antragsgegnerin hatte ihnen jeweils ein Grundstück verkauft und sich verpflichtet, Häuser zu errichten.
Am 1.03.2004 verkündete die Antragsgegnerin mehreren natürlichen wie juristischen Personen den Streit, u.a. auch dem Beschwerdeführer. Dieser trat dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin bei.
Gutachten und Ergänzungsgutachten des Sachverständigen wurden erstattet. Keine der Parteien des Verfahrens hat ergänzende Fragen an den Sachverständigen vorgetragen.
Die Antragsgegnerin ist im Laufe des selbstständigen Beweisverfahrens insolvent geworden. Ein Insolvenzverfahren wurde mangels Masse nicht eröffnet.
Unter dem 23.04.2007 hat der Streithelfer beantragt, den Antragstellern eine Frist zur Klageerhebung gemäß § 494a Abs.1 ZPO zu setzen.
Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2007 zurückgewiesen. Der Streithelfer könne einen Antrag nach § 494a ZPO nicht stellen. Er solle der von ihm unterstützten Partei nicht einen gegebenenfalls von dieser nicht gewollten Prozess aufzwingen können. Außerdem dürfe er die Antragsteller nicht in einen wegen der Vermögenslosigkeit der Antragsgegnerin von vornherein sinnlosen Hauptsacheprozess zwingen.
Gegen diesen am 16.05.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 30.05.2007 eingegangene sofortige Beschwerde des Streithelfers.
2.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Den Antragstellern ist gemäß § 494a Abs. 1 ZPO eine Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache zu setzen.
2.1.
Der beschwerdeführende Streithelfer ist zur Antragstellung befugt.
Die Befugnisse eines Streithelfers ergeben sich aus §§ 74, 67 ZPO. Danach ist er berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Solange sich ein entgegenstehender Wille der Hauptpartei nicht feststellen lässt, darf der Streithelfer Prozesshandlungen vornehmen (BGH NJW 2006, 773). Aus einem bloßen Unterlassen der Hauptpartei kann auf einen entgegenstehenden Willen aber nicht geschlossen werden (s.d. Zöller/Vollkommer § 67 Rn 9).
Soweit das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss die gegenteilige Ansicht vertritt, ist darauf hinzuweisen, dass sich der diesbezüglich in Bezug genommene Beschluss des OLG Karlsruhe (BauR 1998, 1278) gar nicht mit der Frage der Antragsbefugnis des Streithelfers nach § 494a Abs.1 ZPO befasst. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesanwendung, dass ein Antrag des Streithelfers des Antragsgegners nach § 494a ZPO auf Anordnung der Klageerhebung - nur - dann unbeachtlich ist, wenn der Antragsgegner mit der Fristsetzung zur Klageerhebung nicht einverstanden ist (OLG Karlsruhe BauR 1999, 1210; Werner/Pastor 11. Aufl. Rn 128; Zöller/Herget ZPO § 494a Rn 2; Musielak/Huber ZPO § 494a Rn 2a; a.A. wohl Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts 2. Aufl. 13. Teil, Rn 92 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe BauR 1998, 1278).
Im vorliegenden Fall ist ein entgegenstehender Wille der Antragsgegnerin nicht festzustellen. Sie hat sich weder auf den Antrag des Streithelfers, noch im Beschwerdeverfahren geäußert.
2.2. Der Antrag nach § 494a Abs.1 ZPO ist auch nicht unzulässig, weil die Antragsgegnerin inzwischen insolvent ist.
2.2.1.
Nicht entschieden zu werden braucht der Fall, dass eine Hauptsacheklage bereits gemäß §§ 87, 174 InsO unzulässig wäre, weil über das Vermögen der künftigen Beklagten ein Insolvenzverfahren läuft. Im vorliegenden Fall ist mangels Masse die Einleitung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der hiesigen Antragsgegnerin abgelehnt worden.
2.2.2.
Auch die Tatsache, dass eine Hauptsacheklage wegen der Vermögenslage der Antragsgegnerin wirtschaftlich sinnlos wäre, macht den Antrag nach § 494a Abs.1 ZPO nicht unzulässig.
Für den Fall, dass das Beweisergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens eindeutig und der Erfolg der Hauptsacheklage offensichtlich ist, wird bei Vermögenslosigkeit des Antragsgegners in der Rechtsprechung vertreten, dass trotz unterlassener Hauptsacheklage keine Kostenentscheidung nach § 494a ZPO zugunsten des Antragsgegners zu erlassen sei (OLG Rostock BauR 1997, 169; OLG Karlsruhe BauR 2003, 1931; KG BauR 2004, 1037). In einem solchen Fall würde § 494a ZPO einem Antragsgegner einen Kostentitel verschaffen, den er im Falle einer Klage nicht erreichen könnte und es entspreche nicht dem Sinn und Zweck des § 494a ZPO, den Antragsteller in einen wirtschaftlich sinnlosen Prozess zu zwingen (OLG Rostock a.a.O.).
Der Senat schließt sich dieser Meinung nicht an.
Zwar kann dem den Antrag nach § 494a Abs.1 ZPO Stellenden - idR. dem Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens - das Rechtsschutzinteresse für seinen Antrag fehlen. So kann der Antrag nach § 494a ZPO unzulässig sein, wenn die Parteien sich geeinigt haben oder der Hauptsacheanspruch anerkannt oder erfüllt wurde (Musielak/Huber ZPO § 494a Rn 2c), sich also das Hauptsacheverfahren "erledigt" hat (Zöller/Herget ZPO § 494a Rn 5).
Dass der Prozessgegner vermögenslos ist oder wird, stellt aber keine dem gleichzustellende "Erledigung" dar. Zu beachten ist, dass das selbstständige Beweisverfahren nicht völlig losgelöst von einem Hauptprozess betrachtet werden darf. Erst die erkennbare Absicht des Antragstellers, durch die Beweiserhebung einen Prozess vorzubereiten oder zu verhindern, begründet das rechtliche Interesse am selbstständigen Beweisverfahren (Zöller/Herget ZPO § 393a Rn 2). Deshalb ist die Entscheidung, ein selbstständiges Beweisverfahren gegen einen bestimmten Antragsgegner einzuleiten, nicht anders zu sehen, als diejenige, sofort einen Prozess gegen ihn zu führen. In beiden Fällen muss das Risiko des Vermögensverfalls des Gegners getragen werden, unabhängig davon, ob der Erfolg der Hauptsacheklage offensichtlich ist oder nicht. Beim selbstständigen Beweisverfahren enthält § 494a ZPO eine eindeutige Bestimmung zur Kostentragung, und damit ein Risiko für den Antragsteller, das sich beim Vermögensverfall des Antragsgegners realisiert (LG Göttingen BauR 1998, 590). Erst Recht gilt das, wenn der Antragsgegner bereits bei Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens vermögenslos war. Dann geht der Antragsteller sogar bewusst das Risiko der unsicheren Realisierung von Hauptsacheansprüchen ein (OLG Dresden BauR 2000, 137).
Außerdem ist das Verfahren auf Antrag nach § 494a ZPO nicht dazu da, die wirtschaftlichen Beweggründe des Antragstellers dahin zu prüfen, warum er von einer Hauptsacheklage absehen will. Diese Gründe können vielschichtig sein. Das Gesetz sieht auch nicht vor, dass in diesem Verfahren die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu prüfen seien. Selbst wenn das Beweisergebnis zu den Tatsachen eindeutig zu sein scheint, hängen die weitaus meisten Ansprüche von weiteren zu erfüllenden Voraussetzungen ab, die erst im Hauptsacheprozess vorzutragen wären. Deshalb ist nach Meinung des Senats zur Vorbereitung eines Kostenantrags nach § 494a Abs.2 ZPO dem Antragsteller auch dann nach § 494a Abs.1 ZPO eine Klagefrist zu setzen, wenn der Antragsgegner in Vermögensverfall ist und die Klage offensichtlich begründet zu sein scheint (s.d. Zöller/Herget ZPO § 494a Rn 5; Musielak/ Huber ZPO § 494a Rn 4a).
3. Eine Kostenentscheidung unterbleibt, da für den Beschluss nach § 494a ZPO ebenfalls keine Kosten anfallen (s.d. Musielak/Ball ZPO § 572 Rn 24).
4.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs.1 Nr.2, Abs.3 ZPO zugelassen, da er in der Frage, ob ein Antrag gemäß § 494a ZPO unzulässig ist, weil eine Hauptsacheklage wegen der Vermögenslage der in der Hauptsache beklagten Partei wirtschaftlich sinnlos wäre, von der Rechtssprechung mehrerer anderer Oberlandesgerichte abweicht.
Ende der Entscheidung
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