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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.03.2002
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6 - 197/2001
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 99 |
2 (s) Sbd. 6 - 197/2001 2 (s) Sbd. 6 - 198/2001 2 (s) Sbd. 6 - 199/2001 2 (s) Sbd. 6 - 200/2001 2 (s) Sbd. 6 - 201/2001
Beschluss Strafsache gegen T.R. u.a. wegen Mordes u.a. (hier: Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die bestellten Verteidiger).
Auf die Anträge
1. des Rechtsanwalts N. aus E. vom 26. Juni 2001 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten T.R.,
2. des Rechtsanwalts H. aus E. vom 14. Mai 2001 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten T.R.,
3. des Rechtsanwalts B. aus M. vom 14. November 1999 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten F.R.,
4. des Rechtsanwalts W. aus E. vom 7. Dezember 2000 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten A.Z.,
5. des Rechtsanwalts K. aus E. vom 19. Februar 2001 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten A.Z.,
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 4. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Tenor:
Dem Antragsteller zu 1) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 19.605 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 23.000 EURO (in Worten: dreiundzwanzigtausend EURO) bewilligt.
Dem Antragsteller zu 2) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 19.625 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 21.500 EURO (in Worten: einundzwanzigtausendfünfhundert EURO) bewilligt.
Dem Antragsteller zu 3) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 20.030 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 22.000 EURO (in Worten: zweiundzwanzigtausend EURO) bewilligt.
Dem Antragsteller zu 4) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 20.665 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 23.000 EURO (in Worten: dreiundzwanzigtausend EURO) bewilligt.
Dem Antragsteller zu 5) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 20.030 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 21.500 EURO (in Worten: einundzwanzigtausendfünfhundert EURO) bewilligt.
Die weitergehenden Anträge der Antragsteller zu 1), 2) und 4) werden abgelehnt.
Gründe:
I.
Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um das so genannte "Nivel-Verfahren", das den Überfall auf den französischen Gendarmen Nivel in Lens anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich im Jahr 1998 durch deutsche "Fußball-Fans" zum Gegenstand hatte. Die Antragsteller waren den ehemaligen Angeklagten, denen wegen ihrer Beteiligung an dem Überfall auf Nivel die Beteiligung an einem Mord vorgeworfen wurde, als Pflichtverteidiger beigeordnet. Die Antragsteller beantragen für ihre jeweiligen Mandanten erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die sie im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründen:
Die Hauptverhandlung gegen die ehemaligen Angeklagten hat an insgesamt 31 Tagen im Zeitraum vom 10. Februar 1999 bis zum 9. November 1999 stattgefunden. Die Antragsteller zu 1) 2) und 5) haben an 30 Tagen der insgesamt 31-tägigen Hauptverhandlung, die Antragsteller zu 3) und 4) haben an allen 31 Hauptverhandlungstagen teilgenommen.
Die Antragsteller zu 1), 2), 4) und 5) haben ihren Kanzleisitz am Gerichtsort in Essen, der Antragsteller zu 3) hat seinen Kanzleisitz in Marl. Die durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer hat beim Antragsteller zu 1) 3 Stunden 22 Minuten, beim Antragsteller zu 2) 3 Stunden und 5 Minuten, beim Antragsteller zu 3) 3 Stunden und 13 Minuten, beim Antragsteller zu 4) 3 Stunden 15 Minuten und beim Antragsteller zu 5) 3 Stunden betragen. Die Hauptverhandlungen haben sämtlich jeweils am Vormittag stattgefunden.
Der Antragsteller zu 1) hat zudem seinen Mandanten insgesamt 11 mal in der Justizvollzugsanstalt Duisburg besucht. Er hat außerdem zusammen mit dem Antragsteller zu 4) eine ganztägige Ortsbesichtigung in Lens durchgeführt, um sich mit den Örtlichkeiten des Tatorts und der Umgebung vertraut zu machen. Der Antragsteller zu 3) hat für seinen Mandanten an einem Haftprüfungstermin teilgenommen und ihn außerdem 4 mal in der Justizvollzugsanstalt Hannover und 3 mal in der Justizvollzugsanstalt Essen besucht. Der Antragsteller zu 5) hat für seinen Mandanten an dem Termin zur Verkündung des Haftbefehls teilgenommen und ihn außerdem zweimal in der Justizvollzugsanstalt Essen besucht. Die Antragsteller zu 1), 3), 4) und 5) sind auch - in unterschiedlichem Umfang - für ihre Mandanten in der Revision tätig geworden.
Wegen des weiteren Umfangs der jeweiligen Inanspruchnahme und der jeweils von den Antragstellern für die ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die den Antragstellern bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 16. November 2000 Bezug genommen.
Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers zu 1) betragen 19.605 DM. Dem Antragsteller zu 2) stehen gesetzliche Gebühren in Höhe von 19.625 DM zu, dem Antragsteller zu 3) stehen 20.030 DM, dem Antragsteller zu 4) 20.665 und dem Antragsteller zu 5) 20.030 DM zu. Die Antragsteller zu 1), 2) und 4) haben jeweils eine Pauschvergütung etwa in Höhe des 1 1/2-fachen der Wahlverteidigerhöchstgebühr beantragt. Der Antragsteller zu 3) hat eine Pauschvergütung in Höhe von 38.000 DM beantragt, der Antragsteller zu 5) hat seinen Pauschvergütungsanspruch nicht beziffert.
Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat das Verfahren als "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Er ist zudem der Ansicht, dass das Verfahren für alle Antragsteller als "besonders umfangreich" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO anzusehen ist.
II.
Allen Antragstellern waren Pauschvergütungen zu bewilligen
1. Das Verfahren war "besonders schwierig". "Besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend der Fall. Insoweit tritt der Senat mit dem Vertreter der Staatskasse der sachnahen Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer bei. Dieser hat seine Einschätzung zwar nicht näher begründet; ein Grund, der Einschätzung nicht zu folgen, ist jedoch nicht ersichtlich (vgl. insoweit Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Insoweit übersieht der Senat nicht, dass es sich um ein Schwurgerichtsverfahren, in dem der Gesetzgeber dem besonderen, im Vergleich zu anderen Verfahren vor der Strafkammer in der Regel höheren, Schwierigkeitsgrad dadurch Rechnung getragen hat, dass der Verteidiger schon höhere (gesetzliche) Gebühren erhält (vgl. dazu u.a. Senat in StraFo 2000, 286 = ZAP EN-Nr. 557/2000 = AnwBl. 2001, 246).
Aber auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist das Verfahren sowohl vom Vorsitzenden als auch vom Vertreter der Staatskasse zutreffend als "besonders schwierig" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO eingestuft worden. Dazu ist zunächst darauf zu verweisen, dass das Tatgeschehen rechtlich und tatsächlich verwickelt und schwierig aufzuklären war. Das zeigt schon die umfangreiche Beweiswürdigung im landgerichtlichen Urteil. Hinzu kommt vorliegend, dass sich die Verteidiger, ebenso wie die übrigen Verfahrensbeteiligten, mit umfangreichen französischen Vernehmungsprotokollen beschäftigen mussten, was nach Überzeugung des Senats nicht unerhebliche Auswirkungen auf die für das Verfahren aufgewandte Zeit gehabt hat. Ausnahmsweise ist vom Senat bei der Beurteilung der "besonderen Schwierigkeit" schließlich auch die Bedeutung des Verfahrens und das Aufsehen, das dieses nicht nur in der deutschen, sondern auch in der Weltöffentlichkeit verursacht hat, berücksichtigt worden. Die allgemeine Aufmerksamkeit der Medien war von Anfang an auf das Verfahren, insbesondere aber auf die Angeklagten und damit auch auf deren Verteidiger gerichtet. Der Senat hat zwar in diesem Zusammenhang schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die besondere Bedeutung der Angelegenheit für den Angeklagten oder das in der Öffentlichkeit hervorgerufene große Interesse an dem Verfahren in der Regel bei der Bewilligung einer Pauschvergütung keine Berücksichtigung findet. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur, wenn sich daraus für den zeitlichen Arbeitsaufwand direkte Konsequenzen ergeben (vgl. zuletzt Senat im Beschluss vom 18. Januar 2002 - 2 (s) Sbd. 6 - 189 u. 214/01). Davon ist hier aber auszugehen. Gerade die allgemeine Aufmerksamkeit hat es für die Verteidiger erforderlich gemacht, ihr Vorgehen noch sorgfältiger und damit zeitaufwändiger als in anderen Verfahren zu planen und abzustimmen.
2. Das Verfahren war auch für alle fünf Antragsteller "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO.
Bei den insoweit zu berücksichtigenden Tätigkeiten hat der Senat die Teilnahme der Antragsteller an den jeweiligen Hauptverhandlungsterminen berücksichtigt. Diese sind allerdings mit einer durchschnittlichen Dauer von nur jeweils zwischen drei Stunden und drei Stunden 22 Minuten für ein Schwurgerichtsverfahren nur unterdurchschnittlich lang gewesen. Entscheidend für die Annahme eines "besonders umfangreichen" Verfahrens war bei allen Antragstellern jedoch die in diesem Verfahren erhebliche Vor- und Nachbereitungszeit, die sie, worauf alle in ihren Pauschvergütungsanträgen hingewiesen haben, für die jeweiligen Hauptverhandlungstage haben aufwenden müssen. Es waren nicht nur Besprechungen mit den Mandanten, sondern auch Besprechungen der Verteidiger untereinander erforderlich, um das weitere Vorgehen im Verfahren abzustimmen und die weiteren Beweiserhebungen vorzubereiten. Den dadurch entstandenen Zeitaufwand hat der Senat als so erheblich angesehen, dass die nur unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine kompensiert worden ist. Zusätzlich ist nach Auffassung des Senats bei allen Antragstellern ein erheblicher Zeitaufwand für die Vorbereitung des Plädoyers entstanden.
3. Bei der Bemessung der nach allem damit den Antragstellern sowohl wegen der "besonderen Schwierigkeit" als auch wegen des "besonderen Umfangs" zu gewährenden Pauschvergütungen hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.
Besonderes Gewicht hatten dabei neben der einerseits nur unterdurchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlungstermine und deren nur lockere Terminierung der Umstand die Vor- und Nachbereitungszeiten. Diese hat der Senat bei allen Antragstellern mit jeweils einem Tag pro Hauptverhandlungstag bewertet. Darüber hinaus sind neben der Vorbereitungszeit für das Plädoyer die oben dargelegten Tätigkeiten, die die Antragsteller für ihre Mandanten erbracht haben, berücksichtigt worden. Besonderes Gewicht hatten dabei bei den Antragstellern zu 1) und 4) deren Besuch in Lens. Von Belang bei der Bemessung der Pauschvergütungen waren auch die ggf. von den Antragstellern getätigten Besuche in der Justizvollzugsanstalt. Allerdings hat der Senat diese in geringerem Umfang berücksichtigt als sonst, da zu den Hauptverhandlungsterminen schon jeweils ein Tag für Vor- und Nachbereitung in Ansatz gebracht worden ist. Bei allen Antragstellern ist schließlich - neben dem Umstand, dass es sich um ein "besonders schwieriges" Verfahren gehandelt hat, - auch noch die lange Zeitdauer berücksichtigt worden, die seit der jeweiligen Antragstellung bis zur nunmehrigen Bewilligung der Pauschvergütungen durch den Senat verstrichen ist (vgl. dazu Senat in AGS 2001, 154).
Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen hat der Senat bei dem Antragsteller zu 1) eine Pauschvergütung von 23.000 EURO, bei dem Antragsteller zu 2) eine solche von 21.500 EURO, bei dem Antragsteller zu 3) eine solche von 22.000 EURO, bei dem Antragsteller zu 4) eine solche von 23.000 EURO und bei dem Antragsteller zu 5) eine solche von 21.500 EURO als angemessen und erforderlich angesehen. Die unterschiedlich bemessenen Pauschvergütungen der Antragsteller beruhen einerseits auf der unterschiedlichen Anzahl von Hauptverhandlungstagen, an denen die Antragsteller für ihre Mandanten teilgenommen haben, sowie darauf, dass diese auch sonst in unterschiedlichem Umfang für ihre Mandanten tätig geworden sind.
Der Senat hat damit Pauschvergütungen bewilligt, die die Wahlverteidigerhöchstgebühren um rund 10 % übersteigen. Das war vorliegend nach der ständigen Rechtsprechung des Senats aber auch gerechtfertigt, da die Antragsteller über einen längeren Zeitraum fast ausschließlich durch das Verfahren in Anspruch genommen worden sind (vgl. dazu die Zusammenstellung der Rechtsprechung des Senats bei Burhoff StraFo 2001, 119 ff. und in ZAP F. 24, S. 624 ff.). Noch höhere als die bewilligten Pauschvergütungen kamen nach allem hingegen nicht in Betracht. Demgemäss sind die weitergehenden Anträge der Antragsteller zu 1), 2) und 4) zurückgewiesen worden.
Ende der Entscheidung
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