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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.04.2000
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6 - 46/2000
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
BRAGO § 99 Abs. 1
Ein weiterer Vorschuss auf eine demnächst zu gewährende Pauschvergütung ist einem Pflichtverteidiger jedenfalls dann zu bewilligen, wenn er nach Gewährung eines Vorschusses an weiteren 52 Hauptverhandlungstragen teilgenommen hat und das Verfahren zwischenzeitlich erstinstanzlich beendet ist, der Abschluss des Revisionsverfahrens beim BGH aber nicht absehbar ist.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

2 (s) Sbd. 6 - 46/2000 OLG Hamm 21 (4/96) LG Essen 5650 a E - 5a. 6724 Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des OLG Hamm

Strafsache

gegen

(hier: Antrag des bestellten Verteidigers auf Gewährung einer Pauschvergütung bzw. hilfsweise auf Gewährung eines weiteren Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für den bestellten Verteidiger).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts K aus Essen vom 15. Dezember 1998/31. März 2000 auf Gewährung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des (ehemaligen) Angeklagten bzw. auf Bewilligung eines weiteren Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für die Verteidigung des (ehemaligen) Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 4. April 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Regul und

die Richter am Oberlandesgericht Burhoff und Eichel

nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts

beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsteller wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags - ein weiterer Vorschuss in Höhe von 15.000,-- DM (in Worten: fünfzehntausend Deutsche Mark) auf eine demnächst zu gewährende Pauschvergütung bewilligt, und zwar zusätzlich zu den bereits entstandenen und ggf. noch entstehenden gesetzlichen Gebühren.

Gründe:

I.

Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein Wirtschaftstrafverfahren, das vom Senat in seinem Beschluss vom 10. Juni 1998 (2 (s) Sbd 5 5-64-70/98 = AGS 1998, 142 = Rpfleger 1998, 487 = StV 1998, 617 = AnwBl. 1998, 6135-64-70/98) bereits als "besonders schwierig" und "besonders umfangreich", beurteilt worden ist. Auf die Gründe des Beschlusses wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Senat hat daher durch diesen Beschluss dem Antragsteller bereits einen Vorschuss von 10.000 DM auf eine demnächst nach § 99 BRAGO zu gewährende Pauschvergütung bewilligt. Grundlage dieses Vorschusses war im wesentlichen die Teilnahme des Antragstellers an bis dahin 59 Hauptverhandlungsterminen.

Danach hat der Antragsteller an weiteren 52 Hauptverhandlungsterminen teilgenommen. Das Verfahren ist inzwischen durch Urteil des Landgerichts vom 15. Dezember 1998 erstinstanzlich beendet. Der Angeklagte hat gegen seine Verurteilung Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Geschäftsstelle des zuständigen Strafsenats des BGH hat auf Anfrage am 12. Januar 2000 mitgeteilt, dass die Dauer des Revisionsverfahrens bei dem Umfang des Verfahrens nicht absehbar sei, es werde sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Mit seinem am 15. Dezember 1998 gestellten Pauschvergütungsantrag hat der Antragsteller eine Pauschvergütung von rund 170.000 DM beantragt, wobei er für jeden Hauptverhandlungstag die Wahlverteidigerhöchstgebühr von 1.520 DM in Ansatz gebracht hat.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung hat in seiner o. a. Stellungnahme beantragt, den Pauschvergütungsantrag derzeit abzulehnen, da eine Pauschvergütung erst nach Abschluss des Verfahrens gewährt werden könne, da erst dann die erforderliche Gesamtschau des Verfahrens möglich sei. Der Antragsteller hat darauf erwidert und beantragt, ihm zumindest einen weiteren Vorschuss zu gewähren.

II.

Die Gewährung einer Pauschvergütung kam vorliegend (noch) nicht in Betracht, auf den Hilfsantrag war dem Antragsteller jedoch ein (weiterer) Vorschuss zu gewähren.

Hinsichtlich der vom Antragsteller beantragten Pauschvergütung nach § 99 Abs. 1 BRAGO hält der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass über die Gewährung einer Pauschvergütung grundsätzlich erst nach endgültiger Beendigung der Tätigkeit des Verteidigers entschieden werden kann (vgl. u.a. Beschlüsse des Senats in StraFo 1996, 158 = ZAP EN-Nr. 49/96; StraFo 1997, 286 = AnwBl. 1998, 200 = AGS 1999, 106 = ZAP EN-Nr. 563/97 und den o.a. Beschluss des Senats vom 10. Juni 1998). Erst dann kann nämlich beurteilt werden, ob ein erheblicher Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt ggf. durch weniger arbeitsintensive Tätigkeit des Verteidigers in anderen Verfahrensabschnitten ggf. kompensiert wird. Danach kommt hier, da das Revisionsverfahren noch nicht beendet ist, die Gewährung einer Pauschvergütung nicht in Betracht.

Der Senat hat in der Vergangenheit jedoch ebenfalls bereits wiederholt entschieden, dass in den Fällen, in denen die Bewilligung einer Pauschvergütung noch nicht möglich ist, dem bestellten Verteidiger aber ein Vorschuss auf eine demnächst zu gewährende Pauschvergütung bewilligt werden kann. Voraussetzung für diesen Vorschuss ist, dass der Verteidiger in einem in einem sogenannten "Monsterverfahren" tätig geworden ist, er infolge des außergewöhnlichen Umfangs seiner Pflichtverteidigertätigkeit eine sehr lange Zeit hindurch an der Ausübung einer weiteren beruflichen Tätigkeit weitgehend gehindert war und die Versagung von Teilzahlungen auf eine voraussichtliche spätere Pauschvergütung als eine unzumutbare Härte für den Verteidiger erscheinen müsste, die ggf. bis zu existentiellen Konsequenzen führen könnte (st. Rspr. des Senats, vgl. u.a. ZAP EN-Nr. 474/96 = AGS 1996, 125 mit Anmerkung Madert; AnwBl. 1998, 219, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ferner muß bereits im gegenwärtigen Verfahrensstadium eine Pauschvergütung unabhängig vom weiteren Verlauf des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens mit großer Sicherheit zu erwarten sein und auch die Höhe des Vorschusses durch den Gang des weiteren Verfahrens voraussichtlich nicht mehr nach unten beeinflusst werden können. Unter Zugrundelegung dieser auf verfassungsrechtlichen Aspekten beruhenden Rechtsprechung (vgl. dazu den o.a. Beschluss des Senats vom 10. Juni 1998) ist dem Antragsteller daher im vorliegenden Verfahren auch bereits der Vorschuss von 10.000 DM gewährt worden (vgl. den Beschluss vom 10. Juni 1998).

Diese verfassungsrechtlichen Aspekte sind darüber hinaus in der Vergangenheit aber auch bereits wiederholt Anlass gewesen, einem Verteidiger einen sog. weiteren Vorschuss zu gewähren (vgl. Senat in AnwBl. 1998, 613; AGS 1998, 141; AGS 199,9, 73; siehe auch Burhoff StraFo 1999, 261.ff. mit weiteren Nachweisen). Dabei hat der Senat bislang noch nicht abschließend entschieden, welche (weiteren) Kriterien zur Gewährung eines weiteren Vorschusses führen (siehe einerseits Senat in AnwBl. 1998, 613: Teilnahme an weiteren 41 Hauptverhandlungstagen; andererseits Senat in AGS 1999, 73: Teilnahme an 50-60 Tagen). Diese Frage braucht jedoch auch vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden. Denn auch nach der engeren Ansicht des Senats (siehe dazu AGS 1999, 73) sind vorliegend die Voraussetzungen für einen weiteren Vorschuss gegeben. Der Antragsteller hat nach Gewährung des Vorschusses durch den Beschluss vom 10. Juni 1998 an weiteren 52 Hauptverhandlungstagen teilgenommen. Hinzu kommt, dass das Revisionsverfahren nach mehr als 15 Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist und auch nicht absehbar ist, wann das Verfahren endgültig rechtskräftig beendet sein wird. Es besteht, worauf der Antragsteller zu Recht hinweist, die Möglichkeit, dass das landgerichtliche Urteil durch den BGH aufgehoben wird und die erstinstanzliche Hauptverhandlung wiederholt werden muss. Unter diesen Umständen würde es nach Auffassung des Senats ein vom Grundgesetz nicht gebilligtes Sonderopfer des bestellten Verteidigers bedeuten, wenn ihm nicht nur die Pauschvergütung, sondern auch ein - weiterer Vorschuss darauf nicht gewährt werden würde. Der Senat hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass das dem Pflichtverteidiger auferlegte Sonderopfer nicht so groß werden darf, dass die finanziellen Einbußen des Rechtsanwalts unter Berücksichtigung der von ihm erbrachten Tätigkeiten unverhältnismäßig würden (vgl. u.a. den o.a. Beschluss vom 10. Juni 1998). Das wäre vorliegend aber der Fall, wobei von besonderem Belang ist, dass sowohl der Antragsteller als auch seine Sozia als Pflichtverteidiger im Verfahren tätig waren und damit beide Rechtsanwälte der Sozietät über einen längeren Zeitraum sich fast ausschließlich dem vorliegenden Verfahren haben widmen müssen.

Unter Berücksichtigung aller, derzeit erkennbaren Umstände des Einzelfalls erschien dem Senat daher die Bewilligung eines weiteren Vorschusses von 15.000 DM angemessen. Dabei hat der Senat sich an der einem Pflichtverteidiger für einen weiteren Hauptverhandlungstag/Woche zustehenden Gebühr orientiert und außerdem mit in Erwägung gezogen, dass die Pauschvergütung voraussichtlich nicht mehr nach unten beeinflusst werden kann (vgl. Senat in StraFo 1997, 95). Dafür spricht schon der bisherige erhebliche Umfang des Verfahrens, der auch vom Vertreter der Staatskasse grundsätzlich nicht bestritten wird.

Wegen der darüber hinaus geltend gemachten Gebühren der Antragsteller geht von einer Gebühr von 1.540 DM/Tag aus - verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 10. Juni 1998.



Ende der Entscheidung

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