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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.04.2000
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 7/2000
Rechtsgebiete: BRAGO, BtMG


Vorschriften:

BRAGO § 99 Abs. 1
BRAGO § 97 Abs. 3
BRAGO § 97 Abs. 1
BtMG § 31
1. Es ist daran festzuhalten, dass bei der Frage, ob einem Pflichtverteidiger ein Pauschvergütung zu bewilligen ist, nur die von dem Antragsteller nach seiner Beiordnung für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind.

2. Zur Frage, wann ein Verfahren für den Pflichtverteidiger "besonders Umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist.


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

2 (s) Sbd. 6/2000 OLG Hamm 2 (s) Sbd. 7/2000 OLG Hamm 1 KLs 47 Js 390/97 LG Bochum 5650 a E - 5a. 6692 Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des OLG Hamm

Strafsache

wegen Verstoßes gegen das BTM-Gesetz

(hier: Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die bestellten Verteidiger).

Auf die Anträge

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 6. April 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Regul und

die Richter am Oberlandesgericht Burhoff und Eichel

nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts

beschlossen:

Tenor:

Rechtsanwalt D wird antragsgemäß anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 2.420,-- DM eine Pauschvergütung von 3.750 DM (in Worten: dreitausendsiebenhundertfünfzig Deutsche Mark) bewilligt.

Der Antrag von Rechtsanwalt D wird abgelehnt

Gründe:

I.

Die Antragsteller waren den ehemaligen Angeklagten, denen von der Staatsanwaltschaft Bochum in einem umfangreichen Sammelverfahren zahlreiche Verstöße gegen das BtM-Gesetz in unterschiedlicher Beteiligung vorgeworfen wurden, als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Antragsteller zu 1) wurde seinem Mandanten am 29. Januar 1998 beigeordnet, der Antragsteller zu 2) seiner Mandantin am 27. August 1998. Beide Antragsteller beantragen für ihre für ihre jeweiligen Mandanten erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die sie im wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründen:

Der Antragsteller zu 1) hat nach seiner Beiordnung an einer polizeilichen Vernehmung und an einer richterlichen Vernehmung seines Mandanten teilgenommen, außerdem an der Verkündung eines Haftbefehls. Zusätzlich hat er mit seinem inhaftierten Mandanten im Polizeipräsidium sechs Besprechungen geführt. Die Hauptverhandlung fand am 2., 4., 8., 10. und 11. September 1998 bei einer Strafkammer des Landgerichts Bochum statt. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine betrug 5 Stunden 19 Minuten.

Der Antragsteller zu 2) hat geltend gemacht, er habe nach seiner Beiordnung seine Mandantin in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen besucht. Außerdem hat er an den vier Hauptverhandlungsterminen vor der Strafkammer des Landgerichts Bochum am 23., 25., 28. und 29. September 1998 teilgenommen, die durchschnittlich 3 Stunden und 47 Minuten gedauert haben.

Wegen des weiteren Umfangs der jeweiligen Inanspruchnahme und der jeweils von den Antragstellern für die ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die den Antragstellern bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 1. Februar 2000 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers zu 1) betragen 2.420 DM. Dieser Antragsteller hat eine Pauschvergütung von 3.750 DM (950 DM Vorverfahren, 800 DM 1. Hauptverhandlungstag und 500 DM für die weiteren Hauptverhandlungstage) geltend gemacht. Der Antragsteller zu 2), dessen gesetzliche Gebühren 2040 DM betragen, hat eine Pauschvergütung von 2.420 DM beantragt.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat das Verfahren als nicht "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Demgegenüber hat der Antragsteller zu 1) dann geltend gemacht, das Verfahren sei insbesondere deshalb "besonders schwierig" gewesen, weil es schwierig gewesen sei, seinem Mandanten bewusst zu machen, dass es im Hinblick auf § 31 BtMG besser sei, die ihm gegenüber gemachten Vorwürfe einzuräumen.

II.

Dem Antragsteller zu 1) war eine Pauschvergütung zu bewilligen, der Pauschvergütungsantrag des Antragstellers zu 2) war hingegen abzulehnen.

1.

Vorab ist für beide Antragsteller darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei der Frage, ob den Antragstellern eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, nur die von den Antragstellern nach ihrer Beiordnung für ihre Mandanten erbrachten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. (vgl. u.a. Senat in AnwBl. 1998, 219 = AGS 1997, 138). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Entscheidung des OLG Jena vom 11. 11. 1998 - StV 2000, 94 - gibt dem Senat keinen Anlass, seine ständige Rechtsprechung zu ändern. Die von der Gegenmeinung vorgebrachten Gründe (vgl. dazu OLG Jena, a.a.O.) überzeugen nicht. § 97 Abs. 3 BRAGO gewährt auch in Verbindung mit 99 BRAGO keine Zusatzgebühr (so schon Senat in ZAP EN-Nr. 999/9% = AnwBl. 1995, 562 = StraFo 1996, 93 = JurBüro 1996, 359; zu allem auch Burhoff StraFo 1999, 261, 263). Damit sind bei dem Antragsteller zu 1) nur die nach dem 29. Januar 1998 erbrachte Tätigkeiten und beim Antragsteller zu 2) nur die nach dem 27. August 1998 erbrachten zu berücksichtigen.

2.

Das Verfahren war auch für beide Antragsteller nicht "besonders schwierig". "Besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff, StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Insoweit tritt der Senat der sachnahen Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer bei; ein Grund, dieser nicht zu folgen, ist nicht ersichtlich (vgl. insoweit Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104).

Die von den Antragstellern vorgebrachten Einwände, lassen demgegenüber eine Beurteilung als "besonders schwierig" nicht zu. Soweit der Antragsteller zu 1) geltend macht, es sei (besonders) schwierig gewesen, seinen Mandanten von der Vorteilhaftigkeit eines Geständnisses zu überzeugen, führt das nicht dazu, das Verfahren selbst als besonders schwierig im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO anzusehen. Denn der insoweit vom Antragsteller zu 1) geltend gemachte Aufwand und seine Bemühungen, sprechen eher für mehr Zeitaufwand und sind damit bei der Frage, ob das Verfahren "besonders umfangreich" war, von Bedeutung. Dasselbe gilt für den Antragsteller zu 2). Auch die von ihm geschilderten Schwierigkeiten lassen ggf. einen erheblicheren Zeitaufwand erkennen, nicht hingegen verfahrensrechtliche Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art. Demgemäss kam bei beiden Antragstellern nur eine Pauschvergütungsgewährung wegen des "besonderen Umfangs" des Verfahrens in Betracht.

3.

Für den Antragsteller zu 1) war das Verfahren "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. l BRAGO, so dass ihm eine Pauschvergütung zu bewilligen war.

Bei den insoweit zu berücksichtigenden Tätigkeiten hat der Senat zunächst die Teilnahme des Antragstellers an den fünf Hauptverhandlungsterminen, die dicht - nämlich fünf Termine in nur neun Tagen - terminiert waren. Auch die durchschnittliche Dauer ist mit 5 Stunden und 19 Minuten im Verhältnis zu anderen Strafkammerverfahren schon leicht überdurchschnittlich.

Entscheidend für die Gewährung einer Pauschvergütung sind bei diesem Antragsteller aber die darüber hinaus von ihm für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten. Der Antragsteller hat an einer polizeilichen und einer richterlichen Vernehmung, sowie an der Verkündung des neuen Haftbefehls teilgenommen. Außerdem hat er sechs Besprechungen mit seinem unter Zeugenschutz stehenden Mandanten im Polizeipräsidium Bochum geführt, was sechs Besuchen in einer Justizvollzugsanstalt entspricht.

Der dadurch insgesamt entstandene zeitliche Mehraufwand ist, was auch der Vertreter der Staatskasse einräumt, nicht durch die wegen der Inhaftierung des Mandanten nach § 97 Abs. 1 BRAGO erhöhten beiden gesetzlichen Gebühren abgegolten. Der Senat hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass dadurch nur der übliche Zeitaufwand abgegolten wird (vgl. dazu grundlegend Senat in NStZ-RR 1998, 254 = StraFo 1998; 321, 356 = AGS 1998, 140 = StV 1998, 619). Dass der vom Antragsteller zu 1) vorliegend erbrachte Zeitaufwand nicht "üblich" im Sinn dieser Rechtsprechung ist, bedarf angesichts des Umfangs der Tätigkeiten des Antragstellers keiner näheren Darlegung (zur Üblichkeit siehe auch Senat in StraFo 2000, 35 = StV 2000, 93 sowie den ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmten Beschluss des Senats vom 17. Februar 2000 - 2 (s) Sbd. 6-13/2000).

Bei der Bemessung der nach allem damit dem Antragsteller zu 1) zu gewährenden Pauschvergütung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Besonderes Gewicht hatte dabei neben der leicht überdurchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlungstermine deren dichte Terminierung. Auch waren bei der Bemessung der Pauschvergütung die vom Antragsteller zu 1) erbrachten Fahrtzeiten von Marl, dem Sitz seiner Anwaltskanzlei, nach Bochum zu berücksichtigen (vgl. dazu Senat in StraFo 1999,143 = wistra 1999, 156 = AGS 1999, 72). Alles in allem erschien die beantragte Pauschvergütung von 3.750 DM einerseits angemessen, um die vom Antragsteller zu 1) erbrachten Tätigkeiten zu vergüten, andererseits aber auch ausreichend.

4.

Dem Antragsteller zu 2) konnte hingegen eine Pauschvergütung nicht gewährt werden, da er nicht in einem im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO "besonders umfangreichen" Verfahren tätig geworden ist.

Gegen die Bewilligung einer Pauschvergütung spricht schon die nur unterdurchschnittliche Dauer der vier Hauptverhandlungstermine, die durchschnittlich nur 3 Stunden 47 Minuten gedauert haben. Dieser Umstand wird auch nicht dadurch zugunsten des Antragstellers kompensiert, dass die vier Termine in einem Zeitraum von sechs Tagen stattgefunden haben, also auch dicht terminiert waren. Der Antragsteller zu 2) hat darüber hinaus zwar auch geltend gemacht, seine Mandantin nach seiner Beiordnung am 27. August 1998 ebenfalls in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen besucht zu haben. Er hat jedoch nicht näher dargelegt, wie oft und wie lange er seine Mandantin besucht hat. Damit ist für den Senat, da sich diese Angaben auch nicht aus dem Gebührenfestsetzungsantrag ableiten lassen, nicht erkennbar, ob und inwieweit diese Besuche im Pauschvergütungsverfahren Berücksichtigung finden können (allgemein dazu Senat in StraFo 2000, 35 = StV 2000, 93). Der Antragsteller hat im Übrigen auch nicht die Möglichkeit genutzt, auf die ihm zugesandte Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse, in der auf diesen Umstand hingewiesen worden ist, zu erwidern und damit nachträglich noch seinen Pauschvergütungsantrag weiter zu begründen. Da schließlich auch der vom Antragsteller zu 2) für die Fahrt vom Sitz seiner Kanzlei in Düsseldorf nach Bochum erbrachte Zeitaufwand bei der Frage, ob überhaupt eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, keine Berücksichtigung finden konnte (vgl. dazu Senat in NStZ-RR 1999, 31 = Rpfleger 1999, 95 = AGS 1999, 168), war nach allem der Pauschvergütungsantrag des Antragstellers zu 2) abzulehnen.

Ende der Entscheidung

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