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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.07.2006
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX - 73/06
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 51
Zur Gewährung einer Pauschgebühr, wenn der Pflichtverteidiger den Mandanten zweimal im Ausland in der Justizvollzugsanstalt besucht hat.
Beschluss

Strafsache

gegen H. u.a.,

hier: A.R; zuletzt wohnhaft in Monaco,

wegen Beihilfe zur Untreue, (hier: Pauschgebühr für den bestellten Verteidiger gem. § 51 RVG).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts C. in S. 23. Februar 2005 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Pflichtverteidigung des früheren Angeklagten R. hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. Juli 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht (als Einzelrichter gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 1 RVG) nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 4.330,- € eine Pauschgebühr von 6.800,- € (i.W.: sechstausendachthundert Euro) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Gründe:

Der im September 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnete Antragsteller begehrt für "die Gesamtleistung im Zusammenhang mit der Verteidigung" für den früheren Angeklagten eine "Pauschvergütung" (nach RVG jetzt Pauschgebühr), für die er als Rechnungsgrundlage das Doppelte der höchsten sich nach dem RVG ergebenden Gebühren zugrunde gelegt hat. Ausgehend von ihm so errechneten insgesamt 10.900,- € und unter Hinzurechnung der "Fahrt- und Abwesenheitsgebühren" sowie Kopierkosten beziffert er seinen Antrag auf 12.500,- € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer in Höhe von 2.000,- €. Insgesamt begehrt er 14.500,- €, denen noch Zinsen in Höhe von "5 % über dem Basiszinssatz" hinzugesetzt werden sollen.

Bei dieser Berechnung geht der Antragsteller allerdings zum Teil noch von unzutreffenden ihm zustehenden gesetzlichen Gebühren aus, da er die Terminsgebühren für die sieben Hauptverhandlungstermine lediglich nach Nr. 4115 VV RVG mit jeweils 263,- € und die Längenzuschläge für die drei über fünf Stunden dauernden Hauptverhandlungstermine lediglich nach Nr. 4116 VV RVG mit jeweils 108,- € anstelle ihm tatsächlich zustehender Gebühren in Höhe von 7 x 434,- € nach Nr. 4121 VV RVG und 3 x 178,- € nach Nr. 4122 VV RVG berechnet und insoweit auch entsprechend seinem Kostenfestsetzungsantrag in dieser zu niedrigen Höhe bislang erhalten hat.

Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse unter dem 13. Juni 2006 ausführlich Stellung genommen, den Tätigkeitsumfang des Antragstellers zutreffend dargestellt und im Hinblick auf die auch vom Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer bejahte besondere Schwierigkeit und den besonderen Umfang des Verfahrens die Bewilligung einer angemessenen Pauschvergütung dem Grunde nach befürwortet. Auf diese Stellungnahme wird Bezug genommen.

Mit dem Vertreter der Staatskasse und dem Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer hält auch der Senat das Verfahren - im Vergleich auch mit anderen vor einer Wirtschaftsstrafkammer verhandelten Verfahren - für bereits besonders schwierig i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Gesetzgeber wie bisher nur bei Schwurgerichtsverfahren nunmehr auch dem in der Regel höheren Schwierigkeitsgrad von Strafsachen, die vor einer Wirtschaftsstrafkammer nach § 74 c GVG verhandelt werden, durch erheblich höhere gesetzliche Gebühren gegenüber Verfahren, die vor einer allgemeinen Strafkammer verhandelt werden, Rechnung getragen hat (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 23. August 2005 in 2 (s) Sbd. VIII - 168/05 = NJW 2006, 74).

Aus den auch insoweit zutreffenden Gründen der genannten Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse ist das Verfahren innerhalb der auch in diesem Zusammenhang zum Vergleich heranzuziehenden Wirtschaftsstrafverfahren als bereits besonders umfangreich i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG anzusehen.

Insbesondere im Hinblick auf die beiden Haftbesuche bei dem zunächst in Monaco in Auslieferungshaft befindlichen Mandanten im April und Juni 2004, für die dem Antragsteller keine gesonderten gesetzlichen Gebühren zustehen, erscheinen die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers zumindest in einer Gesamtschau auch nicht mehr zumutbar, wobei es auch weiterhin dahinstehen kann, wie dieses in das Gesetz neu aufgenommene Merkmal der Zumutbarkeit allgemein zu verstehen und auszulegen ist.

Unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalles hält der Senat daher insgesamt anstelle der gesetzlichen Gebühren von 4.330,- € die bewilligte Pauschgebühr in Höhe von 6.800,- € für angemessen aber auch ausreichend.

Dabei hat sich der Senat - neben der bereits erwähnten Tatsache bereits erheblich erhöhter gesetzlicher Gebühren in Wirtschaftsstrafverfahren - zum einen an der durchschnittlichen Dauer der sieben Hauptverhandlungstermine mit rund viereinhalb Stunden orientiert und auch dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Antragsteller für seine Haftbesuche bei dem auch nach seiner Auslieferung in die Bundesrepublik Deutschland inhaftierten Mandanten sowie für die Fahrten zur Hauptverhandlung zum einen Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld nach den Nrn. 7003, 7004 und 7005 VV RVG zustehen und darüber hinaus wegen der Inhaftierung des Mandanten zum andern sämtliche gesetzlichen Gebühren mit Zuschlag zu gewähren sind.

Soweit drei der Hauptverhandlungstermine länger als fünf Stunden gedauert haben, ist diesem Umstand bereits durch den Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV RVG in Höhe von 178,- € hinreichend Rechnung getragen (vgl. zur Berechnung und zum Entstehen eines Längenzuschlags u.a. Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2005 in 2 (s) Sbd. VIII - 54/05 = StV 2006, 201 = RVGreport 2005, 351 und vom 28. Februar 2006 in 2 (s) Sbd. IX - 1 u. 14/06 = StraFo 2006, 173; ferner auch den in der Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse zitierten Beschluss des hiesigen 3.Strafsenats vom 30. April 2006 in 3 Ws 47/06).

Da der Antragsteller nicht nur für einzelne Verfahrensabschnitte eine Pauschgebühr geltend gemacht hat, auch wenn er insoweit jeweils Einzelbeträge anstelle der jeweiligen gesetzlichen Gebühren aufgeführt hat, sondern eine solche in Höhe von insgesamt 12.500,- € pauschal für die gesamte Verteidigung des früheren Angeklagten, und sich somit weder der Antrag des Antragstellers noch die vorgenommene Bewilligung einer Pauschgebühr auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkt, waren die einzelnen Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, nicht im Einzelnen und im Tenor des Beschlusses aufzuführen. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 1 S. 3 RVG (vgl. auch Senatsbeschluss vom 21. März 2006 in 2 (s) Sbd. IX - 29./06 sowie den bereits o.g. Senatsbeschluss vom 23. August 2005). Es war eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren in der genannten Höhe von 6.800,- € zu bewilligen. Diese übersteigt die sogenannte Mittelgebühr eines Wahlverteidigers von 4.765,- € ganz erheblich und nähert sich bereits den Höchstgebühren eines Wahlverteidigers, die vorliegend 8.550,- € betragen würden, an.

Andererseits übersteigt die bewilligte Pauschgebühr noch deutlich und erheblich sogar die Höchstgebühren in Höhe von 5.450,- €, die ein Wahlverteidiger, der einen inhaftierten Mandanten in einer allgemeinen Strafsache vor einer Strafkammer verteidigt, erhalten würde.

Demgemäß war der darüber hinausgehende nahezu maßlos übersetzte Antrag abzulehnen, da die Kriterien für die Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers in einer Wirtschaftsstrafsache oder Schwurgerichtssache oder diese gar noch übersteigend nicht annähernd erfüllt sind. Dies wäre nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur dann der Fall, wenn der Verteidiger über einen langen Zeitraum von vielen Monaten oder gar Jahren nahezu ausschließlich mit der in Rede stehenden Strafsache beschäftigt gewesen wäre. Davon kann vorliegend aber nicht die Rede sein, worauf der Vertreter der Staatskasse in seiner genannten Stellungnahme unter Berücksichtigung auch der zitierten Senatsrechtsprechung zutreffend hingewiesen hat.

Im Hinblick auf die vorliegend festgesetzte Pauschgebühr dürfte sich die Anmeldung einer Nachfestsetzung bezüglich der vom Antragsteller bislang zu niedrig angesetzten gesetzlichen Gebühren, wie sie der Vertreter der Staatskasse in seiner Stellungnahme noch angeregt hat, erübrigen, da sie ohnehin ins Leere gehen würde.. Gleichfalls dürfte sich deshalb die Einlegung eines Rechtsmittels durch den Antragsteller gegen die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts erfolgte Kürzung der Längenzuschläge bei der gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 RVG vorgenommenen Festsetzung der gesetzlichen Gebühren erübrigen, zumal inzwischen darüber hinaus die zugrunde liegende Rechtsfrage durch die Rechtsprechung auch des für den Landgerichtsbezirk zuständigen Strafsenat geklärt ist.

Da die Pauschgebühr lediglich an die Stelle der gesetzlichen Gebühren tritt, ist über Auslagen sowie Fahrt- und Abwesenheitsgelder sowie die Mehrwertsteuer nicht im Verfahren über die Bewilligung einer Pauschgebühr, sondern im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des erstinstanzlichen Gerichts zu entscheiden.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus die Festsetzung von Zinsen beantragt hat, ist darauf hinzuweisen, dass unabhängig davon, was mit "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" gemeint sein soll, im Strafverfahren weder die gesetzlichen Gebühren noch eine etwa bewilligte Pauschgebühr verzinst werden (vgl. Burhoff (Hrsg.), RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Teil C - Kommentar, § 51 Rdnr. 37 = S. 400 sowie Teil B - Vergütungs-ABC, Vergütung aus der Staatskasse für beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte, Rdnr. 9 = S. 243; Gerold/Schmidt - Madert, RVG, 17. Aufl., § 51 Rdnr. 15).

Allerdings ist dem Umstand, dass seit der Antragstellung bis zur Bewilligung der Pauschgebühr wegen der anderweitigen Unentbehrlichkeit der Akten ein Zeitraum von fast 1 1/2 Jahren vergangen ist, bei der Bemessung der Höhe in angemessenem Umfang Rechnung getragen worden (vgl. u. a. Senatsbeschluss vom 9. Januar 2001 in 2 (s) Sbd. 6 - 231, 232 u. 233/00 = AGS 2001, 154 m. w. N.).

Ende der Entscheidung

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