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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX 119/07
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 51
Zur Berücksichtigung von Fahrtzeiten bei der Bewilligung einer Pauschgebühr.
Beschluss

Strafsache

gegen J.E.

wegen Vergewaltigung (hier: Pauschgebühr für die Pflichtverteidiger).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts H. aus Aalen vom 11. April 2007 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 08. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Burhoff als Einzelrichter nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 2.644 € eine Pauschgebühr in Höhe von 4.700 € (in Worten: viertausendsiebenhundert €) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Dem Antragsteller war gemäß § 51 Abs. 1 RVG für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten eine Pauschgebühr zu bewilligen, da er in einem sowohl "besonders schwierigen" als "besonders umfangreichen" Strafverfahren tätig geworden ist und die ihm für seine Tätigkeiten zustehenden gesetzlichen Gebühren im Hinblick auf die von ihm erbrachten Tätigkeiten unzumutbar sind. Wegen der von dem Antragsteller erbrachten Tätigkeiten nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die dem Antragsteller bekannte Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 13. Juli 2007, die die ständige Rechtsprechung des Senats berücksichtigt, Bezug und tritt dieser im Wesentlichen bei.

Das Verfahren war entsprechend der Einschätzung des Vorsitzenden des Gerichts "besonders schwierig". Es besteht kein Grund sich dieser Einschätzung vorliegend nicht anzuschließen (vgl. dazu Senat in JurBüro 2006, 255 Ls. ; Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 23 mit weiteren Nachweisen).

Entgegen der Auffassung des Vertreters der Staatskasse war das Verfahren auch "besonders umfangreich". Zutreffend ist es insoweit allerdings, dass das nicht mit der Dauer der Hauptverhandlungstermine begründet werden kann. Von den insgesamt sieben Terminen haben nur einer mehr als sieben und einer mehr als fünf Stunden gedauert. Die übrigen Termine haben sämtlich nicht mehr als zwei Stunden 35 Minuten gedauert, so dass die durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer nur rund 3 Stunden betragen hat. Das ist für ein Verfahren vor der Strafkammer allenfalls durchschnittlich (vgl. Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 100). Zu berücksichtigen ist zudem, dass dem Antragsteller für die beiden langen Termine Zuschläge nach Nr. 4116 VV RVG zustehen.

Entgegen der Auffassung des Vertreters der Staatskasse waren bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs" aber die vom Antragsteller aufgewendeten Fahrtzeiten von Aalen, dem Sitz seiner Kanzlei, nach Hagen, dem Gerichtsort und dem Ort der Justizvollzugsanstalt, in der sich der ehemaligen Angeklagte zeitweise befunden hat, zu berücksichtigen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass seine zu § 99 BRAGO ergangene Rechtsprechung hinsichtlich der Berücksichtigung von Fahrtzeiten auch für § 51 RVG weiterhin Geltung hat (vgl. dazu u.a. Senat in NJW 2007, 311 mit weiteren Nachweisen; Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 93). Das bedeutet, dass vorliegend, da schon aus anderen Gründen die Gewährung einer Pauschgebühr in Betracht kommt, sowohl die Fahrtzeiten zu den Hauptverhandlungsterminen als auch die für die Besuche des ehemaligen Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt Heidenheim bzw. Hagen aufgewendeten Fahrtzeiten zu berücksichtigen sind (vgl. wegen der Einzelheiten Burhoff, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Insoweit hat der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 10. August 2007 dargelegt, dass er den ehemaligen Angeklagten zweimal in der Justizvollzugsanstalt Heidenheim und fünfmal in Zusammenhang mit Hauptverhandlungsterminen in der Justizvollzugsanstalt Hagen besucht hat. Dies ist nach Überzeugung des Senats nicht mehr durch die dem Antragsteller zustehenden Zuschläge zu den gesetzlichen Gebühren abgedeckt.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass, wie der Vertreter der Staatskasse zu erwägen gibt, der in Aalen ansässige Antragsteller beigeordnet worden ist, obwohl absehbar war, dass das Verfahren wahrscheinlich beim LG Hagen geführt werden würde und damit die Fahrten als verteidiger- und nicht verfahrensbezogen angesehen werden könnten. Nach Auffassung des Senats ändert dies nichts daran, dass der Antragsteller keinen Einfluss auf seine Beiordnung und darauf hat, in welcher Justizvollzugsanstalt der ehemaligen Angeklagte inhaftiert ist/war. Zudem verbieten sich im Hinblick auf eine einfache Gestaltung des Verfahrens zur Bewilligung einer Pauschgebühr noch weitere Differenzierungen bei der Berücksichtigung von Fahrtzeiten.

Bei der demgemäss zu bewilligenden Pauschgebühr hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dabei war einerseits der Umstand von erheblichem Belang, dass die Hauptverhandlungsdauer bei der Strafkammer nur durchschnittlich drei Stunden betragen hat. Andererseits ist der Antragsteller von Aalen aus zu den Hauptverhandlungsterminen schon jeweils Sonntags angereist und hat dann zuvor auch noch den ehemaligen Angeklagten fünfmal in der Justizvollzugsanstalt besucht. Auch hat der Antragsteller sich mit einem 100 Seiten langen psychologisch/psychiatrischen Sachverständigengutachten auseinandersetzen müssen und selbst einen weiteren Sachverständigen mit der Einholung eines Privatgutachtens beauftragt. Zudem sind weitere Gespräche mit Sachverständigen geführt worden. Insgesamt erschien dem Senat danach eine Pauschgebühr in der zuerkannten Höhe angemessen.

Die dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren wären angesichts des für die Anfahrt von Aalen nach Hagen aufgewendeten Zeiten unzumutbar.(vgl. dazu Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 27 mit weiteren Nachweisen).

Der weitergehende Antrag des Antragstellers, mit dem nach teilweiser Rücknahme des Antrags in der Stellungnahme vom 10. August 2007 noch eine Pauschgebühr in Höhe von der Wahlanwaltshöchstgebühr beantragt worden ist, war zurückzuweisen. Eine Pauschgebühr in dieser vom Antragsteller geltend gemachten Höhe, kam nicht in Betracht. Eine Pauschgebühr in dieser Höhe ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur dann gerechtfertigt, wenn das Verfahren die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers über einen längeren Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. Beschluss des Senats vom 16. September 1996 - 2 (s) Sbd. 4 95 u. 96/96 - StraFo 1997, 63 = JurBüro 1997, 84). Das war hier indes wegen der allenfalls durchschnittlichen Dauer der locker terminierten Hauptverhandlungstermine nicht der Fall.

Ende der Entscheidung

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