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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.06.2006
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. IX 56/06
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 51
Die vom Senat unter Geltung der BRAGO ausgestellten Grundsätze zur Berücksichtigung von vom Pflichtverteidiger erbrachter Besuche des Mandanten in der Justizvollzugsanstalt bei der Bewilligung gelten unter Geltung des RVG fort.
Beschluss

Strafsache

gegen G.B.

wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz (hier: Pauschgebühr für den als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt).

Auf die Antrag des Rechtsanwalts T. aus I.vom 27. Februar 2006 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01. 06. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Dem ehemaligen Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren ein Verstoß gegen das BtM-Gesetz vorgeworfen. Der ehemalige Angeklagte ist deswegen inzwischen vom Landgericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch im Hauptverhandlungstermin rechtskräftig geworden.

Der Antragsteller war für den ehemaligen Angeklagten seit 31. März 2005 als Wahlanwalt tätig. Er ist am 23. August 2005 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Der Antragsteller beantragt nunmehr für seine für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschgebühr. Dies hat er im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründet:

Der Antragsteller hat im vorbereitenden Verfahren einige Schreiben und Anträge verfasst und Einsicht in die aus insgesamt 3 Ordner und 23 Fallakten bestehenden Akten genommen. Er hat seinen inhaftierten Mandanten außerdem insgesamt 21 mal in der Justizvollzugsanstalt Essen besucht, und zwar viermal im vorbereitenden Verfahren und 17 mal im gerichtlichen Verfahren. Die Dauer der einzelnen Besuche hat er, da er dann häufig auch andere Mandanten besucht hat, im Einzelnen aufgelistet. Insgesamt hat der Antragsteller an reiner Besuchszeit 10 Stunden und 10 Minuten aufgewendet. Der ehemaligen Angeklagte war in der Justizvollzugsanstalt Hagen inhaftiert. Der Antragsteller hat seinen Sitz in Iserlohn.

Der Antragsteller hat außerdem an den sieben Hauptverhandlungsterminen teilgenommen, die in der Zeit vom 6. September bis zum 8. November 2005 stattgefunden haben. Die durchschnittliche Dauer der Termine hat rund 2 Stunden betragen. Drei der Termine haben in der Mittagszeit stattgefunden und bis zum frühen Nachmittag gedauert.

Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragsteller für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannt gemachten Stellungnahmen des Leiters des Dezernats 10 vom 06. April 2006 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers errechnen sich wie folgt:

Grundgebühr Nr. 4100, 4101 VV RVG|162,00 € Verfahrensgebühr vorbereitendes Verfahren Nr. 4104, 4105 VV RVG|137,00 € Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 3, 4103 VV RVG|137,00 € Verfahrensgebühr gerichtliches Verfahren Nr. 4112, 4113 VV RVG |51,00 € Terminsgebühr gerichtliches Verfahren Nr. 4114, 4115 VV RVG 263,00 € x 7 insgesamt also|2.291,00 €

Der Vorsitzende der Strafkammer hat das Verfahren als "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse ist dem nicht entgegengetreten. Er sieht das Verfahren allerdings nicht als "besonders umfangreich" an.

I.

Der Antrag war zurückzuweisen, da der Antragsteller weder in einem im Sinne des § 51 Abs. 1 RVG "besonders schwierigen" noch in einem "besonders umfangreichen" Verfahren tätig geworden ist.

1. Das Verfahren war nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG. Der Senat schließt sich insoweit nicht der Einschätzung des Vorsitzenden des Gerichts an (vgl. dazu Senat in StraFo 2005, 130 = RVGreport 2005, 68 = NStZ-RR 2005, 127 (Ls.) Rpfleger 2005, 214 = AGS 2005, 117 mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Senatsrechtsrechtsprechung). Die von diesem zur Begründung angeführten Umstände rechtfertigen nämlich eine Einordnung des Verfahrens als "besonders schwierig" nicht. Der Vorsitzende hat lediglich auf den "Umfang des Verfahrens" verwiesen.

2. Das Verfahren war für den Antragsteller auch nicht "besonders umfangreich" im Sinne des § 51 Abs. 1 RVG.

a) Insoweit hat der Senat bereits wiederholt dargelegt, dass grundsätzlich die bisherige Rechtsprechung des Senats zum Kriterium des "besonderen Umfangs" auf § 51 RVG anwendbar bleibt, da die Formulierung des § 51 Abs. 1 RVG derjenigen des früheren § 99 Abs. 1 BRAGO entspricht (vgl. zuletzt z.B. Senat im Beschluss vom 17. Januar 2006, 2 (s) Sbd. VIII - 237/05). Eine Strafsache ist danach dann "besonders umfangreich", wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat (allgemeine Meinung zu § 99 BRAGO; vgl. die Nachweise bei Burhoff StraFo 1999, 261, 263 in Fn. 30 und die ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zu § 51 RVG Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 13 ff. mit weiteren Nachweisen).

Auf dieser Grundlage sind die vom Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten aber nicht als "besonders umfangreich" anzusehen. Dagegen spricht allein schon die geringe durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer von zwei Stunden, wobei dieser Umstand auch nicht zumindest teilweise dadurch relativiert wird, dass drei der sieben Hauptverhandlungstermine in den Mittags- und frühen Nachmittagsstunden stattgefunden haben (vgl. dazu Senat in AGS 2002, 128 = BRAGOreport 2003, 52).

b) Der "besondere Umfang" ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Berücksichtigung der vom Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten 21 Besuche in der Justizvollzugsanstalt. Die insoweit vom Senat unter Geltung der BRAGO ausgestellten Grundsätze gelten zwar fort (vgl. dazu Rpfleger 2000, 295 = JurBüro 2000, 301 = StV 2000, 439 = AGS 2000, 90 = NStZ-RR 2000, 318 mit weiteren Nachweisen). Danach gilt auch für das RVG: Besuche des Verteidigers eines inhaftierten Mandanten in der Justizvollzugsanstalt gehören grundsätzlich zu den Aufgaben eines Pflichtverteidigers, werden soweit dadurch der übliche Aufwand nicht erheblich überschritten wird, durch die um den Zuschlag erhöhten gesetzlichen Gebühren abgegolten.. Dem insoweit resultierenden zeitlichen Mehraufwand für den Pflichtverteidiger wird in aller Regel aber durch die gesetzlichen Gebühren nur dann noch ausreichend Rechnung getragen, wenn auf jeweils eine erhöhte Gebühr nicht mehr als ein Anstaltsbesuch entfällt, wobei je nach den Umständen des Einzelfalles, die der Pflichtverteidiger ggf. vorzutragen hat, Abweichungen nach oben oder unten denkbar erscheinen. Anderenfalls kann dann die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG in Betracht kommen.

Im konkreten Falle erhält der Antragsteller sieben wegen der Inhaftierung des Mandanten erhöhte Gebühren, denen u.a. einen Zeitaufwand von über 10 Stunden allein für die Besuche bei seinem Mandanten gegenübersteht. Diesem nicht unerheblichen Zeitaufwand steht jedoch die geringe Hauptverhandlungsdauer gegenüber wird jedoch durch, was ins gesamt dazu führt, das Verfahren zwar als "umfangreich", aber noch nicht als "besonders umfangreich" anzusehen. Damit war der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr abzulehnen.

Ende der Entscheidung

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